Ashounputtel von Writing_League ================================================================================ Eine Portion Feenglanz ---------------------- Shou hing noch in seinen Gedanken Doumoto nach und überlegte, was für eine Aufgabe er wohl im Schloss hatte. Als er in der Stadt gewesen war, um ein paar Besorgungen zu machen, war er dem großen, prächtigen Gebäude so nah gekommen, wie er konnte. Natürlich hatte er Doumoto nicht gesehen, genau so wenig wie er sonst einen Blick hinein erhaschen hatte können. Es war eindeutig ein europäisches Schloss, so viel konnte er mit Gewissheit sagen. Vielleicht ein Nachbau, davon gab es schließlich mehrere in Japan, unter anderem in Disneyland. Falls er in dieser Realität immer noch in Japan war – nichts erinnerte ihn daran, außer ein paar japanischer Namen.   Als er in der Stadt gewesen war, hatte er die Gerüchte gehört, die sich sehr schnell als wahr herausstellten. Im Schloss gab es einen Ball, der zu Ehren des heimgekehrten Prinzen veranstaltet wurde und zu dem alle Heiratsfähigen des Landes eingeladen werden sollten. Als er nach Hause gekommen war, hatte sich ihre Einladung bereits im Briefkasten befunden und Shou verkündete seiner Familie die Neuigkeit. Auch wenn Mizoguchi und Takeru gar nicht zufrieden damit aussahen, dass Hisashi auch ihm die Erlaubnis gab, mitzukommen, sofern er alle Arbeiten erledigt und etwas Passendes zum Anziehen besaß, war Shou bester Laune. Er würde in den Palast gehen und dort Doumoto wiedersehen. Obwohl es nicht der Doumoto war, den er kannte, beflügelte es ihn. Oder vielleicht gerade deswegen? Es war wie ein Neuanfang, schließlich war seine fatale Vergangenheit diesem Doumoto unbekannt. Er konnte vor allem davonlaufen.   Shou hatte sich zu früh gefreut, als er seine Aufgaben endlich alle erledigt hatte und etwas zum Anziehen für sich suchen wollte. Er bekam einen Wäscheberg, bei dem er Kleidungsstücke flicken, bügeln, und was sonst nicht noch alles tun sollte. Es waren eindeutig die Ballroben der anderen, um die er sich zu kümmern hatte. Er wollte es nicht. „Könnt ihr das nicht selbst? Wenn ich mich nicht beeile, dann werde ich keine Zeit mehr für meine eigenen Klamotten haben.“   „Willst du etwa sagen, du möchtest nicht mitkommen, Shou?“, fragte Hisashi ernst mit einem strengen Blick in seine Richtung.   „Wie bitte?“ „Die Vereinbarung zwischen uns gilt, wenn du all deine Aufgaben erledigst. Tust du dies also nicht, hast du keine Berechtigung mit auf den Ball zu gehen.“   Die Worte schnitten sich wie ein scharfes Messer in seine Haut. Shou war in einer Zwickmühle gefangen und erkannte langsam die Aussichtslosigkeit in dieser Abmachung. Würde er die Aufgaben erfüllen, so könnte er sich selbst nicht mehr fertig machen – er hatte ja noch nicht einmal etwas herausgesucht. Erfüllte er die Aufgaben jedoch nicht, so dürfte er nicht mit. Er presste die Lippen zusammen. „Ich mache es“, murmelte er, eher hoffnungslos in seiner Lage, aber wenn er sich jetzt beeilte, dann würde er es vielleicht noch schaffen. Aufgeben war keine Option.   Diese Familie verlangte ihm einiges ab. Irgendwie ironisch, wo sie tatsächlich auch in ihrem normalen Leben schon viel an seinen Nerven gezerrt hatten – sei es Takerus lockere Arbeitshaltung, Hisashis übertriebener Ernst oder Mizoguchis Steifheit. Letzterer gab sich Mühe, aber er war längst nicht so weit, wie es nötig war, um an einem nationalen Wettbewerb teilzunehmen. Takeru hielt mit seiner „komm ich heute nicht, komm ich morgen“-Einstellung die Entwicklung des Teams auf und Hisashi nahm ihnen den Spaß und die Freude am Cheerleading mit zu hohen Erwartungen und einem provokanten Ton. Er seufzte leise, so ironisch war es. Nun musste er noch viel mehr stemmen als zuvor.   Er schaffte es zwar, alles fertig zu bekommen, doch bevor sich Shou versah, ließen sie schon die Kutsche rufen. Er hatte noch nicht einmal angefangen, sich fertig zu machen und wusste noch immer nicht, was er tragen sollte. Für ihn war klar, er würde nicht mitkommen können. Nicht so, wie er war. Er könnte Doumoto nicht treffen. Enttäuscht schleppte er sich die Wendeltreppe hinauf. Seine Schulten hingen schwer herunter, als er antriebslos Stufe für Stufe hochging, bis er die alte, hölzerne Tür erreichte. Als er sein Zimmer betrat, weiteten sich seine Augen. Auf seinem Bett lag ein Traum in weiß – ein langes besticktes Kleid mit Puffärmeln, Empire-Schnitt und vielen kleinen Stoffblumen am Rücken, an denen eine zarte Schleppe aus Spitze hing. Zugegeben, das war nicht, was er sich gewünscht hätte. Shou wäre doch lieber wie ein ganz normaler Mann mit Anzug gegangen, aber... Es war seine einzige Chance. Ein paar Vögel saßen auf dem Fensterbrett und sahen ihn auffordernd an, jedenfalls bildete er sich das ein.   Shou zögerte nicht. Von dem roten Blusenkleid trennte er sich schnell und probierte das weiße Brautkleid an, das einst seiner Mutter gehört hatte. Es passte ihm perfekt. Das musste ein Wunder sein. Leider hatte er keine anderen Schuhe und so mussten die abgetragenen Ballerinas bleiben, die man wahrscheinlich sowieso nicht sehen würde bei der Länge des Kleides. Um seinen nackten Hals noch etwas zu verzieren, wählte er eine Perlenkette dazu, es war schließlich nicht das erste Mal, dass er so etwas trug und ein Halstuch passte nun wirklich nicht dazu. Bevor Shou sich noch lange im Spiegel betrachten würde und dabei die Zeit vergaß, hastete er herunter in die Eingangshalle, wo Mizoguchi, Takeru und Hisashi gerade hinausgehen wollten.   „Halt! Ich komme mit!“   „Du? Aber du-“, stockte Takeru regelrecht, als er Shou in dem Kleid sah. Er sah entsetzt aus. „Ist das nicht ein Brautkleid? Du willst als Braut zum Ball gehen und mir damit die Show stehlen?“   „Du kannst so nicht gehen“, merkte Mizoguchi an und schob sich die Brille zurecht. Takeru fühlte sich offenbar bestätigt und nickte selbstgefällig. „Ein Brautkleid ist sowohl etwas Intimes als auch Persönliches einer Braut. Es muss ihre Persönlichkeit und ihren Stil präsentieren. Carolina Herrera.“   „Und?“   „Und...“, begann Takeru, der auf Shou zu stampfte und seinen Ärmel griff, während er ihm in einem Gemisch aus Grimmigkeit und Spott in die Augen sah. Mit einem lauten Ratschen lösten sich die Nähte, als er fest daran zog. „Puffärmel sind viel zu süß für dich. Und diese Spitze... Du bist nicht zart genug dafür.“ Auch daran zog Takeru ruckartig und fest genug, sodass sie einriss. Zufrieden ließ er schließlich von Shou ab, während dessen verstörte Augen zu Hisashi blickten. Der echte Hisashi wäre fair gewesen, wäre dazwischen gegangen und hätte Takeru geschimpft, aber dieser blickte kalt zu ihm rüber.   „Nun ist genug, wir gehen. Schade, Shou, so kannst du natürlich nicht mit. Aber ein anderes Mal sicherlich.“   Fassungslos blieb Shou zurück und sah den anderen nach. Er musste erst einmal verarbeiten, was passiert war. Er war nie das Opfer von Mobbing oder anderem Hass gegen sich geworden. Für gewöhnlich mochten ihn die Leute, nicht nur für sein Aussehen. Es fühlte sich furchtbar an, musste er feststellen. Shou schluckte. Er wusste nicht wohin, aber er musste einfach weg und so lief er los, egal wohin ihn seine Beine trugen. Weit kam er nicht.   „Shou? Wo willst du denn hin? Gehst du nicht zum Ball?“, fragte eine helle, kindliche Stimme viel zu naiv. Shou wusste sofort, um wen es sich handelte und er war auch langsam nicht mehr überrascht, hier allzu viele vertraute Gesichter zu sehen. „So kann ich nicht gehen“, stellte er resignierend fest, als er sich mit versteinerter Miene zu Sakuma umdrehte – nur um sein Gesicht wenig später komplett zu einer Grimasse zu verziehen.   „Diese kleinen Stellen können wir ganz leicht flicken“, stellte Sakuma fest und ließ sich davon nicht den Optimismus nehmen. Er zückte seinen Zauberstab, der perfekt zu dem glitzernden Tüllröckchen passte, so wie er das Licht der Laternen einfing und funkelnd reflektierte. Nur das kurze, schlichte Cape, das er trug, verdeckte einen Teil des falschen Sternenhimmels an seinem Körper. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich dich nicht vielleicht noch etwas verbessern sollte.“   „Verbessern?“   „Ja. Das Kleid ist hübsch, aber... Es fehlt einfach das gewisse Etwas! So wirst du nicht auffallen und den Prinzen heiraten.“   „Was? Ich will den Prinzen gar nicht heiraten.“   „Oh, sag das nicht, Shou!“, kicherte Sakuma und war offenbar sehr überzeugt davon, dass er Recht hatte. Jeden weiteren Protest ignorierte oder überhörte er. Shou sparte es sich, zu energisch abzustreiten und so widmete sich Sakuma dem, was jetzt wichtiger war – sein Kleid. Die kleine Fee plusterte sich noch ein bisschen auf, bevor sie ihren Zauberstab schwang und einen Kauderwelsch von sich gab, den Shou nicht verstand. Aber es tat sich etwas. Über Shou sammelte sich ein glitzernder Lichtregen, der sich auf seiner Haut sammelte und niederlegte. Als der Glitzerstaub sich verband, bekam er eine ganz neue Struktur und im nächsten Moment war Shou in ein komplett anderes Outfit gehüllt. Ein hautenges Cheerleading-Outfit schmückte seinen Körper, der Rock verboten kurz mit einer noch kürzeren Shorts darunter. An Glitzer hatte Sakuma auch hier nicht gespart. Neben den glänzenden Satinbändern, die in dem Kostüm verarbeitet waren, waren die Säume mit zur Körpermitte auslaufendem Glitzer versehen. An der Taille sowie an den Ellenbogen befanden sich durchsichtige Tüllpartien, die ebenfalls glitzerten. Shou hatte solch eine prunkvolle Uniform noch nie in Japan gesehen, lediglich in ein paar Videos von amerikanischen Cheer-Wettbewerben.   „Woah, so hübsch! Shou, es ist noch besser geworden, als ich gedacht habe!“, entwich es Sakuma völlig begeistert und während die kleine Fee sich selbst feierte, war Shou nicht überzeugt. Die große Cheer-Schleife auf seinem Kopf hatte er noch gar nicht bemerkt. „Ist das nicht etwas unangebracht für einen Ball? Außerdem hatte ich gehofft, du könntest mir etwas männlicheres zaubern.“ Wenn er doch schon zaubern konnte, warum dann keinen feinen Anzug?   „Huh? Dann magst du es nicht? … Aber es ist doch ein Kostümball, da laufen alle so rum.“   „Ein Kostümball?“   „Ah, das wusstest du nicht? Dann weißt du es jetzt! Wenn du allerdings noch etwas davon haben willst, solltest du jetzt keine Zeit verlieren!“   Offenbar war Shous Protest zu seinem Outfit damit abgetan, denn Sakuma hatte sich anderen Dingen zugewandt und verwandelte nun einen Kürbis in eine prunkvolle, natürlich ebenfalls glitzernde, Kutsche – beeindruckend, wie Shou fand. Ein paar Mäuse mussten als Pferde herhalten und ein Eichhörnchenpaar wurde zu Kutschern. Dann war alles bereit und Shou wurde unter Drängeln von Sakuma zur Kutsche geschoben, schließlich war keine Zeit zu verlieren, wie er nochmals anmerkte. Erst als Shou in die Kutsche steigen wollte, stutzte Sakuma.   „Moment! Was ist das? Da hab ich wohl eine Stelle übersehen!“   Shou folgte Sakumas Blick hinunter auf seine abgetragenen rosa Ballerinas und sah mit an, wie sie sich in ein paar gläserne verwandelte. Shou konnte sich kaum vorstellen, dass- Zugegeben, sie waren bequemer, als er dachte. „Glas?“, fragte er trotzdem irritiert, schließlich war es genau so wenig geeignet zum Cheeren wie Ballerinas allgemein.   „Sind sie nicht hübsch? Ich hab mich selbst übertroffen! Ah, aber nun geh! Beeil dich! Nur eins sollst du noch wissen: Wenn der letzte Glockenschlag erklingt – um Mitternacht –, dann erlischt der Zauber und alles wird so, wie es vorher war!“   Die Worte vernahm Shou noch, bevor sich die Kutsche in Gang setzte und davon preschte. Bis Mitternacht also. Es sollte ihm genug Zeit geben, mehr als genug. Er würde Doumoto treffen können, selbst wenn es in diesem Aufzug sein musste.   Die kleine Fee blieb allein zurück und sah der funkelnden Kutsche hinterher, erst noch freudig, dann doch die Mundwinkel senkend. „Ich würde nur zu gerne auch auf den Ball gehen“, murmelte er zu sich selbst und seufzte betrübt. Recht bald erhellte sich sein Gesicht allerdings wieder. „Moment! Es ist ein Kostümball. Ich werde gar nicht auffallen!“ Mit einem vor Vorfreude strahlenden Gesicht löste er sich schließlich in Luft auf und kicherte dabei vergnügt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)