Der Elysianer von ZMistress ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Kapitel 5   Die Türklingel war draußen auf der Straße nicht sehr laut zu hören, aber Cletus zog es ohnehin vor, wenn nicht gleich die ganze Nachbarschaft von seiner Anwesenheit wusste. Er stellte sich aufrecht hin und zupfte an seinem Kragen herum. Seit kurzem waren weite Kragen ziemlich angesagt und auch wenn er sich lieber die Zunge abgebissen hätte als das zuzugeben, war das modischste Outfit nicht unbedingt das praktischste. Noch bevor er ungeduldig werden konnte, öffnete sich auch schon die Tür und der Hausbot bat ihn höflich herein. Cletus kannte den Weg, war er doch in den letzten drei Jahren häufig zu Besuch gewesen, aber um den Regeln der Etikette genüge zu tun, folgte er fügsam dem Bot, der ihn ins Wohnzimmer führte, wo bereits ein kleiner Kaffeetisch gedeckt war. Auria lächelte, als sie ihn sah und auch er hob beflissentlich die Mundwinkel, als er sie begrüßte und sich setzte, auch wenn er am liebsten breit gegrinst hätte. Aber das würde sie bestimmt als vulgär betrachten. Der Hausbot brauchte ungewohnt lange, ihnen den Kaffee einzuschenken und es wurde schwerer und schwerer sein Gesicht gelangweilt und gleichgültig aussehen zu lassen. Endlich lehnte sich Auria zurück und begann das Gespräch, womit er, als der jüngere, auch die Erlaubnis hatte sich mitzuteilen. "Wie ich höre, kann man dir gratulieren." Cletus gab seine Selbstbeherrschung auf und grinste breit. "Das kann man so sagen. Ich habe zwar noch nicht den offiziellen Titel eines Inspektors, aber vor zwei Tagen hat man mir zugesagt, dass ich ein eigenes Apartment zugewiesen bekomme." "Was wahrscheinlich nicht sehr groß sein wird. Aber immerhin bedeutet das, dass du nicht länger meinem Sohn auf der Tasche liegen wirst." Er ließ sich nicht in seiner guten Laune bremsen. Ja, er würde vielleicht weniger Platz haben und für sein Geld arbeiten, statt Taschengeld von Divius einzustecken, aber zumindest würde er endlich frei sein. "Veränderung ist unumgänglich auf dem Weg nach oben." Sie lächelte schmal. "Wie wahr. Ich hoffe nur, dass du nicht herumerzählst, dass du arbeiten musst." "Nein, nein. Jeder weiß, dass es meine Berufung ist, anderen auf die Finger zu schauen. Ich werde doch nicht so dumm sein und auch nur andeuten, dass ich das des Geldes wegen mache." Auria lachte. "Das glaube ich gerne. So enthusiastisch wie du andere verbesserst, wird dir jeder abnehmen, dass du die Arbeit zum Vergnügen leistest." Sie nippte an ihrem Kaffee und betrachtete ihn aufmerksam. "Und natürlich des Einflusses wegen." Cletus lehnte sich zurück und erwiderte ihren Blick. "Ich bin dem Ältesten Un unterstellt. Nicht direkt natürlich, aber es ist seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Technik Elysiums funktioniert. Und alle Inspektoren statten ihm Bericht ab." Sie nickte. "Wie lange wird es dauern, bis du zum Inspektor ernannt wirst?" "Ich bin gerade erst neunzehn und noch nicht lange aus der Schule heraus", antwortete er defensiv. Doch als Auria ihn unbeirrt weiter anstarrte, lächelte er schief. "Die eigentliche Ausbildungszeit beträgt zwei Jahre. Aber ich bin mir sicher, dass ich das auch schneller schaffe. Wenn ich mir nur ansehe, was für Idioten die anderen sind, die sich für den Posten interessieren, ist es kein Wunder, dass die Ausbildungszeit so lang ist. Aber bei jemandem mit meiner Intelligenz, wird das sicher schneller gehen." "Du solltest vorsichtig sein, von wem du auf diese Weise sprichst. Selbst wenn du Recht haben solltest-" "Ich weiß, ich weiß", wiegelte er ab. Er wollte nicht schon wieder gerade diesen Vortrag hören. "Ich muss immer erst sichergehen, ob mein Gegenüber nicht eine höhere Position hat, bevor ich meine Meinung sage. Nur bei denen, die mir unterstehen, muss ich mir nicht die Mühe machen, höflich zu sein." Auria nickte, zufrieden, dass er diese Lektion anscheinend verinnerlicht hatte. Cletus seufzte. "Aber ich dachte, dass wir hier ohnehin unter uns sind. Und dass ich hier auch offen sagen kann, was ich denke." Sie schürzte die Lippen. "Nein, du musst immer auf der Hut sein. Egal mit wem du redest, fühl dich nie zu sicher, Cletus." Er konnte sich nur mit Mühe davon zurückhalten die Augen zu verdrehen. Aurias Angst, er würde jemanden in höherer Position verärgern, grenzte manchmal an Paranoia. Als habe er wirklich den Drang alles und jeden zu beleidigen. Was für eine dumme Kuh! "Bis zum nächsten Mal möchte ich eine Liste der anderen Inspektorenanwärter. Dann werde ich dir zu jedem sagen können, aus welcher Familie er stammt und wie du zu ihnen stehen solltest." "Natürlich." Na großartig. Als hätte er noch nicht genug Stammbäume auswendig gelernt. Dass der alte Brauch Familiennamen zu benutzen, beinahe vollständig in Vergessenheit geraten war, machte es auch nicht leichter zu wissen, wer zu welcher Familie gehörte. Aber egal, er würde das schon schaffen. "Außerdem", fuhr Auria fort, "musst du wissen auf welcher Seite sie stehen, falls der Konflikt zwischen dem Ältestenrat und Oberkontrollrat Ulysses eskalieren sollte." Cletus beugte sich vor. "Du hast schon einmal davon gesprochen, aber ich hatte bis jetzt nicht den Eindruck, dass es zwischen ihnen Streit gibt." "Sie bewahren meist den Anschein guter Zusammenarbeit, das ist wahr, aber..." Auria seufzte. "Wo soll ich anfangen? Es besteht schon lange tiefes Misstrauen zwischen den Fraktionen. Ulysses hat de facto die alleinige Kontrolle über den Planeten. Alles was die Ältesten über die Situation dort unten wissen wollen, können sie nur von ihm erfahren. Noch dazu hat er auf Deponia eine gewaltige Armee an Klonen, deren Zahl die der Bewohner Elysiums um einiges übersteigt. Die Ältesten sind sich ihrer prekären Situation natürlich bewusst und versuchen ihn bei Laune zu halten, ohne noch mehr Macht an ihn zu verlieren." "Vielleicht hat der Oberkontrollrat gar kein Interesse an der zivilen Verwaltung Elysiums." Auria lächelte schmal. "Nun, das ist so eine Sache mit der Macht. Wenn man erst mal auf den Geschmack gekommen ist, ist es schwer davon genug zu haben. Aber bis jetzt hast du Recht. Wann immer es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Ältestenrat und Ulysses gekommen ist, ging es immer um den Planeten und nicht um Elysium. Besonders da diese Gerüchte nicht abreißen wollen." "Gerüchte?" "Laut dem Oberkontrollrat sind seit zwei Jahren keine Menschen mehr am leben. Doch von Zeit zu Zeit kann man auf dem Planeten noch immer Veränderungen entdecken und in der Nacht brennen überall Lichter. Ulysses besteht darauf, dass sein Organon die Ursache ist, aber Zweifel flackern immer wieder auf." Cletus kratzte sich am Kopf. "Besteht der Organon nicht aus Menschen?" Auria hob eine Augenbraue. "Biologisch gesehen vielleicht. Aber von ihrem ganze Wesen und Sein sind die Klone doch sehr weit weg von dem was richtige Menschen ausmacht." Er zuckte die Achseln. "Na egal. Aber macht es denn überhaupt einen Unterschied, wer da unten noch lebt?" "Natürlich. Der Ältestenrat würde wahrscheinlich das Projekt Utopia noch einmal verschieben, bis es keine Deponianer mehr auf dem Planeten gäbe. Sie können Deponia ja schlecht sprengen, solange es noch bevölkert ist." Cletus runzelte die Stirn. "Sie haben die Deponianer doch ohnehin zum Sterben zurückgelassen. Welchen Unterschied macht das denn jetzt noch?" "Da hast du im Grunde recht. Aber ich habe meine Zweifel, ob der Ältestenrat das auch so sehen wird. Besonders Ältester Quatre ist doch sehr idealistisch und als jüngster der vier war er auch noch nicht aktiv in die Entscheidung verwickelt Elysium zu bauen und Deponia zu verlassen. Un dagegen ist eher praktisch veranlagt. Er könnte an dem Entschluss den Planeten zu sprengen festhalten, aber er wird sich wahrscheinlich eher den anderen anschließen, wenn sie sich dagegen entscheiden." Ungebeten tauchte eine Erinnerung an Lucia in Cletus' Gedanken auf. Sie hatte erzählt, dass sie den Ältesten Deux näher kannte und mochte, aber er hatte nie näher nachgefragt, was für eine Politik er wohl vertrat. "Ich habe gehört, dass Deux sehr nett und warmherzig ist. Vermutlich würde er auch weich werden, wenn sich herausstellt, dass der Planet noch bevölkert ist." "Möglich. Allerdings ist er auch derjenige, dem die Klonanlagen unterstehen und er hat noch nie ein Problem damit gehabt, dass der Organon bei der Erfüllung seiner Pflicht sein Leben verliert." Cletus rutschte auf seinem Sessel herum, zog es aber vor, nicht näher über die Klonanlagen nachzudenken. "Dann bleibt noch Ältester Trois. Ich weiß, dass er der älteste der vier ist. Aber ich hatte selbst noch nicht viel mit ihm zu tun. Was glaubst du, wie er entscheiden würde?" "Du kennst seine Ansprachen und du hast ihn bestimmt schon einmal in der Chill-Out-Zone erlebt, wenn er sich als Mann des Volkes gibt. Sag du mir, wie du ihn einschätzt." Er zögerte einen Moment, dann riskierte er ein Lächeln. "Er ist ein Schwätzer ohne eigene Ideen, der sich hinter anderen versteckt. Wie er sich verhält, hängt grundsätzlich von der öffentlichen Meinung ab. Wenn die Elysianer für eine Sprengung wären, egal wie es auf dem Planeten aussieht, wäre er es auch. Wenn nicht, würde er bestimmt auch dagegen stimmen." Auria lehnte sich zurück und nickte zufrieden. "Du machst Fortschritte. Ich glaube, wir können es inzwischen riskieren, dich zu einem öffentlichen Anlass mitzunehmen. In zwei Monaten hält Oberkontrollrat Ulysses einen Empfang ab und ich möchte, dass du mich begleitest." Sie verzog das Gesicht, als Cletus aufgeregt aufsprang und dabei beinahe seinen Kaffee auf den teuren Möbeln verteilte. "Jedenfalls wenn du bis dahin lernst, dich nicht öffentlich zum Gespött der Leute zu machen."   * * *     Es war verblüffend wie langsam die Zeit verging, als er die nächsten Wochen auf das große Ereignis wartete, nur um sich dann plötzlich rasant zu beschleunigen als nur noch ein paar Stunden Zeit waren, sich angemessen in Schale zu werfen. Aber Cletus war recht zuversichtlich, dass sich das Ergebnis sehen ließ. Er war frisch rasiert und frisiert und trug zudem noch einen neuen ärmellosen Anzug, weiß und sehr eng geschnitten, dazu Handschuhe und kniehohe Stiefel, die furchtbar unbequem waren. Damit passte er recht gut in die versammelte Menge, die sich in einer Halle in der Chill-Out-Zone eingefunden hatte. Es war beeindruckend zu sehen wie viele Mitglieder der Oberschicht der Einladung des Oberkontrollrats gefolgt waren. So weit Cletus wusste, sollte die Fertigstellung des zwanzigsten, vielleicht auch dreißigsten, Sprengturms auf Deponia gefeiert werden. Ganz genau hatte er nicht zugehört als Auria es ihm erklärte. Anfangs hatte ihn selbige nicht aus den Augen gelassen und ihm hin und wieder zugeraunt, wer der eine oder andere Gast war und worauf er achten sollte. Doch dann war sie mit einigen anderen älteren Damen ins Gespräch gekommen und als diese ihr etwas zeigen wollten, hatte sie ihn allein in der Menge stehen gelassen. Nicht, dass ihm das viel ausmachte. Er hatte im Grunde nichts dagegen, nicht ständig unter ihrer Kontrolle zu stehen. Er war nur etwas unschlüssig, ob er sich als nächstes eher jemanden zum Smalltalk machen suchen sollte oder lieber etwas abseits stehen und beobachten, wie er es mit Auria getan hatte. Da entdeckte er das Buffet und entschied, sich erst einmal dort umzusehen. Auf einer langen, geschmackvoll dekorierten Tafel war von Appetithappen, über Fisch- und Fleischgerichte bis zu Süßspeisen alles zu finden, was das Herz begehrte und dazu noch vieles, das er noch nicht einmal kannte. Er schnappte sich einen Teller und ging dann an der Tafel auf und ab, unfähig sich zu entscheiden, womit er bloß beginnen sollte. "Ich würde die Lachscreme mit Zitronenschaum probieren", kam eine weibliche Stimme von hinter ihm. "Aber auch die Spargelhappen sind sehr zu empfehlen. Als Dessert musst du die Champagnerkugeln probieren, die sind exquisit." Cletus fuhr herum und konnte kaum verhindern, dass ihm die Kinnlade herunterfiel. Vor ihm stand eine junge Frau in einem zartblauen Kleid, das wunderbar ihre Augen zum Leuchten brachte. An ihrer linken Schläfe glänzte silbern ein metallischer Schlitz, aber das lenkte kaum von ihrem hübschem Gesicht ab. Sie war schlank und überragte ihn beinahe um Haupteslänge, doch bewegte sie sich keinesfalls ungelenk als sie den Kopf, der von rotgoldenem, hochgestecktem Haar gekrönt wurde, zur Seite neigte und ihn anlächelte. "Ich hab dich schon mal in der Schule gesehen.", fuhr sie unbeirrt fort. "Meine beste Freundin Tallis nennt dich immer den Kurzen." Sie lachte. "Es freut mich, hier mal ein neues Gesicht zu sehen." Der Kurze? Er war versucht, ihr zu sagen, was er von einer Bohnenstange wie ihr hielt, aber zum einen war ihr Lächeln wirklich hübsch und zum anderen hatte Auria ihn gut genug gedrillt, dass er erst darüber nachdachte mit welcher Familie er sich da anlegen würde. Denn er erkannte sie jetzt als Goal, die einzige Tochter von Oberkontrollrat Ulysses. "Äh, ja, natürlich", stammelte er und lachte nervös. "Nicht, dass das mein erster Empfang ist. Eigentlich bin ich sehr oft auf Empfängen. Also, anderen Empfängen..." Er verstummte, entsetzt, dass er seinen ersten Auftritt so versiebt hatte. Doch Goal lachte nur. "Natürlich", sagte sie gutmütig. "Goal!" Ein junger Mann mit kurzen, blonden Haaren joggte zu den beiden heran, doch würdigte er Cletus keines Blickes. Er war sogar noch größer als Goal und hatte eine ziemlich spitze Nase, entlang der er gut auf andere herabblicken konnte. "Hier steckst du also. Ich habe dir doch gesagt, du sollst in meiner Nähe bleiben!" Sie verdrehte die Augen. "Du hast dich eine halbe Stunde über Golf unterhalten und ich habe versucht, dir Zeichen zu geben, dass ich auch mal einen Happen essen möchte." Er verschränkte die muskulösen nackten Arme und sah aus als überlegte er, wie er ihr am besten klarmachen konnte, dass sie im Unrecht war. Doch dann warf er Cletus doch noch einen längeren Blick zu und seine Miene hellte sich etwas auf. "Ach so, du wolltest, was zu trinken bestellen, ne? Ich dachte schon, du flirtest." Er lachte, als habe er etwas wahnsinnig lustiges gesagt und fuhr dann in Cletus' Richtung, der immer perplexer wurde, fort: "Na dann, bringen Sie mir auch mal einen Champagner. Aber ein bisschen plötzlich!" In Cletus' Magen schien sich ein Eisklumpen zu bilden. Goal löste sich schneller aus der Starre und versuchte dem jungen Mann etwas zu sagen: "Hawk, das ist nicht-" "Nun, stehen Sie nicht so blöd rum und machen Sie endlich!", fiel ihr Hawk ins Wort. "Werden denn die Klone immer dämlicher oder sind Sie eine besonders fehlerhafte Montagsproduktion? Das einzige, was bei Ihnen zu funktionieren scheint, ist anscheinend das dumme Gesicht!" Cletus spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er suchte nach einer passenden Erwiderung, aber er hatte immer noch Aurias Ermahnungen im Ohr und außerdem konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern, zu welcher Familie dieser Typ nun gehören mochte. Er ballte die Fäuste in hilfloser Wut und brachte doch nichts über die Lippen. "Hawk, hör auf!" Goal hatte ihn an der Schulter gepackt und schob ihn zurück. Hawk hielt verblüfft inne und betrachtete seine Freundin, die sich mit den Händen an den Hüften vor ihm aufgebaut hatte. "Das ist kein Dienstklon!" "Was-", begann er, doch dieses Mal schien Goal keine Lust zu haben, ihn ausreden zu lassen. "Er ist hier Gast. Sieh dir doch an, wie er angezogen ist. Laufen so die Dienstklone herum? Außerdem war er bei uns auf der Schule. Einen oder zwei Jahrgänge unter dir, glaube ich. Also hör auf dich hier so aufzuführen, Hawk, das ist ja peinlich." "Ach ja? Ich bin peinlich? Du verschwindest einfach um dich hier mit so einem Wurzelzwerg zu unterhalten. Hör mal, Schätzchen, meiner Familie gehört so ziemlich der gesamte Südwestquadrant, da kann ich ja wohl mit ein bisschen Respekt rechnen!" Gab der Typ wirklich mit Grundbesitz auf einem Müllplaneten an? Cletus konnte es nicht mehr aushalten. "Wie ich höre sind die Grundstückswerte auf Deponia bedauerlicherweise nicht mehr das, was sie einmal waren", warf er trocken ein und war sehr zufrieden als er sah, wie Hawk vor Zorn blass wurde. Goal gluckste und zog damit einen weiteren wütenden Blick auf sich. Aber das schien sie nicht einmal nervös zu machen. "Tja, du kannst dich ja gerne bei meinem Vater über meine Respektlosigkeit beschweren. Wenn du willst, such ich ihn dir gleich. Mir ist ohnehin der Appetit vergangen." Damit drehte sie sich um und ging mit federnden Schritten über die Tanzfläche davon. Hawk sah zwischen ihr und Cletus hin und her, als überlege er, ob er noch genug Zeit haben würde, ihn zusammenzuschlagen, bevor er Goal folgte. Schließlich entschied er sich offensichtlich dagegen, denn er zischte Cletus nur zu: "Wenn du dich noch einmal an meine Freundin ranmachst, sorge ich dafür, dass du dabei bist wenn sie mal wieder eine Ladung Klone außer Dienst stellen." Dann eilte er Goal hinterher und ließ Cletus mit seinem Teller in der Hand einfach stehen.   * * *     Es war kühl geworden. Die Sonne war schon längst hinter Deponia verschwunden und auch wenn gedämpftes Lampenlicht den Park hinter der Halle erleuchtete, sorgte es doch für wenig Wärme. Cletus hatte sich auf einer der Parkbänke niedergelassen und in einem ungewohnte Anflug von Rebellion einen Fuß auf die Sitzfläche gestellt, sodass er sein Kinn auf dem Knie abstützen konnte. Es war alles nicht ganz so gelaufen wie er sich den Tag ausgemalt hatte. Dass Auria zu anderweitig beschäftigt war, um sich damit zu befassen wie er nach Hause kam, war wenig überraschend gewesen, aber dass er Hawk mit einigen seiner Kumpel vor der Halle entdeckt hatte, war dann doch ein Problem. Zum Glück war noch immer ein Teil der anderen Empfangsgäste hier, so dass sich Cletus leicht wieder in die Halle schleichen und durch einen Hintereingang zu den Parkanlagen dahinter schlendern konnte. Hier leisteten ihm vor allem Pärchen Gesellschaft, die die romantische Stimmung des Dämmerlichtes genossen, doch nach einigem Suchen hatte er endlich eine unbenutzte Bank gefunden, wo er sich etwas ausruhen und sein weiteres Vorgehen planen konnte. Nicht, dass er Angst vor Hawk hatte. Aber es würde bestimmt nicht gut aussehen, wenn er seinen ersten Empfang beendete, indem er vor der Halle den Freund der Tochter des Gastgebers verprügelte. Ob ihn Auria wohl jemals wieder zu so einem Anlass mitnahm? Für einen Moment fragte er sich, ob er das überhaupt wollte und hasste sich selbst dafür, das auch nur gedacht zu haben. Natürlich wollte er. Er wollte dazu gehören, mehr als alles andere. Und er würde alles tun, was nötig wäre um das zu schaffen. "Hallo Kurzer." Er zuckte zusammen und sprang auf, dann erkannte er jedoch Goal und versuchte seine Reaktion als Gentleman-Geste zu tarnen, indem er ihr überschwänglich einen Platz auf der Bank anbot. Sie lächelte und als sie sich setzte, sah er wieder an ihrer Schläfe das schmale Bedienfeld ihres Gehirnimplantats aufblitzen. Er dachte daran, was Arron einmal über sie erzählte hatte. Dass sie ihre Mutter bei ihrer Geburt verloren und beinahe selbst nicht überlebt hätte, wenn ihr Vater ihr nicht dieses Implantat installieren lassen hätte. Er wusste nicht, wie er sie sich vorgestellt hatte, aber sie wirkte trotz der Elektronik in ihrem Kopf doch recht normal. Wenn auch nicht immer höflich. "Mein Name ist übrigens Cletus." "Was hat du denn gegen 'Kurzer'?" Sie lachte und hob beschwichtigend die Hände als sie sein Gesicht sah. "Schon gut. Ich werde es mir merken." Sie wurde wieder ernster. "Die Sache mit Hawk tut mir leid. Er ist echt ein Idiot. Ich dachte, ich hätte in ihm endlich jemanden gefunden, der nicht gleich vor Ehrfurcht vor meinem Vater im Boden versinkt, aber dafür hat er halt vor gar nichts Respekt." Cletus zuckte mit den Schultern. "Er ist nicht der erste Idiot, der mir über den Weg gelaufen ist." "Aber es war dein erster Empfang und da ist es schade, dass der so gelaufen ist." Er zog in Betracht, noch einmal darauf zu bestehen, dass er in Wirklichkeit ein alter Hase war, was Empfänge anging, aber da eine Diskussion die Situation womöglich noch peinlicher machen konnte, grinste er nur. "Wenigstens war das Essen ausgezeichnet. Die Champagnerkugeln muss ich mir wirklich merken. Die waren sogar noch besser als ich erwartet hatte." "Das freut mich zu hören. Hör mal, ich werde in drei Monaten 18 und mein Vater gibt eine große Party. Wenn du magst, würde ich mich freuen, wenn du kommst. Das Essen wird wieder großartig sein, dafür werde ich schon sorgen. Ich weiß genau bei wem man die besten Champagnerkugeln kriegt." Cletus starrte sie mit offenem Mund an. "Wirklich? Ich meine, klar würde ich kommen. Aber, äh, dein Freund, äh..." Goal machte eine wegwerfende Bewegung. "Ich habe Schluss mit ihm gemacht." "Du hast-? Wegen... Wegen mir?" Sie seufzte wehmütig. "Nicht nur wegen dir. Eigentlich hauptsächlich aus anderen Gründen. Wir haben uns in letzter Zeit sehr oft gestritten und am schlimmsten von allem war, dass mein Vater ihn auch noch mochte. Das konnte ja nichts werden." "Oh." Er wusste nicht was er dazu sagen sollte. "Nun, äh, dann komme ich natürlich zu deiner Party." "Prima.", sagte sie und lächelte wieder. "Ich habe übrigens den Sicherheitsbots den Tip gegeben, Hawk mal genauer im Auge zu behalten. Sie haben ihn vor ein paar Minuten darum gebeten, nicht länger herumzulungern und er ist eingeschnappt abgezogen." "Danke. Natürlich wäre ich auch allein mit ihm fertig geworden, aber so hässliche Szenen müssen ja nicht sein." "Natürlich. Dann sehen wir uns bald wieder, Cletus?" Er grinste und verabschiedete sich mit einer Verbeugung. Dann ließ er sich wieder auf die Bank fallen, zu aufgeregt um jetzt nach Hause in seine leere Wohnung zu gehen. Die Tochter des Oberkontrollrats hatte ihn eingeladen. Hatte sich mit ihm unterhalten und ganz offensichtlich Gefallen an ihm gefunden. Was sollte ihn jetzt noch aufhalten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)