Humanity von hYdro_ ================================================================================ Kapitel 2: Der Skorpion ----------------------- Jedes mal wenn er in den Spiegel sah, erblickte er dieses Abbild von sich selbst, diese äußere menschliche Hülle; und er hasste es. Er würde zwar behaupten, dass seine Haut im Vergleich zu der von anderer recht weich war, ohne nennenswerte Narben, zudem zierten nur sehr wenige Muttermale seinen Körper, aber dennoch… er war Perfektionist und jede noch so kleine Unstimmigkeit an sich selbst hasste er abgrundtief. Es führte ihm nur noch mehr vor Augen, wie weit er seinem Ziel noch entfernt war, deshalb vermied er es auch, so oft es ging, in den Spiegel zu sehen oder generell sich selbst zu begutachten. Doch es war nicht nur sein Äußeres, welches er zu ändern gedachte, dies war lediglich der erste Schritt in Richtung Perfektion und dieser würde wohl noch der leichtere sein, den es zu bewältigen galt. Es war sein Inneres, welches ihn mit Sicherheit Schwierigkeiten bereiten würde. Damit war wortwörtlich sein Inneres, wie sein ganzes Kreislaufsystem, als auch sein Inneres im übertragenen Sinne gemeint. Wie sollte er seine ganzen Empfindungen gänzlich ausschalten? Auch wenn er diese jetzt schon spärlich nach Außen dringen ließ, so konnte er dennoch nicht verleugnen, dass sie noch da waren. Er konnte nicht verhindern, dass es ihn ärgerte, wenn es regnete und er keinen Schirm dabei hatte, dass er sich wohl fühlte, wenn das Kaminfeuer brannte und es dieses Knistern von sich gab, dass er Ekel empfand, wenn jemand neben ihm nieste und sich dabei nichts vor Mund und Nase hielt. Er wollte das alles nicht fühlen, er wollte dem gleichgültig gegenüber stehen, schließlich waren es alles Nichtigkeiten. Doch darüber würde er sich erst dann den Kopf zerbrechen, wenn es soweit war. Denn insgeheim hoffte er, dass seine Empfindungen von selbst verschwanden, je mehr sich sein menschlicher Körper auflösen würde. Ja, er würde es schaffen sich selbst zu perfektionieren, wie lange es auch dauern mag. Doch wie er nun ärgerlich feststellen musste, als er sich seine Arbeit vor sich besah, würde dies wohl doch noch länger als vermutet dauern. Die Kleine lag auf seinem Seziertisch, angeschlossen an einige Geräte, die ihren körperlichen Zustand überwachen sollten, das nervige, permanente Piepsen, das eines dieser Maschinen von sich gab, ließ keinen Zweifel aus, dass sie es nicht überlebt hatte. Es war zwar sein erster Versuch an einem lebendigen Menschen, aber dennoch hatte er gehofft, dass es klappen würde, auch wenn es im Nachhinein betrachtet wohl doch zu früh dafür war. Er besah sich die künstliche Hand genauer, welche er ihr versucht hatte zu ersetzen. Das Anbringen dieser war ihm erstaunlich leicht gefallen, alles hatte so geklappt wie er es sich vorgestellt hatte. Die ganzen Bücher über Transplantationen, die er sich durchgelesen hatte, sowie auch sein eigenes medizinisches Wissen, hatte hierzu sicherlich beigetragen. Dennoch war ihm ihr plötzlicher Tod unerklärlich. Am Material, aus dem die künstliche Hand bestand, konnte es nicht liegen. Demnach konnte er ausschließen, dass ihr Körper die neue Hand abstieß, sie als einen Fremdkörper ansah, wenn doch das Material dafür geeignet war. Blut hatte sie auch nicht sonderlich viel verloren, vielleicht war es der Schock? War er zu voreilig vorgegangen? Er musste sich mehr Informationen darüber beschaffen, soviel war sicher. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und bedauerte nur kurz die lange Zeit, die er hierfür verschwendet hatte. Doch ganz verschwendet war sie nicht, er würde daraus lernen und es das nächste mal besser machen. Bevor er sich selbst operieren würde, sich selbst zur Perfektion umwandeln würde, musste er schließlich sichergehen, dass alles auch so klappte, wie er sich das vorgestellt hatte. Er musste sich nur gut vorbereiten, ansonsten wäre es fatal, wenn er an sich selbst einen Fehler begehen würde und er wollte wegen seiner Ungeduld nicht riskieren, dass er starb. Resigniert streifte er sich die Gummihandschuhe von den Händen, warf diese in den Müll. Kurz sah er hoch in ihr Gesicht. Sacht strich er ihr eine Strähne ihres langen schwarzen Haares aus diesem, spürte die weiche Haut unter seinen Fingern, als er ihre Wange streifte. Er mochte schöne Dinge, hatte sie schon immer gemocht, deshalb wurmte es ihn jetzt doch ein bisschen, dass er sie nun entsorgen musste. ♦︎ Es war nicht neu für ihn, dass die Presse reges Interesse an ihm zeigte, deswegen war er nicht sonderlich überrascht, als er vor ein paar Tagen diese Anfrage erhalten hatte. Es ging um ein paar Seiten in einem medizinischen Fachmagazin die er füllen sollte. Er hatte zugestimmt. Zudem war es gute Werbung für ihn, auch, wenn er das eigentlich nicht nötig hatte. Und vielleicht war es auch ein bisschen so, dass er die Aufmerksamkeit um seine Person genoss. Der Inhalt der E-Mail war ihm ziemlich seriös vorgekommen, wie auch das Magazin selbst in dem er abgelichtet werden sollte. Deshalb war es ihm unverständlich, weshalb dieser Reporter, den der Verlag geschickt hatte, zu spät kam. Prüfend glitt sein Blick zur Uhr an der Wand, doch es bestätigte ihn jedoch nur, dass er sich nicht in der Zeit vertan hatte. Es war nicht so, als dass er hier in seinem Büro nicht noch genug Papierkram zu erledigen hätte, doch darum ging es gar nicht. Er hasste Unzuverlässigkeit und die damit verbundene Wartezeit. Er erwartete Pünktlichkeit und hatte keinen Nerv, sich während des Wartens in eine andere Sache zu vertiefen, nur um dann wieder aus dieser herausgerissen zu werden, wenn sich diese Person dann doch noch dazu bequemte zu erscheinen. Dementsprechend missgestimmt war er, als sich dann endlich seine Bürotür öffnete und eine ihm fremde Person eintrat. Ein junger Mann, der ihn aber eher an einen Bengel erinnerte, stand im Türrahmen. Er hatte lange blonde Haare, die er teilweise zu einem Zopf zusammengebunden hatte und als sich seine azurblauen Augen auf ihn richteten, sah er für den Bruchteil einer Sekunde ein angedeutetes Grinsen auf seinen Lippen. Seine Gesichtszüge waren weich, beinahe feminin, dennoch ließen die markanten Wangenknochen und die Art wie er sich bewegte, keinen Zweifel daran aus, dass es sich um einen Mann handelte. Sasori hätte ihn als überaus hübsch empfunden, doch nachdem er ihn so lange hatte warten lassen, würde er diesen Gedanken erst recht nicht weiterverfolgen. «Sind Sie Sasori Akasuna?», fragte dieser und erst jetzt bemerkte Sasori den Kaugummi in dessen Mund, der beim Sprechen kurzzeitig zum Vorschein kam. «Ich bin hier wegen-» «Ich weiß, weswegen du hier bist. Ich hab auf dich gewartet.», schnitt er ihm das Wort ab. Der Vorwurf, der in seinem Ton mitschwang schien den anderen ärgerlicherweise kalt zu lassen. Obwohl Sasori Höflichkeit sehr schätzte, hatte er in diesem Fall darauf verzichtet, diesen Bengel zu siezen, der erstens die Dreistigkeit besaß zu spät zu kommen und dann allen ernstes auch noch Kaugummi kaute, ohne es auch nur im Ansatz verstecken zu wollen. Unweigerlich fragte er sich, ob die Herausgeber des Magazins einen Fehler begannen haben und ihm womöglich jemand falsches geschickt haben? Denn er würde diesen Kerl höchstens um die 20 schätzen und ihm war unbegreiflich, wie jemand in dem Alter beruflich bereits so weit sein konnte. Sasori selbst war zwar mit seinen 28 Jahren auch einer der Jüngsten in dieser Branche, aber er würde behaupten, dass das eher daran lag, weil sein Beruf seine Altersgenossen einfach nicht ansprach. Der Blonde zuckte nur mit den Schultern, ehe er sich ungefragt auf einen Stuhl niederließ. «Umso besser, dann müssen wir uns nicht mit Floskeln aufhalten. Ich bin übrigens Deidara, un.» «Schön. Und wie soll das jetzt genau ablaufen?» Er hatte keine Lust das weiter in die Länge zu ziehen, denn er konnte ihn schon jetzt nicht leiden. «Wie wäre es, wenn ich Ihnen bei der Arbeit zusehe, damit ich mir direkt ein paar Eindrücke machen kann und ich befrage Sie nebenbei?» «Von mir aus», entgegnete er gleichgültig, stand dann auf und begab sich auf den Flur, wobei er hörte, wie Deidara ihm folgte. Wortlos lief er durch den Gang, betrat daraufhin den Vorraum, in dem er sich wie immer die Hände wusch und sich Gummihandschuhe überzog. Deidara derweil kramte in seiner Tasche, die er bis eben noch getragen hatte, zog ein paar Unterlagen aus dieser hervor und wartete geduldig bis Sasori fertig war. Als sie den Obduktionssaal betraten, musste Sasori feststellen, dass dieses mal noch nichts für ihn vorbereitet war. Das Licht war eingeschaltet und das Radio lief noch, was davon zeugte, dass wohl kurz zuvor noch ein Kollege von ihm hier etwas erledigt hatte. Er nahm von einer Halterung an der Wand ein Klemmbrett zur Hand und besah es sich kurz, um anschließend den richtigen Leichnam aus dem angrenzenden Kühlraum zu chauffieren. Leise rollte er ihn neben den Seziertisch, nur um dann festzustellen, dass seine heutige Leiche ein ziemlicher Schrank war. Den würde er alleine nur sehr umständlich auf den Seziertisch verlegen können. «Könntest du mir kurz helfen?» Angesprochener sah von seinen Unterlagen auf, die er wohl nochmal durchgegangen war. «Sicher.» Gegen Sasoris Erwartung, schien der Blonde kein Problem damit zu haben, gleich einen Toten anzufassen. Zwar war dieser gegenwärtig noch in einem Sack verstaut, aber dennoch gab es Leute, die sich schon trotz diesem Umstand grausten. Gemeinsam hievten sie den Körper auf den Seziertisch, wobei sie sogleich den Sack enfernten. Als Sasori sich sein Besteck zurechtlegte, schaltete er zeitgleich das Diktiergerät ein. «Wie lange machen Sie das schon?» Deidara hatte sich neben ihn gestellt und blickte ihn neugierig an. Wenigstens hegte er echtes Interesse an seiner Arbeit, was Sasori nicht für möglich gehalten hätte, wenn er nach seinem ersten Eindruck gegangen wäre. Es stimmte ihn etwas milder. «Jetzt beinahe fünf Jahre.» Dann begann er die Leiche aufzuschneiden und seinen normalen Arbeitsvorgang weiterzuführen, wobei er für Deidara immer kommentierte was er tat und wozu es diente. Dieser wiederum stellte seine Fragen, die er gekonnt professionell beantwortete. Ihm entging nicht, wie Deidara mehrmals das Gesicht verzog, als es schließlich ans Eingemachte ging. Dann war er wohl doch nicht so abgebrüht, wie Sasori erst vermutet hatte, was ihm dessen Kommentar schließlich auch bestätigte. «Wird Ihnen nicht schlecht, wenn Sie Tag für Tag in den Gedärmen toter Leute wühlen, un?» «Was ist das für eine Ausdrucksweise? Ich ‹wühle› nicht in ihren Gedärmen, ich mache ordnungsgemäß eine Obduktion.», berichtigte er ihn. Das hörte sich ja beinahe so an, als wäre er ein tollwütiges Tier, das sich an ihrer Beute austobte. «Sei nicht so respektlos. Und nein, mir wird dabei nicht schlecht, hat es auch nie.» Ein angedeutetes Grinsen machte sich auf dem Gesicht des Blonden breit. «Versteh schon…», murmelte dieser. Sasori hielt inne, sah auf zu Deidara, der sich ihm gegenüber auf einem der Seziertische niedergelassen hatte, die Beine baumelnd von diesem, seine Unterlagen unordentlich auf seinem Schoß zerstreut. «Was?» Der Blonde ließ den Bleistift aus seinem Mund gleiten, auf welchem er eben noch herum gekaut hatte und erwiderte seinen Blick schelmisch. «Dass ich es mir eigentlich schon vorher hätte denken können, dass Ihnen dabei nicht schlecht wird.» «Was soll das jetzt heißen?» «Na, Sie sehen nicht gerade so aus, als würde es Sie groß kratzen, wer hier als nächstes auf dem Tisch liegt. Ganz zu schweigen, dass Sie bisher noch keine Miene verzogen haben, un. Es kümmert Sie echt kein Stück, was?» «Das ist mein Job, es wäre unvorteilhaft, wenn es so wäre.», konterte er monoton, obwohl ihn diese Aussage schon etwas aufregte. Trotzdem hoffte er, dass damit das Thema beendet war, denn er wollte nicht weiter darauf eingehen. «Schon gut, tut mir leid.» Entgegen dieser Worte, lächelte der Blonde und Sasori wusste, dass es ihm keinesfalls leid tat. Aufgrund dieser Heuchelei des Blonden, zogen sich seine Augenbrauen ein Stück zusammen, seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Doch der plötzliche Umschwung des Radios, ließ ihn seine Aufmerksamkeit darauf lenken. «Wir unterbrechen das Programm für eine Sondermeldung. Soeben wurde bekannt gegeben, dass eine weitere junge Frau dem Serienmörder, der seit einigen Monaten sein Unwesen treibt, zum Opfer gefallen ist. Durch die Presse ist er auch als ‹der Skorpion› bekannt, da er seinen Opfern ein unbekanntes Gift einflößt, um sie erst zu entführen und dann zu ermorden. Des weiteren hat der Polizeichef Uchiha Madara, der sowohl auch in der Politik tätig ist, eine hohe Belohnung für die ausgestellt, die jegliche Hinweise der Polizei weiterleiten, die zur Verhaftung des Skorpions führen. Aus unbestätigten Quellen haben wir erfahren, dass das plötzliche Interesse des Polizeichefs an diesem Verbrechen davon herrührt, da er mit dem jüngsten Opfer in irgendeiner Weise in Verbindung steht. Der Mörder bevorzugt junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren, deshalb … » Sasori hörte gar nicht weiter zu. In seinem Kopf dröhnte es und es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass alles in Ordnung wäre. Ihm war zwar der Presserummel um seine Taten vollkommen bewusst, auch wenn er das nicht sonderlich mitverfolgte, dennoch war ihm diese Belohnung für Hinweise, die zu seiner Fassung beitragen würde, ein Dorn im Auge. Und sie hätte allemal verhindert werden können, wenn er nur etwas vorsichtiger gewesen wäre. Bisher hatte er sich nicht groß für die Hintergründe und Herkünfte seiner Opfer Gedanken gemacht, warum auch? Solange sie seinen Vorstellungen entsprachen, war alles andere Nebensächlich. Die neusten Erkenntnisse waren unschön, doch keines Falls gewichtig genug, als dass er gleich in Panik verfiel. Er musste in Zukunft bloß etwas vorsichtiger sein. «Geht es Ihnen gut?» Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich nicht alleine im Raum befand und er konnte nicht verhindern, dass er etwas aufschreckte. Doch er fasste sich schnell wieder, bedachte den Blonden mit einem gleichgültigen Blick. «Sicher.» Er fuhr geistesgegenwärtig mit seiner Arbeit fort, nähte den Brustkasten weiter geübt zu. «Wie viele Fragen hast du noch? Wir sind hier nämlich beinahe fertig.» Der Blonde kritzelte sich irgendwas auf seinen Notizblock, ehe er zu ihm sah. «Mh, noch ein paar, un.» «Dann mach und stell sie. Ich hab nicht ewig Zeit.» «Was, sind Sie etwa ungeduldig?» Deidara grinste ihn schelmisch an, doch Sasori strafte ihn nur mit einem Blick, der klar machte, dass er daran gar nichts witzig fand. Ein resigniertes Seufzen entwich dem Blonden, ehe er die nächste Frage stellte. «Was bringt Sie dazu diesen Beruf auszuüben?» Kam es ihm nur so vor oder wurden die Fragen immer persönlicher? Innerlich schüttelte er den Kopf über diesen Gedanken, das bildete er sich sicher nur ein. «Mich hat der menschliche Körper schon immer fasziniert.», gab er karg von sich, hatte nicht die Lust das weiter auszuführen. «Und da wird man dann Rechtsmediziner und macht Autopsien oder was? Wäre Arzt keine Option gewesen? Ich meine, da hilft man den Menschen wenigstens noch, rettet Leben und so… wäre das nicht schöner, als an Leichen rumzuschnippseln?», abwertend verzog Deidara bei den letzten Worten das Gesicht. Dennoch lag da ein Funkeln in den Augen des Blonden, als dieser ihn neugierig musterte. Sasori konnte nicht verhindern, dass ihn diese Aussage wütend machte, doch er ließ es wie gewohnt nicht nach Außen dringen. Und da war noch etwas anders, das ihm nicht in den Kram passte, die respektlose Wortwahl mal außen vor gelassen. «Was soll diese Frage? Ich dachte hier ginge es um meine Arbeit und nicht, wie ich als Person zu meinem Job stehe.» Deidaras Mundwinkel verzogen sich zu einem falschen Lächeln. «Sicher.» Abrupt ließ sich der Blonde zu Boden gleiten, begann seine Unterlagen einzupacken. «Ich glaube, ich habe alles für heute, un.», sagte er, während er sich die Tasche schulterte, sich dann an ihm vorbei in Richtung Ausgang begab. «Was soll das heißen, ‹für heute›?», rief er ihm verwundert hinterher, doch der Andere war schon aus seinem Blickfeld verschwunden. Kurz schüttelte er den Kopf über diesen Bengel, den er jetzt zum Glück vom Hals hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)