Das letzte Gefecht von Himawarichan (Shinjitsu Wa Itsumo Hitotsu) ================================================================================ Prolog: Eine dunkle Vorahnung ----------------------------- Hallo ihr Lieben, und hier kommt er, der Prolog :-). Bitte bitte schreibt mir eure Meinung! Ich möchte unbedingt wissen, was ihr von ihm haltet... LG Himawari-chan „Was wir am meisten lieben oder zu lieben glauben, erlebt nur in unseren Träumen seine volle Wertschätzung.“ Zitat von Fernando Pessoa Montag, 30. Mai, 11:46 Uhr. Es war ein angenehm warmer und vor allem sonniger Frühlingstag. Die Vögel zwitscherten auf den grün belaubten Zweigen der Bäume um die Wette und die Menschen in der Stadt, die das Glück hatten, nicht auf die Arbeit gehen oder andere Verpflichtungen nachgehen zu müssen und das Wetter genießen zu können, saßen in Cafés und genossen die warmen Strahlen der Sonne auf ihrer Haut. Manche gingen auch in einem der begrünten Parks der Stadt mit ihren prachtvoll angelegten Blumenalleen spazieren, führten ihre Haustiere aus oder saßen auf den von der Stadt gesponserten aus glänzendem Holz gezimmerten Bänken und ließen die Seele baumeln. Die Menschen in Tokio wussten dieses angenehme Wetter zu schätzen. Es würde nur noch wenige Wochen dauern, bis die japanische fünfte Jahreszeit anbrechen würde. Tsuyu, die Regenzeit, würde bald die angenehm trockenen, sonnigen Tage verdrängen und es würden die Tage im Jahr folgen, an denen den Menschen die dann im Land herrschende schwüle Hitze schier unerträglich erscheinen würde. Eben dieser Tag, ein Montag um genau zu sein, verlief wie so ziemlich jeder Wochentag im Leben des klein geschrumpften Oberschülerdetektivs Shinichi Kudo. Conan verbrachte seine Zeit wie so oft mit den Dingen, um die man, gefangen im Körper eines Sechsjährigen, nicht herumkam. Dazu gehörte beispielsweise, dass er als Kind an die allgemeine Schulpflicht gebunden war und Schulunterricht besuchen musste. Er war daher nach seiner unfreiwilligen Verjüngungskur wieder von seiner Ran in der Grundschule angemeldet worden und besuchte diese nun gezwungenermaßen um seine Tarnung aufrecht zu erhalten. Natürlich tat er das auch, um gesetzlichen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Mit mäßiger Begeisterung widmete er daher seine kostbare Zeit nun belanglosen Basteleien und dem Pauken von anspruchslosem Erstklässlerschulstoff. Ihre Lehrerin hatte ihnen in der Kunststunde aufgetragen, für ein Schulprojekt am nächsten Eltern-Lehrer-Schüler-Tag verschiedene Tiere zu basteln. Neben Krebsen und verschiedenfarbigen Fischen sollten vor allem auch Frösche gefaltet werden. Daher saß er nun in der vierten Stunde jenen Tages an seinem Tisch und faltete mit meisterhafter Selbstbeherrschung seinen gefühlt 50. Origami-Frosch. Nun ja, um genau zu sein, war es sein Dritter. Die Kinder um ihn herum waren vollständig in ihre Bastelarbeiten vertieft. Von überall her drangen das Geraschel von Papier und ab und an auch ein Freudenschrei und lobende Worte der Lehrerin, wenn wieder ein neues Meisterwerk erschaffen worden war. Seufzend besah er sich sein eigenes Kunstwerk. Der Papierfrosch hatte natürlich Knitterfalten an Stellen, an denen diese nicht sein sollten und hatte keine, dort wo sie hätten sein sollten. Der Frosch hatte außerdem – er konnte sich einfach nicht erklären, wie das passiert sein mochte – zwei Ohren. Das kleine Mädchen mit den rotblonden Haaren, das an dem Tisch rechts neben dem seinen saß, hatte innerhalb der letzten Stunde bereits über zehn tadellos aussehende grüne Laubfrösche gefaltet. Sie wirkten so echt, dass man meinen konnte, dass sie im nächsten Augenblick von der Bank hüpfen und sich aus dem Staub machen würden. Ai Haibara lächelte ihn mit einem mitleidigen und doch unergründlichem Grinsen an. „Seit wann haben Frösche Ohren?“ Fragte sie ihn amüsiert. „Ein paar Lauscher haben noch niemandem geschadet...“ brummte Conan missmutig und versuchte, die Ohren einzuklappen. Jetzt standen sie nach hinten ab und die Papiergestalt ähnelte eher einem leuchtend grünen Hund mit angelegten Ohren als einer Amphibie. „Bin ich froh, dass mich zwei linke Hände nicht als Detektiv disqualifizieren...“ murmelte der Junge und griff nach dem nächsten giftgrünen Papierbogen. „Vergiss die mangelnden Koch- und Gesangskünste nicht...“ wisperte Haibara ihm zu, schnappte ihm den letzten Bogen grellgrünen Papiers direkt vor der Nase weg und begann dann mit unverändert konzentrierter Mine dieses elegant und millimetergenau auf der vorgezeichneten Linie zu falten. Erleichtert registrierte der kleine braunhaarige Junge mit der großen Brille den Gong, der die Mathematikstunde ankündigte. Vorerst war er von seinen Qualen erlöst. Erstklässlermathematik war an und für sich nicht sehr fordernd. Ihre Lehrerin Frau Kobayashi widmete sich ihrer Klasse mit voller Hingabe. Trotz ihres Eifers hörte Conan ihr nur mit halbem Ohr zu, während die junge Frau den Kindern mit strahlendem Gesicht das kleine Einmaleins erklärte. „Wann nur, werde ich endlich wieder in meine alte Klasse gehen können?“ Wehmütig dachte Conan, nein, Shinichi Kudo an seine Klassenkameraden aus der elften Klasse der Teitan-Oberschule. Seine Gedanken schweiften immer weiter ab und als er auf den Rücken des kleinen Mädchens vor sich starrte, saß dort plötzlich Ran in ihrer blauen Schuluniform. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um. Mit verträumtem Blick sah er sie an und stutzte, als sie sich im nächsten Moment in Luft auflöste und er wieder auf den Hinterkopf eines kleinen schwarzhaarigen Mädchen mit Zöpfen und riesigen und vor allem quietschbunten Erdbeerhaarspangen schaute. „Richtig. Ran sitzt… saß... in der Mittelschule immer vor mir, in der Oberstufe saßen wir dann nebeneiander… wie lange ist das nun schon her? Ob es sich wohl bereits ein anderer Schüler auf meinem alten Platz bequem gemacht hat?“ Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. Nicht nur er allein kämpfte mit seiner momentanen Situation. Auch Ran wurde jeden Tag aufs Neue daran erinnert, dass sein Platz leer war. Er schluckte, als er sich wieder ihr verweintes Gesicht von jenem Tag ins Gedächtnis rief. Das Mädchen hatte auf der Couch in der Detektei Mori gesessen, in ihren zitternden Händen hielt sie die kunstvoll eingepackte Tafel selbstgemachter Schokolade, die ein Valentinstagsgeschenk für Shinichi hätte sein sollen. Ihre Schultern bebten, als sie endlichen ihren Tränen freien Lauf gelassen hatte. Er dachte an dieses unglaubliche Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Der Junge hatte sie beobachtet und ohne ihr auch nur ein bisschen Trost schenken zu können, hatte er mit ansehen müssen, wie mehrere Minuten unaufhörlich die Tränen flossen, bis das Mädchen schließlich vor Erschöpfung eingeschlafen war. Danach hatte er nicht mehr tun können, als zu ihr zu gehen und sie mit ihrem Mantel zuzudecken. Dieser spendete ihr zumindest ein wenig Wärme, wenn er es schon selbst nicht tun konnte. Das Telefongespräch, welches sie an jenem Abend noch geführt hatten, war nur ein schwacher Trost für sie gewesen, da war er sich sicher. Als er an jenem Abend ihr schlafendes, verweintes Gesicht mit den geröteten, verquollenen Augen betrachtete, hatte er die Worte zutiefst bereut, die er ihr im Beika-Hochhaus nach seiner temporären Rückverwandlung gesagt hatte. Obwohl diese natürlich bitterernst gemeint gewesen waren: „Eines Tages… werde ich zu Dir zurückkommen. Selbst wenn ich sterbe. Bitte warte auf mich.“ Er hatte ihr diese Worte direkt ins Gesicht gesagt und verfluchte sich letztendlich an jenem Valentinstag dafür, dass er ihr das angetan hatte. Shinichi konnte nicht zu ihr zurückkehren, bat sie aber dennoch, auf ihn zu warten. Die Worte wiederum machten ihr Hoffnung, dass sie ihn bald wiedersehen würde. Es war ein ewiger Teufelskreis. Als er ihr dann in London – endlich – persönlich gegenüberstand und bei ihr abermals die Tränen flossen, hatte er nicht anders gekonnt, als ihr seine Gefühle zu gestehen. Er hatte es nicht so enden lassen können. Auch wenn die beiden das Thema in ihren nachfolgenden Gesprächen eher vermieden hatten, so wusste Ran nun wenigstens woran sie war. Dass sie nicht vergeblich wartete. Dies war für sie hoffentlich ein kleiner Trost. Als endlich der Pausengong ertönte und ihn von seinen Gedanken ablenkte, sah Conan verstohlen zu Frau Kobayashi hinüber. Er hoffte, dass ihr neuer Freund, Inspektor Shiratori, ihr während der Pause einen kurzen Besuch abstatten würde. Möglicherweise ergatterte er von ihm Informationen über aktuelle Fälle der Tokioter Kriminalpolizei. In letzter Zeit hatte Shiratori es sich angewöhnt, seine Mittagspause Frau Kobayashis anzupassen, sofern sein Dienstplan es zuließ und sich dann mit ihr zu treffen. Es war bei Shiratoris unregelmäßigen Arbeitszeiten und den vielen Überstunden dank seines Jobs beim Kriminaldezernat nicht einfach für die beiden, sich zu treffen. Da Frau Kobayashi meistens Aufsichtspflicht für ihre Klasse während der Pause hatte, kam Ninzaburou Shiratori immer zur ihr in die Schule. Einmal war er sogar mit einer Flasche edlen Weins vor ihrem Schreibtisch aufgetaucht und Sumiko Kobayashi hatte verlegen und mit glühenden Wangen die Flasche entgegengenommen, nachdem er ihre bescheidene Ablehnung nicht akzeptiert und noch etwa zehn Minuten über die gute Qualität und den Reifegrad des Weins referiert hatte. Frau Kobayashi schien angesichts seines Redeschwalls bezüglich richtiger Temperatur und Lagerung ein wenig überfahren, doch als sie seinen begeisterten Gesichtsausdruck gesehen hatte, hatte auch sie gelächelt und die kunstvoll eingepackte Flasche Wein schnell unter ihrem Schreibtisch verschwinden lassen. Der Schuldirektor hätte es sicherlich nicht gerne gesehen, dass sie als Vorbild der Kinder Alkohol neben sich stehen hatte. Heute jedoch, tauchte Shiratori nicht auf. Vermutlich hinderte ihn ein neuer Fall daran, seine Arbeit zu unterbrechen. Der Tag ging für Conan also so weiter, wie er begonnen hatte: Er war todlangweilig und der Junge war heillos unterfordert. Eine Weile sah er noch seiner Lehrerin dabei zu, wie sie ihr liebevoll hergerichtetes Bento verputzte, dann legte er schicksalsergeben seinen Kopf auf seine verschränkten Arme und hoffte einfach nur noch mit geschlossenen Augen, dass der Tag bald vorbeigehen würde. Am Nachmittag läutete endlich die langersehnte Schulglocke das Ende eines langen Tages ein. Conan packte erleichtert seine Schulbücher in seine braune Schultasche und machte sich mit den Detective Boys auf den Weg nach Hause. Ayumi, Genta und Mitsuhiko unterhielten sich wie immer ausgelassen, bis Ayumi etwas ansprach, das ihr wohl sehr auf dem Herzen lag: „Oh nein… jetzt habe ich ganz vergessen, das Gemüse im Schulgarten zu gießen...“ Besorgt warf sie einen Blick zurück auf das Schultor, welches aufgrund der Entfernung schon fast nicht mehr zu erkennen war. „Ja, da hast Du Recht… vielleicht sollten wir noch einmal zurückgehen, sonst vertrocknen die Tomaten...“ meinte Genta und sah angesichts einer möglichen Nicht-Verwertung von Lebensmitteln zutiefst betroffen aus. „Da braucht ihr euch heute wirklich keine Sorgen machen, Leute,“ mischte Conan sich ein „für das gesamte Stadtgebiet Tokio ist für diese Nacht kräftiger Regen angesagt worden. Seht nur, vor lauter Wolken kann man jetzt den Himmel schon nicht mehr sehen.“ Mit nur wenigen Worten zerstreute er die Sorgen der Kinder vollkommen. Haibara warf ihm ein kurzes Lächeln zu und ging dann den Rest des Wegs schweigend neben den Kindern her. Bei der Detektei Mori angekommen, verabschiedete Conan sich von den anderen, die Ai noch den restlichen Weg bis zu Professor Agasa nach Hause begleiteten. Als er den eifrig plappernden Kinder beim Davongehen hinterherwinkte, bemerkte er mit einem abermaligen Blick in den Himmel, dass sich immer mehr schwarze Wolken dort angesammelt hatten. Außerdem wehte mittlerweile eine frische Brise und ließ ihn für einen Augenblick frösteln. „Es dauert nicht mehr lange, bis es regnet. Ach, und schon ist es soweit,“ dachte er er und streckte die Hand aus, als er den ersten Regentropfen auf seinem Arm spürte. Er beobachtete noch einen Moment, wie immer mehr Regentropfen dunkle Schatten am Boden bildeten. Ein angenehmer Geruch von nassem, warmen Steinboden stieg ihm in die Nase, als es noch stärker anfing zu regnen. Hastig suchte er Deckung und stieg die Stufen in den ersten Stock zur Detektei Mori hoch. „Am besten zeige ich gute Manieren und lasse Rans Vater Kogoro wissen, dass ich jetzt Zuhause bin...“ dachte der Junge. “Ôjisan (*Onkelchen), ich bin Zuhause...” setzte er fröhlich an, als er die Türe zur Detektei aufstieß. Als er sah, dass Kogoro Mori an seinem Schreibtisch schlief, hielt er inne. Er wusste, dass ihn nur ein genervter Aufschrei von Seiten seines Onkels erwarten würde, würde dieser von ihm aus seinen meist infantilen Träumen herausgerissen werden. Der Raum war in vollkommene Finsternis gehüllt. Mittlerweile hatte sich der Himmel draußen vor den Fenstern pechschwarz verfärbt. Große, schwere Regentropfen prasselten laut von außen auf die Fensterscheiben. Bis auf die nähere Umgebung des wie so häufig laufenden Fernsehers, dessen Flimmern Kogoros Profil erhellte, konnte man die Hand vor den Augen nicht erkennen. Kogoros Wange wechselte sekündlich ihre Farbe. Im Augenblick erstrahlte sie in einem grellen Pink aus einem Werbespot für Nagellack. Die Werbung war nun zu Ende und aus dem Lautsprecher des TV-Geräts auf dem Tisch des selbsternannten Meisterdetektivs drangen zuerst der Startschuss eines Pferderennens und nur wenige Augenblicke später Hufgetrappel und Jubelschreie von einer Pferderennbahn zu Conan herüber. “Warum pennt der denn schon wieder? Hat vermutlich wieder bis tief in die Nacht diese neue Fernsehsendung mit Yoko Okino geschaut und sich dabei mit Bier volllaufen lassen,” murmelte der Grundschüler und drehte sich wieder zum Gehen um. „Halt. Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Sofort drehte er sich abermals zu dem schlafenden Mann um. Kogoros Haltung war unnatürlich. Als er näher an den vollkommen mit Getränkedosen und Snackverpackungen übersäten Schreibtisch trat, stellte er fest, dass Rans Vater merkwürdig gekrümmt dalag. Sein Kopf ruhte mit der Stirn auf seiner linken Hand, die rechte Hand lag vollkommen regungslos mit nach oben gewandter Handinnenfläche auf einer zerdrückten Bierdose. Entsetzt starrte Conan Edogawa auf die mit einer bräunlichen Flüssigkeit benetzte Handfläche, die unter Kogoros Kopf hervorragte. Zwischen den Fingern war Blut hervorgequollen und hatte die Tischplatte des Schreibtisch rot gefärbt. Aufgrund des vielen Unrats auf dem Tisch hatte der Junge dies von der Eingangstüre aus nicht sehen können. Voller Panik rannte er nun das letzte Stückchen zu seinem Ziehvater. Nun erst sah er, dass Kogoro sich nicht bewegte. Conan zog die blutbefleckte Hand unter dessen Kopf hervor, so dass nun sein komplettes Gesicht zu sehen war. Mitten auf Kogoro Moris Stirn klaffte eine Schusswunde. Kogoros heute Morgen noch blütenweißes Hemd war vollkommen blutgetränkt und hinter seinem Schreibtisch hatte sich eine Lache gebildet, da das Blut hinuntergetropft war. Das Blut war teilweise bereits geronnen und hatte sich bräunlich verfärbt. Der Austritt musste also bereits mehrere Minuten zurückliegen. Obwohl er es sonst gewohnt war, Tote genau zu inspizieren und nach Beweisen zu suchen, so war dies hier doch etwas völlig anderes. Es brachte ihn an seine emotionalen Grenzen, immerhin war es Rans Vater, der direkt vor ihm in seinem eigenen Blut lag. Der Schock fuhr ihm durch Mark und Bein und erschütterte ihn bis in sein Innerstes. Zitternd hob er seine Hand um zu prüfen, was er doch bereits ahnte. Nichts. Kein Puls. “Oh nein… das… das kann nicht sein...” Die Erkenntnis hatte ihn mit voller Wucht getroffen: Der schlafende Kogoro schlief ausnahmsweise einmal nicht. Er war tot. Jemand hatte ihn mit einem gezielten Kopfschuss aus nächster Nähe ermordet. Fassungslos ging er einen Schritt rückwärts, bemerkte nicht, dass er mit seinen Schuhen direkt in die rote Flüssigkeit getreten war und diese seine Schuhsohlen rot gefärbt hatte. Übelkeit überschwemmte ihn, er hätte sich am liebsten übergeben. Conans Knie fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick einfach nachgeben. “Wer… oh nein… Ran!” Unbändige Angst ergriff von ihm Besitz, als ihm bewusst wurde, dass Ran schon seit ein paar Stunden Zuhause sein musste. Er zwang sich, trotz des Schocks wieder einen klaren Kopf zu bekommen. “Reiß Dich zusammen… Du musst Ran suchen… was, wenn sie auch...” er wagte es nicht, den Gedanken laut auszusprechen. Auf wackligen Beinen erklomm er die restlichen Stufen hinauf zur Wohnung der Familie Môri. Zu der Wohnung, in der sie die letzten Monate mehr oder weniger glücklich zusammen gelebt hatten. Diese Zeit gehörte nun endgültig der Vergangenheit an. Er bemerkte die blutroten Fußspuren nicht, die er auf seinem Weg nach oben auf der Steintreppe hinterließ. Zitternd öffnete er die Wohnungstüre, seine Furcht vor dem, was er hier finden könnte, schnürte ihm die Luft zum Atmen ab. Es bedurfte all seiner Selbstbeherrschung als Detektiv, um sich Stückchen für Stückchen vorwärts zu kämpfen. “Ran-neechan...” rief er mit zugeschnürter Kehle. “Ran-nee… Ran… Ran...” Keine Antwort. Er suchte nacheinander alle Räume nach ihr ab. Sie war weder in der Küche noch im Badezimmer. Alles war aufgeräumt und wie immer. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein aufgeschlagenes Buch mit einem Lesezeichen, das Ran gerne verwendete. Conan erinnerte sich daran, dass Ran gestern Abend bereits genau dieses Buch gelesen hatte. Es sah ihr nicht ähnlich, ihr Buch nach dem Lesen nicht mitzunehmen. Vielleicht war sie nicht Zuhause. Möglicherweise hatte ihre beste Freundin Sonoko sie auf einen spontanen Einkaufsbummel eingeladen, dachte er für einen Moment hoffnungsvoll. Als er die Türe zu ihrem Zimmer öffnete, sah er, dass die braunhaarige Oberschülerin tief schlafend in ihrem Bett lag. “Gott sei Dank...” flüsterte er, als er ihren friedlichen Gesichtsausdruck sah. Sie war hier gewesen und hatte von den Geschehnissen in der Detektei nichts mitbekommen. Sie hatte geschlafen, als ihrem Vater Schreckliches angetan wurde. Er wollte sie gerne noch länger vor der bitteren Wahrheit schützen, doch er wusste, dass es nicht richtig war. Eilig trat er neben ihr Bett und zog an ihrer Bettdecke. “Ran-neechan, Du musst sofort aufwachen, wir müssen sofort zur Polizei, Onkel Kogoro...” Conan hielt inne, sah ihre bewegungslosen Lippen. Sah, dass sich die Bettdecke, die sich über ihrer Brust spannte, keinen Zentimeter hob und senkte. “Ran-neechan, hörst Du nicht, Du musst aufwachen...” auch wenn er es eigentlich schon ahnte, er wollte es einfach nicht wahrhaben. Wollte nicht wahrhaben, dass sie nicht aufwachen würde. “Ran, wach doch endlich auf...” Verzweifelt zog er die wärmende Steppdecke von ihrem Körper. Als er die Einschusswunde in ihrer Brust und das viele Blut auf ihrer Matratze und auf dem einst marineblauen Blazer ihrer Schuluniform sah, hielten seine Beine seinem Gewicht nicht mehr länger stand und er sank kraftlos zu Boden. Er griff nach ihrer Hand. Nachdem er die blutdurchtränkte Bettdecke weggezogen hatte, baumelte diese leblos über den Rand des Bettes hinaus. Sie war noch warm, die Leichenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Obwohl sein Verstand ihn deutlich warnte, dass er eigentlich aufstehen und um sein Leben laufen musste, da der Mörder von Ran und Kogoro sich noch in der Nähe befinden musste, so schaffte es sein Herz doch nicht, sich jetzt von dem toten Mädchen zu entfernen. Sein Kopf fühlte sich vollkommen leer an, er war zu keinem klaren Gedanken fähig. Er wollte aufstehen und ihr noch einmal in ihr einst so wunderschönes Gesicht sehen, doch seine Beine wollten ihn einfach nicht tragen. Er bemerkte nicht, dass sich ihm von hinten ein schwarzer Schatten mit einem ausladenden, pechschwarzen Mantel und langen, blonden Haaren näherte. Seine sonst perfekt funktionierenden detektivischen Sinne ließen ihn komplett im Stich. Plötzlich und ohne Vorwarnung spürte er die kühle Mündung einer Waffe mit Schalldämpfer an seiner Schläfe und eine eiskalte Stimme zischte leise: “Ein zweites Mal wirst Du mir nicht entkommen, Kudô.” „Gin…“ Conan hatte keine Zeit, zu reagieren. Der Hüne war zu schnell. Er sah aus den Augenwinkeln, wie der Mann den Abzug betätigte. Er spürte einen bohrenden Schmerz in seinem Kopf, als sich die Kugel ihren Weg durch seine Schläfe fraß, dann wurde alles um ihn herum dunkel. Er schreckte zitternd auf, spürte den kalten Schweiß auf seiner Stirn und im Nacken. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse. Er spürte noch immer den kalten Lauf der Waffe an seiner Schläfe. Doch als er verschreckt aufsah, blickte er in das überraschte Gesicht von Frau Kobayashi, die hastig ihren Zeigestab wegzog, den sie ihm augenscheinlich an genau die Stelle an seinem Kopf gehalten hatte, an der er auch die Waffe gespürt hatte. Sie sah wohl seinen entsetzten Gesichtsausdruck und entschuldigte sich sofort. “Bitte entschuldige, Conan. Du warst eingeschlafen und ich wollte Dich mit einem kurzen Tippen mit meinem Stab wecken. Ich wollte Dich nicht so erschrecken. Hattest Du einen Alptraum?” “Nein, schon gut. Ich, ich bin nur ein wenig erkältet...” schwindelte der Junge und setzte einen Gesichtsausdruck auf, der sie wohl davon überzeugen sollte. Doch ganz verbergen konnte der kleine Detektiv seinen Schrecken nicht. Frau Kobayashi besah sich sein blasses Gesicht und befühlte ihm die Stirn. “Du hast Recht, Du bist ja ganz verschwitzt. Vielleicht solltest Du Dich ein wenig im Krankenzimmer hinlegen?” “Nein… es geht schon wieder, es ist alles in Ordnung, Frau Kobayashi.” “Na dann...” sie sah nicht ganz überzeugt aus. Sie wandte sich an seine Sitznachbarin Ai Haibara, die ihn, wie so häufig, mit einem kühlen Blick taxierte. “Ai-chan… bitte sorg dafür, dass er später heil nach Hause kommt, ja?” “Aber natürlich!” Rief sie Frau Kobayashi mit gespielt kindlicher Mine zu, dann wandte sie sich Conan zu. “Was ist denn los, Kudo-kun? Du siehst aus, als hättest Du ein Gespenst gesehen.” Innerhalb weniger Sekunden hatte sich ihre zuvor so zuckersüß und kindlich klingende Stimme wieder normalisiert. “Wie ich schon sagte, alles in Ordnung… ich bin wohl nur ein wenig erkältet.” Er wischte sich mit einer hastigen Geste die Schweißtropfen von der Stirn. Er hatte nicht vor, sie mit seiner Paranoia zu beunruhigen. Dieser Alptraum hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Träume, in denen die schwarze Organisation ihnen auf die Schliche gekommen war, hatte er schließlich schon öfter gehabt. Es war vollkommen normal, dass mit ihm gelegentlich die Nerven durchgingen. Immerhin waren sie auf der Flucht und die Gefahr war allgegenwärtig, auch wenn es ihnen aufgrund des mittlerweile eingekehrten Alltags manchmal gelang, diese Gedanken zu verdrängen. Langsam beruhigte sich sein Atmen wieder. Ja. Es war nur ein Traum gewesen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Organisation in nächster Zeit auf sie aufmerksam werden würde. Der letzte Kenntnisstand der Organisation war, dass Sherry im Bell-Tree-Express bei der Explosion ums Leben gekommen war. Und sein Name war auf der internen Liste der Organisation Shiho-sei-Dank in die Spalte der bestätigten Todesopfer gerutscht. Bourbon war auf ihrer Seite. Allein Vermouth war eine Konstante, die er nicht einschätzen konnte, doch er ging davon aus, dass von ihr augenblicklich keine Gefahr ausging. Sie waren in Sicherheit. Er seufzte kurz und blickte dann auf. Ayumi, Genta und Mitsuhiko sahen besorgt zu ihm herüber. Mit freundlichem Blick lächelte er seinen drei Grundschulfreunden zu. Er musste sich zusammenreißen und seine übliche, fröhliche Maske aufsetzen. Die Kinder durften sich keine Sorgen machen. Noch ahnte er nicht, dass schon bald den schwersten Kampf seines Lebens würde ausfechten müssen. Einen Kampf, der alles bislang dagewesene in den Schatten stellen würde. Ein Kampf um das Leben der Menschen, die ihm das Wichtigste auf dieser Welt waren. Und er konnte nicht wissen, welch hohen Preis er dafür würde bezahlen müssen. Kapitel 1: Die Ruhe vor dem Sturm oder: Stille Beobachter --------------------------------------------------------- Hallo ihr Lieben, vielen lieben Dank erst einmal an jeden, der dies liest. Das bedeutet nämlich, dass ihr den Weg in das erste Kapitel gefunden habt, also war der Prolog nicht so langweilig, dass ihr sofort aufhören wolltet zu lesen ;-). Danke auch noch einmal für die Kommis, die ihr mir geschrieben habt, hab mich wirklich sehr gefreut. Bitte schreibt mir auch für dieses Kapitel, wie es euch gefallen hat. So, jetzt habe ich aber genug gequasselt. Ich wünsche euch viel Spaß :-). Liebe Grüße, eure Himawari-chan. Freitag, 3. Juli, 16:07 Uhr, Detektei Mouri Ran Mouri und ihre beste Freundin Sonoko Suzuki stiegen gemeinsam und fröhlich miteinander schwatzend die Treppenstufen zur Detektei Mouri hinauf. Die Oberschülerin Sonoko Suzuki, ein Mädchen aus reichem Hause und Erbin des Suzuki-Konglomerats und die im Gegensatz zu ihr eher ruhige und unauffällige Ran Mouri, waren bereits seit Kindergartentagen miteinander befreundet. Für Ran war es normal, doch Menschen, die Sonoko zum ersten Mal sahen, würden sie wohl als redseelig und auffällig beschreiben. Sie trug ihr hellbraun gefärbtes Haar schulterlang und was ihre Kleidung anging, so konnte man sie nicht wirklich als prüde bezeichnen. Auch heute trug sie wie so oft einen relativ knappen Rock, ein Oberteil, welches ihre Figur betonte und eines ihrer obligatorischen Haarbänder. Die Farbe ihrer Wahl an diesem Tag war Blau gewesen, passend zu ihrem Top. Das Gesprächsthema zwischen den beiden Sandkastenfreundinnen war wie so oft: Shinichi. Der Junge, der Ran einfach so zurückgelassen hatte, sich viel zu selten bei ihr meldete und ihr nicht erklärte, was er eigentlich so trieb, wo auch immer er war. Wenn es nach Sonoko ging, würde sie “diesem arroganten Shinichi” gerne einmal so richtig die Meinung geigen. Heute ließ sie es sich allerdings nicht nehmen, Ran mit ihrer Schwäche für ihn zu necken. “Ran… wenn wir schon zusammen in diesen megaangesagten Laden gehen, musst Du Dir auch etwas Schickes zum Anziehen kaufen. Oder zumindest ein Foto davon machen und es Shinichi schicken…” Das Mädchen zwinkerte ihrer Oberschulkollegin verschwörerisch zu “...wenn er das Foto sieht, wird er sofort seinen dummen Fall abschließen und zu Dir eilen!” “Ach Sonoko, nun hör schon auf. Du weißt genau, dass ich nichts anziehen werde, das ihn so reagieren lassen wird. Außerdem will ich das doch überhaupt nicht. Ich will, dass er wegen mir zurückkommt, nicht wegen eines knappen Outfits. Und überhaupt… diesen Krimi-Freak kann doch nichts von seinen Kriminalfällen loseisen...” Rans Gesichtsausdruck verfinsterte sich für einen ganz kurzen Moment und Sehnsucht flackerte in ihren blauen Augen auf, doch Sonoko unterbrach sie in ihren trübsinnigen Gedanken: “Oh doch, meine Liebe. Diesmal werde ich nämlich ein Outfit für Dich heraussuchen, das wird ihn umhauen...” Sonokos Lächeln wurde immer breiter. Sie blieben auf dem Treppenabsatz vor der Tür zur Detektei stehen. “Oh nein, Sonoko. Das wirst Du nicht… warte bitte einen Moment hier, meine Geldbörse ist oben in der Wohnung.” meinte Ran abwehrend und stieg eilig die Stufen zur Wohnung der Moris hoch. “Warts nur ab...” murmelte Sonoko mit einem verschmitzten Grinsen. Ihr Blick fiel auf die Türe zum Detektivbüro. “Da fällt mir ein… bevor wir losgehen, sollte ich wohl noch einmal für kleine Mädchen. Soweit ich weiß, gibt es auf diesem Stockwerk auch eine Besuchertoilette. Praktisch.” Sonoko öffnete die Türe zur Detektei Mouri und sah sich im Zimmer um. Sie hielt Ausschau nach dem Inhaber des Detektivbüros, konnte aber Kogoro Mouri nirgends entdecken. Er musste wohl in der Wohnung oben sein, Ran hatte vor ein paar Minuten erwähnt, dass ihr Vater Zuhause war. Sie durchquerte den Raum und ließ den Blick über die beinahe ein wenig altbackene Einrichtung schweifen, während sie hinüber zur Toilette ging. Sie öffnete die Türe und verschwand im Bad. Als Sonoko Suzuki die Toilette erfrischt wieder verließ, vernahm sie plötzlich ein Geräusch und zuckte zusammen. Überrascht sah sie sich abermals im Raum um, konnte aber niemanden entdecken. Es klang wie ein leises Atmen, fast so, als ob sich noch jemand mit ihr im Zimmer befinden würde. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und ließ sie für einen Augenblick erstarren. War hier etwa doch jemand? Unsicher blickte sie um sich, doch sie konnte niemanden entdecken. “Da. Da war es schon wieder...” murmelte sie leise und schlich auf Zehenspitzen noch ein Stückchen weiter, zur Mitte des Raumes. Sie war sich sicher, dass das Atmen aus dieser Richtung gekommen war. Ängstlich und mit klopfendem Herzen ließ sie ihren Blick über die für die Klienten gedachten Sofas schweifen. Am liebsten hätte sie vor Erleichterung laut aufgelacht. Nun wusste sie, woher dieses erschreckend gleichmäßige Atmen gekommen war. Noch immer leisen Schrittes trat sie an das Sofa heran und betrachtete den kleinen Conan, der beim Lesen eines Kinderbuches auf der Couch eingeschlafen sein musste. Das Buch, welches er gelesen hatte und auf dem auf einem leuchtend bunten Cover der für sie zugegebenermaßen nicht sehr interessant klingende Titel “Der letzte Fall des jungen Meisterdetektivs Kinddaichi” zu lesen war, war auf den Boden gerutscht. Ein unglaublich friedlicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Er sah überhaupt nicht so ernst aus wie sonst. Oft kam er ihr unnatürlich reif für sein Alter vor, doch genau jetzt, in diesem Moment lag dort einfach nur ein schlafendes kleines Kind. “Der Bengel mit der Brille… Dir kann man aber auch nicht entkommen. Hm. Wie er so daliegt, ist er fast schon wieder niedlich… und vor allen Dingen ist er ruhig und unterbricht keine Erwachsenen bei ihren Gesprächen...” meinte die Sechzehnjährige leise, als sie den schlafenden Jungen betrachtete. “Da fällt mir ein...” ein schelmischer Ausdruck trat nun ihre Augen “vielleicht sollte ich dem Kleinen einmal eine kleine Lektion erteilen dafür, dass er sich immer in meine und Rans Angelegenheiten einmischt...” Sie griff nach dem Handy des Grundschülers, welches auf dem Tisch direkt neben ihm lag. Überrascht bemerkte sie, dass das Gerät nicht gesperrt war. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass hier jemand auftauchen würde. Sie holte sich einen schwarzen Filzstift von Kogoro Mouris zur Abwechslung einmal blitzblanken Schreibtisch und machte sich damit an Conans Gesicht zu schaffen. “Ein paar Schnurrhaare für ein neugieriges Kätzchen...” murmelte sie vor sich hin und schoss ein Foto von ihm mit seinem Handy. “Und jetzt… seine Kontakte… was ist das denn für ein Modell, wie wähle ich die Kontakte aus… verdammt, ich und Technik...” Sie scrollte durch sein Kontaktbuch und wählte die Namen der vier Kinder aus, die sonst immer mit ihm herumhingen. Ayumi Yoshida. Mitsuhiko Tsuburaya. Genta Kojima und natürlich Ai Haibara, die ihr persönlich unheimlich war. Als Sonoko die Nachricht abschicken wollte, kam sie versehentlich mit ihrem Daumen auf das Display. Sie bemerkte nicht, dass nun auch der letzte Kontakt in der Liste angehakt war. Sie drückte auf den Senden-Knopf und es ploppte ein Feld mit der Frage vor ihr auf: “Foto wirklich an die gewählten Kontakte aus dem Adressbuch verschicken?” Einen Moment lang meldete sich doch ihr schlechtes Gewissen, doch dann bestätigte sie den den Vorgang mit “Ja.” “Sonoko, was machst Du denn da?” Fragte Ran, die urplötzlich neben ihr aufgetaucht war. “Ich habe der kleinen Brillenschlange einen Streich gespielt...” “Was? Was hast Du denn gemacht?” “Ein Foto von ihm an seine Kontakte geschickt...” Rans Blick fiel das Gesicht des Jungen mit den aufgemalten dicken schwarzen Schnurrbarthaaren im Gesicht und sie musste schmunzeln. “An Niedlichkeit nicht zu übertreffen…” “Ja schon. Aber weißt Du, der Junge ist wirklich merkwürdig. Er hat seltsame Kontakte...” meinte Sonoko an Ran gewandt. “Hm? Welchen Kontakt meinst Du damit?” Ran nahm ihr das Gerät aus der Hand und scrollte die angelegten Namen durch. Ayumi, Genta, Mitsuhiko, Ai… alles seine Grundschulfreunde. Jodie… “Meinst Du etwa, weil er Jodie in seiner Kontaktliste hat? Sie verstehen sich ganz gut… auch wenn es für ein japanisches Grundschulkind ungewöhnlich ist, eine amerikanischstämmige blonde Frau in den Kontakten zu haben...” “Nein, Ran, Jodie meinte ich nicht… ich meinte, diesen komischen Kontakt, ganz am Ende seiner Liste...” “Nanu… das ist aber wirklich seltsam… was ist das denn?” Verdutzt besah Ran sich die letzte eingespeicherte E-Mail-Adresse. Sie war komplett ohne einen Namen eingespeichert, es war nur eine Adresse. Sie bestand ausschließlich aus Zahlen und Rautezeichen. Ran konnte keine Hinweise darauf finden, zu wem sie gehörte. “#969#6261...” Las Sonoko leise vor. “Vermutlich irgendein Code, mit dem er sich etwas Geheimes merken will. Conan steht doch total auf Rätselcodes.” Meinte Ran zu Sonoko und legte das Handy wieder zurück auf den Tisch. Conan schlief unterdessen noch immer seelenruhig. “Ich bin gespannt, wie er reagiert, wenn er die Nachrichten von seinen Freunden zu seinem Bild bekommt. Kleine Jungs schämen sich für so etwas immer ganz furchtbar...” meinte Sonoko mit einem leicht schadenfrohen Ton, während sie zusammen mit Ran, die noch einen letzten warmen Blick auf den Jungen geworfen hatte, das Zimmer verließ. Etwa fünf Minuten, nachdem die beiden Mädchen den Raum verlassen hatten, klingelte das Handy des Grundschülers. Conan wurde unsanft aus seinem Schönheitsschlaf gerissen. Vollkommen verschlafen und aufgrund der noch anhaltenden Müdigkeit etwas missmutig, griff er nach dem Gerät und nahm den Anruf entgegen. “Conan Edogawa...” meldete er sich, noch immer nicht ganz bei sich. Nichts. Die Leitung blieb still. “Hallo, wer ist denn da?” Stille. Sofort war er hellwach. Dann, nach weiteren drei Sekunden, in denen vom anderen Ende der Leitung nicht das leiseste Geräusch zu hören war, legte der Anrufer einfach auf. “Was war das denn?” Conan prüfte die Nummer. “So ein Mist...” Der Anrufer hatte mit unterdrückter Rufnummer angerufen, eine Nachverfolgung war ohne professionelle Hilfe nicht möglich. “Vielleicht ein Streich… oder es hat sich jemand verwählt und dann nicht getraut, etwas zu sagen...” murmelte der Junge. Dann wurde er in seinen Gedanken von dem Signalton einer eingehenden Nachricht unterbrochen. “Eine Nachricht von Ayumi...” Sie hatte ihm einen lächelnden Katzensmiley geschickt, sonst nichts. “Häh… Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder…?” Er nahm sein Handy und ging hinauf in die Wohnung. Es wurde langsam Zeit fürs Abendessen. Da Ran ihm und Kogoro heute morgen bereits beim Frühstück eröffnet hatte, dass sie heute Abend mit Sonoko aus war, wollten er und Kogoro einem nahegelegenen Ramen-Restaurant einen Besuch abstatten. Verwirrt und in höchstem Maße alarmiert besah sich der in einen feinen schwarzen Anzug gekleidete Mann nun zum bereits dritten Mal das Foto, welches ihm vor einigen Minuten von einer ihm unbekannten Mobilfunknummer geschickt worden war. Es zeigte einen kleinen, braunhaarigen Jungen mit sehr großer Brille, friedlich schlafend auf einer Couch. Sein Gesicht zierten mehrere mit schwarzem Filzstift aufgemalte Schnurrbarthaare. Als er eines seiner Mitglieder von einer öffentlichen Telefonzelle aus diese Rufnummer anrufen lassen hatte, hatte sich nur ein kleines Kind gemeldet. Der Sprachaufzeichnung nach, die ihm zugesendet worden war, war es ein kleiner Junge, vermutlich der, der auch auf diesem Foto abgebildet war. Was hatte das zu bedeuten? Niemand, außer seinen Leuten, hatte seine E-Mail-Adresse. Ein bloßer Kinderstreich? Es sah natürlich so aus, als ob es sich um ein Versehen gehandelt hatte. Jemand hatte ihm versehentlich dieses Foto geschickt, es war nicht für ihn bestimmt gewesen. Aber auch wenn es ein Versehen war, durfte er kein Risiko eingehen, auch nicht, wenn es sich um einen kleinen Jungen handelte. Niemand durfte von dieser E-Mail-Adresse wissen. Wenn er ihm einmal eine Nachricht schickte, so konnte er dies auch ein zweites Mal tun und somit jemanden auf seine Spur bringen. Der Junge hatte den Deckel zu seinem Sarg selbst geöffnet. Aber… wie konnte dieser Junge seine E-Mail-Adresse erraten? Sie war so kompliziert, dass dies fast unmöglich war… gab es etwa einen Verräter in seinen eigenen Reihen? Es sah so aus, als ob er äußerste Vorsicht walten lassen musste. Am besten, er brachte erst einmal alles in Erfahrung über dieses Kind, wie nur möglich war, er durfte nur möglichst wenige seiner Leute involvieren. Falls es einen Verräter gab, könnte dieser ihm mit diesem harmlosen Foto auch eine Falle gestellt haben. Gäbe es ihn, so müsste er ebenfalls unschädlich gemacht werden. Er sollte erst einmal so wenigen Menschen wie möglich vertrauen, so wie er es immer tat. Er entschied sich dazu, die Situtation zuerst genau zu analysieren. Danach würde er entscheiden, wie er sich von dem Verräter, sofern es ihn gab, dem Kind und anderen möglichen Gefahrenquellen im Umfeld des Jungen entledigte. “Conan Edogawa…” murmelte er den Namen den das Kind seiner Untergebenen Madeira genannt hatte und griff nach seinem Telefon. Zeit für ein wenig Recherche. Samstag, 4. Juli, 14:36 Uhr. Vergnügungspark “Tropical Land” Seufzend sah der zu seinem Leidwesen immer noch im Körper eines sechsjährigen Kindes gefangene Conan Edogawa seinen Grundschulfreunden, die sich selbst übermütig als die „Detective Boys“ bezeichneten, dabei zu, wie sie begeistert einem Live-Auftritt des bei den Kindern zu diesem Zeitpunkt beliebten maskierten Superhelden namens Kamen Yaiba zusahen. Ayumi, ein für ihr Alter relativ kleines, braunhaariges Mädchen, hatte sich einen roten Kamen-Yaiba-Schal um den Hals gebunden. Dieser passte perfekt zu dem verspielten Rüschenkleidchen, welches sie heute trug. Es handelte sich dabei um einen gewöhnlichen Schal, wie man ihn an jeder Ecke kaufen konnte. Doch für Ayumi symbolisierte er ihre Verbundenheit zu „ihrem“ Superhelden. Genta, der größte und vor allem breiteste unter den drei Kindern, jubelte mit vollem Mund und einem giftgrünen Eis in der Geschmacksrichtung „Grüner Tee“ seinem großen Idol beim Showkampf auf der Bühne zu. Mit leuchtenden Augen beobachtete er, wie der maskierte Yaiba einem der drei vorhandenen, schwarz gekleideten Gangster, einen Yaiba-Kick verpasste und ihn so zu Boden beförderte. Daher hatte Genta auch nicht bemerkt, dass sich das Eis bereits vor einer halben Ewigkeit verflüssigt und ihm die komplette obere Hälfte seines grünen T-Shirts mit dunkelgrünen Flecken besudelt hatte. „Nun ja...“ dachte Conan, „zumindest passt die Farbe des Eises zur Farbe des T-Shirts.“ Mitsuhiko, der Dritte im Bunde, ein schlaksiger, für einen Grundschüler bereits relativ kluger Junge mit Sommersprossen, war schon vor mehreren Minuten in der Menschenmenge verschwunden, um sich einen Weg zu einer der vollkommen überfüllten Toiletten des Vergnügungsparks „Tropical Land“ zu bahnen. Das konnte also noch dauern. Conan ließ seinen Blick weiter zu dem letzten kleinen Mädchen in der Gruppe wandern, welches scheinbar interessiert dem Vorgang auf der Bühne folgte. Wenn man jedoch genau hinsah, konnte man an dem Ausdruck in ihren Augen ablesen, dass sie sich nicht wirklich für das Spektakel dort interessierte. Überrascht stellte Conan fest, dass sich ein beinahe wehmütiger Zug um ihren Mund und ihre Augen gebildet hatte. Wie gewöhnlich trug sie Kleidung, diesmal ein graues Strickkleid, welche sie für ihr Alter viel zu elegant erscheinen ließ. Er starrte sie sprachlos an. Es war ihm manchmal ein Wunder, wie Haibara es schaffte, dass die Menschen sie für ein kleines Kind hielten. Der Ausdruck in ihrem Gesicht, die Kleidung… ihre erwachsene Art, ihre für ein Kind äußerst tiefsinnigen und manchmal sogar verstörenden Aussagen… Haibara hatte ihn bemerkt und sah ihn für einen Moment verwundert mit großen Augen an. „Habe ich etwas im Gesicht, was meinen Augen heute Morgen im Spiegel entgangen ist, Herr Meisterdetektiv?“ „Nein… es ist nur... Du hattest so einen melancholischen Ausdruck in Deinen Augen. Das passt so gar nicht zu Dir.“ „Du meinst, Gefühle zu zeigen passt nicht zu einer eiskalten Giftherstellerin wie mir?“ „Aber Haibara! Nein, was ich damit meinte, ist…“ Haibara grinste ihn überlegen an. Wieder einmal hatte sie geschafft, dass er nun um Worte rang. Wie schaffte sie es nur immer wieder? Wo er doch sonst die Selbstsicherheit in Person war und ihn auch Mörder nicht die Fassung verlieren ließen... In diesem Augenblick schlich sich der beinahe traurige Schimmer wieder in Ais Augen. „Weißt du… ich…“ ungewohnt ernst blickte sie ihn an. „Ich musste daran denken…“ fuhr sie fort, „dass wir und Kamen Yaiba überhaupt nicht so verschieden sind. Auch Yaiba versteckt sein wahres Gesicht hinter einer Maske, auch wenn diese physisch greifbar ist. Und auch Du verbirgst hinter einer kindlichen Maske deine detektivischen Fähigkeiten mit denen Du bisher noch jeden Verbrecher überführt hast...“ Conan sah sie irritiert an. „Haibara…“ „Ja, ich weiß. Ich sollte hier in dieser Menschenmenge keine solch erwachsenen Sachen sagen. Aber ich denke nicht, dass wir hier irgendjemandem auffallen werden. Es sind einfach zu viele Kinder da – die auch nicht unbedingt leise sind.“ Sie ließ ihren Blick über die sechs Sitzreihen vor sich schweifen und als er über die vielen ausgelassen jubelnden und lachenden Kinder und ein paar vereinzelte Elternteile glitt, wurde ihr Gesichtsausdruck noch ernster. „Manchmal…“ setzte sie an „manchmal wünschte ich mir, ich hätte eine ebenso fröhliche Kindheit gehabt wie diese Kinder hier. Stattdessen wurde ich von Kindesbeinen an gezwungen, auf eigenen Beinen zu stehen, allein… und bedingungslos Befehle zu befolgen. Ich habe mit zehn schon mehr Zeit in Labors verbracht als in der Schule…“ Verdutzt über Haibaras Offenheit, sah er sie mit halb geöffnetem Mund an. Was war denn in Ai gefahren? Gespannt wartete er nun darauf, dass sie noch etwas sagen würde. Dass er noch ein wenig mehr Information über ihre Vergangenheit oder einen wichtigen Hinweis auf die schwarze Organisation, welche die Herstellung des eines Mittels beauftragt und somit Conans Leben gewaltig durcheinander gebracht hatte, erfahren würde. Oder zumindest ein kurzer Satz, mit dem sie alle Ernsthaftigkeit, wie schon so oft, vollkommen verfliegen lassen würde. „Nanu, Haibara-san, Du bist doch noch überhaupt nicht zehn.“ Neben Ai tauchte Mitsuhiko auf, welcher sich just in diesem Moment seine Hände mit einem bunten Seidentaschentuch abtrocknete. „Äh… sie meinte natürlich, sie möchte schon mit zehn gerne Professor Agasas Assistentin werden und lieber ihm helfen, als in die Schule zu gehen...“ versuchte Conan sie zu retten und hoffte inständig, dass Mitsuhiko den Satz davor nicht mitbekommen hatte. Nun mischte sich auch Ayumi ein „Aber Ai-chan! Du musst doch in die Schule gehen und viel lernen, sonst wirst Du es später im Leben nicht weit bringen! Oder magst Du uns vielleicht nicht und willst deswegen nicht mehr mit uns in eine Klasse gehen?“ Mit großen Augen sah die Kleine das Mädchen mit den rotbraunen Haaren an. „Aber natürlich mag ich euch. Ich würde euch niemals aus solchen Gründen einfach verlassen...“ „Ich wusste es!“ Ayumi Augen blitzten auf. „Wir werden für immer Freunde sein, versprich mir das, Ai-chan!“ In Haibaras Augen trat ein gerührter Ausdruck, der sich dann aber in Wehmut verwandelte. „Aber natürlich. Ich verspreche es Dir.“ meinte sie sofort, um Ayumi nicht zu kränken. „Wie könnte ich Dir kleinem, unschuldigen Wesen auch erklären, dass es noch nicht einmal sicher ist, dass ich nächste Woche noch am Leben sein werde?“ Dachte sie deprimiert, doch Ayumis strahlendes Gesicht tröstete sie sofort über diese Gedanken hinweg. Sie sah den dankbaren Ausdruck in Ayumis Augen und wusste, dass sie das richtige gesagt hatte. Und wenn sie ehrlich war – es war noch nicht einmal gelogen. Ginge es nach ihr, so würde sie die Kinder niemals ganz allein lassen. Die Kinder, der Professor und sogar Conan waren ihre Familie geworden. Conan beobachtete sie nur stumm. Er schien zu ahnen, was in ihr vorging. Unwillkürlich hatte er an seinen Alptraum, den er bereits vor einer Woche gehabt hatte, denken müssen. Er war sich nur allzu schmerzlich bewusst, welche Gedanken sie sich in jenem Moment machte. „Ach übrigens Conan, was macht denn Deine Erkältung? Dir scheint es schon wieder viel besser zu gehen.“ Die kleine Ayumi wandte sich Conan zu und sah ihm besorgt ins Gesicht. „Ach stimmt ja. Meine Notlüge von Montag.“ „Mir geht es schon viel besser, Ayumi...“ meinte er nur und lächelte sie an. „Hey Leute, sie haben eben gesagt, dass wir noch Fotos mit Yaiba machen können!“ Mischte Genta sich lautstark ein. „Was? Das ist ja toll! Los Conan, wir gehen ein Foto machen!“ Ayumi packte Conan am Arm und zog ihn mit sich. „Aber ich...“ setzte Conan an, dachte sich aber den letzten Teil dessen, was er eigentlich hatte sagen wollen, nur: „...bin doch zu alt für sowas.“ Zähneknirschend fügte er sich seinem Schicksal. Sie reihten sich in die lange Schlange von lautstark miteinander plappernden Kindern ein, die aufgeregt darauf warteten, gemeinsam mit ihrem Idol abgelichtet zu werden. Ein dunkler Schatten, der bislang regungslos auf einem der Zuschauerplätze gesessen hatte, beobachtete die Grundschülergruppe aus sicherer Entfernung. Er hatte die Kinder bereits seit geraumer Zeit im Blick. „Unmöglich...“ murmelte er und setzte sich in Bewegung, als die Kinder sich von ihm entfernten. Samstag, 04. Juli, 15:10 Uhr, Detektei Mouri „Paps? Trinkst Du etwa schon wieder? Es ist helllichter Nachmittag!“ Mahnend baute sich Ran vor ihrem Vater auf. Der selbsternannte Meisterdetektiv Kogoro Mouri hatte es sich mit einigen Dosen billigen Biers und ungesunden Snacks an seinem Schreibtisch in der Detektei Mouri vor dem Fernseher gemütlich gemacht. „Ach Mausebein, ich weiß nich, was Du hast! Man muss das Leben doch genießen, es ist so...ieso schon kuz genug!“ Lallte Mouri und sah Ran nur verständnislos an. Warum machte sie nur immer so ein Aufhebens, wenn er mal etwas trank…? „Genau...“ grummelte Ran, drehte sich um und fügte im Hinausgehen noch hinzu „und Du sorgst persönlich dafür, dass es noch kürzer wird...“ „Aabr… Mauusebeein… waatee… kanns Du mir nicht noch ein Bier bringn?“ Ran drehte sich bei diesen Worten noch einmal kurz zu ihm um und warf ihm einen vernichtenden, alles-sagenden Blick zu. Kogoro schluckte und meinte dann nur „schon gut, ich hab genug für heute...“ Schnaubend verließ die braunhaarige Oberschülerin die Detektei und griff nach einem schwarzen, prall gefüllten Müllsack, den sie zuvor auf dem Treppenabsatz abgestellt hatte. Dieser war der eigentliche Grund gewesen, weswegen sie sich auf den Weg von der Wohnung nach unten aufgemacht hatte. Vor der Detekteitüre hatte sie dann einen unangenehm penetranten Geruch nach abgestandenem Bier bemerkt und entschieden, ihrem Vater ein wenig ins Gewissen zu reden. Seufzend machte sich das Mädchen auf den Weg zum Müllsammelplatz. In dem Moment, als sie den Eingangsbereich direkt vor der Treppe betrat, überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Unsicher sah sie sich um. Sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Bestimmt bildete sie sich nur wieder etwas ein. Aber doch… sie fühlte sich beobachtet. Hastig stellte sie den Sack mit dem brennbaren Müll zu den bereits vorhandenen Beuteln und ging eilig wieder zurück in die Wohnung. Oben angekommen, stellte sie sich unauffällig neben das Fenster und zog ein wenig an den Vorhängen herum, so, als wollte sie sie richten. Aus den Augenwinkeln spähte sie hinunter auf die Straße und besah sich die umliegenden Häuser. Nein, da war nichts. Langsam entspannte sie sich wieder. Sie hatte wirklich eine blühende Fantasie. Das musste an den ganzen Mordfällen liegen, in die sie dank ihres Vaters immer wieder verwickelt wurde. Der schwarze Schatten hatte sich schnell in eine Seitenstraße zurückgezogen, als das Mädchen die Straße betreten hatte. Sie schien ihn bemerkt zu haben. Hastig war er noch ein Stück weiter zurückgewichen, bis die Luft wieder rein war. Sie war noch eine ganze Weile am Fenster in der Wohnung gestanden und hatte möglichst unauffällig die Umgebung gemustert. „Ha. Nicht schlecht, die Kleine, im Gegensatz zu ihrem Vater, dieser Schnarchnase. Aber ich bin eben ein Profi...“ der Mann trat seine Zigarette auf dem Boden aus und setzte seine Observation fort. Bis jetzt hatte er noch nichts Auffälliges am Verhalten der beiden Zielpersonen erkennen können. Zudem war es menschenunwürdig heiß und außerdem verdammt langweilig, den ganzen Tag nur hier herumzustehen und diese zwei Zivilisten zu beobachten. Aber es half nichts. Immerhin kam der Befehl von ganz oben, er tat also gut daran, diesen zu „seiner“ vollsten Zufriedenheit auszuführen. Samstag, 04. Juli, 15:20 Uhr, Vergnügungspark “Tropical Land” Die fünf Kinder betraten die Bühne und warteten geduldig darauf, dass eine Gruppe von etwa sechs Kindern im Vorschulalter ihr Foto beendete. In jenem Moment, als sie endlich an der Reihe waren und Genta begeistert auf den Mann im Yaiba-Kostüm zulief, stand dieser plötzlich auf und verließ die Bühne. „Aber...“ brummte Genta enttäuscht. „Er hat uns einfach stehen lassen...“ meinte Ayumi niedergeschlagen. „Tut mir leid Kinder, er ist bestimmt sofort wieder zurück. Er hat einen dringenden Auftrag bekommen. Er muss kurz jemanden retten und ist in ein paar Minuten wieder da.“ Eine junge Frau mit blonden Haaren und stark geschminktem Gesicht, welche ebenfalls ein Kostüm und einen roten Schal trug, lächelte sie freundlich an. „Ein dringender Auftrag?“ Dachte Conan amüsiert. „Der maskierte Yaiba musste wohl eher mal austreten...“ „Darf ich euch etwas zu Trinken anbieten?“ Fragte die Frau von vorhin. Just in diesem Moment spürte er es. Alarmiert sah er sich um. „Was war das? Werden wir etwa beobachtet?“ Er ließ seinen Blick über die nun leeren Bänke und die mittlerweile relativ kurze Schlange vor der Bühne wandern, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. „Merkwürdig… ich habe es ganz eindeutig gespürt.“ „Hey, Haibara...“ flüsterte er Ai zu, die eben ein Glas mit Wasser von der netten Assistentin des verschwundenen Superhelden entgegennahm. „Was ist denn?“ „Hast… hast Du auch etwas gespürt?“ „Gespürt? Außer dass es brütend heiß ist, wir uns hier die Beine in den Bauch stehen und vermutlich noch vor der Rückkehr dieses maskierten Typen schmelzen werden, meinst Du?“ Sie sah ihn interessiert an. „Wenn Haibara nichts gemerkt hat, kann es schon einmal nicht um „sie“ handeln, dachte der Junge. Ai Haibara ließ ihn weiterhin nicht aus den Augen. „Ach nichts weiter. Ich habe mir das wohl nur eingebildet,“ startete Conan ein Ablenkungsmanöver. Es brachte nichts, Ai unbegründete Sorgen zu machen. Er sah sich noch einmal unauffällig um. Nichts. Er musste es sich wirklich nur eingebildet haben. „Da bin ich wieder. Bitte entschuldigt, Kinder!“ Ein voll maskierter Kamen Yaiba kam auf sie zu. „Da bist Du ja endlich, maskierter Yaiba!“ Rief Ayumi fröhlich und sie begannen, sich vor einem in Conans Augen höchst kitschigen Hintergrund zu positionieren um ein Foto von sich machen zu lassen. „Du hast ja einen hübschen Schal, junge Dame! Möchtest Du wohl später einmal meine Assistentin werden?“ Fragte der Verkleidete und Ayumi strahlte ihn an. „Schal? Ach ja, die beiden Schals sehen fast identisch aus...“ Conan besah sich beide Schals. „Nanu? Der Schal des maskierten Yaiba ist eine Nuance dunkler...“ er wurde in seinem Gedankengang von der blonden Frau unterbrochen. Sie stand wenige Meter entfernt von ihnen hinter einer großen Digitalkamera auf einem Stativ. „So, nun bitte alle lächeln...“ meinte sie und drückte den Auslöser. Und so hielt sie alle auf einem Foto fest. Die Assistentin druckte das Foto und drückte es Conan in die Hand, der sich das Bild mit gemischten Gefühlen ansah. Darauf abgebildet war sein momentanes Leben. Er konnte es nicht ändern. Wenn er die glücklichen Gesichter der Kinder sah, konnte er seine missliche Lage für einen Moment ausblenden. Er besah sich das Foto genauer. Sah die die strahlende Ayumi, die überglücklich direkt rechts neben dem maskierten Yaiba stand, der ihr seine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Den grinsenden Genta, mit seinem vollkommen ruinierten T-Shirt. Ai, die zurückhaltend lächelte. Mitsuhiko, der direkt neben Haibara stand, seine Wangen hatten sich vor Verlegenheit rötlich gefärbt, er hatte den Kopf schüchtern ein Stückchen in Ais Richtung gedreht. Und natürlich auch sich selbst, das Scheinkind. Er verdeckte seine wahre Identität wie so oft mit einem kindlichen Lächeln. „Würden Sie das Foto noch für uns unterschreiben?“ Ayumi sah den Mann im Kostüm hoffnungsvoll mit großen Kinderaugen an. „Aber natürlich...“ meinte der maskierte Yaiba freundlich. Als er sich nach einem Stift umsah, trat bereits die junge Frau mit blondierten Haaren neben ihn und reichte ihm diesen. „Hier, Rentaro-kun.“ „Danke, Aya-chan...“ Rentaro zog sich den rechten Handschuh aus, um das Foto zu signieren. Conans Blick wanderte zu dem Mann, der sich nun über einen Tisch gebeugt hatte, um ein krakeliges „Kamen Yaiba“ auf dem Foto zu hinterlassen. „Aha. Also ein Rechtshänder.“ Conan konnte einfach nicht aus seiner Haut. Er musste die Geschehnisse um sich herum genau beobachten und analysieren. „Komisch…“ er trat einen Schritt näher an den Tisch heran. „Seine Fingerspitzen sind ja vollkommen runzlig... und was ist das da, unter seinen Fingernägeln?“ Der Mann, der Conans Blick bemerkt hatte, vollendete schnell sein Werk und zog sich hastig den Handschuh wieder über. Der junge Detektiv stutzte. „Der hat es ja sehr eilig, seinen Handschuh wieder anzuziehen. Und das bei dieser Hitze. Da ist man doch eigentlich froh, wenn man so wenig wie möglich überziehen muss.“ „Also dann Kinder, die nächste Gruppe möchte auch gerne noch ein Foto machen. Viel Spaß noch im Tropical-Land!“ „Vielen Dank für das Foto!“ Brüllte Genta. Die Kinder verbeugten sich dankbar und verließen die Bühne. „Wohin gehen wir jetzt?“ Mitsuhiko sah die anderen Kinder fragend an. „Hier gibt es eine ausgesprochen berühmte Wassershow… sie heißt Akamizu*… “ meinte Ai. *Rotes Wasser „Dann gehen wir doch da hin!“ Ayumi war sofort Feuer und Flamme. Die anderen nickten zustimmend und ausgelassen machten sie sich auf den Weg zu dem Gebäude, in dem die Show stattfinden sollte. Ein Schatten beobachtete, wie die Kinder davongingen. Sie lachten und redeten über belanglosen Kinderkram, wie jede normale Kindergruppe es tun würde. Er beobachtete sie aus einiger Entfernung und setzte sich langsam in Bewegung, damit er sie nicht aus den Augen verlor. Er wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, zuschlagen zu können. „Entschuldigung?“ Zur selben Zeit trat ein Mann mittleren Alters und kurzen schwarzen Haaren mit einem freundlichem Lächeln an die Bühne heran. „Ja?“ Fragte Aya Kamiki mit ihrem professionellen Dienstleistungslächeln. „Meine Tochter und ihre Freunde waren eben hier und haben ein Foto machen lassen. Sie sind weiter zur Wasser-Show, da sie sie nicht verpassen wollen. Nun ist es leider so, dass sie es verloren haben. Meine Tochter war ganz verzweifelt. Da heutzutage alles digital abgespeichert wird, wollte ich fragen, ob ich wohl noch einmal einen Abzug bekommen könnte? Dann kann ich sie damit zumindest ein wenig trösten…“ Aya Kamiki überlegte einen Moment, dann bat sie den Mann auf die Bühne. Gemeinsam gingen sie ein paar Bilder durch, dann bat der Mann sie, zu stoppen. „Da! Das ist sie.“ „Ach ja, diese Kinder. An die erinnere ich mich besonders gut. Die sind wirklich zuckersüß!“ meinte Aya diesmal mit einem echten Lächeln auf den Lippen. Es dauerte nur wenige Minuten, dann händigte sie ihm eine Kopie des Fotos aus. Der Mann ging mit dem Foto in der Hand davon. Er hätte eigentlich selbst mit seinem Smartphone ein Foto machen können, aber dieser kleine Junge mit der Brille schien scharfsinniger zu sein als andere Kinder in seinem Alter. Beinahe hätte er ihn entdeckt. Er war daher lieber auf Nummer sicher gegangen. Ein Grinsen zog sich über sein komplettes Gesicht, während er sich das Bild ansah. Alle Kinder lächelten fröhlich. Er zog sein Handy hervor und schoss ein Bild von dem Foto. Dann tippte er eine Nummer ein und verschickte das Bild per E-Mail. „Lacht nur, solange ihr das noch könnt...“ Sein Blick fiel auf das kleine Mädchen mit den rotbraunen Haaren. Er dachte an das Gespräch, welches das Mädchen und der Junge vor einiger Zeit während der Aufführung geführt hatten und fast nahm sein Gesicht einen schwermütigen Ausdruck an. Er hielt sich nicht lange mit seinen Gefühlen auf und besah sich den kleinen Jungen mit der großen Brille, der auf der anderen Seite des maskierten Yaiba stand. „Wer bist Du wirklich…?“ Murmelte der Kerl und steckte das Foto vorerst in seine Manteltasche. Danach tippte er noch eine kurze Nachricht und sendete diese ab. Komm sofort hierher. Das ist ein Befehl. Mit eiligen Schritten machte er sich auf den Weg zur Showhalle. Währenddessen betraten die Kinder die große Halle, in der die berühmte Akamizu-Show stattfinden würde. Genta hielt das frisch gedruckte Foto in seinen Händen wie eine Trophäe. Der Junge hätte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal im entferntesten ahnen können, dass sie nie wieder in der Lage sein würden, ein Foto in ebenjener fröhlichen Konstellation aufzunehmen… Soo. Kapitel zu Ende. Wie fandet ihr es? Hab ich eure Erlaubnis, weiterzuschreiben? Wisst ihr, zu welcher Person diese merkwürdige E-Mail-Adresse gehört? Bitte schreibt mir eure Meinung. Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal, eure Himawari-chan. Kapitel 2: Akamizu - Satsujin-Teil oder: Verfolgt ------------------------------------------------- Hallo ihr Lieben, hier kommt Kapitel 2. Ich wünsche euch viel Spaß und hoffe, die Geschichte gefällt euch. Liebe Grüße, Himawari-chan. Kapitel 2 - Akamizu - Satsujin-Teil oder: Verfolgt „Wahnsinn! Das ist der absolute Hammer!“ Rief Mitsuhiko und mit leuchtenden Augen sahen sich die Kinder in dem riesigen und vor allem beeindruckenden Saal um, nachdem sie in der Mitte einer der vordersten Zuschauerreihen fünf mit rotem Samt bezogene Stühle in Beschlag genommen hatten. Genta hatte sich den Platz ganz rechts ausgesucht, Mitsuhiko setzte sich direkt links neben ihn. Ayumi setzte sich fröhlich neben ihn. Sie war glücklich, immerhin hatte sie den Sitzplatz neben Conan ergattert. Haibara, der Ayumis Strahlen nicht entgangen war, setzte sich mit einem verschmitzten Grinsen ebenfalls auf die noch freie Seite neben dem bebrillten Jungen. Noch waren auf der Bühne keine Eisläufer zu sehen, doch bereits die Lichteffekte, die die Scheinwerfer ausstrahlten, waren sehr beeindruckend. Im hinteren Bereich der Bühne befanden sich mehrere riesige Skulpturen aus Eis, die durch die Lichtspiele in sämtlichen Regenbogenfarben glitzerten. Der gesamte Bühnenboden schimmerte in einem durchscheinenden, satten Rot-Ton, auch er schien komplett aus Eis zu bestehen. „Häh? Das ist ja alles aus Eis… warum heißt diese Show dann „Akamizu*? Fragte Genta verdutzt. *Rotes Wasser. „In dieser Broschüre hier steht, dass die Show aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil ist eine Eisshow, die zweite dann eine Wassershow. Die Wassershow beginnt nach dem zweiten Akt. Da es um die Liebesgeschichte zwischen einer Eisprinzessin und den Sohn des Wasserkönigs geht, ist diese Aufteilung nur sinnvoll...“ mischte Haibara sich ein, während ihre Augen weiter auf die Infobroschüre fixiert waren. „Und denk doch mal nach, Genta,“ meinte Conan und sah Genta direkt an „woraus besteht Eis denn?“ „Aus Wasser!“ Meinte Ayumi strahlend. „So ist es.“ Bestätigte Conan ihre korrekte Antwort. „Ich finde es total spannend, dass es um eine Eisprinzessin geht!“ meinte Ayumi überschwänglich. „Ja, nicht wahr...“ murmelte Haibara. „Ich wusste gar nicht, dass Du auch da mitspielst...“ flüsterte Conan Ai mit einem leicht neckischen Lächeln zu, als Ayumi durch eine Frage von Mitsuhiko abgelenkt war. „Aua...“ Von den anderen unbemerkt und sehr elegant stieß Haibara ihm mit dem grazilen Anmut einer Prinzessin ihren Ellenbogen zwischen die Rippen. Er wollte noch etwas erwidern, doch als er ihren Blick sah, ließ er es lieber auf sich beruhen. Wenn Blicke töten könnten... „Es ist total schade. Ich würde die Show so gerne filmen, aber ich habe mein Handy am Mittwoch meiner Schwester geliehen. Sie hat ihres verloren und ist für eine Woche auf einem Klassenausflug, kannst Du das vielleicht übernehmen?“ meinte Mitsuhiko geknickt und sah zu Genta hinüber. Genta schüttelte ebenfalls den Kopf. „Ich habe mein Handy auch nicht dabei. Meine Mama hat es mir abgenommen...“ „Wieso das denn?“ Fragte Mitsuhiko neugierig. Genta lief feuerrot an. „Nun ja, ich hatte Hunger… und hab etwas gegessen...“ Genta zögerte, als er diese Worte sagte. „Sie hat Dir das Handy abgenommen, weil Du etwas gegessen hast?“ „Also… es war nicht das Problem, dass ich etwas gegessen habe, sondern was es war...“ „Nun spucks schon aus, Genta...“ mischte Conan sich nun ebenfalls ein. „Ich war am Donnerstagabend allein Zuhause. Mein Vater war noch auf der Arbeit und meine Mama ist zu einer Nachbarschaftsversammlung gegangen. Plötzlich habe ich so einen Bärenhunger bekommen. Es hätte aber noch eine Stunde gedauert, bis meine Mama zurückgekommen wäre… und da habe ich das Handy genommen und mir was bestellt...“ druckste Genta herum. „Ohje. Aber so schlimm ist das doch nicht...“ meinte Mitsuhiko. „Na ja. Ich habe im Telefonbuch geschaut und das erstbeste Restaurant angerufen...“ „Was hast Du denn bestellt und was war das denn für ein Restaurant?“ Conan schwante Übles. „Sushi… und das Restaurant war Takai-Zushi...“ murmelte Genta. „Du hast Sushi bestellt? Im Takai-Zushi? Das ist das teuerste Sushi-Restaurant in Beika…“ platzte Mitsuhiko heraus. „Das hab ich doch nicht gewusst. Ich habe auch nur vier Sushi-Boxen mit extra Wasabi und Ingwer bestellt… Als der Lieferant dann geklingelt hat, wollte er plötzlich 10.800 Yen* haben...“ *ca. 89 € „Nur vier? Du liebe Güte, Genta, Du Fresssack… wie hast Du das denn bezahlen können...“ meinte Conan und sah ihn an. „Das… das war das eigentliche Problem… ich konnte es nicht zahlen, ich hätte nur 5000 Yen Zuhause gehabt. Der Lieferant hat also eine halbe Stunde gewartet, bis meine Mama nach Hause gekommen ist. Danach habe ich einen riesigen Ärger bekommen… und ich habe Sushi-Verbot für die nächsten acht Wochen...“ „Ich hoffe, das war Dir eine Lehre, Genta, selbst wenn Du den Lieferanten hättest bezahlen können, Du darfst doch nicht einfach das Haushaltsgeld Deiner Mutter nehmen...“ belehrte Conan ihn. „Das weiß ich doch, aber ich hatte nun einmal Hunger...“ verteidigte Genta sich. „Auf jeden Fall,“ fing Genta nun wieder an, “habe ich kein Handy um die Vorstellung zu filmen...“ „Aber was sagst Du denn da. Siehst Du denn das „Filmen verboten“-Schild da hinten nicht?“ Ayumi deutete auf ein riesiges Schild, welches an der Wand prangte. Darauf war eine große Kamera mit einem dicken roten Kreuz darüber zu sehen. „Oh, tatsächlich. Na dann, ist es ja überhaupt nicht so schlimm...“ murmelte Genta kleinlaut und drehte sich dann der Bühne zu. Conan wandte sich ebenfalls wieder der Bühne zu und ließ seinen Blick nochmals über den Bühnenaufbau direkt vor sich wandern. Der komplette linke Teil der Bühne schien aus einer roten Eisfläche zu bestehen, im Hintergrund schillerten die vollkommen aus Eis bestehenden Bühnenbildnisse. Sie hatten die Formen von Gebäuden. Etwa in der Mitte der Bühne wurde diese von weiteren Eisskulpturen in Häuserform von der rechten Seite abgetrennt. Auf dieser Seite konnte er ausschließlich die Bühnenbilder sehen, nicht aber eine Eislauffläche. Im Hintergrund ragte ein mindestens fünf Meter hoher und die ganze rechte Seite der Bühne in seiner Breite einnehmender, funkelnder Berg aus Eis auf. Wie es aussah, gab es ganz oben eine Plattform, auf der gut und gerne vier Menschen Platz fanden. Vermutlich fand ein Teil der Aufführung auch dort oben statt. Da der Fuß des Berges aufgrund der Bühnenbilder nicht zu sehen war, vermutete er, dass dieser Teil der Bühne wohl keine zentrale Rolle spielen würde. Oder vielleicht doch und die Zuschauer sollten einfach nur nicht sehen, dass er das tat. „Diese Kulisse ist beeindruckend, nicht wahr?“ Haibara hatte ihren Blick von der Hochglanzbroschüre abgewendet und war seinen interessierten Blick, welcher die Bühnenausstattung entlanggeglitten war, gefolgt und flüsterte ihm nun diese Worte zu. „Ja, das ist sie tatsächlich, junge Dame.“ Überrascht drehte Haibara sich um. Direkt hinter ihr saß ein Mann um die Vierzig mit vollem schwarzen Haar und einem leichten Kinnbart. Er hatte ein markantes, wenn auch schon fast feminin anmutendes Gesicht mit buschigen Augenbrauen und schmalen Lippen. Er war in einen teuer aussehenden, eleganten schwarzen Anzug gekleidet. Unter seinem Sakko lugten ein weißes Seidenhemd und eine passende blaue Krawatte hervor. Die Krawatte wurde von einer Krawattennadel in Form eines kleinen Schlittschuhs gehalten. Auch Conan und Ayumi drehten sich nun zu ihm um. Der Mann lächelte ihnen freundlich zu, sah Haibara aber für seinen, Conans Geschmack, fast einen Augenblick zu lange in die Augen. „Warum sieht er sie so interessiert an?“ Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. „Wusstet ihr, dass hier in dieser Eishalle sogar schon Yuzuru Hanyuu trainiert hat?“ Meinte der Mann redselig und ließ seinen Blick nun über die Zuschauerreihen vor sich bis zur Bühne gleiten. „Yuzuru Hanyuu? Sie meinen den japanischen Meister im Eiskunstlauf?“ Hakte Conan nach. „Genau den meine ich.“ Der Mann taxierte Conan genau. Sein ungutes Gefühl vertiefte sich nur noch. „Wer ist das?“ Fragte er sich. „Das ist ja super! Sie scheinen sich ja wirklich gut mit Eislaufen auszukennen.“ Meinte Ayumi begeistert. Der Mann wirkte nun ein wenig verlegen und winkte bescheiden ab. „Ein wenig.“ Just in diesem Moment ging das Licht im Saal aus. „Es geht los, Leute!“ Meinte Mitsuhiko, ihm stand die Vorfreude in Gesicht geschrieben. Bei Mitsuhikos Worten hatte der Mann seinen Blick gespannt auf die Bühne vor sich gerichtet. Conan drehte sich nun ebenfalls zur Bühne um. Seit einigen Minuten war es wieder da. Das Gefühl, beobachtet zu werden. Er war sich nicht sicher, ob es von dem Mann direkt hinter ihnen ausging, doch irgendjemand schien sie im Visier zu haben. Aber wer konnte das sein? Er warf einen unauffälligen Blick auf Haibara, die ihre Infobroschüre nun auf den leeren Platz rechts neben sich gelegt hatte und gespannt darauf wartete, dass das Eislaufensemble die Eisfläche betrat. Sie sah vollkommen entspannt aus. „Vielleicht höre ich die Flöhe husten?“ versuchte er sich zu beruhigen. Dann wurde er komplett von dem Schauspiel auf der Bühne in den Bann gezogen. Etwa zehn Eiskunstläufer in verschiedenfarbigen Kostümen und stark geschminkten und glitzernden Gesichtern glitten in ebenso farbigen Schlittschuhen auf die Eisfläche. Das Programm bestand aus einer Mischung aus Eiskunstlauf und Theater, die Schauspieler spielten mit ausdrucksstarken Minen eine Geschichte von zwei unglücklich Verliebten nach. Nach etwa einer Stunde des Dramas kam es zum Höhepunkt, der männliche und die weibliche Hauptdarstellerin standen nun gemeinsam auf der Plattform des Eisberges. „Warum nur tust Du mir das an?“ Rief die vom Licht des Scheinwerfers angestrahlte Hauptprotagonistin ihrem Geliebten mit theatralischer Stimme zu. „Es tut mir leid, ich sah keinen anderen Ausweg, als Dich anzulügen. Ich musste es tun, um Dich vor den Männern meines Vaters zu schützen...“ entgegnete der Mann mit ernster Miene, während er sich langsam immer weiter auf den Rand der Plattform zubewegte. In den Augen der Hauptdarstellerin funkelten nun Tränen. Irritiert starrte Conan auf Haibara, die ihn angestupst hatte. „Kommt Dir das nicht irgendwie bekannt vor?“ Flüsterte sie ihm zu. „Wie Recht Du hast. Und ich bin der Hauptdarsteller.“ Dachte sich Conan, sagte aber zu ihr „nun mach mal halblang.“ „Psst!“ Ermahnte Ayumi ihn mit ernstem Gesicht zur Ruhe. Der Junge wendete seine gesamte Aufmerksamkeit nun wieder den beiden Darstellern auf dem aus Eis bestehenden Berg zu. Beide standen noch immer auf der Plattform, doch nun schlich sich von hinten noch eine weitere Person an. Beide schienen es nicht zu bemerken, bis der Mann direkt hinter den beiden stand. „ Herr Sui… hat Sie etwa mein Vater geschickt?“ „Ganz recht… sie ist die Tochter der Eisprinzessin und darf nicht am Leben bleiben. Der König des Meeres und die Königin des Eises sind seit jeher verfeindet. Zwischen ihnen darf es keine Verbindung geben...“ der Scherge zog nun einen langen, spitz zulaufenden Speer hervor. Es kam zu einem Showkampf zwischen den beiden Männern, als der Angreifer versuchte, mit seinem Speer die Eisprinzessin anzugreifen. Die beiden Männer rangelten miteinander. Fast sah es so aus, als behielte der Hauptdarsteller die Oberhand. Doch dann traf ihn der Speer scheinbar direkt in die Brust. Rotes Kunstblut sickerte aus einer Wunde an seiner Brust. „Nein!“ Rief die Eisprinzessin entsetzt, während der Hauptdarsteller, der nun gefährlich nah am Rande der Plattform stand, sich an die Brust faste und seine mit Blut beschmierten Hände betrachtete. „Meine geliebte Koori-san...“ murmelte er, dann schien er den Halt zu verlieren und stürzte kopfüber in die Tiefe. „Neiin!“ Entsetzt schlug die Frau sich die Hände vor den Mund. Conan stellte fest, dass die kleine Ayumi direkt neben ihm genau dasselbe tat. Für sie sah es so aus, als fiele er ins Nichts. Edogawa, dem die erschrockene Mine seiner kleinen Freundin aufgefallen war, legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge. Ihm passiert nichts. Hinter den Bühnenbildern auf dem rechten Teil der Bühne befindet sich sicherlich etwas weiches, worauf er landen wird. Vermutlich liegt da unten eine ganze Tonne Schaumstoffmatten. Wir können das wegen der Bühnenbilder einfach nicht sehen...“ Es vergingen einige Minuten, dann wendete sich Haibara nach hinten um. Sie bemerkte, dass der Mann mit den kurzen schwarzen Haaren hinter ihnen aufgesprungen war und sich nun durch seine Zuschauerreihe kämpfte. Es schien ihn nicht zu stören, dass er einen anderen schwarzhaarigen Mann, der direkt neben ihm gesessen hatte, kräftig auf den Fuß getreten war. Conan drehte sich aufgrund seines leisen Schmerzschreis und eines unflätigen Fluches nach hinten um. „Was ist denn da los?“ Fragte er sich. Der Junge beobachtete, wie der Mann hektisch auf die Bühne zusteuerte, dann nach rechts abbog und hinter den Bühnenbildern verschwand. Er warf einen kurzen Blick hinauf zur Hauptdarstellerin. Sie stand mit entsetztem Gesichtsausdruck auf dem Eisberg und hatte die Hand vor den Mund geschlagen. „Wohin schaut sie da? Nach unten?“ dachte Conan sich und überlegte, ob er ebenfalls dem Mann hinterherlaufen sollte. In diesem Moment ertönte ein markerschütternder Frauenschrei aus der Richtung, in der der Mann verschwunden war. Conan sprang auf, damit war die Entscheidung gefallen. Hier stimmte etwas nicht. Die Musik hatte urplötzlich gestoppt, das Publikum begann unruhig zu murmeln. Von überall her waren nun überraschte Ausrufe von Zuschauern zu hören, die den das Stoppen der Musik nicht einordnen konnten. Er wandte sich an Ai: „Pass auf die Kinder auf...“ raunte er ihr zu, während sie ihm überrascht hinterherschaute. Er hastete in die Richtung, in welcher der Mann verschwunden war. Als er um die Ecke des Bühnenbildes bog, hörte er nochmals einen leisen, zittrigen Schrei. Er gehörte zu einer jungen Frau mit langen braunen Haaren und einem schmalen Gesicht, die zitternd auf dem Bretterboden saß, ihre Fingerspitzen trommelten unkontrolliert auf den Bühnenboden. Sie musste ein Mitglied des Ensembles sein, in ihren Haaren schimmerten noch Überreste vom Glitter des letzten Auftritts. Doch es war nicht die hübsche junge Frau, die nun die Aufmerksamkeit des kleinen Detektiven auf sich zog. Es war der furchtbare Anblick nur wenige Meter hinter ihr, der ihn in seinen Bann zog. Erschrocken keuchte er auf, als er den Mann sah. Vor ihm befand sich ein etwa 4 x 4 Meter breites Becken mit vollkommen blutrot gefärbtem Wasser. Dem Kostüm nach zu urteilen, welches aus dem Wasser ragte, handelte es sich um den männlichen Hauptdarsteller der Show. Der Mann musste dort hineingesprungen sein. Doch er hatte nicht mehr aus dem Becken steigen können. Sein Körper trieb vollkommen bewegungslos an der Wasseroberfläche, sein starres Gesicht war dem Beckenboden zugewandt. Vollkommen geschockt durch diesen Anblick, bemerkte Conan den schwarzen Schatten nicht, der ihn, verdeckt durch ein großes Podest eines Scheinwerfers, genauestens beobachtete. Für die im Becken treibende Leiche zeigte er kein Interesse, sie ließ ihn vollkommen kalt. Ihn interessierte nur dieser kleine Junge, dessen Foto dieser ihm selbst zugespielt hatte. Welches Spiel glaubte dieser Junge, mit ihm spielen zu können? In seinen Augen glitzerten Interesse und Begierde. Begierde, herauszufinden, wer sich unter der Maske dieses kleinen Kindes in Wirklichkeit verbarg. Sie war so stark, dass er die Vorsicht, für die er bei seinen Leuten bekannt war, sogar ein kleines bisschen außer Acht ließ. Es war eine grausame Szenerie, die sich Conan auf der Bühne, für das Publikum verdeckt durch zahlreiche Bühnenbilder aus Eis, bot. Die Leiche des Hauptdarstellers trieb bewegungslos im rot gefärbten Wasser, um das ganze Becken herum waren blutrote Spritzer verteilt. Der Anblick erinnerte den Jungen an einen Horrorfilm. Er wusste nicht wieso, doch eine unbegreifliche Anspannung hatte von ihm Besitz ergriffen. Die Bilder aus seinem Alptraum tauchten wieder vor seinem Gesicht auf. Rans friedliches Gesicht, die vollkommen mit Blut getränkte Bettdecke, ihre noch warme Hand, die leblos vom Bett gebaumelt hatte. Der Junge schluckte, musste an das bange Gefühl denken, dass ihn glauben ließ, er wurde verfolgt, es ließ ihn einfach nicht los. Er versuchte diese Gedanken abzuschütteln. Dafür war jetzt keine Zeit, er musste sich wieder fassen, die Situation analysieren. Links neben dem Becken und dem treibenden Körper stand der Herr mit den schwarzen Haaren und dem dunklen Anzug, der hinter Haibara gesessen hatte. „Tsugimura-san?“ Der Anzugträger streckte seine bebende Hand nach dem im Wasser liegenden Mann aus. „Halt! Nicht anfassen!“ Conan rief diese Worte aus reiner Gewohnheit. Er hastete zu dem treibenden Körper und griff er nach der im Wasser scheinbar schwebenden Hand. „Nichts. Kein Puls… verdammt… Rufen Sie bitte sofort die Polizei!“ Seine letzten Worte waren an den schwarzhaarigen Mann gerichtet. „Ja, gut...“ Der Mann zog sein Handy hervor und wählte die 110. Während er dem Beamten am anderen Ende der Leitung stotternd den Sachverhalt erklärte, besah sich Conan, soweit möglich, die Leiche. Am Kopf schien er eine Wunde zu haben, allerdings konnte er es nicht richtig erkennen. „Was… ist das da an seinem Hals...“ er besah sich den Nacken des Mannes genauer. Dort befanden sich mehrere gerötete Erhebungen. „Sind das da etwa… Quaddeln?“ Der Junge kniff die Augen zusammen, konnte die roten Stellen am Hals des Mannes aber nicht genau zuordnen. Aktuell konnte er nicht näher an den Toten heran. Er durfte die Leiche nicht bewegen, um keine Spuren zu verwischen – oder selbst unnötige Spuren zu hinterlassen. Er musste wohl warten, bis die Spurensicherung da war. Noch immer von dem im Becken treibenden Mann abgelenkt, schenkte niemand dem schwarzen Schatten Beachtung, der nun an mehreren Stellen unbemerkt kleine Kameras anbrachte. Die an verschiedenen Scheinwerferhalterungen festgemachten Linsen würden niemandem auffallen, da war er sich sicher. Auch die an unsichtbarer Stelle versteckten, auf die kleinsten Geräusche fixierten Wanzen würden unentdeckt bleiben. Und selbst wenn sie entdeckt würden. Sie waren aus gewöhnlichem Material, in dieser Form konnten sie in jedem Fachgeschäft für Sicherheit erstanden werden, außerdem trug er Handschuhe und niemand beachtete ihn, keiner würde ihn als verdächtig empfinden. Er war ein Besucher, der von der Toilette zurückkehrte. Weiter nichts. Wichtig war ausschließlich, dass er vor dem Eintreffen der Polizei wieder die Bühne verließ. Im Schutz der schummrigen Dunkelheit würde ihn niemand erkennen. Bevor er sich im Schutze der Bühnenbilder wieder hinter der Bühne hervorwagte, zog er sich noch seine edlen braunen Lederhandschuhe aus. Der Mann machte sich auf die Suche nach einem ungestörten Ort, an dem er in Ruhe beobachten konnte. Ihm war sofort der Eifer in den Augen des Kindes aufgefallen, der scharfe Blick, mit dem der Junge die Leiche genauestens taxiert hatte. Dieser kleine Knirps war definitiv kein normales Kind. Ja. Für die anderen Zuschauer mochte diese Show nun vorbei sein, aber für ihn nicht. Er würde diese, seine ganz persönliche Show weiterverfolgen, allerdings von einem sicheren Platz aus. Hier würde er nur unnötig verdächtig erscheinen, falls die Polizei seine Anwesenheit bemerkte. Und darum ging es in diesem, seinem persönlichen Spiel. Die Kontrolle über alles zu behalten und sich trotzdem ein wenig zu amüsieren. Sollte Madeira sich um das Mädchen kümmern. Sie konnte warten. Er wollte in Ruhe seine Show genießen. „Wo ist Conan denn hin?“ Meine die kleine Ayumi überrascht, der Junge war vor wenigen Minuten einfach davongelaufen. „Und was war das für ein Schrei?“ Mitsuhiko sah sich unruhig im Saal um. Er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Das war bei diesen Lichtverhältnissen auch fast nicht möglich, der komplette Zuschauerbereich war in Dunkelheit gehüllt. „Ich weiß auch nicht, aber wir sollten einfach ruhig hier sitzen bleib...“ Haibara verstummte. „Was ist das? Was ist das für ein Gefühl?“ Eiskalte Angst durchfuhr sie. „Ist… ist das etwa einer von „ihnen“? Ein Zittern durchfuhr ihren gesamten Körper, es war vollkommen unkontrollierbar. „Ja… es muss einer von ihnen sein… dieses Gefühl ist mir nur allzu vertraut...“ Sie fühlte sich, als würde sie beinahe von den fremden, gefährlichen Blicken durchbohrt. „Hat Kudo-kun das etwa vorhin gemeint, als er mich fragte, ob ich etwas spüre? Also hat er es schon zuvor gemerkt? Warum spüre ich es dann jetzt erst?“ Vollkommen in ihre Angst versunken, bemerkte sie nicht, dass Ayumi, Genta und Mitsuhiko die ganze Zeit auf sie einredeten. „Ai-chan? Was ist denn los mit Dir?“ In Ayumis Augen war deutliche Sorge um ihre Freundin mit den rotbraunen Haaren abzulesen. „Haibara-san… bitte sag doch was...“ fing nun auch Mitsuhiko an. „Du machst mir Angst, bitte… was ist denn los mit Dir? Bist Du krank? Sollen wir einen Arzt rufen?“ Über Ayumis Wangen liefen nun Tränen. „Nein…“ Haibara fasste sich wieder. „Wenn sie wirklich hier sind, muss ich weg von den Kindern. Sie dürfen nicht mit mir in Verbindung gebracht werden...“ dachte sie, ihr Puls raste, als sie ruckartig aufstand. „Es geht mir gut. Ich muss nur schnell zur Toilette. Ihr wartet hier!“ „Aber Ai-chan, ich habe Angst, dass Dir etwas passiert, ich möchte lieber mit...“ fing Ayumi an und Genta und Mitsuhiko fügten hinzu: „und wir kommen auch mit...“ doch sie wurden barsch von Ai unterbrochen. „Nein. Ihr bleibt hier sitzen, habt ihr mich verstanden?“ Das gefährliche und abweisende Funkeln in den Augen ihrer Freundin ließ die Kinder zusammenzucken. „Ai-chan...“ „Keine Sorge. Ich bin gleich wieder da...“ hastig versuchte Haibara, die Angst in ihrer Stimme zu unterdrücken. Sie durchquerte ihre Reihe, in der ihr Platz lag und sah sich nach allen Seiten um. Sie spürte genau, dass ihr Verfolger sie genauestens im Blick hatte, auch wenn er nirgends zu sehen war. Absolut niemand kam ihr verdächtig vor, jeder sah aus wie ein ganz normaler Besucher des Vergnügungsparks. Sie hatte eine Idee. Wenn ihr Verfolger noch immer an einem der Plätze saß, konnte sie ihn vielleicht abhängen. Sie rannte hinüber zur anderen Seite mit den Zuschauerreihen. Als sie etwa bei der Mitte angekommen war, ließ sie sich auf die Knie fallen und krabbelte unter einen der Zuschauersitze. „Hey, Kleine, was machst Du denn da?“ Fragte eine Frau mit einem runden Gesicht erschrocken, als Haibara einfach deren weiten Rock zur Seite geschoben hatte um unter dem Sitz hindurchzukriechen. „Tut mir leid!“ Presste Ai so leise wie möglich hervor und wiederholte diese Worte jedes Mal, wenn sie unter einem weiteren Sitz eine Reihe weiter oben hindurchkroch. Auf diese Weise machte sie weiter, bis sie irgendwann in der vorletzten Reihe ankam. Sie wusste, dass sich die Dunkelheit im Saal wie ein Schutzmantel um sie legte. Niemand konnte nachverfolgen, in welche Richtung sie geflohen war. Bebend kauerte sie unter etwa drei Sitzen, verdeckt durch vier Beinpaare und einen Rock. Sie wusste, sie konnte nicht ewig hier bleiben. Spätestens wenn die Zuschauer aufstanden und das Licht anging, würde sie ihren Unterschlupf verlassen müssen. „Wie ist das passiert? Wie haben sie uns gefunden? Und warum sind wir noch nicht tot?“ Langsam konnte sie wieder einen klaren Gedanken fassen und zog ihr Handy aus ihrer Jackentasche. Sie musste Kudo-kun warnen. Wieso nur war sie plötzlich in dieser ausweglosen Situation? Sie öffnete die letzte E-Mail, die sie von Kudo-kun bekommen hatte. Gestern hatte sie über dieses lächerliche aber doch irgendwie putzige Foto noch schmunzeln müssen, wollte es ihm aber auf keinen Fall gestehen, dass sie es irgendwie niedlich gefunden hatte, daher hatte sie ihm nicht geantwortet. In diesem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Das Handy! Wenn sie es bereits orten können, werden sie mich sofort finden. Und wenn sie die Nachricht abfangen, ist er ebenfalls in Gefahr. Vielleicht finden sie ihn nicht. Vielleicht haben sie es nur auf mich abgesehen...“ sie merkte, dass sie sich mit diesen Worten etwas vormachte, doch sie konnte einfach nicht anders, es war die einzige Hoffnung, an die sie sich klammern konnte. Sie waren natürlich wegen ihr gekommen. Ihn und die Kinder würden sie möglicherweise überhaupt nicht beachten, wenn sie das nur oft genug beteuern würde. Immerhin hatte sie die Anwesenheit des Organisationsmitglieds erst gespürt, als er seinen Platz schon seit einigen Minuten verlassen hatte. Sie schaltete das Mobiltelefon sofort aus und ließ es die Schräge unter den Sitzreihen hindurchschlittern. Hoffentlich würde es jemand aufheben und im Fundbüro des Tropical-Landes abgeben. Dann würde es niemals in die Hände von „ihnen“ gelangen. Sie hörte ein paar Leute vor ihr überrascht murmeln, als ein unidentifiziertes viereckiges Objekt neben ihren Füßen vorbeischlitterte. Conan jetzt zu kontaktieren oder gar zu ihm zu gehen, war viel zu gefährlich. Sie war nun auf sich gestellt. „Was soll ich jetzt nur tun?“ Fieberhaft suchte sie nach einer Lösung. Bedauern überflutete sie. Warum nur hatte sie ihm nicht geantwortet, als sie dies noch konnte? Jetzt würde sie vermutlich niemals wieder dazu in der Lage sein, mit ihm zu sprechen… „Ja…“ Entschlossenheit trat nun in ihre Augen. „Ich muss das Organisationsmitglied so weit wie möglich von den Kindern weglocken… mehr kann ich nicht mehr für sie tun...“ *Satsujin = Mord Kapitel 3: Akamizu – Sousa-Teil oder: Unerwartete Verbündete ------------------------------------------------------------ Kapitel 3 – Akamizu – Sousa-Teil* oder: Unerwartete Verbündete *Sousa = Ermittlungen Samstag, 04. Juli, 17:10 Uhr, Café Poirot, Beika-Viertel Gut gelaunt wischte der sonnengebräunte junge Mann mit den hellbraun gefärbten Haaren zum zweiten Mal über den mittlerweile blitzblank gescheuerten Bedientresen des Cafés. Nur wenige Meter von ihm entfernt kümmerte sich seine braunhaarige Kollegin, die Kellnerin Azusa Enomoto, um die Tischhygiene. Ebenso beschwingt wie er, machte sie sich ans Werk, den letzten verbleibenden Tisch direkt am Fenster zur Straße zu säubern, bevor die letzten Gäste des Abends eintreffen würden. Da sich aktuell keine Gäste im Geschäft befanden, hatten die beiden entschieden, dass nun der beste Zeitpunkt für ihre Putzoffensive gekommen war. Azusa warf einen Blick aus dem Fenster und bemerkte, dass die Luft über dem Asphalt der Straße vor Hitze zu flimmern schien. Froh darüber, in einem der vielen japanischen mit einer Klimaanlage ausgestatteten Läden arbeiten zu dürfen, wandte sie sich wieder dem Tisch zu. „Tooru,“ meinte sie plötzlich „ich weiß nicht wieso, aber dieser Typ da drüben ist wirklich eigenartig,“ Amuro stellte das Getränkeglas, welches er bis eben noch poliert hatte, zurück auf die Ablage. „Wen meinst Du?“ Fragte er mit seinem üblichen unbekümmerten Lächeln, doch innerlich war er hochkonzentriert. „Na, diesen Mann dort hinten. Er steht da schon seit Stunden. Als ich um die Mittagszeit den Tisch hier abgewischt habe, war er auch schon da… niemand steht bei dieser Hitze freiwillig da draußen herum...“ Amuro trat nun neben sie an das Fenster und er sah sofort, was sie meinte. Der Mann da draußen war verdächtig. Er machte hin und wieder ein paar Schritte vor und zurück, scheinbar um sich die Beine zu vertreten, doch er behielt immer dieses Gebäude fest im Blick. „Hm. Der ist tatsächlich suspekt. Ich gehe am Besten mal kurz zu ihm und bitte ihn, sich einen anderen Platz zum Herumstehen zu suchen. Mit seinem Gestiere verschreckt er ja alle Gäste...“ meinte Tooru und Azusa schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Sie hatte befürchtet, dass der unheimliche Mann zu ihrem Schichtende immer noch dort stehen würde und der Weg zu ihrer Wohnung führte genau an ihm vorbei. Tooru Amuro, dessen wirklicher Name Rei Furuya lautete, war in Wirklichkeit kein gewöhnlicher Angestellter des Cafés, sondern ein ausgebildeter Agent der japanischen Sicherheitspolizei, der sich auf einem Undercover-Einsatz befand. Als Mitglied der Sicherheitspolizei hatte er natürlich eine Polizeiausbildung an der Polizeiakademie genossen. Aus diesem Grund erkannte er sofort, dass mit diesem Kerl, der sich dort an der Straßenecke die Beine in den Bauch stand, etwas nicht stimmte. Solche Typen konnte er zwanzig Meilen gegen den Wind riechen. Immerhin war das sein Job. Und er persönlich war der Meinung, dass er diesen gut machte. Langsam und möglichst gelangweilt aussehend, trat er aus dem Café, seine Arbeitsschürze hatte er noch umgebunden. Er tat so, als wäre er ein gewöhnlicher Angestellter, der nur einen Moment seinen Arbeitsplatz verließ um, die zugegebenermaßen sehr heiße, frische Luft zu schnappen. Unauffällig sah er sich um. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass es sich bei dem Mann um einen relativ großen, fast schon dürr anmutenden Mann in seinen Zwanzigern handelte. Er trug einen schwarzen Mantel und eine Sonnenbrille und schien ziemlich gelangweilt zu sein. “Na na. Was ist das denn für eine Arbeitseinstellung?” Dachte der Mann mit den hellbraunen Haaren und ging ein paar Schritte auf den Kerl zu. Nun erkannte er, dass dieser pechschwarze Haare und ein langes, schmales Gesicht mit wulstigen Lippen hatte, welches ihn unweigerlich an einen Fisch denken ließ. “Moment...” kam er ins Grübeln, “...irgendwoher kenne ich diesen Typen. Er hat ein viel zu markantes Gesicht, als dass ich mich nicht an ihn erinnern könnte.” In diesem Moment fiel es ihm ein. Er hatte ihn schon einmal gesehen, als er ihm persönlich einen Auftrag erteilt hatte. Etwas, dass dieser im Namen der schwarzen Organisation hatte erledigen müssen. Es hatte sich zwar nur um einen minderwertigen Auftrag gehandelt und soweit Bourbon wusste, war dieser Mann nur ein Mitglied von niederem Rang in der Organisation. “Ano kata” hatte ihm noch nicht einmal einen Codenamen gegeben und Amuro glaubte nicht, dass das Fischgesicht genug Grips besaß um sich einen eigenen zu verdienen. “Obwohl... Wodka hat es schließlich auch geschafft.” “Was macht der hier?” Fragte er sich und folgte dem Blick des Mannes. Amuro erkannte, dass der Blick des Kerls direkt auf die große Fensterfront der Detektei Mori gerichtet war. Dem musste er sofort auf den Grund gehen. Dies hier war sein Territorium. “Was macht der hier? Und warum hat mir Wermut nicht gesagt, dass jemand direkt in meiner Nähe unter Beobachtung steht?” dachte er, nun doch ein wenig beunruhigt. Samtag, 04. Juli, 17:10 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land Hochinteressiert beobachtete der Mann jeden Schritt des Jungen. Das Kind mit der Brille stand nun schon mehrere Minuten vollkommen in Gedanken vertieft neben dem Schwimmbecken mit dem Toten und schien zu grübeln. Er hatte mit der Installation seiner Kamera einen Glückstreffer gelandet. Er sah den braunhaarigen Jungen in direkter Frontansicht. Er zoomte den Kopf des Jungen etwas heran, nun konnte er die Denkfalten auf der Stirn des Kindes erkennen. Der Ausdruck im Gesicht des Jungen zeugte davon, dass er sich ernsthafte Gedanken machte. Wenige Minuten zuvor hatte er noch beobachten können, dass der Junge die Anweisung gegeben hatte, dass die Türen im Saal verschlossen werden mussten, damit keiner den Saal verlassen konnte, da sich der Täter vermutlich noch im Raum befand. Tatsächlich schien dies auch dem Mann von der Security einzuleuchten und er war davongeeilt, um die beiden Türen, welche in den Saal führten, zu verriegeln. Der Mann im schwarzen Anzug zollte dieser Tatsache Respekt. Da schien sich jemand wirklich sehr gut auszukennen für sein Alter. Er selbst ahnte, dass es unwahrscheinlich war, dass einer der Zuschauer den Mord begangen haben könnte. Und er hatte so ein Gefühl, dass auch der Junge dies bedachte. Conan Edogawa stand noch immer neben dem Becken mit Wasser. Bis die Polizei eintraf, würde er hier stehen bleiben und dafür sorgen, dass sonst niemand dem Tatort zu nahe kommen würde. „War das ein Unfall? Er muss doch ein geübter Springer gewesen sein… das kann ich mir einfach nicht vorstellen… außerdem ist das merkwürdig. Wie kann das Wasser so blutrot sein? Soviel Kunstblut ist doch vorhin überhaupt nicht geflossen. Und die Wunde am Kopf sieht mir wie ein oberflächlicher Riss aus. Das kann nicht sein. Die Maße des Beckens betragen höchstens 4 x 4 m. Tief ist es laut der Markierung am Beckenrand ebenfalls rund 4 Meter. Darin befindet eine viel zu große Masse an Wasser, als dass es so rot sein kann. Selbst wenn sich das komplette Blut aus dem Blutkreislauf des Mannes mit diesen Wassermassen vermischen würde, wäre es höchstens hellrot eingefärbt. Und überhaupt… direkt am Rand des Beckens kann ich trotz der unzähligen Spritzer keine Blutspur sehen, die darauf hindeutet, dass er sich dort verletzt hätte. Alle Spritzer sind viel zu weit vom Beckenrand entfernt, keiner davon befindet sich direkt an der Kante. Daher bin ich mir zu hundert Prozent sicher. Das hier war kein Unfall. Es war Mord. Zwischen dem Sprung des Mannes und der Leiche sind nur wenige Minuten vergangen. Es muss also in dieser kurzen Zeitspanne passiert sein.” Tief in Gedanken versunken streckte er seine Finger aus und tauchte sie in das rote Wasser. „Herrje, ist das kalt… das Wasser ist ja kaum 10 Grad warm… wie eigenartig.“ sofort zog er seine Finger wieder heraus. Er betrachtete seine Fingerspitzen genauer und roch daran. „Das riecht auch nicht nach Blut… vermutlich ist es eine Mischung aus Blut und einer Farbe...“ Er sah sich die Umgebung, in der er sich befand, noch einmal genauer an. Wie er es sich gedacht hatte, befand er sich auf dem rechten Teil der Bühne. Es war genau die Seite, die die Zuschauer aufgrund der vordergründig aufgestellten Eisskulpturen nicht sehen konnten. Genau diese Bühnenskulpturen befanden sich nun in seinem Rücken, er war mehr oder weniger von ihnen eingeschlossen. Von den Zuschauersitzplätzen aus konnte man ausschließlich den funkelnden Berg aus Eis sehen, der sich direkt vor dem Becken mit Wasser erhob. Es war also vollkommen unmöglich, dass einer der Zuschauer etwas von dem Vorfall mitbekommen hatte. Auch jetzt drang zwar von mehreren Seiten aufgeregtes und verwirrtes Stimmengewirr an seine Ohren, doch was genau geschehen war, schienen die Gäste der Show noch nicht zu wissen. In diesem Moment ertönte eine Lautsprecherdurchsage: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen die Show leider für heute unterbrechen… wir möchten Sie bitten, auf Ihren Plätzen zu warten,“ die Stimmen auf der anderen Seite der Bühnenbilder wurden nun lauter und einige zeugten von großem Unverständnis. “Wenn ich mir den Tatort hier so ansehe, bleibt nur eine Schlussfolgerung übrig: Die einzigen, die wirklich als Mörder in Frage kommen, sind Personen, die den genauen Ablauf der Show und die Gegebenheiten hinter den Bühnenbildnissen auf der Bühne kannten. Keiner der Zuschauer hatte wissen können, was nach dem Sprung mit dem Hauptdarsteller passierte. Es konnte nur jemand gewesen sein, der wusste, dass das Opfer in ein Becken mit Wasser springen würde. Die Hauptverdächtigen sind also auf jeden Fall die Mitglieder dieses Ensembles und die Bühnenarbeiter. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass noch andere Personen in den Ablauf eingeweiht waren. Verwandte oder Bekannte der Angestellten. Das ist aber unwahrscheinlich. Hätten die wirklich ein Motiv, einen Unbekannten zu ermorden… Und… wie hat es der Täter gemacht? Ich sehe hier keinerlei Spuren eines Kampfes oder einer Vorrichtung...” Samstag, 04. Juli, 17:20 Uhr, Ein unbekanntes Apartment “Was sagst Du da?” Die Amerikanerin mit den langen blonden Haaren, welche in der Organisation auf den Namen Wermut hörte, horchte sofort auf, als sie Bourbons Stimme vernahm. “Ich sagte, dass es hier neben mir noch einmal jemanden gibt, der mein Zielobjekt beobachtet. Warum hast Du mir nicht Bescheid gesagt?” “Davon weiß ich nichts...” murmelte Wermut, vollkommen überrumpelt von dieser Information. “Wie eigenartig. Als ich ihn fragte, welchen Befehl er erhalten hat und von wem, meinte er, dass er die beiden Bewohner der Detektei Mori im Auge behalten solle. Er gäbe da zwar noch ein Kind, aber dieses wäre zweitrangig. Er solle sich auf die beiden Erwachsenen konzentrieren. Und dann meinte er noch...” und als Bourbon diese Worte aussprach, weiteten sich Wermuts Augen entsetzt “...dass er den Befehl von Vodka erhalten habe und dass dieser direkt von “ano kata” gekommen wäre...” Wermut schluckte. Bis eben hatte sie noch entspannt nach einem Bad in ihrem Bademantel in ihrem Apartment in ihrem bequemen Sessel gesessen, neben sich ein Glas Wein. Der vorhin noch süß im Abgang schmeckende Tropfen hinterließ nun einen beinahe sauren Nachgeschmack auf ihrer Zunge. “Ich… ich weiß tatsächlich nichts davon...” meinte die Frau, deren zuvor noch weicher Sessel sich plötzlich steinhart und unbequem anfühlte. “Ich werde das in Erfahrung bringen.” Sie beendete das Gespräch abrupt, sie benötigte einen Moment Zeit um nachzudenken. Was sollte das? Warum stand die Detektei Mori unter Beobachtung? Hatte Gin nun doch noch vor, Kogoro Mori aus dem Weg zu räumen und möglicherweise mit “ano kata” gesprochen? Sie hatte gedacht, dass sie ihm dies damals nach dem vereitelten Anschlag auf den Politiker Domon hatte ausreden können. Hastig griff sie nach ihrem Mobiltelefon und tippte eine Nachricht ein. Als sie die E-Mail-Adresse des Empfängers eingab, war für wenige Sekunden der Anfang eines bekannten Kinderlieds zu hören. “Hast Du den Befehl gegeben, die Detektei Mori zu beschatten?” Als sie nur wenige Minuten später die Antwort erhielt, wurde ihr Gesicht unnatürlich blass. “In dieser Angelegenheit gibt es nichts zu besprechen. Wir haben womöglich einen Verräter in der Organisation. Du überschreitest deinen Kompetenzbereich. Halt Dich da raus.” Zitternd griff sie nach dem Glas mit dem blutroten Wein und nahm noch einen Schluck zur Beruhigung. Sie ging mit dem Glas in der Hand ins Bad und spuckte das Getränk ins Waschbecken aus. Er schmeckte noch immer sauer. Ihre Finger begannen zu Zittern und und sie merkte nicht, dass sie immer mehr Druck auf das Glas ausübte, bis es schließlich in ihren Fingern zerbarst. Die Scherben bohrten sich in ihre Handinnenfläche und ein leiser Blutstrom tropfte in das bereits vom Wein rot gefärbte Waschbecken. “Verdammt...” flüsterte sie, vor ihrem inneren Auge erschienen die Gesichter von Ran und Shinichi. “Angel und Cool Guy...” Sie klappte den Toilettensitz hinunter und ließ sich darauf niedersinken. Den Schmerz in ihrer Hand ignorierte sie vollkommen. Ein leiser Blutstropfen bahnte sich seinen Weg an ihrem schlanken Bein hinunter. Als ihre Hand immer stärker zu pochen anfing, ging ihr ein Licht auf. “Ein Pochen? Nein, eher ein Klopfen… Ja, das wäre eine Möglichkeit.” Sie selbst war nicht dazu in der Lage, Cool Guy und Angel zu warnen. Nicht, nachdem der Boss bereits befürchtete, dass es einen Verräter in der Organisation gab und sie diese exklusive Information erhalten hatte. Bourbon konnte sie ebenfalls nicht mit einbeziehen, dafür wusste er einfach zu viel über sie und ihre Beziehung zum Boss. Aber es gab da jemanden, der dies bestimmt liebend gern übernehmen würde. Jemanden, der später auch als Sündenbock herhalten könnte, immerhin war sie sowieso eine Verräterin. Eine NOC. Samstag, 04. Juli, 17:30 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land Etwa eine halbe Stunde nach dem ersten Entdecken der Leiche, trafen trafen Inspektor Megure und Kommissar Takagi mitsamt der Spurensicherung am Tatort ein. Als der dickbäuchige, wie üblich mit einem langen, hellbraunen Mantel gekleidete Megure Conan entdeckte, der noch immer am Beckenrand stand und die Stellung hielt, meinte er nur: „Ah. Du schon wieder… dann sind wir ja jetzt wieder alle beisammen.“ Conan stutzte einen Augenblick, dann wurde ihm klar, was Megure damit gemeint hatte. Direkt hinter dem Inspektor war Kogoro Mori aufgetaucht. Dieser hatte ihn noch nicht bemerkt, da er sofort auf die junge Dame, die eine der ersten gewesen war, die die Leiche gefunden hatte, zugelaufen war. „Wie schrecklich, dass Sie so etwas sehen mussten, junge Frau.“ Die Frau, die mittlerweile aufgestanden war und ein paar Meter entfernt vom Rest der Bühnenangestellten und Schauspieler stand, war noch immer ziemlich schockiert und stotterte ob dieser plumpen Anrede nur ein kurzes „J… ja...“ „Meine Dame, ich empfehle mich. Ich bin der berühmte Detektiv Kogoro Mouri. Wir werden diesen unschönen Fall in Windeseile lösen… Dann können Sie schnell nach Hause gehen und sich ein wenig beruhigen.“ Als Kogoro diese Worte entfleuchten, fiel sein Blick auf Conan, der ihn aufgrund seiner schwulstigen Worte einfach nur sprachlos ansah. „Was… was machst Du denn schon wieder hier?“ Kogoro ging schnellen Schrittes auf den Jungen zu, als er diesen erkannte. „Wir haben uns die Akamizu-Show angesehen, als plötzlich diese Frau hier angefangen hat zu schreien.“ Er deutete mit unschuldigem Gesichtsausdruck auf die junge Frau, die Kogoro nun einen unsicheren Blick zuwarf. „Was machst Du denn überhaupt hier, Onkel Kogoro?“ „Ich war zufällig auf dem Polizeipräsidium und hatte einen Termin mit dem Inspektor wegen eines Falles von letzter Woche. Wir hatten erst ein paar Details besprochen, als ein Anruf einging, dass wohl ein Unfall passiert ist. Der Inspektor hat mich gebeten, mitzukommen. Du liebe Güte, der sieht ja übel aus...“ Kogoro betrachtete die Leiche, die die Spurensicherung nun vorsichtig aus dem Wasser zog. Samtag, 04. Juli, 18:00 Uhr, Tokioter Hafen, Shinagawa Container Terminal Suchend sah sich die junge, etwa dreißigjährige Frau, welche ihre langen dunkelbraunen Haare wie üblich zu einem Zopf zusammengebunden hatte, zwischen den Containern des Hafens um. Sie wartete an ihrem üblichen Treffpunkt auf ihre Verabredung. Sonst fanden die Treffen normalerweise immer eher des Nachts statt, wenn auf der kleinen Insel, auf welcher der Shinagawa Container Terminal lag, schon etwas mehr Ruhe eingekehrt war. Natürlich schlief in einer Stadt wie Tokio der Hafen niemals, doch trotzdem war es wesentlich angenehmer, wenn Treffen in der Schwärze der Dunkelheit stattfinden konnten. Die Gefahr, von Hafenmitarbeitern entdeckt zu werden, war dann natürlich wesentlich geringer. Allerdings hatte die Frau am anderen Ende der Leitung sehr eindringlich deutlich gemacht, dass ein Treffen zu sofort stattfinden musste und die Angelegenheit keinen Aufschub duldete. Kir drehte sich um, als sie das Klackern von Schuhen mit hohen Absätzen auf dem Betonboden hörte. Wermut kam ihr entgegen, ihr Gesicht zierte ein unnahbarer Gesichtsausdruck. “Da bist Du ja. Warum wolltest Du Dich mit mir treffen?” Mit kaltem, berechnenden Blick taxierte Rena Mizunashi, welche von der Schwarzen Organisation den Codenamen Kir erhalten hatte, die ihrer Meinung nach extrem arrogante Wermut. Wermut trug eine elegante Bluse und einen schlichten schwarzen Rock, der ihre Figur gut betonte. Kir fiel auf, dass die rechte Hand der Amerikanerin mit einem Verband umwickelt war. “Ich habe einen Auftrag für Dich. Er kommt direkt von “ano kata”. Kirs Augen verengten sich misstrauisch zu schmalen Schlitzen. In ihrem Kopf arbeitete es. War dies vielleicht die Gelegenheit, mit “ano kata” in Kontakt treten zu können? Bis jetzt war ihr dies immer verwehrt geblieben. Es war die Chance, näher an ihn heranzukommen, vielleicht sogar seine Identität herauszufinden und zusammen mit der CIA einen vernichtenden Schlag gegen die Organisation starten zu können. Endlich ergab sich eine Möglichkeit, ihren Vater zu rächen… “Ich will, dass Du alles über diesen Jungen in Erfahrung bringst, was möglich ist und mir dann davon berichtest. Ich möchte über jede Auffälligkeit informiert werden, verstanden? Du wirst ausschließlich mir davon berichten. Niemandem sonst. Ich werde alles direkt an den Boss weitergeben.” Sie überreichte ihr ein Foto. Wermut beobachtete nun jede Gesichtsregung von Rena. Mit Vergnügen erkannte sie für Sekunden den Ausdruck von Unglauben in ihrem Gesicht, als diese die Person auf dem Foto erkannte. “W… wer ist das?” Presste Kir hervor, doch Wermut erkannte sofort, dass die ehemalige Nachrichtensprecherin versuchte, Unwissenheit vorzutäuschen. Sie war eine gute Schauspielerin und würde sich bald wieder im Griff haben, trotzdem war sie selbst ein Profi und erkannte es sofort, wenn sich ihr gegenüber jemand unehrlich verhielt. “Ein kleiner Junge. Er wohnt in der Detektei Mori, dieser schlafende Kogoro hat ihn bei sich aufgenommen. Der Boss vermutet, dass er eine Gefahr für uns darstellen könnte...” “Ich verstehe. Ich werde den Auftrag zu seiner vollsten Zufriedenheit ausführen.” Kir hatte sich nun wieder im Griff. Sich noch länger mit ihr aufzuhalten, wäre in Wermuts Augen ausschließlich Zeitverschwendung. “Das hoffe ich. Melde Dich sofort, wenn Du etwas herausfindest.” Wermut drehte sich um und ging schnellen Schrittes davon, ein eiskaltes Lächeln auf ihren Lippen. Sie konnte nun nur noch hoffen, dass die CIA ihre Arbeit gut machte und die Bewohner der Detektei gut schützen würde. Sie hatten noch genug Zeit. Laut Bourbon war der Beobachter, welcher ausgesandt worden waren, um den schlafenden Kogoro und seine Tochter beschatten zu lassen, nur ein minderbegabter Handlanger. Wären sie wirklich in unmittelbarer Gefahr, hätte jene Person ganz sicher jemanden geschickt, um die Gefahr sofort und endgültig zu beseitigen. Sobald Angel und Cool Guy in Sicherheit waren, konnte sie damit beginnen, ihren Plan Kir betreffend in die Tat umzusetzen. Kir würde keine Gelegenheit haben, einem anderen Organisationsmitglied von ihrem angeblichen Auftrag vom Boss zu erzählen. Dafür würde sie höchstpersönlich sorgen. Und falls es doch soweit kommen sollte… Sobald der Boss die Wahl hatte, entweder ihr oder Kir zu glauben, war sie sich sicher, dass er ihr den Vorzug geben würde. Schließlich hatten sie eine ganz besondere Beziehung zueinander. Unentschlossen besah sich Kir das Foto des scheinbar vollkommen in Gedanken versunkenen Conan Edogawa. Jemand hatte eine Großaufnahme seines Gesichtes gemacht, während er grübelnd eine Hand an sein Kinn gelegt hatte. Er sah äußerst konzentriert aus. Kir hatte ihn damals zusammen mit Kogoro Mori und dessen Tochter bei einem sie selbst betreffenden Falls eines unheimlichen Klingelstreichs kennengelernt. Als sie dann kurze Zeit später aufgrund eines Unfalls während der Ausführung eines Auftrags für die schwarze Organisation ins Krankenhaus eingeliefert worden war, hatten der Junge und Shuichi Akai sie wieder in die schwarze Organisation eingeschleust. Sie hatten ihr im Gegenzug versprochen, ihren Bruder Eisuke ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen zu lassen, wenn sie dem FBI auch noch Bericht über die Tätigkeiten der Organisation erstattete. Die Pläne der beiden waren exakt so verlaufen, wie die beiden sie geplant hatten. Als sie später einen Beweis ihrer Treue hatte leisten müssen, war ihnen dies durch das Vortäuschen von Shuichi Akais Tod tatsächlich gelungen. Den beiden hatte sie es zu verdanken, dass sie so weit gekommen war, auch wenn sie sich selbst manchmal fragte, wie dies so reibungslos hatte klappen können. Natürlich vermutete sie, dass es sich bei dem Kind nicht um irgendeinen gewöhnlichen Jungen handelte, doch wer er genau war, das hatte sie bis jetzt noch nicht herausgefunden. Kir hatte Shuichi zwar damals gegenüber behauptet, dass sie die Interessen der CIA jederzeit über die des FBI stellen würde, doch in diesem Fall musste sie einfach einen Weg finden, das drohende Unheil abzuwenden, und nun vor allem auch mit der Hilfe des FBIs, immerhin waren deren Leute bereits in seiner unmittelbaren Nähe im Einsatz. Shuichi befand sich sogar nur wenige Wohnblocks entfernt von ihm. Sie begann eine Nachricht an Shuichi zu tippen, hielt dann aber inne. Konnte es sein, dass es sich um eine Falle handelte? Was, wenn dies ein Trick war, um sie als NOC zu enttarnen? Falls es nicht so war und sie zögerte noch länger, dann wäre der Junge in einer riesigen Gefahr. Sie musste Shuichi warnen, wenn auch vielleicht auf eine andere Art und Weise. Dieser Grundschüler erinnerte sie so sehr an Eisuke in jungen Jahren, auch wenn er sich beileibe oft nicht wirklich kindlich verhielt. Außerdem hatte sie dem Jungen sehr viel zu verdanken. Conan und seine Ziehfamilie mussten vom FBI in Sicherheit gebracht werden. Samtag, 04. Juli, 18:00 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort Sie mussten etwa eine halbe Stunde abwarten, bis die Spurensicherung ihre Arbeit erledigt, Fotos geschossen und alle Beweise gesichert hatte. Als Herr Tome das letzte Foto geschossen hatte, wagte Conan sich abermals in die Nähe der Leiche, die nun zur Hälfte in einen schwarzen Leichensack eingepackt auf einer Barre auf dem Boden lag, dies bewahrte dem Toten wenigstens etwas Würde. Inspektor Megure, Takagi und Kogoro hatten sich ebenfalls neben die Leiche des Mannes gestellt. „Der arme Tropf hieß Ken Tsugimura. Zusammen mit Frau Risa Amemiya, die dort hinten an der Bühne steht...“ Megure nickte zu einer schwarzhaarigen Frau hinüber. Sie trug noch ihr Eisprinzessinnenkostüm, ihre Augen schienen vom vielen Weinen vollkommen gerötet und sie starrte ängstlich zu ihnen hinüber. Gerade als Megure mitten in seinen Ausführungen war, begann plötzlich Conans Handy zu vibrieren. Die drei Männer warfen ihm einen vernichtenden Blick zu. “Tut mir leid… ich habe vergessen, es auszumachen!” Verlegen sah er kurz auf das Display. Ayumi versuchte, ihn zu erreichen. “Ihr müsst jetzt leider warten, Kinder. Ich stecke mitten in einem Mordfall,” dachte er mit einem leisen Hauch von schlechtem Gewissen. Hastig schaltete er das Gerät komplett aus und lauschte dann wieder Megures Erklärungen. „...war er der Star dieser Show. Die beiden Hauptdarsteller befanden sich kurz vor dem Sprung von Herrn Tsugimura auf diesem Bühnenbildnis dort oben...“ Megure deutete mit seiner Hand hinauf auf den Berg aus Eis und alle vier hoben die Köpfe. „Der Sprung ist ein Teil der Show,“ beendete Megure seine Ausführungen. „Warum… ist der Mann überhaupt von da oben in ein Becken mit Wasser gesprungen? Ich meine, wären Schaumstoffmatten da nicht viel angenehmer für ihn gewesen?“ fragte Kogoro und besah sich das Becken. Es schien ihm nicht wirklich geeignet, einen Sturz aus dieser Höhe angenehm abzumildern. „Ich habe hierzu das Bühnenpersonal bereits befragt. Nach diesem ersten und zweiten Akt beginnt der dritte Akt. Im ersten und zweiten Akt geht es um das Königreich des Eises, es ist eine Eisshow. Im dritten und vierten Akt geht es um das Königreich des Wassers, es ist also eine Wassershow, die in einem riesigen aus Glas bestehenden Schwimmbecken stattfindet. Es ist ein unglaublicher Mechanismus unter der kompletten Bühne verborgen. Unter dem Bühnenboden befindet sich eine Art Schwimmbecken mit Glaswänden. Zwischen Akt zwei und drei findet eine 20-minütige Pause statt. In dieser Zeit wird der Bühnenboden aus Eis zurückgefahren und das Wasser darunter erwärmt. Das alles findet bei ausgeschalteter Bühnenbeleuchtung statt. Zum geschätzten Todeszeitpunkt des Mannes war es komplett dunkel auf der Bühne, bevor jedoch der Mechanismus zum Öffnen der Abdeckung in Gang gesetzt werden konnte, wurde der verantwortliche Techniker aufgehalten, da jemand die Leiche entdeckt hatte. Für die Akamizu-Show wird übrigens nur der komplette linke Teil des Beckens und damit auch der Bühne verwendet. Es gibt allerdings noch eine andere Show, für die das komplette Becken verwendet wird. Da Herr Tsugimura ursprünglich einmal im Turmspringen tätig war, war es seine eigene Idee, doch das Wasserbecken für einen weichen Sprung zu nutzen. Da es sowieso im Wasser weitergeht, war es vollkommen egal, dass er dabei nass wird.“ meinte Takagi, doch Kogoro war noch immer skeptisch, als er das 4 x 4 Meter breite Becken betrachtete. „Und wieso ist dieses Becken dann nur so klein, wenn es doch unter der kompletten Bühne ist?“ „Da hat er allerdings recht...“ dachte Conan und ging noch ein Stückchen näher an das Schwimmbecken heran. „Entschuldigung, wenn ich mich einmischen dürfte...“ ertönte die sonore Stimme eines Mannes. Megure sah auf und erblickte einen Mann um die sechzig Jahre, er hatte ein von bereits vielen Falten gezeichnetes Gesicht mit leicht zusammengekniffenen Augen und an seinem Kinn und seinen Wangen prangte ein buschiger grau-weiß mellierter Vollbart. Er hatte die Hände hinter dem Rücken ineinander verschränkt. Mit seinem blauen Arbeitsoverall den er trug schien es eindeutig, dass er zum Bühnenpersonal gehörte. „Ja, wie kann ich Ihnen denn behilflich sein?“ Fragte Megure, obwohl er nicht sehr begeistert schien, dass er unterbrochen worden war. „Eher ist es so, dass ich Ihnen wohl helfen kann…“ meinte der Mann und deutete auf das Becken, vor dem nun einige Polizeibeamte damit beschäftigt waren, die Leiche abzutransportieren. „Ja. Dann schießen Sie doch mal los.“ Murrte Megure. „Mein Name ist Tsugumi Maeda. Ich bin seit beinahe zehn Jahren Bühnentechniker hier. Oder besser gesagt: Beckentechniker. Das Becken unter der Bühne lässt sich in mehrere Abschnitte aufteilen. Für die Shows ist das essentiell, da es einige gibt, in denen verschiedene Wasserfarben verwendet werden…“ „Mehrere Abschnitte?“ Hakte Conan nach. „Richtig. Das gesamte Becken unter der Bühne lässt sich so unterteilen. Die Zuschauer, die natürlich von oben auf das Geschehen blicken können, sehen diese Zwischenwände nicht, da es sich um Glaswände handelt, die beliebig ausgefahren werden können. Die Besucher sehen nur, dass das Wasser scheinbar wie magisch in verschiedenfarbige Vierecke eingeteilt ist...“ meinte der Mann, ein wenig schwang sogar Stolz in seiner Stimme ob dieser modernen Bühnentechnik mit. „Das bedeutet also...“ begann Megure „dass dieses Viereck hier, in das der Mann gesprungen ist, durch eine Glaswand vom Rest des Beckens abgetrennt ist… ja, tatsächlich, jetzt sehe ich es...“ er beugte sich hinunter und betrachtete die Wände des Beckens, dahinter konnte er tatsächlich weitere Wassermassen erahnen. „Das ist ja wegen dieser roten Suppe fast nicht zu erkennen. Takagi, wurde das Wasser bereits untersucht? Was ist das? Das sieht mir nicht wie Blut aus...“ Schnaufend erhob sich der dickbäuchige Inspektor. „Das ist eine spezielle hautverträgliche Farbe, die eigentlich im zweiten Teil der Show in einen Teil des Wassers geschüttet wird. Diese Dame, Frau Takato, dort hinten...“ er deutete auf eine Frau mittleren Alters, die nun direkt neben der Hauptdarstellerin stand, „ist für das Requisitendesign, die Kostüme und auch für die Schminke der Darsteller zuständig. Ihrer Aussage nach wird diese rote Farbe verwendet, da in dem Stück der Hauptdarsteller stirbt. Im dritten Akt ist das Becken dann komplett blutrot gefärbt. Aus künstlerischer Sicht sollen die blutroten Tränen der Eisprinzessin und das Blut des Wasserprinzen dafür verantwortlich sein… Das Wasser, das bereits im Becken unter dem linken Teil der Bühne steht, ist ebenfalls blutrot. Da beide Becken gleichzeitig eingelassen wurden, sind beide in dieser Farbe eingefärbt. Das spart Zeit, diese ist im Bühnengewerbe kostbar...“ Takagi kratzte sich am Kopf, während er seine Fakten herunter ratterte. „Aha...“ Megure sah nicht so aus, als ob er wirklich an der kompletten Erklärung interessiert gewesen wäre. „Was ist denn eigentlich die Todesursache?“ Mischte Kogoro sich nun ebenfalls ein. „Einer ersten Untersuchung nach hat er eine Kopfverletzung, die aber allein nicht tödlich gewesen wäre. Es sieht so aus, als hätte ihm jemand mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen und daraufhin ist er dann ertrunken… aber Näheres muss noch der Gerichtsmediziner bei einer genaueren Untersuchung feststellen,“ erklärte Tagaki, während er immer wieder einen prüfenden Blick auf die Notizen in seinem Notizbüchlein warf. „Ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf?“ Meinte Kogoro zweifelnd. „Ist es nicht wohl eher so, dass er sich den Kopf am Beckenrand aufgeschlagen hat?“ „Nein, das ist ausgeschlossen… seht doch mal her, nirgends am Beckenrand gibt es Spuren eines Aufpralls...“ Conan deutete auf die Umrandung des Beckens. „Du schon wieder...“ Kogoro holte bereits innerlich zum Schlag aus, doch Conan ging sofort hinter Inspektor Takagi in Deckung. Die Wut des schlafenden Kogoro verschwand so schnell wieder, wie sie gekommen war. „Wurde die Tatwaffe bereits gefunden?“ „Nein, Herr Inspektor. Wir haben jeden Winkel hier untersucht, doch wir konnten sie nicht finden… als nächstes folgt die Leibesvisitation der Besucher. Und das sind ziemlich viele...“ entgegnete Takagi. „Dann lassen Sie bitte das Becken aus dem Wasser, damit wir sichergehen können, dass der Täter sie nicht dort versenkt hat. Bei dieser Brühe kann man nicht einmal bis auf den Boden des Beckens sehen...“ ordnete Megure an. „Ich… ich mache das sofort…“ meinte Maeda und trottete seelenruhig davon. „Der hat Nerven, dieser Opa...“ knurrte Megure, worauf Takagi nur leise murmelte „so viel älter als Sie ist er aber auch nicht...“ „Was sagten Sie eben, Takagi?“ fuhr der Inspektor seinen jungen Assistenten an. „Nichts… gar nichts, Herr Inspektor...“ “Und, Takagi...?” “Ja…?” “Sorgen Sie dafür, dass im Zuschauerbereich das Licht angeschalten wird. Wir können die Leute nicht noch länger im Dunkeln sitzen lassen. Wir haben die Lichtverhältnisse im Raum zum Mordzeitpunkt nun lange genug nachvollziehen können...” “Jawohl, Herr Inspektor.” Einfrig machte Takagi sich auf den Weg, den für die Lichttechnik im Saal zuständigen Mitarbeiter ausfindig zu machen. Samtag, 04. Juli, 18:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Eingang zum Bühnenbereich “Aber wenn wir Ihnen doch sagen, dass wir unbedingt zu unserem Freund müssen! Ein Mädchen aus unserer Gruppe ist verschwunden! Wir müssen Conan unbedingt Bescheid sagen, er muss uns helfen!” Ayumi versuchte verzweifelt, die beiden Polizisten, die den Eingang zum rechten Bühnenbereich bewachten, davon zu überzeugen, dass sie dringend mit Conan sprechen mussten. “Tut mir leid, Kinder. Aber könnt momentan nicht auf die Bühne. Dort ist es etwas Schreckliches geschehen. Etwas, das nicht für Kinderaugen bestimmt ist. Und euer Freund hat vielleicht etwas Wichtiges gesehen, deswegen darf er dort bleiben. Er muss eine Zeugenaussage machen...” meinte einer der beiden Männer freundlich zu dem kleinen Mädchen. Ayumi schüttelte den Kopf, in ihren Augen bildeten sich nun Tränen. “Bitte, wir müssen...” “Kinder, so geht es nun einmal nicht. Bitte geht jetzt. Hier, wisch Dir damit Deine Tränen ab, Kleine...” Der zweite Polizist hatte sichtlich Mitleid mit dem kleinen braunhaarigen Mädchen. Er reichte ihr ein weißes Taschentuch und Ayumi wischte sich damit die Tränen von den Wangen, dann gingen die drei Kinder mit hängenden Köpfen ein Stück zur Seite, damit sie nicht mehr im Blickfeld der beiden Uniformträger waren. “So ein Mist. Weder Conan-kun noch Haibara-san gehen an ihre Telefone… das war unsere einzige Chance, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Heute morgen haben wir unsere Mikro-Remitter noch dem Professor gegeben, damit er ihren Radius noch einmal verbessert...” murmelte Mitsuhiko besorgt. “Ai-chan ist jetzt schon seit über einer Stunde verschwunden… sie hat krank ausgesehen, was, wenn sie irgendwo liegt, vielleicht sogar verletzt?” Schluchzte Ayumi wieder. “Leute, es hilft nichts, suchen wir sie eben noch einmal ohne Conan!” Meinte Genta nun laut. “Immerhin sind wir die Detective Boys. Wir müssen auch ohne Conan zurechtkommen!” fügte er noch hinzu. “Ja, machen wir uns auf die Suche nach Haibara-san… wir haben zwar schon alles abgesucht, aber fangen wir einfach noch einmal von vorne an...” stimmte auch Mitsuhiko dem beleibten Jungen mit seinem fleckigen T-Shirt zu. “Ja...” Schöpfte nun auch Ayumi wieder Mut. “Gehen wir. Wir sind die Detective Boys...” meinte sie und gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Ein Mann mit braun gefärbten Haaren, einem langen braunen Mantel und einem Mundschutz hatte die Kinder die ganze Zeit beobachtet, doch nun hatte er das Interesse verloren. Er setzte in der Nähe des Bühneneingangs auf einen der roten, samtbezogenen Sessel. Er musste also noch ein wenig abwarten. Aber auch gut. Denn wenn er eines hatte, dann Zeit. Samtag, 04. Juli, 18:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Linke Zuschauertribüne, Vorletzte Reihe Haibara kauerte noch immer unter den Sitzreihen. Sie harrte nun schon seit über einer Stunde in derselben Position aus. Ihre Glieder wurden langsam steif und die Kälte des Bodens kroch ihr immer tiefer in die Knochen. Sie wusste, dass etwas passiert sein musste, vermutlich ein Mord. Sie hatte schwören können, dass sie vorhin die Stimme von Inspektor Megure vernommen hatte. Es konnte auch nicht mehr lange dauern, bis das Licht im Saal angehen würde. Was sollte sie dann tun? Falls sie tatsächlich noch einmal ihre Position ändern wollte, musste sie es jetzt tun. Sie kroch noch ein Stückchen unter ihrer Sitzreihe entlang, bis sie fast am Ende angekommen war. Am letzten Sitz entdeckte sie, was sie gesucht hatte. Der Sitz schien leer zu sein und ein Zipfel eines Damenhalstuchs baumelte von ihm herunter. Er gehörte vermutlich zu der Frau auf dem vorletzten Sitz mit den schmalen Füßen, welche in Designersandaletten steckten. Sie hatte perfekt manikürte Fußnägel, die mit einem schauderhaft grässlichen grellpinken Nagellack lackiert waren, soweit sie diese Farbe bei diesen Lichtverhältnissen erahnen konnte. Ai hoffte inständig, dass die Frau das Fehlen des Halstuchs nicht so schnell bemerken oder noch schlimmer, es sogar sehen würde, wenn sie es zu sich unter den Sitz zog. Langsam und mit klopfendem Herzen zog sie das Tuch zu sich herunter. Zum Glück schien die Frau viel zu beschäftigt, sich mit ihrer Sitznachbarin zu unterhalten, um das Fehlen des teuren Stücks zu bemerken. Haibara sah zwar nicht viel, konnte aber erahnen, dass es das tatsächlich war. Es fühlte so an, als ob es aus Seide bestand. Erleichtert stellte sie fest, dass das Tuch genau die richtige Größe hatte, ihre Haare zu verdecken. Sie wickelte sich das Seidentuch um den Kopf. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und kroch am äußersten linken Rand unter der Sitzreihe hervor. Hastig, damit die Frau das Mädchen mit ihrem Tuch auf ihrem Kopf nicht bemerkte, rannte sie hinüber zu einer der beiden Türen, die aus dem Saal führten. Eilig griff sie nach dem Türgriff und Panik breitete sie sich in ihr aus, als sie die Klinke nach unten zog und sich die Türe nicht öffnete. “Abgeschlossen...” murmelte sie panisch und zog den Griff zur Sicherheit noch einmal nach unten. Natürlich. Es musste tatsächlich ein Mord passiert sein. Das bedeutete, jeder im Saal war erst einmal verdächtig oder ein Zeuge. Niemand durfte ihn verlassen. “Was soll ich denn jetzt nur machen? Ich bin hier gefangen. Früher oder später wird mich das Organisationsmitglied finden...” Das Zittern stellte sich wieder ein. “Nein, reiß Dich zusammen, Du musst einen Weg hier raus finden… Du musst die Kinder schützen. Die Kindern und “ihn”.” Am besten wäre es, wenn sie so schnell wie möglich wieder unter die Sitze verschwinden würde. Hier, direkt vor der Türe stand sie wie auf dem Präsentierteller. Haibara erstarrte, als plötzlich die Lichter über ihr erst nur ein wenig flackerten und schließlich der Saal in ein gleißendes Licht getaucht wurde... Soo. Das war es für heute. Wie hat euch das Kapitel gefallen? Bitte schreibt mir eure Meinung. Lieben Dank und bis zum nächsten Mal, eure Himawari-chan. Kapitel 4: Akamizu – Sousa-Teil II, oder: Die rabenschwarze Bedrohung --------------------------------------------------------------------- Kapitel 4 - Akamizu – Sousa-Teil II*, oder: Die rabenschwarze Bedrohung *Sousa = Ermittlungen Samstag, 04. Juli, 18:15 Uhr, Wohnung der Familie Mori Unruhig mit den Füßen, welche in weichen Pantoffeln steckten, vor- und zurückwippend, saß die Oberschülerin Ran Mouri auf ihrem Bett in ihrem Zimmer. Das beunruhigende Gefühl, welches sie heute Nachmittag beschlichen hatte, hatte sie im Laufe des Tages wieder und wieder überkommen, obwohl sie mit aller Macht versucht hatte, es zu verdängen und es auf ihre Fantasie zu schieben. “Was ist das nur für ein nagendes Gefühl? Irgendetwas stimmt hier nicht...” Sie hatte noch mehrmals am Fenster gestanden und hinausgespäht und einfach niemanden entdecken können. Trotzdem verging die Unruhe einfach nicht und war in der letzten Stunde sogar noch angewachsen. Vielleicht lag es daran, dass sie nun bereits seit längerem allein Zuhause war. Ihr Vater hatte sich gegen 16:30 Uhr auf den Weg zu einem Treffen mit Inspektor Megure im Polizeipräsidium gemacht. Megure hatte ihn spontan angerufen und um seine Aussage gebeten. Es ging um einen Fall von letzter Woche, in der eine hübsche junge Frau Anklage gegen einen Stalker erheben wollte, sie fühlte sich ihres Lebens nicht mehr sicher und hatte Kogoro daher engagiert um Beweise gegen den Mann zu sammeln. Natürlich hatte sie Kogoro zuvor ein stattliches Honorar versprochen und Rans werter Vater, der zuerst kaum von dem Gedanken abzubringen gewesen war, seinen Schreibtisch und den Fernseher den Rest des Nachmittags noch einmal zu verlassen, hatte sich innerhalb von Sekunden umentschieden. In einem seiner zwar schon etwas älteren, aber doch einem der besten Anzüge hatte er sich von Ran verabschiedet und ihr erklärt, dass er spätestens um 20:00 Uhr wieder Zuhause sein würde. Conan war ebenfalls außer Haus. Er hatte sich bereits früh heute morgen mit seinen vier Grundschulfreunden von der Kinderdetektivbande getroffen. Die Kinder wollten ins Tropical Land und dort zu einer Live-Veranstaltung von Kamen Yaiba. Damit auch möglichst viele Kinder die Show besuchen konnten, hatten die Veranstalter Sondereintrittspreise mit den Betreibern des Parks ausgehandelt. Da alle anderen Attraktionen des Parks heute ebenfalls geöffnet hatten, waren die Kinder sofort Feuer und Flamme gewesen und Rans Vater hatte sie am Morgen mit einem breiten Grinsen am Eingang des Parks abgesetzt. Froh, einen kompletten Tag seine Ruhe vor den kleinen Nervensägen, wie er sie sehr liebevoll nannte, zu haben, war er in bester Laune in seinem weißen Mietwagen davongetuckert. Das Mädchen mit den langen braunen Haaren, welches wie üblich ihre Schuluniform auch am Wochenende trug, zog den Ärmel ihres blauen Blazers zur Seite und sah auf ihre Armbanduhr. Es war bereits 18:17 Uhr. Wo steckte Conan schon wieder? Er hatte ihr doch versprochen, dass er spätestens um 18:00 Uhr Zuhause sein würde. Sie erinnerte sich daran, dass die Kinder dieses Mal komplett allein unterwegs waren, da der Professor aufgrund der Arbeit an einer wichtigten, seinen Worten nach “bahnbrechenden” Erfindung nicht hatte mitkommen können. Sie selbst hatte heute Vormittag ein wichtiges Karate-Training gehabt und hatte die Meute daher heute nicht begleiten können. Kogoro hatte auf ihren Vorschlag hin, dass er doch einen netten Tag mit den Kindern verbringen könne, nur mit den Schultern gezuckt und auf ihren erbosten Blick hin nur gemeint: “Die sind alt genug. Die kommen schon zurecht.” Hoffentlich war der Junge nicht schon wieder in einen Mordfall hineingeraten. Er schien diese furchtbaren Dinge wie magisch anzuziehen. Bei diesem Gedanken schlich sich unbewusst ein leises Grinsen auf ihr Gesicht. In dieser Hinsicht war er wie Shinichi. Auch Shinichi zog Fälle an wie ein Magnet Eisennägel anzog. Ran stand auf und ging zu ihrem Fenster. Sachte zog sie die Vorhänge ein Stückchen zur Seite und warf einen kurzen Blick hinunter auf die Straße. Alles war ruhig, auf dem Bürgersteig vor der Detektei und dem Café Poirot tummelten sich die Menschenmassen. Die meisten Leute gingen zielstrebig ihres Weges, nur ein breitschultriger Mann mit langen blonden, zu einem Zopf gebundenen Haaren, blieb mitten auf dem Gehweg stehen und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, bevor er weiterging. Es konnte nicht sein. Da musste etwas Verdächtiges sein. Noch einmal wanderten ihre Augen aufmerksam über die vom abendlichen Verkehr eingenommende Straße und den überfüllten Gehweg, bis ihr Blick schließlich an der gegenüberliegenden Häuserzeile entlangglitt und auf dem Dach des Gebäudes direkt vor sich stehen blieb. Ein eiskalter Schauder lief ihren Rücken hinunter, als sie sah, wer dort auf dem Dach stand. Es war eine Frau. Sie trug einen enganliegenden schwarzen Motorraddress, unter ihren rechten Arm hatte sie lässig einen ebenso nachtschwarzen Motorradhelm geklemmt. Auch wenn sie das Gesicht der Frau auf die Entfernung nicht im Detail erkennen konnte, diese langen blonden Haare und diesen stechenden, sie beinahe wie mit Messerklingen durchbohrenden Blick aus diesen kalten Augen, erkannte sie selbst auf diese Distanz. Diese Frau würde sie niemals vergessen. Sie erkannte, dass die Frau mit den westlich anmutenden Gesichtszügen sie direkt ansah, sie musste sie ebenfalls bemerkt haben. Erschrocken zog Ran hektisch den Vorhang wieder vor das Fenster, wobei sie ihn in ihrer Hast ein Stückchen aus der Vorhangschiene riss. Mit zitternden Knien setzte sie sich zurück auf ihr Bett. Die Panik, die sie damals beim Zusammentreffen mit dieser Person empfunden hatte, überkam sie wieder mit voller Wucht. Ihr Herz klopfte plötzlich wie wild und ihre Angst schnürte ihr die Luft zum Atmen ab, als sich plötzlich wieder dort befand. Dort, am Hafen. Es war mitten in der Nacht, in der Ferne konnte sie vage die funkelnden Lichter der Tokioter Skyline erkennen, doch die Umgebung war für sie nur nebensächlich gewesen. Mit all ihren Sinnen hatte sich sich darauf konzentriert, das kleine Mädchen mit den rotbraunen Haaren zu beschützen. Wieder spürte sie Ais schmalen Körper und den harten Steinboden unter sich, fühlte, wie ihre Ellenbogen am Boden entlangschrammten und schmerzhaft aufrissen, als sie sich schützend über sie warf und sie ein Stück am Boden entlangglitten. Sie spürte wieder die Gegenwehr, die das Mädchen geleistet hatte und das Zischen der Pistolenkugeln und die lauten Schläge, als diese direkt neben ihren Körpern einschlugen. Sie erinnerte sich nur zu gut an die Todesangst, die sie damals hatte ohnmächtig werden lassen. “Move it, Angel!” Die Worte, die diese blonde Frau damals ausgesprochen hatte, klangen noch immer in ihren Ohren nach. Sie würde diese Worte, diese eiskalte, mörderische Stimme niemals vergessen. Die Frau, die sie ausgesprochen hatte, schien bereit zu sein, sie und das kleine Mädchen jederzeit zu töten. Ran öffnete die Augen, die sie zuvor aufgrund dieser qualvollen Erinnerung geschlossen hatte. Jetzt erinnerte sie sich auch wieder, woher sie dieses nagende Gefühl kannte. Damals, kurz bevor Ai entführt worden war, hatte sie dasselbe ungute Gefühl gehabt. Langsam und sehr vorsichtig zog das Mädchen den Vorhang wieder ein Stückchen zur Seite und sah noch einmal auf das Dach des Nachbargebäudes. Die Frau war verschwunden. Fast so, als wäre sie niemals dort gewesen. “Was… was mache ich denn jetzt? Hat sie es etwa wieder auf Ai abgesehen? Die Polizei. Ich muss die Polizei anrufen...” murmelte das Mädchen leise. Ran erstarrte, als das Geräusch der Türklingel die im Haus herrschende Stille durchbrach. Samstag, 04. Juli, 18:15 Uhr, Villa der Familie Kudo “Hier spricht Subaru Okiya.” Subaru, der sich gerade im Augenblick im Wohnzimmer der Villa Kudo befand, nahm die Fernbedienung in die Hand, stellte das Volumen des Fernsehapparats leiser und nahm schließlich den Hörer des Telefongeräts ab. “Ich bin es. Hör mir zu, ich habe nicht viel Zeit, ich rufe von einer öffentlichen Telefonzelle an, damit niemand dieses Gespräch zurückverfolgen kann.” Am anderen Ende der Leitung war Kir. Sie klang gehetzt und schien es sehr eilig zu haben. “Ich höre.” “Der Junge aus der Detektei Mori ist in Gefahr. Ich habe von Wermut im Auftrag von “ano kata” den Befehl erhalten, ihn zu beschatten. Du musst sofort alles Nötige in die Wege leiten, um ihn zu schützen.” “Was?” Sofort warf Subaru einen Blick hinüber zum Haus des Professors. “Wenn sie ihn beschatten, dann sie vielleicht auch?” Subara schaltete blitzschnell. Doch es schien alles ruhig zu sein, wie immer hatte er das Haus den kompletten Tag beobachtet und nichts Ungewöhnliches bemerkt. Das Labor des Professors lag still und friedlich wie immer im strahlenden Sonnenschein da. “Wie lautet der genaue Befehl? Hat sie etwas von einem Mädchen gesagt?” “Wermut sagte: “Ich will, dass Du alles über diesen Jungen in Erfahrung bringst, was möglich ist und mir dann davon berichtest. Ich möchte über jede Auffälligkeit informiert werden, verstanden? Und dann sagte sie noch, dass nur sie informiert werden darf, niemand anderes. Sie würde direkt an den Boss berichten. Es war nur von dem Jungen die Rede. Ein Mädchen hat sie nicht erwähnt. Und Akai-san...” “Ja?” “Die CIA wird sich in diese Angelegenheit nicht weiter einmischen. Ich darf die Operation nicht in Gefahr bringen. Das FBI muss das allein regeln...” meinte Kir und Subaru meinte, leises Bedauern aus ihrer Stimme herauszuhören. “In Ordnung. Ich veranlasse alles weitere. Wir werden uns trotzdem noch einmal über die Daten unterhalten, die Du “ano kata” präsentieren wirst. Pass auf Dich auf.” “Verstanden.” Kir legte auf und verließ die Telefonzelle. Samstag, 04. Juli, 18:20 Uhr, Tropical-Land, Akamizu-Showhalle In dem Moment, als plötzlich das Licht anging, fühlte Haibara sich, als durchstächen tausende von winzigen Nadeln ihre Netzhäute und das Mädchen, welches in ihrer momentanen Aufmachung eher an eine Großmutter als an eine Grundschülerin erinnerte, hob sich erst einmal schützend die Hand vor die Augen. Als sie diese wieder zur Seite zog, langsam blinzelte und sich umdrehte, um nach einem Versteck Ausschau zu halten, sah sie direkt in das Gesicht einer Frau mit einem modischen Kurzhaarschnitt. “Hab ich Dich!” Rief diese triumphierend und packte sie am Arm. “Nein, lassen Sie mich los!” “Was ist das, ich spüre überhaupt nichts...” dachte das Mädchen verwundert, als es verzweifelt versuchte, sich aus dem Klammergriff der Frau zu lösen. “Aber warum lässt sie mich dann nicht los...” und da begriff sie. Haibara warf ihren Blick zu Boden und betrachtete die Füße der Frau, die in offenen, schicken Sandalen steckten. Sie starrte auf die feingliedrigen Zehen der Dame, die in Designersandaletten steckten. Sie hatte sich geirrt. Ihre Zehen zierte kein grellpinker Nagellack. Es war das hässlichste Hellrot, dass sie jemals gesehen hatte. “Du hast mir einiges zu erklären, junge Dame! Wieso hast Du mein Seidentuch um den Kopf?” Fragte sie schnippisch und zerrte dem Mädchen das Tuch vom Kopf. “Nein!” Hastig versuchte Ai, ihre Haare mit den Händen zu verdecken, auch wenn sie wusste, dass dies ein sinnloses Unterfangen war. Durch das Gezetter der Designerlady war vermutlich sowieso schon der halbe Saal auf die beiden Gestalten, welche vor der Eingangstüre standen, aufmerksam geworden. “Nanu...” die Frau sah sie verwirrt an, als sie die rotbraunen Haare des Mädchens bemerkte. Etwas im Blick der Frau änderte sich. Sie schien nun zu verstehen. Sie reichte dem Mädchen wortlos das Tuch wieder. Haibara starrte die Frau fassungslos an. “Behalt es...” murmelte sie, dann fügte sie noch hinzu “Du solltest stolz auf Deine Haarfarbe sein, auch wenn sie für eine Japanerin vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist. Immerhin ist sie das, was Dich mit jemanden, den Du sehr liebst, verbindet. Sie ist etwas Besonderes. Ich hoffe für Dich, dass Dir das klar wird, wenn Du erwachsen wirst. Dann wirst Du kein Tuch mehr brauchen.” Wie vom Donner gerührt sah Ai die Frau an. Sie verstand, dass die Frau davon ausging, dass sie sich für ihre Haarfarbe schämte. Trotzdem fühlte sie, wenn auch nur für einen ganz kurzen Moment, einen Stich in ihrem Herzen. Die Frau hatte einen wunden Punkt getroffen. “D… danke...” Stotterte sie und machte sich auf den Weg, ein geeignetes Versteck zu finden. Das Organisationsmitglied schien sie noch nicht wieder entdeckt zu haben. Während sie gebückt hinter den Zuschauerreihen entlangschlich, rasten ihre Gedanken. Ja, tatsächlich hatte sie sich immer anders als alle anderen gefühlt. Als sie in den USA gewesen war, hatte man sie wegen ihrer asiatischen Gesichtszüge gehänselt. In Japan hatte man über sie aufgrund ihrer für ein Mädchen in ihrem Alter ungewöhnlichen Haarfarbe über sie getuschelt. Doch jetzt begriff sie. “Meine besondere Haarfarbe ist das, was mich mit einem Menschen, den ich sehr liebe, verbindet...” flüsterte sie und ein warmer Ausdruck trat in ihre Augen “Ja, so ist es. Nicht wahr, Mutter…?” Samstag, 04. Juli, 18:20 Uhr, Wohnung der Familie Mori Zögernd griff Ran Mouri nach dem Knauf der Wohnungstüre, als abermals die Klingel ertönte. Wer auch immer da draußen stand, schien sehr ungeduldig zu sein. “W.. wer ist denn da?” rief sie unsicher. “Mouri-san, ich bin es! Ich dachte mir, ihr möchtet vielleicht ein paar Sandwiches...” drang Tooru Amuros Stimme gedämpft von draußen zu ihr hinein. Ran fiel ein Stein vom Herzen und sie öffnete nun endlich die Türe. Draußen stand tatsächlich der junge Mann, der sich selbst zu Kogoro Mouris Lehrling erklärt hatte. Auf seinem Gesicht lag ein freundliches Strahlen und auf der Platte, die er in der Hand hatte, stapelten sich sechs reichlich belegte Sandwiches. “Ich dachte mir, Du, Conan und Dein Vater könntet zum Abendessen ein paar Sandwiches vertragen?” “Amuro-san… vielen Dank...” Tooru betrachtete das Mädchen eingehend. Sie schien nervös und mit ihren Gedanken an einem anderen Ort zu sein. “Hat sie etwa etwas bemerkt?” “Mouri-san… Du siehst nicht gut aus. Ist etwas passiert?” Ran sah ihn einen Moment lang unsicher an, sah den beinahe treuherzigen Ausdruck in seinen Augen, dann entschied sie, dass sie ihm trauen konnte. “Möchten Sie vielleicht reinkommen, Amuro-san?” Samstag, 04. Juli, 18:20 Uhr, Villa der Familie Kudo “Der gewünschte Teilnehmer ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht verfügbar. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal...” “Verdammt...” fluchte Shuichi Akai, noch immer unter der Maske von Subaru Okiya verborgen, mittlerweile sehr laut und sehr heftig. Er versuchte nun schon zum zweiten Mal, Conan zu erreichen, doch er schien sein Handy ausgeschaltet zu haben. Genau dasselbe galt für das kleine Mädchen mit den rotbraunen Haaren. Er überlegte einen Moment. Die Nummern der anderen Kinder hatte er nicht. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als diese von Professor Agasa zu erfragen. Das ging vermutlich schneller, als sie von einem seiner FBI-Kollegen in Erfahrung bringen zu lassen. Soweit er wusste, war der grauhaarige Mann Zuhause, Subaru hatte das Labor wie so oft den kompletten Tag im Blick gehabt. Er entschied, so schnell wie möglich zu Hiroshi Agasa hinüberzugehen. Zuvor musste er allerdings noch ein anderes wichtiges Gespräch führen. Samstag, 04. Juli, 18:20 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort Gemeinsam sahen Takagi, Megure, Kogoro und Conan dabei zu, wie das Wasser langsam aus dem Teilbereich des gläsernen Beckens abfloss. Auf dem Boden waren noch immer blutrote Rückstande und feine Reste in Form von kleinen Körnchen des Färbemittels zu sehen, von einer Tatwaffe jedoch war nichts zu sehen. „Soviel zu meiner Vermutung, die Tatwaffe könnte im Becken sein...“ meinte Megure und legte sich überlegend die Hand ans Kinn “Was hat die Leibesvisitation der Zuschauer ergeben?” Fragte Megure Takagi. “Noch nichts, Herr Inspektor. Hier im Saal sind etwa 200 Zuschauer anwesend. Wir benötigen noch mindestens eine Stunde, eher noch länger, bis wir alle überprüft haben...” antwortete Takagi ihm schnell “aber so wie es aussieht, war es keiner der Zuschauer.” “Bitte erklären Sie sich, Takagi...” brummte Megure. “Ja. Wir haben die Zuschauer befragt, die den Bühneneingang direkt im Blick hatten. Niemand hat vor dem Auffinden der Leiche durch die junge Frau, bei der es sich übrigens um die Lichttechnikerin Miyu Ninomiya handelt, den Bereich betreten. Da die Türe durch das Notausgangsschild ein wenig beleuchtet wird, wäre jemand, der dort hindurchgetreten wäre, wohl durchaus aufgefallen. Die Dame befand sich übrigens den kompletten Abend im Raum für Lichttechnik. Hinter der Bühne gibt es natürlich noch einmal einen Eingang, der auf den rechten Teil der Bühne führt, doch wenn man durch diesen geht, kommt man automatisch am Raum für die Lichttechnik vorbei. Frau Amemiya hat ausgesagt, dass sie die Türe über die gesamte Dauer der Show hinweg offen gelassen hat. Es kann also niemand an ihr vorbei dorthin und anschließend wieder zurückgelangt sein…” “Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass wir es mehr oder weniger mit einem hermetisch abgeriegelten Raum zu tun haben… da niemand den Bereich ohne gesehen zu werden, betreten oder verlassen konnte...” meinte Megure nun. “Nun… ganz stimmt das leider nicht...” druckste Takagi herum. “Was soll das heißen?” Mischte sich nun Kogoro ein und auch Conan spitzte die Ohren. “Niemand hat vor dem Mord den rechten Bühnenbereich betreten, dass ist soweit korrekt. Allerdings hat ein Zuschauer ausgesagt, dass nach dem Auffinden der Leiche möglicherweise jemand die Bühne hastig verlassen hat...” “Jemand hat die Bühne verlassen? Das bedeutet, jemand hat möglicherweise die Tatwaffe mitnehmen können und ist dann verschwunden?” Platzte Megure heraus. “Warum haben Sie das denn nicht schon früher gesagt, Takagi...” “Bitte entschuldigen Sie Herr Inspektor, aber da es sich bei diesem Mann auf keinen Fall um den Mörder gehandelt haben kann, hielt ich es für nicht so wichtig. Der Mann, der beschrieben wurde, trug einen schwarzen Anzug und hat den rechten Bühnenbereich erst betreten, nachdem Fräulein Amemiya geschrien hat. Er hat die Bühne sogar noch nach dem zweiten Erstentdecker der Leiche, Herrn Hiroki Yamada, dem Herrn mit dem schwarzen Anzug und der schicken Krawattennadel und sogar noch nach Conan betreten...” “Was…?” Nun blickte Conan erschrocken zu Takagi auf. “Ein Mann ist uns gefolgt, der dann anschließend wieder von der Bühne verschwunden ist? Es hat uns also tatsächlich jemand nachspioniert…” dachte er und alarmiert sah er sich um. “Hatte derjenige tatsächlich etwas mit der Tat zu tun oder war er wirklich hinter mir oder gar Haibara her? Wer könnte das gewesen sein?” “Ich fasse es nicht, Takagi. Derjenige ist doch schon über alle Berge jetzt… aber da er erst nach dem Auffinden der Leiche die Bühne betreten und verlassen hat, ist es tatsächlich unwahrscheinlich, dass er die Tat begangen hat. Wichtig wäre es noch herauszufinden, ob er die Tatwaffe mitgenommen hat… möglicherweise ist er auch ein wichtiger Zeuge… sie müssen alles tun, um ihn zu finden, haben Sie verstanden?” Meinte Megure und warf Takagi einen vernichtenden Blick zu. Samstag, 04. Juli, 18:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des Mannes. Wer hätte gedacht, dass ihn tatsächlich jemand gesehen hatte, als er die Bühne betreten und verlassen hatte? Sie würden ihn niemals finden. Er hatte den Zuschauersaal schon lange verlassen, noch bevor die Security die Türen hatte schließen können. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seine eigene persönliche Show bereits lange ungestört verfolgen können. Die Angst, die er für einen Moment in den Augen des Kindes hatte Aufflackern sehen, machte dies alles für ihn noch einmal interessanter. Die scharfsinnigen Bemerkungen, die der Junge hin und wieder eingeworfen hatte, hatten ihn in seinem Glauben bestärkt, dass er ihn auf keinen Fall unterschätzen durfte. Samstag, 04. Juli, 18:23 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort “Wir haben bereits den kompletten Bereich nach ihm abgesucht, aber das ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit, ihn zu finden. Es gibt hier im Saal genau 34 Männer mit dunkler Kleidung und dunklen Haaren, auf die die Beschreibung passt. Diese haben wir zuerst untersuchen lassen, keiner von ihnen war verdächtig oder hatte etwas dabei, was als Tatwaffe gedient haben könnte. Es ist auch möglich, dass der Mann es noch nach draußen geschafft hat, bevor die Türen verriegelt wurden...” erstattete Takagi Megure Bericht, dieser sah ihn nur unzufrieden an. “In Ordnung. Ruhig bleiben, Shinichi. Um den Mann kannst Du Dir später Gedanken machen. Es könnte auch jemand gewesen sein, der die Leiche gefunden dann aus lauter Angst wieder davongerannt ist… wie es nach meinem Ermessen aussieht, war der Täter einer der Angestellten...” grübelte Conan. Als Kogoro begann, eine ziemlich wirre Theorie bezüglich eines Selbstmords zum Besten zu geben, verdrückte Conan sich. “Ich sollte mir diesen Typen einmal genauer ansehen von dem ich dachte, dass er mich und Haibara beobachtet...” er sah zu dem Mann mit der ausgefallenen Krawattennadel hinüber. “Er hieß Hiroki Yamada, wenn ich mich recht erinnere...” Conan ließ den Inspektor, Takagi und Kogoro weiter diskutieren und ging zu dem Mann hinüber, der ein Stückchen abseits des Bühnenpersonals stand. Er wirkte noch immer mitgenommen. “Sagen Sie mal, Onkel...” “Ah, Du bist es, Kleiner...” der Mann lächelte ihn gewinnend an. “...woher wussten Sie eigentlich, dass etwas passiert war? Sie sind aufgesprungen, noch bevor Frau Ninomiya begonnen hatte zu schreien. Außerdem...” der Junge sah ihn nun mit scharfem Blick an “woher kannte Sie den toten Onkel? Sie nannten ihn bei seinem Namen, als Sie am Tatort ankamen...” Yamada sah den kleinen, etwa sechsjährigen Jungen verwundert an, erstaunt über seine Direktheit. “Nun… Du musst wissen, ich bin der Besitzer dieser Showhalle. Ich habe grundsätzlich einen Faible für Sportarten, die etwas mit Eis oder Wasser zu tun haben. Deswegen habe ich mich auch dazu entschlossen, diese Show hier im Tropical Land zu organisieren. Die Mitglieder des Ensembles habe ich mehr oder weniger selbst angestellt und ich bewundere jeden von ihnen für ihre Leistungen. Soweit es sich einrichten lässt, sehe ich mir mindestens dreimal die Woche diese Show hier an und das schon seit fast 10 Jahren. Als ich Frau Amemiya dort oben auf dem Eisberg stehen sah und ihren entsetzten, nach unten gerichteten Blick bemerkte, wusste ich sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist...” schloss er seine Erklärung und sah den Jungen freundlich an. Irgendetwas in Conan sagte ihm, dass der Mann die Wahrheit sagte. Seine Aussage war vollkommen schlüssig. Zumindest, was seine Liebe zum Eiskunstlauf betraf. Schon in dem Gespräch, welches er mit den Kindern geführt hatte, war dies deutlich geworden. Auch seine ungewöhnliche Krawattennadel in Form eines Schlittschuhs stützte seine Aussage. Konnte es etwa sein, dass er Haibara nur deswegen so genau betrachtet hatte, weil diese sich scheinbar so sehr für die Show interessiert hatte? Mittlerweile kam ihm der Kerl überhaupt nicht mehr verdächtig war. Er benahm sich vollkommen normal. Nachdem er mit dem Mann gesprochen hatte, gesellte er sich zu Takagi, der zusammen mit den beiden anderen Herren nun Frau Amemiya befragte. “Dann haben Sie also den Toten zuerst gesehen?” Hastig ging er zu der Hauptdarstellerin, die mittlerweile von der Polizei eine Decke erhalten hatte, die sie sich nun über die Schultern gelegt hatte. Conan hatte sich sowieso schon gefragt, ob die Dame in ihrem knappen Kostüm nicht fror. Immerhin war hier überall um sie herum Eis. “Ja...” Sie machte nun den Eindruck, sich wieder gefangen zu haben. “Als ich nach unten sah, bemerkte ich, dass Tsugimura nicht sofort aus dem Becken stieg, wie er es sonst immer tat. Stattdessen schien er sich verletzt zu haben, er rührte sich einfach nicht mehr… nach ein paar Minuten, die er sich nicht bewegt hatte, sagt ich Miyu über mein Bühnenmikrofon Bescheid, dass etwas nicht stimmte. Wir haben alle eins. Es ist für Notfälle gedacht. Falls jemand einmal seinen Text vergisst, agiert Miyu als unsere Souffleuse, d. h. sie geht das Drehbuch fast Wort für Wort mit durch und flüstert uns den Text ein. Als ich ihr Bescheid sagte, verließ sie den Raum, in dem die Lichteffekte geregelt wurden und ging nachsehen...” “Das bedeutet, Frau Ninomiya, dass Sie der Leiche als erstes nahekamen, habe ich Recht?” Meinte Kogoro und sah die junge Frau mit den braunen Haaren an. Sofort begannen ihre Lippen zu zittern. “Richtig… Risa erklärte mir, dass mit Ken etwas nicht stimmt. Also ging ich nachsehen… und dann… dann lag er da… und er bewegte sich nicht mehr, mit offenen Augen… es war so schrecklich...” “Tatsächlich? War es nicht eher so, dass es ihm gut ging, er noch eine Weile im Wasser war und Sie ihm dann mit einem stumpfen Gegenstand eins übergezogen haben, junge Dame?” Megure sah sie ernst an. Ninomiya schüttelte vehement den Kopf. “Nein! Ich sagte doch, als ich ihn fand, war er bereits bewusstlos… seine Augen waren offen...” “Sie sagt die Wahrheit...” mischte sich nun Amemiya ein. “Ich konnte von oben sehen, dass sie sich Ken nicht genähert hat...” “Wer sagt uns denn, dass Sie beide nicht unter einer Decke stecken...” murmelte Kogoro. “Wie können Sie es wagen!” Empörte sich Amemiya und legte Miyu tröstend eine Hand auf die Schulter. “Und Sie? Wo waren Sie beide zum Zeitpunkt der Tat?” Takagi wandte sich nun an die Frau Takata, die für die Requisiten und die Maske zuständig war und an Herrn Tsugumi Maeda, der für die Beckentechnik zuständig war. “Ich befand mich in einer der Kühlkammern und habe mich um die Eis-Bühnenbilder für die nächste Show gekümmert. Leider war ich allein. Das kann also niemand bezeugen.” “Aha.” Knurrte Megure. “Und wo waren Sie?” Er besah sich Maeda, den Herrn mit dem Vollbart und dem blauen Overall noch einmal genauer. Seelenruhig stand er da und etwa zwei Minuten später, als Megure schon noch einmal nachhaken wollte, begann er zu sprechen. “Ich war im Kontrollraum. Von dort aus habe ich alles im Blick. Die Technik wird ebenfalls von dort aus gesteuert. Es war alles ganz normal… Neben mir befand sich sonst keiner dort...” “Ist einem von Ihnen beiden etwas oder jemand verdächtiges aufgefallen?” Maeda schüttelte nur den Kopf, doch Frau Takata begann vorsichtig zu sprechen: “Ja, mir ist tatsächlich etwas Verdächtiges aufgefallen. Eine der Figuren, die dort eingelagert gewesen war und für die nächste Show hätte verwendet werden sollen, war nicht mehr da...” Kogoro horchte auf. “Eine Bühnenskulptur ist verschwunden, meinen Sie?” “Was hatte sie für eine Form?” Diese Frage kam nun von Conan. “Es war eine längliche Säule...” meinte die Frau, sie beugte sich leicht zu ihm hinunter. “Sehr merkwürdig...” murmelte Takagi. “Können Sie uns diesen Raum bitte einmal zeigen?” Forderte Kogoro Frau Takata auf. Zu fünft machten sie sich auf den Weg, sich die Kühlkammer anzusehen. Samstag, 04. Juli, 18:30 Uhr, Villa der Familie Kudo “Ich habe verstanden. Jodie Starling und André Camel werden sich sofort zur Detektei Mori begeben und die Lage sondieren. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, müssen wir diskret vorgehen, auch, um Kir nicht zu gefähren. Also werden wir zuerst einmal nur schauen, wie viele von ihnen sich dort aufhalten und diese dann unter Beobachtung halten, damit Kogoro und Ran Mori nichts zustößt. Ich werde ebenfalls einen Mann ausschicken, der das Haus von Hiroshi Agasa im Auge behält und bei Gefahr eingreift.” James Blacks Stimme hörte sich noch ernster an als sonst. “Bitte sag Jodie und André, dass sie äußerst vorsichtig sein sollen. Falls wirklich von “ano kata” ein Befehl kommen sollte, die beiden zu töten, kann das verdammt unangenehm werden… ich denke nicht, dass sie in akuter Gefahr sind. Immerhin sollte ja der Junge beschattet werden.” “Konntest Du ihn schon erreichen? Machst Du Dich sofort auf den Weg zu ihm?” “Er geht nicht an sein Telefon. Er hat heute morgen zusammen mit den anderen Kindern das Haus des Professors verlassen, sie wollten einen Ausflug machen, aber ich weiß nicht, wohin. Ich werde also zum Professor gehen und nach dem genauen Aufenthaltsort fragen. Vielleicht können wir eines der anderen Kinder erreichen. Ich mache mich dann sofort auf den Weg.” “Akai-san.” “Ja, James?” “Keine Alleingänge, hast Du mich verstanden? Du wirst mich über alles, was Du planst, unterrichten...” “Verstanden.” Shuichi Akai legte auf und steckte sein Handy in die Tasche. Er sah noch einmal hinüber zum Haus des alten Mannes. In diesem Moment hörte er es. Ein gedämpftes, lautes Krachen, wie von einer Explosion und kurz darauf das Geräusch von splitterndem Glas. “Verdammt! Das kam vom Haus des Professors...” Er nahm die Beine in die Hand und rannte so schnell wie er schon lange nicht mehr gelaufen war. War das etwa “ihr” Werk? Bomben passten perfekt zu ihnen, sie löschten so ziemlich alles aus, was als verwertbare Spur verwendet werden konnte. Samstag, 04. Juli, 18:30 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort “Das hier ist also die Kühlkammer, in der die Skulpturen verwahrt werden, ja?” Megure ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Außer ein paar gigantischen Eisskulpturen und einer Werkbank mit Werkzeugen, auf der die Figuren wohl ihren letzten Schliff bekamen, fiel ihm nichts Besonderes auf. “Ja...” meinte Frau Takata und zeigte dann mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf eine leere Stelle in der Ecke des Raums. “Dort stand die Säule...” “Ist das kalt...” bibberte Rans Vater und verschränkte die Hände vor der Brust. Conan ging an dem fröstelnden Kogoro vorbei und besah sich die Stelle genauer. “Was ist das? Sind das etwa Eisspäne? Die sehen noch ziemlich frisch aus. Wenn man so etwas von Eis behaupten kann...” Schnell machte er kehrt und ging hinüber zur Werkbank. Er fand sofort, wonach er gesucht hatte. Eine elektrische Eissäge. “Sagen Sie mal… dieses Ding da… ist das gefährlich?” Er deutete mit gespieltem kindlichen Charme auf die Säge mit feinen, eng aneinander liegenden Sägeblattzähnen. “Oh ja, mein Kleiner. Damit kann man sogar die dicksten Eisblöcke zerteilen… sei also bitte vorsichtig und fass sie nicht an, ja?” Meinte Frau Takata. “Ich verstehe. So hat er das also gemacht. Ein Teil des Rätsels habe ich schon einmal gelöst… dann fehlt nur noch der Rest...” “Außer dem fehlenden Eisblock kann ich hier nichts Verdächtiges entdecken. Gehen wir lieber wieder zurück, sonst setzen wir noch Frostbeulen an...” meinte Kogoro an Megure gewandt, dieser nickte ihm zustimmend zu. Als sie wieder im rechten Bühnenbereich angekommen waren, rannte Conan sofort zur Hauptdarstellerin Frau Amemiya. “Sagen Sie mal… Sie waren doch da oben...” er deutete mit unschuldigem Gesichtsausdruck hinauf auf den Berg aus Eis. Wie kommt man denn da hoch?” Amemiya dachte sich nichts dabei, als sie ihm sofort antwortete: “Hinter dem Eislauffeld auf der linken Seite der Bühne befindet sich der Aufstieg. Du kommst über eine Treppe nach oben?” “Eine Treppe? Aber wie kommt man da denn dann mit Schlittschuhen hoch? Ist das nicht gefährlich?” Fragte Conan scheinbar irritiert. “Ja, eine Treppe. Wir ziehen die Schlittschuhe immer vorher aus, wenn wir den Berg hinaufsteigen. Mit Schlittschuhen wäre es viel zu gefährlich. Es sieht zwar für die Zuschauer so aus, als bestünde auch die Plattform komplett aus Eis, aber das stimmt nicht. Aus Sicherheitsgründen tragen alle Schauspieler oben auf der Plattform spezielle Schuhe mit Gummisohlen. Auch der Boden ist gummiert. Das Publikum sieht das nicht, dass wir keine Schlittschuhe mehr tragen, da die Scheinwerfer nur die Körper, nicht aber die Füße der Schauspieler beleuchten.” “Ach so...” scheinbar gelangweilt sah er sich nach hinten um. Megure und Kogoro, die sein Gespräch mit der Frau mitbekommen hatten, hatten nun denselben Gedanken wie er selbst. “Da fällt mir ein...” fing Megure an “…wir waren noch überhaupt nicht persönlich auf der Plattform… würden Sie uns bitte einmal hinaufgeleiten?” er sprach nun direkt Frau Amemiya an. “Natürlich...” Bestätigte sie ihm. Als Kogoro diese Worte hörte, wurde sein Gesicht blass. “Ich… ähm… suche weiter hier unten nach Hinweisen...” stotterte er und ging langsam ein paar Schritte rückwärts. “Nun seien Sie doch bitte keine solche Memme, Mori…” unbarmherzig zog Megure Kogoro mit hinüber zum Aufgang. Conan schlich sich auf leisen Sohlen mit dorthin. Oben auf der Plattform angekommen, wagte er sich sofort direkt an die Absprungkante. “Von hier aus ist er nach unten gesprungen… die Aussage von Frau Amemiya scheint zu stimmen. Von oben aus kann man wirklich sehr deutlich sehen, wenn etwas nicht stimmt… ob es von hier oben aus passiert ist? Nein, das hätte ja jeder mitbekommen...” “Geh nicht so nah an die Kante, Conan-kun...” Takagi zog ihn ein Stückchen zurück. “Und Sie Mori, gehen Sie doch bitte ein Stückchen zu mir her! Von da hinten sehen Sie doch überhaupt nichts!” Meinte Megure zu Kogoro gewandt, der sich mit kalkweißem Gesicht an die Rückwand der Plattform gedrückt hielt. “Ich will ja auch überhaupt nichts sehen!” Presste Mori hervor, der erkaltete Angstschweiß stand ihm deutlich auf der Stirn. “Mensch Conan-kun, Herr Mori scheint ja eine ziemliche Angst zu haben, oder? Der arme Kerl...” flüsterte Takagi dem Jungen mit vorgehaltener Hand vor. “Ja. Onkel Kogoro hat eine schreckliche Akrophobie...” murmelte der Junge geistesabwesend. Takagi sah ihn nur erstaunt an. Woher hatte der Junge nur dieses Wissen? Conan bemerkte den Ausdruck in Takagis Augen und fügte schnell hinzu “Höhenangst. Das ist eine Einschränkung, Herr Takagi! Man hat fast Symptome wie bei einer Allergie! Schweißausbrüche und Angstzustände...” er sah Takagi kurz an und fügte dann noch hinzu “dazu habe ich gestern einen Bericht im Fernsehen gesehen!” Der junge Inspektor verwarf den Gedanken wieder, dass es sich bei Conan um kein gewöhnliches Kind handeln konnte. Er war einfach sehr intelligent, das war alles. Conan jedoch, hielt inne. “Moment mal… Panik… eine … Akrophobie… Höhenangst… Allergie… Ach so, so war das also. Jetzt verstehe ich...” ein wissendes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Gemeinsam verließen sie die Kulisse wieder. Unten angekommen, flüsterte Conan Inspektor Takagi etwas ins Ohr. Sofort horchte dieser auf. “Und Detektiv Mori hat das wirklich gesagt, ja?” Meinte er zweifelnd. “Ja, und außerdem bittet er Sie darum, dass bei der Gerichtsmedizin anzufragen. Mittlerweile sollte das Obduktionsergebnis ja vorliegen, nicht wahr?” Der Junge lächelte ihn an. “Ja, tatsächlich sollten sie soweit sein… ich frage gleich einmal nach...” Takagi drehte sich um und machte sich auf den Weg, Moris Bitte zu erfüllen. Das selbstsichere Grinsen auf Conans Gesicht wurde noch breiter. Vollkommen erledigt setzte Kogoro Mori sich auf einen steinernen Absatz, auf dem ein großer Scheinwerfer festmontiert war. Noch immer war ihm schrecklich übel, sein bleiches Gesicht sprach Bände. Warum nur musste der Inspektor immer wieder darauf bestehen, ihn mit in schwindelnde Höhen zu nehmen? Natürlich hatte er schon mehrfach versucht, sich seine Schwäche abzutrainieren. Aber so leicht war das nicht. Erschöpft lehnte er sich mit seinem Rücken an die Scheinwerferhalterung. Er hatte am Nachmittag einfach mal wieder zuviel gebechert. Doch woher hätter er auch wissen können, dass der Inspektor ihn noch zu einer spontanen Zeugenaussage aufs Polizeipräsidium bitten würde? Conan war Kogoro einen kurzen Blick zu. “Das passt ja ausgezeichnet, wenn er schon sitzt. Sobald ich die letzten Informationen zusammenhabe, können wir mit der Aufklärung des Falls beginnen...” Samstag, 04. Juli, 18:35 Uhr, Professor Agasas Labor Eilig rannte Subaru auf die Quelle des Explosionsgeräusches zu. Schon als er in den Vorgarten des Professors trat, bemerkte er, dass einige Fensterscheiben zersplittert waren. Rauch drang aus den nun offenen Löchern in den Fenstern hervor, auf dem Gehweg lagen Glasscherben herum. Es schien sich um eine kleinere Explosion gehandelt zu haben. Alarmiert schlich er sich nun zum Hintereingang. Bei einer früheren Gelegenheit hatte er das Haus des alten Mannes schon einmal inspiziert. Er wusste, dass dieser dazu tendierte, den Hintereingang nicht abzuschließen. Der Mann mit dem obligatorischen Rollkragenpullover öffnete leise die Türe und trat ein. Mit allerhöchster Vorsicht stieg er über mehrere selbstgebastelte Gerätschaften des Professors während er sich umsah. Er hielt seine, als reine Vorsichtsmaßnahme dienende Pistole in seiner rechten Hand. Als er ein knirschendes Geräusch hörte, wandte er sich sofort um und hob seine Waffe ein Stückchen. Angespannt ging er weiter, die Waffe im Anschlag. Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Beinahe enttäuscht beobachtete der Mann mit den schwarzen Haaren und dem dunklen Anzug den Mann, der sich selbst als Meisterdetektiv und den die Medien als “schlafenden Kogoro” bezeichneten. Dieser war äußerst unspektakulär und er hätte sich wesentlich mehr von ihm und seinem Auftreten erwartet. Der Mann trug einen Oberlippenbart, welcher schon seit gefühlt mehreren Jahrzehnten nicht mehr in Mode war. Sein Gesicht war blass und Augenringe zeugten davon, dass er wohl sehr lange wach gewesen war in der letzten Nacht. Entgegen seinem Ruf benahm er sich nicht sehr scharfsinnig, sondern eher peinlich, im Gegensatz zu seinem kleinen Freund mit der Brille, den er fast die ganze Zeit bis jetzt im Auge behalten hatte. Der Junge hatte dem Mann vorhin bereits einen Blick zugeworfen. Gespannt wartete er nun darauf, was als nächstes passieren würde. Er konzentrierte sich wieder auf den Jungen. Der junge Inspektor, mit dem er zuvor getuschelt hatte und er ärgerlicherweise nur das halbe Gespräch mitbekommen hatte, flüsterte ihm nun wieder etwas zu. Dieses Mal standen sie allerdings etwas näher an der Wanze, sodass er beinahe die komplette Konversation mitanhören konnte. “Es war genau so, wie Herr Mori gesagt hat. Die Kleidung…” nun flüsterte der junge Mann nun doch wieder so leise, dass er nichts verstehen konnte “...am Hals...” endete er. “Perfekt! Danke, Inspektor Takagi...” “Konnten Sie das, worum ich Sie gebeten habe, besorgen?” “Ja, natürlich. Sie war noch dort, wo Du beschrieben hast und sie hat mir das Gewünschte ausgehändigt...” “Und der Tatverdächtige?” “Ist ebenfalls da...” “Dann tun Sie mir doch bitte den Gefallen, und rufen alle hierher, damit Onkel Kogoro das Verbrechen auflösen kann...” Der Mann starrte den kleinen Jungen fassungslos an und sah dann auf den Mann, der noch immer erschöpft an der Scheinwerferhalterung lehnte. Niemals traute er diesem Mann zu, die Fälle zu lösen, für die er in den Zeitungen berühmt geworden war. Täuschte ihn sein Eindruck? Und was genau spielte dieses Kind für ein Spiel? Konnte es sein, dass…? Der junge Inspektor machte sich auf den Weg, alle zu versammeln. Er schien dieses Spiel bereits gewohnt zu sein, wenn er auf Zuruf eines kleinen Kindes sofort alles Stehen und liegen ließ und sogar Botengänge für dieses erledigte... Samstag, 04. Juli, 18:42 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort Kogoro saß noch immer an dem Platz, an dem er noch mehrere Minuten zuvor gesessen hatte. Er hatte die Augen geschlossen, schon seit mehreren Minuten. Vielleicht war er tatsächlich eingeschlafen. Er schien die letzte Nacht nicht viel geschlafen zu haben. Typisch Kogoro, selbst wenn ein Mordfall passiert war, konnte er seelenruhig schlummern. Conan hatte bereits das Visier seines Narkosechronometers aufgeklappt und hielt es im Anschlag. Er musste sich beeilen, bald würden die Verdächtigen und der Inspektor eintreffen. Genau in dem Moment, in dem er abdrückte, packte ihn plötzlich jemand von hinten an der Schulter und sagte: “was machst Du denn da, Junge?” Es war der Beckentechniker Maeda. Erschrocken realisierte Conan, dass er die Betäubungsnadel zwar abgeschossen, aber ihre Flugroute nicht mitbekommen hatte. “I… ich… das ist nur ein Spielzeug...” stotterte er und bemerkte entsetzt, dass zusammen mit Maeda alle anderen ebenfalls zu ihnen getreten waren. Der/die Verdächtige war ebenfalls anwesend. Allerdings schien niemand bemerkt zu haben, dass er die Nadel auf Kogoro gerichtet hatte. “Verdammt… mir bleibt nicht mehr viel Zeit… habe ich ihn jetzt getroffen oder nicht?” Dem Jungen brach der kalte Schweiß aus. “Aah, Mori, es geht also wieder los. Na dann lassen Sie mal hören!” Conan wartete ab, ob Kogoro auf Megures Worte reagierte. Nichts, er rührte sich nicht. Hastig trat er hinter den Mann. “Onkel Kogoro, hörst Du mich?” Es half nichts. Er musste sichergehen, dass Kogoro wirklich schlief. Mit einer ganz leisen Entschuldigung zwickte er ihm kräftig von hinten in den Oberarm, doch er reagierte nicht. Er musste ihn also tatsächlich getroffen haben… Er seufzte kurz, dann setzte er seinen Stimmentransposer an die Lippen an. “Herr Inspektor, schön das Sie da sind. Was halten Sie davon, wenn ich mit meinen Schlussfolgerungen beginne?” fing Conan an, mit Kogoros Stimme zu sprechen. Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Fasziniert beobachtete er den kleinen Jungen, der nun mit der Stimme des erwachsenen Mannes zu sprechen begonnen hatte. Interessant. Sehr interessant. Vor allem dieses kleine “Spielzeug”, mit dem er auf den Mann gezielt hatte. Ein amüsiertes Grinsen umspielte seine Lippen, als er den Kragen des schnauzbärtigen Detektiven ein Stückchen heranzoomte. Dort, direkt hinter ihm, schien etwas in dem Seil zu stecken, mit dem der Scheinwerfer hinter dem Kerl an dem Podest festgemacht worden war. Er kniff die Augen zusammen, damit er es besser erkennen konnte. Was war das? War das etwa eine Nadel, die dort steckte? Kapitel 5: Akamizu – Suiri-Teil oder: Enttarnt ---------------------------------------------- Kapitel 5 – Akamizu – Suiri-Teil* oder: Enttarnt *Suiri: Schlussfolgerungen Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Professor Agasas Labor Noch immer angespannt und wachsam durchschritt Subaru Okiya die sonnendurchfluteten Räumlichkeiten des Professors, er war auf das Schlimmste gefasst. Die Gegenstände im Raum warfen nun deutlich längere Schatten, die Sonne hatte ihren Zenit schon lange überschritten, in nur wenigen Stunden würde es dunkel werden. Überrascht spitzte er die Ohren. “Was ist das?” Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Von irgendwoher drang eine leise Melodie. Der Mann ging noch ein Stückchen weiter, vorbei an zwei fein säuberlich gemachten Betten. Nun konnte er es eindeutig hören. “...Aa kono sekai wa anata no iro ni naru yo**” **...ah… diese Welt erstrahlt in Deinen Farben Die Musik war zwar nur sehr leise zu vernehmen, doch sie schien merkwürdig missgestimmt und blechern. Mittlerweile konnte er auch einen sehr intensiven Geruch nach Schießpulver warnehmen. “Toki ni yasashiku toki ni zankoku made ni...***“ ***Mal freundlich, mal grausam... Die Worte “...made ni...” waren nur noch ein letztes blechernes Aufkrächzen, danach war nichts mehr zu hören. Was auch immer die Töne abgesondert hatte, schien nun das Zeitliche gesegnet zu haben. Er ging noch ein paar Schritte weiter und erkannte ein Stückchen vor sich den Professor, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Zuerst befürchtete er, dass für ihn jede Hilfe zu spät gekommen war, doch dann regte der Mann sich. Um ihn nicht unnötig zu verschrecken, sicherte Subaru seine Waffe und steckte sie griffbereit in seinen Hosenbund und ließ sein weinrotes Jacket genau so darüberfallen, dass sie nicht mehr zu erkennen war. Er hatte nun verstanden, was passiert war. “Professor Agasa! Sind Sie in Ordnung?” Er eilte zu dem Mann hin und griff seinen Arm, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Schnaufend, hustend und mit einem peinlich berührten Ausdruck in den für sein Alter noch sehr wachen Augen richtete sich der Mann mit der hellgrauen Haarpracht langsam mit Subarus Unterstützung vom Boden auf. Er blickte auf und besah sich den etwa Dreißigjährigen, der wie aus dem Nichts im Zimmer vor ihm aufgetaucht war. “Tut mir leid, dass ich solch einen Lärm verursacht und Ihnen solch einen Schrecken eingejagt habe, Subaru-san...” noch immer hustend, klopfte sich der in die Jahre gekommene Professor die Asche von seinem ausgeblichenen Laborkittel, den nun neben Ölflecken und undefinierbaren Flecken anderer chemischer Verbindungen auch einige Brandlöcher in verschiedenen Formen und Größen zierten. Subaru stieg augenblicklich der Gestank verbrannter Haare in die Nase. An Professor Agasas Augenbrauen, die nun teilweise schwarz statt grau waren und sich kräuselten, konnte er sehr gut erkennen, woher dieser angesengte Geruch kam. Wie üblich ließ sich der Braunhaarige keine Gefühlsregung anmerken. Mit trauriger Miene beugte der Professor sich hinunter und hob etwas auf, das entfernt an ein Brillengestell erinnerte. Es war ziemlich deformiert und komplett rußgeschwärzt. Geknickt betrachtete er seine nun nutzlose Rundglasbrille, die er zuvor auf dem Tisch abgelegt hatte und die durch die Explosion auf den Boden geschleudert worden war. Von ihr war nur noch die Fassung ganz geblieben. Die in hunderte kleine Teilchen zersplitterten Brillengläser lagen überall verstreut auf dem mit Brandflecken übersäten Boden herum. “Da wird wohl mal wieder eine neue Brille fällig… gut, dass ich für solche Fälle immer eine Ersatzbrille da habe...” dachte Agasa und legte die kläglichen Überreste des Metallgestells auf der geschwärzten und ebenfalls mit Glassplittern übersäten Platte seiner Erfinderwerkbank ab. Mit einem bereits gewohnten Handgriff öffnete er die Schublade unter der Werkbank und zog eine Ersatzbrille daraus hervor. Sie glich seiner üblichen Brille aufs Haar, wenn man von der Tatsache absah, das der Steg wohl in der Mitte gebrochen und von Agasa mit einer ganzen Menge Tesafilm geflickt worden war. “Was ist denn geschehen?” Subaru sah den Mann mit einem freundlichen und vor allem ruhigen Lächeln an, auch wenn er drängende Fragen an den Mann hatte. Wie immer spielte er seine Rolle perfekt. “Ich, ähm…” stotterte Agasa und besah sich das Chaos, welches er angerichtet hatte, genauer. “Lassen Sie mich bitte einen Moment sammeln. Es scheint, mein Kopf ist eben explodiert...” In ebenjenem Moment ertönte wieder ein leises, kaum mehr melodisches Krächzen “made ni...”. Der Professor und Subaru drehten sich zur Ursache des blechernen Tons um. Es kam von einer Art winzig kleinem, vollkommen demolierten MP3-Player mit kleinen Lautsprechern, der wohl durch die Explosion mehrere Meter weit durch den Raum geflogen und dabei einen dunklen, rußigen Flecken beim Aufprall an der Wand hinterlassen hatte. Mit einem letzten verzweifelten Aufstöhnen und einer kleinen Rauchwolke, ging das Gerät vor ihrer beider Augen in Flammen auf, welche nach nur wenigen Sekunden verpufften und nur noch einen kleinen geschwärzten Schrotthaufen zurückließen. Agasa besah sich verlegen das Chaos, welches er angerichtet hatte und stellte fest dass er neben der Neuanfertigung einer Brille nun zum wiederholten Male in diesem Monat neue Fensterscheiben würde einsetzen lassen müssen. Das würde ihn wieder eine ganze Stange Geld kosten… “Das gibt gewaltigen Ärger mit Ai-kun...” dachte er deprimiert, dann wandte er sich dem jungen Studenten zu, der seit einiger Zeit sein Nachbar war. “Ein Prototyp einer Neuauflage einer meiner älteren Erfindungen, eine Verbesserung von “Tropical Rainbow”… sie wird noch viel farbenfroher und soll nun auch Musik bei der Explosion machen… ich habe mich wohl bei der Menge für das Schießpulver für das Testobjekt dafür ein wenig verschätzt...” meinte er schließlich und fügte dann noch hinzu “Ich bitte um Entschuldigung...” “Das macht doch nichts, ich bin nur froh, dass Ihnen nichts passiert ist...” “Ja, nicht wahr… man glaubt gar nicht, was so ein kleines bisschen Schießpulver auszurichten vermag…” Subaru sah ihn nur mit seinem unergründlichen leisen Lächeln auf den Lippen an. “Nun… weswegen ich eigentlich zu Ihnen gekommen bin… ich habe vor, Curry zum Abendessen zu machen und wollte Sie und die Kinder dazu einladen...” Subarus Miene war nun wieder undurchschaubar “...allerdings kann ich die Kinder heute nirgends entdecken. Sind sie nicht bei Ihnen?” “Herr Mori hat die fünf heute Morgen ins Tropical Land gefahren. Sie wollten eine Show von Kamen Yaiba besuchen. Ich konnte leider nicht mit, ich habe morgen meinen Vorstellungstermin für meine verbesserte Variante der Tropical-Rainbow, auch wenn das so wohl eher nichts werden wird, bei diesen, sagen wir mal bombenmäßigen Fortschritten, nicht wahr?” Agasa begann dröhend zu lachen, wohl eher aus Verlegenheit als dass er es tatsächlich lustig fand. Als er Subarus unveränderten Gesichtsausdruck sah, stoppte er sofort wieder. “Wann kommen sie denn von dort wieder?” Als Subaru diese Worte sagte, wurde der Professor schreckensbleich. “Du liebe Güte, ich wollte die Kinder schon um 17:30 Uhr vor dem Eingang treffen und dann nach Hause fahren. Ich muss mich ziemlich in der Zeit verschätzt haben...” Hastig sah er sich um, sein Blick glitt über den geschwärzten Boden. “Machen Sie sich keine Umstände, was halten Sie davon, wenn ich die Kinder abhole?” Bot Subaru ihm an. Der Professor nickte ihm dankbar zu. “Ich rufe die Kinder nur schnell an, um Ihnen Bescheid zu sagen, dass schon jemand unterwegs ist...” Sofort ging Agasa zu seinem Haustelefon. Der Professor, der eher ein Technikfanatiker der alten Schule war, besaß noch immer ein relativ klobiges Telefonmodell und hatte sich auch noch kein eigenes Handy zugelegt. Froh darüber, dass Ai die Telefonnummern aller Kinder ins Telefonbuch eingespeichert hatte, wählte er Mitsuhikos Mobilfunknummer an, nachdem seine Anrufversuche bei Shinichi und Ai erfolglos geblieben waren. “Ja?” Eine gelangweilte Stimme, vermutlich einem jugendlichen Mädchen zugehörig, meldete sich. “Mitsuhiko-kun?” Fragte der Professor verwirrt. “Ah, Sie wollen mit meinem Bruder sprechen. Tut mir leid, Hiko-kun hat mir sein Handy geliehen. Hier ist seine ältere Schwester...” “Oh, vielen Dank. Bitte entschuldige die Störung...” verabschiedete er höflich und über den Spitznamen Mitsuhikos, den ihm seine Schwester gegeben hatte schmunzelnd, und wählte nun Ayumis Nummer an. Er hatte Glück. Bereits nach dem zweiten Klingeln meldete die sich ihm bekannte Stimme. “Hallo?” “Ayumi-kun, bist Du es?” Fragte der Professor und die Stimme des Mädchens erklang nur wenige Augenblicke später abermals: “Ja..” Agasa wusste nicht wieso, doch irgendetwas sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. “Es tut mir schrecklich leid, Kinder! Ich habe vollkommen die Zeit vergessen! Wo seid ihr jetzt?” Im Hintergrund konnte er die Stimmen von verschiedenen Menschen hören, die sich angeregt miteinander unterhielten, was diese genau sagten, konnte er allerdings nicht heraushören. “Wir sind noch im Tropical Land, Professor. Hier ist etwas passiert, vielleicht ein Mordfall…” Das Mädchen klang aufgewühlt. Im Hintergrund konnte der alte Mann nun eindeutig die Stimme von Mitsuhiko hören. “Haibara-san… wo bist Du?” Alarmiert horchte der Professor auf. “Ayumi-kun… kannst Du mir Conan-kun kurz geben?” Für einen Moment herrschte Stille, dann meinte Ayumi: “Conan-kun ist noch bei der Polizei. Er ist Zeuge. Die Polizei wollte uns nicht zu ihm lassen...” meinte sie bedrückt. “Könnte ich dann wohl kurz mit Ai-kun sprechen...” “Ai-chan ist nicht bei uns. Wir wissen nicht, wo sie ist… sie ist schon seit fast zwei Stunden verschwunden, Herr Professor…” ihre Stimme klang nun verzweifelt. “Ai-kun ist verschwunden?” Meinte der Professor erschrocken. “Ja… wir, also Genta-kun, Mitsuhiko-kun und ich haben sie überall gesucht, aber wir können sie einfach nirgends finden. Sie sah nicht gut aus, sie wirkte krank und so, als ob sie schreckliche Angst vor etwas hätte… wir wollen sie noch woanders suchen, aber wir dürfen den Saal nicht verlassen und hier drinnen sind so viele Menschen… die Polizei hat alles abgeriegelt...” Vor seinem inneren Auge sah der Professor, wie der kleinen Ayumi die Tränen in die Augen stiegen. “Conan-kun ist ja auch nicht da. Wir wissen nicht, was wir noch machen sollen...” meinte das Mädchen nun mit tränenerstickter Stimme. “Nicht weinen, Ayumi-kun. Wo seid ihr genau, Kinder? Ich schicke euch Subaru-san vorbei. Er wird euch abholen...” redete der Professor beruhigend auf das kleine braunhaarige Mädchen ein, dass nun eindeutig schluchzte. Ein Geräusch, als ob sich jemand mit dem Ärmel über die Augen wischte und dabei versehentlich ebenfalls das Mikrofon mit erwischte, erklang. Agasa hielt sich für einen Moment den Hörer weiter vom Ohr weg, bis das unangenehm laute Kratzen im Hörer nachließ und das Mädchen wieder zu sprechen begann. “Wir sind bei der Akamizu-Show… im Zuschauersaal...” meinte Ayumi. Der Professor versicherte ihr abermals, dass Subaru sie abholen kommen würde und dass sie bis dahin ruhig bleiben sollte. Es würde sich alles aufklären. Dann legte er auf. Fragend sah er Subaru an. “Ich habe alles gehört...” meinte dieser nur “ich mache mich sofort auf den Weg...” Agasa nickte ihm nur bestätigend zu. “Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich mitkäme… Ayumi klang sehr aufgebracht… und Ai-kun ist verschwunden...” “Keine Sorge, ich kümmere mich um die Kinder. Bleiben Sie ruhig hier und räumen ein wenig auf...” “Vielen Dank, Subaru-san...” Dankbar sah er dem jungen Studenten mit den hellbraunen Haaren noch einige Sekunden lang nach und beobachtete, wie dieser eilig in seinen weißen Subaru 360 einstieg und davonfuhr. Er ignorierte das merkwürdige Gefühl, welches ihn für einen Moment beschlichen hatte und machte sich anschließend daran, sich ein Kehrblech zu holen um seufzend das von ihm verursachte Chaos wieder in Ordnung zu bringen. Samstag, 04. Juli, 18:40 Uhr, Wohnung der Familie Mori “Vielen Dank, Amuro-san, dass Sie mir zuhören… und dass, obwohl Ihre Schicht doch noch überhaupt nicht zu Ende ist...” Ran blickte den jungen Mann, der noch immer die Schürze des Café Poirot trug, dankbar an. “Aber natürlich, Ran-san. Einer jungen Frau in Not kann ich doch keine Bitte abschlagen. Bitte greifen Sie doch bei den Sandwiches zu, frisch sind sie am schmackhaftesten...” er deutete auf die noch unberührten belegten Weißbrotscheiben. “Ich… ich habe keinen so rechten Hunger… ich mache mache mir Sorgen… um...” sie stoppte. Obwohl Tooru hier war, war ihre Nervosität doch nicht komplett verflogen. Ihr siebter Sinn sagte ihr, dass sie ihm besser nicht alles verraten sollte, was sie wusste. “Nun greifen Sie schon zu, Sorgen verschlimmern sich mit einem leeren Magen nur unnötig...” Zögernd griff das Mädchen nach einem der Sandwiches, hielt es aber schließlich doch nur in ihren Fingerspitzen und drehte es unschlüssig von einer Seite auf die andere ohne es zu essen. Tooru seufzte “Nun sagen Sie schon, was ist los? Wie kann ich Ihnen helfen?” “Ich fürchte, wir werden beobachtet… ich habe eine Frau gesehen, mit langen blonden Haaren. Genau diesselbe Frau hat schon einmal ein Verbrechen begangen… ich habe Angst, dass so etwas noch einmal passiert, verstehen Sie?” Tooru sah die Angst in ihren großen, blauen Augen. Sie schien mehr zu wissen, als sie bereit war, ihm preiszugeben. “Sie brauchen sich keine Sorgen machen, ich bin ja jetzt hier. Ihnen wird nichts passieren… erzählen Sie mir erst einmal alles...” Er lächelte sie abermals an. Langsam entspannte sie sich ein wenig, wenn auch nicht völlig. Ran begann zu erzählen und Tooru bedachte sie die ganze Zeit über mit aufmerksamen Blicken. Als Ran geendet hatte, sah Tooru sie mit einem unergründlichen Blick an. “Und jetzt machst Du Dir Sorgen, dass es sich bei dieser Frau auf dem Dach gegenüber um genau diese Frau gehandelt hat, die schon einmal die Kinder entführt hat?” “Ja… ich weiß selbst, wie merkwürdig sich das anhört… aber ich habe einfach ein schlechtes Gefühl… es ist wohl besser, wenn ich die Polizei anrufe...” “Nein...” meinte Tooru bestimmt. Mit einem entwaffnenden Lächeln sah er sie an. “Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Du hast Dich bestimmt getäuscht… Du hast sie verwechselt, weiter nichts. Zufällig weiß ich, dass seit etwa zwei Wochen gegenüber eine Dame mit langen blonden Haaren wohnt. Sie war bereits dreimal bei uns im Café Poirot zu Besuch.” “Wirklich?” Meinte Ran zweifelnd. “Wirklich...” bestätigte Tooru ihr, er klang sehr überzeugend. In diesem Moment wusste Ran, was sie störte. Aus irgendeinem Grund kam ihr Tooru unaufrichtig vor. Warum bestand er darauf, dass sie nicht die Polizei anrief? Hatte er etwas mit der blonden Frau zu tun? Ran ließ sich ihre Zweifel nicht anmerken. “In Ordnung. Sie haben vermutlich Recht… ich neige aber auch immer zu Übertreibungen… keine Polizei...” bestätigte sie ihm schließlich. Wenn sie die Polizei nicht anrufen durfte, dann musste sie einen anderen Weg finden, jemanden über ihre Lage zu informieren. “Shinichi… was würdest Du an meiner Stelle tun?” dachte sie kurz, dann wandte sie sich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen Tooru zu. “Jetzt geht es mir schon viel besser. Vielen Dank...” Samstag, 04. Juli, 18:45 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort “Herr Inspektor, schön dass Sie da sind. Was halten Sie davon, wenn ich mit meinen Schlussfolgerungen beginne?” Ertönte die sonore Stimme von Kogoro Mouri. Inspektor Megure war begeistert, hatte Mori doch die Pose eingenommen, in welcher er immer seine vollkommen zutreffenden Schlussfolgerungen zum Besten gab. Wie so oft hatte sich der Mann mit den drei Stirnlocken mit seinem Rücken gegen etwas gelehnt und für Außenstehende machte dies den trügerischen Anschein, als befände er sich im Land der Träume. Megure wusste, dass die Art und Weise, wie er seine Fallauflösungen präsentierte zwar gewöhnungsbedürftig aber doch phänomenal beeindruckend war, zumal der Mann es meisterhaft verstand, bis zur Auflösung einen absolut unwissenden Eindruck bei seinen Mitmenschen zu hinterlassen und sie so über seine tatsächliche Intelligenz hinwegzutäuschen. “Aber natürlich, Herr Mori! Ich hoffe doch, dass dies bedeutet, dass Sie den wahren Täter entlarven konnten?” Megure trat ein paar Schritte näher an ihn heran. “So ist es...” bestätigte Conan, der sich direkt hinter dem steinernen Sockel verbarg, an den sich Kogoro gelehnt hatte. Ein freudiges Funkeln war nun in seinen Augen zu erkennen. “Ich würde sagen… ich fasse die Fakten noch einmal zusammen...” die Anwesenden hörten dem zuvor eher unscheinbar aufgetretenen Mann nun gebannt zu. “Wir haben einen Toten...” stellte Conan klar und die Anwesenden murmelten zustimmend, Megure aber sah ihn eher ungläubig an. “Ja, so ist es Mori. Aber das wissen wir doch bereits...” “Und wir wissen, dass Herr Ken Tsugimura ein ehemaliger Turmspringer war, der außerdem einen tadellosen Ruf in diesem Sport genossen hat, ich nehme an, das war auch der Grund, weshalb Herr Hiroki Yamada, der alle Mitglieder dieses Ensembles angestellt hat, sich für ihn entschieden hat.” Conan konnte es nicht sehen, doch Yamada nickte unmerklich, als er diese Worte hörte. “Sein Sprung war fehlerfrei, die Spuren rund um den etwa 4x4 Meter breiten Teilbereich des Schwimmbeckens beweisen dies. An der Kante sind keinerlei Spuren zu erkennen, dass es einen Aufprall gegeben hat. Herr Tsuigmura hat sich zwar aus noch unbekannten Gründen eine Wunde am Kopf zugezogen, diese hätte aber laut der Gerichtsmedizin nicht zum Tode geführt...” “Auch das ist zweifellos erwiesen...” stimmte Megure ihm zu. “Es war quasi ein unmögliches Verbrechen...” mischte sich nun Takagi ein. “Die Schauspielerin Frau Amemiya hatte den rechten Teil der Bühne jederzeit nach dem Absprung des Opfers im Blick und hat ausgesagt, dass sich ihm bis zum Eintreffen Fräulein Ninomiyas beim Auffinden der Leiche, niemand genähert hatte.” “Soweit korrekt.” Bestätigte Conan. “Nun spannen Sie uns doch nicht so auf die Folter, Mori! Wie soll der Täter es denn gemacht haben, ohne sich dem Opfer zu nähern?” “Können Sie sich noch daran erinnern, wie die Leiche aussah, als wir sie fanden, Herr Inspektor? Ich meine damit vor allem die Kleidung des Opfers...” Warf Kogoro Moris Stimme diese Frage in den Raum. “Nun, mal sehen… ungewöhnlich war auf den ersten Blick, dass er keine Schlittschuhe trug, obwohl es sich doch um eine Eisshow handelte...” meinte Megure grübelnd. “Allerdings nur auf den ersten Blick, Herr Inspektor. Frau Amemiya hat schließlich später ausgesagt, dass alle Schauspieler ihre Schlittschuhe gegen Stiefel mit speziell gummierten Sohlen austauschen, bevor sie auf die Plattform steigen. Es war also nichts Ungewöhnliches daran...” meinte Takagi nun. “Ansonsten war er ganz normal angezogen, er hatte ein Kostüm an, wie alle anderen auch...” Megure sah nun zu Frau Amemiya hinüber, die noch immer die wärmende Decke um die Schultern gelegt hatte. “Wenn vielleicht auch mit ein wenig mehr Stoff als die junge Dame dort drüben...” Takagi nickte zu Frau Amemiya hinüber. “Zu diesem Punkt kommen wir später noch einmal zurück, aber wir behalten ihn im Hinterkopf, Herr Inspektor… vielmehr sollten wir jetzt die Frage klären, wieso Herr Tsugimura eine Verletzung am Kopf hatte, wenn er doch nicht am Beckenrand aufgeschlagen ist...” “Ja, das ist tatsächlich merkwürdig. Wir konnten den Gegenstand, mit dem diese Verletzung herbeigeführt wurde, noch nicht finden… es steht allerdings außer Frage, dass die Verletzung nicht tödlich gewesen ist…” meinte Megure und sah kurz zu Takagi hinüber, der noch hinzufügte: “So ist es. Laut dem Gerichtsmediziner ist der Mann ertrunken… vermutlich wurde er durch den Schlag auf den Kopf nur ohnmächtig. Ganz sicher sind sich die Kollegen hierbei nicht, da so ein Treffer zur Ohnmacht führen kann oder auch nicht. Eine leichte Benommenheit kann da schon ausreichen...” “Nun ja. Im Grunde genommen spielt es keine Rolle, ob die Verletzung ihn hat ohnmächtig werden lassen oder nicht, denn bei diesem Sprung wäre Herr Tsugimura mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% ertrunken, dafür hat der Täter hochstpersönlich gesorgt…” “Wie meinen Sie das, Herr Mori?” Fragte der dickbäuchige Inspektor nun ungläubig. “Wieso wäre er zu 100% gestorben? Soll das bedeuten, dass diese Verletzung nur nebensächlich war?” “Ganz recht...” stimmte Conan ihm zu, “die Verletzung war nur ein Nebeneffekt des eigentlichen Tricks, den der Täter angewandt hat...” “Nun sagen Sie schon endlich, was passiert ist!” Meldete sich nun Frau Takata zu Wort, die sich direkt neben Miyu Ninomiya gestellt hatte. “Genau. Welchen Trick hat der Täter benutzt?” Risa Amemiya schlang sich die Decke ein wenig fester um die Schultern. “Wie Sie wünschen. Zuerst aber noch eine Frage an Sie, Herr Tsugumi Maeda. Sie sind für das Schwimmbecken verantwortlich, habe ich Recht?” “So ist es…” antwortete der Mann mit dem Vollbart wahrheitsgemäß. “Können Sie mir sagen, ob Herr Tsugumi besondere Anforderungen an Sie bezüglich dieser Show gestellt hat? Oder auch an Sie, die Sie ja für die Kostüme zuständig waren, Frau Takata?” “Nun...” zögernd fing der alte Mann an zu sprechen “...es war ihm seit ein paar Wochen wichtig, dass die Wassertemperatur während der gesamten Show konstant gehalten wurde. Das galt sowohl für dieses kleine Becken als auch für die Wassertemperatur im dritten Akt der Show. Sie durfte niemals unter 37 Grad fallen. Da er der Star dieser Show war, ging ich davon aus, dass es sich um einen Tick von ihm handelte...” “Diesen Tick von ihm kann ich nur bestätigen. Scheinbar war ihm immer kalt. Er trug sogar ein spezielles Kostüm mit einem eingebauten Thermo-Effekt. Sein Kostüm war eine Sonderanfertigung, genau wie die Stiefel. Ich habe sie erst vor wenigen Wochen fertiggestellt, da er sich weigerte, ansonsten zu arbeiten… wir hatten einen riesigen Streit deswegen, da wir alle seine Starallüren unerträglich fanden...” Fügte Frau Takata noch hinzu. “Ja, das mag schon alles sein, aber was hat das mit diesem Fall zu tun, Mori? Raus mit der Sprache...” “Eine ganze Menge, Herr Inspektor...” während Conan diese Wort aussprach, stahl sich ein selbstsicheres Grinsen auf sein Gesicht. “...denn wie schon gesagt, der Täter ging zu 100% sicher, dass das Opfer ohnmächtig werden und ertrinken würde… indem er die Wassertemperatur senkte…” “Wieso? Wie sollte das funktionieren? Ein Mensch kann natürlich einen Schock bekommen, wenn er in kaltes Wasser springt, aber ein Absenken der Temperatur bis zu diesem Maße wäre doch überhaupt nicht möglich, oder Herr Maeda?” Megure wandte sich nun an den Beckentechniker. Maeda nickte bestätigend. “Das ist tatsächlich richtig. Es ist möglich, die Wassertemperatur zu regulieren und sogar soweit abzusenken, bis das Wasser gefriert. Aber ich habe die Einstellung des Temperaturreglers während der Show immer im Blick...” “Tatsächlich? Und was ist mit der wirklichen Temperaturanzeige… haben Sie diese ebenfalls immer im Blickfeld?” Der alte Mann stutzte. “Nein...” gab er schließlich zu “da ich automatisch davon ausgegangen bin, dass bei einer Einstellung von 37 Grad auch im Becken eine Temperatur von 37 Grad herrscht...” “Aber nun hören Sie doch mal zu, Herr Mori! Wie soll denn jemand die Wassertemperatur soweit abgesenkt haben, dass derjenige einen Schock bekommt!” “Das ist sehr einfach, Herr Inspektor. Mit Eis… und zwar mit dem Eis der Bühnenskulptur, die Frau Takata merkwürdigerweise nicht mehr auffinden konnte...” “Aber natürlich… die Säge… das bedeutet, der Täter hat das Bühnenbild zersägt und anschließend in das Becken geworfen...” “Genau so war es… und das ist auch der Grund, wieso das Opfer eine Verletzung am Kopf hatte. Der Täter hat sich vermutlich verkaluliert und eines der viereckigen und scheinbar scharfkantigen Eisstückchen hat länger zum Schmelzen benötigt als er sich ausgerechnet hatte. Da das Wasser komplett rot gefärbt war, konnte man von oben auch nicht erkennen, dass sich dort etwas im Wasser befand. Das Opfer sprang und verletzte seinen Kopf an dem schwarfkantigen Eissblock. Es war vermutlich sogar nur ein winzig kleiner Rest, aber doch ausreichend, ihm diese Schnittwunde zuzufügen. Später wäre dann nichts mehr aufzufinden, da das Eis natürlich schmilzt und die Wassertemperatur bereits wieder beginnt zu steigen...” “Nun… das ist ja eine sehr nette Theorie, Herr Mori, aber in der Realität funktioniert so etwas doch nicht… der Mann war ein Turmspringer. Er war es sicher gewohnt, wenn das Wasser einmal etwas kälter war… in der Regel ist man in diesem Fall abgehärtet… und ich kann es mir auch trotzdem nicht vorstellen, dass das Wasser so kalt wurde, dass er sofort einen Schock bekommen hat… das ist höchst weit hergeholt...” “Es reichte ja auch aus, dass das Wasser nur etwa 10 Grad kühler war als sonst. Die Tatsachen deuten eindeutig darauf hin... bitte sehen Sie sich den Leichenbefund noch einmal genau an, Herr Inspektor...” es dauerte ein paar Sekunden, bis Takagi dem Mann die Dokumente ausgehändigt hatte. “Mal sehen… eine Platzwunde am Kopf… und, was haben wir denn da… Sie… Sie meinen doch nicht etwa…?” “Doch, das meine ich… laut diesem Bericht hatte Herr Tsugimura über den ganzen Körper verteilt immer wieder extrem gerötete Stellen, bis hin zu einer Ansammlung von Quaddeln im Halsbereich… als ich das zuerst sah, bin ich davon ausgegangen, dass er einen der Stoffe, der im Wasser war, nicht vertragen hat. Möglicherweise die Farbe. Allerdings handelt es sich um eine spezielle hautverträgliche Farbe und er ist schon lange Mitglied im Ensemble. Hätte er sie wirklich nicht vertragen, hätte er sich schon längst gemeldet…” “Hat die Gerichtsmedizin herausgefunden, woher diese Rötungen kommen?” “Nein, nicht direkt… der Mann hatte vermutlich eine...” begann Takagi, doch Conan unterbrach ihn “...eine Kälteurtikaria… diese lässt sich bei einem Toten nur sehr schwer nachweisen, da dies schon bei einem Lebenden sehr schwierig ist… denn nur ein lebender Organismus, der noch nicht abgekühlt ist, kann auch tatsächlich auf die nötigen Impulse von Außen reagieren...” beendete Conan den Satz. “Was… was ist das denn?” Fragte nun Frau Amemiya. “Das ist eine Pseudo-Allergie. Bei dieser löst ein Kältereiz an der Stelle, an der die Kälte auf die Haut einwirkt, die Freisetzung von Histamin aus. Innerhalb kürzester Zeit reagiert die Haut an diesen Stellen mit stark juckenden Quaddeln… Normalerweise sind diese extrem unangenehm, führen aber nicht zum Tod. Bei einem Sprung ins kalte Wasser aber werden extrem große Mengen an Histamin freigesetzt, die sich rasend schnell über das Blutsystem im kompletten Körper verteilen. Als Folge hiervon kann der Betroffene unter anderem folgende Symptome entwickeln: Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Atemnot oder einen Kreislaufschock. Derjenige kann sogar einen analphylaktischen Schock entwickeln, wie ihn auch Menschen erleiden, die beispielsweise gegen Bienenstiche allergisch sind...” “Was für ein Unsinn...” wetterte nun Hiroki Yamada “wenn er tatsächlich eine solche Allergie hätte, würde er doch nicht in einer Eishalle arbeiten...” “Doch, das ist durchaus möglich. Bei vielen Erwachsenen entwickelt sich diese Allergie im Laufe des Lebens und klingt oft auch wieder ab. Vielleicht hatte er sie erst seit Kurzem. Den Aussagen von Herrn Maeda und Frau Takata zufolge, erst wenige Wochen. Wie vorhin schon einmal angesprochen, trug er außerdem spezielle Kleidung und spezielle Schuhe. Die Kälte konnte überhaupt nicht bis an seine Haut vordringen. Zudem darf man die Wärme nicht unterschätzen, die von den Scheinwerfern produziert wird. Ihm wird während der Vorstellung wohl eher zu warm als zu kalt gewesen sein. Außerdem kann man gegen die Symptome auch Tabletten nehmen... Inspektor Takagi, würden Sie bitte...” “Jawohl, Herr Mori...” Takagi reichte dem Inspektor eine Packung mit kleinen, runden Tabletten. “Antihistaminikum...” murmelte der Inspektor und drehte die Schachtel um, um die Beschreibung zu lesen. “Diese Tabletten hatte er wohl immer für den Notfall mit dabei… die Untersuchung hat ergeben, dass es sich bei dem Inhalt um Placebos handelt. Jemand hat diese Tabletten also im Vorfeld durch vollkommen wirkungslose Traubenzuckertabletten ersetzt...” Megure klappte der Mund auf und wollte etwas entgegnen, doch Conan fuhr bereits fort: “Und noch etwas spricht für meine Theorie… wenn Sie sich den Obduktionsbericht genau ansehen, werden Sie feststellen, dass die Thermokleidung des Mannes gespickt war mit unzähligen mikroskopisch kleinen Löchern, durch die später auch das Wasser eingedrungen ist… was letztendlich zu einem Kreislaufschock und dem damit verbunden Tod durch Ertrinken geführt hat...” schloss Conan seine Ausführungen ab. Stille hatte sich unter den Anwesenden ausgebreitet. Eine Person war instinktiv in den letzten Minuten ein ganzes Stückchen zurückgewichen. Aufgrund ihrer Aufmachung hätte sie eigentlich auffallen müssen, doch niemand schien sie wirklich wahrgenommen zu haben. Das würde sich bald ändern... Samstag, 04. Juli, 18:55 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Das anfänglich amüsierte Grinsen des schwarzen Schattens war schon nach den ersten gesprochenen Worten des Jungen zuerst einem erstaunten, dann einem begreifenden und danach letztendlich einem ernsten Gesichtsaudruck gewichen. Mit jeder Minute, die verstrich, war die Mine seines rabenschwarzen Verfolgers noch ernster geworden. Der Mann hörte noch immer gebannt den Ausführungen des Jungen zu, doch in seinem Kopf hatte es bereits begonnen, zu arbeiten. Es stand für ihn außer Frage, dass diese Gefahr eliminiert werden musste und das, so schnell wie nur möglich. Am meisten Kopfzerbrechen bereitete ihm die Tatsache, dass dieser intelligente Junge, wer auch immer er in Wirklichkeit sein mochte - auf jeden Fall war er kein Kind - zusammen mit Sherry unterwegs gewesen war. Was, wenn das Mädchen vor ihm sämtliches Wissen über die Organisation auf einem Silbertablett ausgebreitet hatte? Und was, wenn er dieses weitergegeben hatte? Samstag, 04. Juli, 18:56 Uhr, Wohnung der Familie Mori “Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich angeboten haben, noch hier zu bleiben, bis mein Vater zurückkommt...” meinte Ran höflich. Gleichzeitig überlegte sie fieberhaft, wie sie kurz ungestört telefonieren könnte. Tooru schien einen Moment lang unaufmerksam, schaute auf das Display seines Handys. Das Mädchen konnte nicht erkennen, was der junge Mann dort sah, doch es schien ihn zu beruhigen. “Ran-san...” meinte er dann plötzlich “vielleicht sollten wir doch die Polizei verständigen… ich sehe doch an Ihren Augen, dass Sie mir nicht glauben...” er sah sie mit einem offenherzigen Blick an. “Äh… ja… wenn Sie meinen...” meinte Ran, vollkommen überrumpelt. Hatte sie sich etwa in ihm getäuscht? “Ich habe zufällig einen Bekannten bei der Polizei, ich könnte ihn sofort anrufen, wenn Sie möchten…? Er hat sogar eine höhere Position inne, Sie können ihm also auf jeden Fall vertrauen...” Vor ihren Augen rief er die Internetseite des Polizeipräsidiums Tokio auf. “Polizeioberrat der ersten Division...” las Ran laut vor “Kuroda Hyoue...”. “Ganz recht. Sehen Sie, ich würde ihn direkt anrufen.” Er deutete auf die Telefonnummer, die genau unter dem Eintrag des Mannes im Organigagramm stand. “Ja, sehr gern...” meinte Ran nun. Sie musste sich tatsächlich in ihm getäuscht haben. “Polizeioberrat Kuroda...” meldete sich die befehlsgewohnte Stimme eines Mannes in seinen Fünfzigern. “Polizeioberrat, ich bin es, Tooru Amuro...” “Ahh, Amuro-san… lange nicht mehr gehört. Wie kann ich Ihnen helfen?” Ran wusste nicht wieso, doch die Stimme allein flößte ihr bereits Respekt ein. “Ich sitze hier neben einem Mädchen, sie würde gerne mit Ihnen sprechen...” Der Mann am anderen Ende der Leitung klang ein wenig ungehalten. “Hören Sie, Amuro-san, ich bin ein vielbeschäftigter Mann...” “Es geht um einen Fall...” “In Ordnung. Geben Sie mir die junge Dame...” Tooru reichte Ran den Telefonhörer, die sich schon allein aufgrund der vorrangehenden Unterhaltung zwischen den beiden Männern ein wenig eingeschüchtert fühlte. Amuro sah ihren verunsicherten Gesichtsausdruck, als sie das Telefon von ihm engegen nahm und ein leises Grinsen schlich sich auf seine Lippen. “Guten Tag, Herr Kuroda. Hier spricht Ran Mouri...” “Mouri? Aber doch nicht etwa die Tochter von Kogoro Mouri, dem schlafenden Meisterdetektiv?” fragte der Mann mit unverholener Neugier. “Doch, so ist es…” “Wie kann ich Ihnen helfen, junge Frau?” “Ich habe die Befürchtung, beobachtet zu werden…” in diesem Moment, als sie diese Worte aussprach, kamen sie ihr irgendwie unwirklich war. “Das ist ein ernster Verdacht. Was verleitet Sie zu dieser Annahme?” “Nun… es gab schon einmal eine Entführung… diese Frau mit den blonden Haaren hat damals Kinder entführt...” “Ah! Ich erinnere mich! Diese Frau ist damals entkommen, nicht wahr? Entführt wurden zwei Kinder, wenn ich mich recht erinnere… Inspektor Megure hat mir von diesem Vorfall erzählt. Eine schreckliche Sache, ist aber ja noch einmal glimpflich ausgegangen, nicht wahr?” “Ja, aber ich befürchte, dass diese Frau noch immer vorhat, den Kindern etwas anzutun...” “Das ist schon möglich...” räumte der Mann am anderen Ende der Leitung ein “allerdings wird ihr das kaum gelingen. Sie ist schon seit ein paar Wochen gefasst und mittlerweile zurück in die Staaten abgeschoben worden...” Als Ran diese Worte hörte, machte sich eine unglaubliche Erleichterung in ihr breit. Sie hatte sich also tatsächlich getäuscht. Amuro-san hatte scheinbar Recht gehabt. Bei der Frau, die sie gesehen hatte, musste es sich um eine neue Nachbarin handeln, die dieser anderen Frau ähnlich sah. “Dann… habe ich mich wohl getäuscht, fürchte ich...” erklärte sie nun stotternd, ihr Gesicht war feuerrot geworden… “vielen Dank für Ihre Zeit...” “Keine Ursache, es war schön, Sie gesprochen zu haben, Fräulein Mouri...” “Sehen Sie, es ist alles nur halb so schlimm. Wie ich es Ihnen sagte...” meinte Tooru. Ran nickte ihm zu. “Tatsächlich...” “Und jetzt...” Amuro deutete fröhlich auf die Sandwiches, die noch immer unangetastet auf dem Teller lagen “greifen Sie zu...” Ran schenkte ihm nun ein aufrichtiges Lächeln. Samstag, 04. Juli, 18:58 Uhr, Polizeipräsidium Tokio, Büro des Polizeioberrats der 1. Division Ein Lächeln hatte sich auf dem breiten, von Narben gekennzeichneten Gesicht des weißhaarigen Mannes ausgebreitet. Dieses galt der jungen Frau, die in dem Sessel direkt dem seinen gegenüber saß und sich dort räkelte. “Sieht so aus, als hätte ich Dir wieder einmal einen Gefallen getan, Wermut… sei Dir dessen bewusst, dass ich das nur so oft mache, weil Du von “ihm” bevorzugt wirst...” Die Frau, die einen schicken Mantel und ihre langen blonden Haare in einem Flechtzopf trug, lächelte kalt zurück. “Das weiß ich natürlich. Vielen Dank. Ich melde mich, sollte ich Deine Dienste noch einmal in Anspruch nehmen müssen… Rum...” Samstag, 04. Juli, 18:59 Uhr, in einem unbekannten Hotelzimmer Gelangweilt schaltete die Mittelschülerin mit den mittellangen, blonden Haaren zwischen verschiedenen Fernsehsendern hin- und her. Das japanische Fernsehprogramm heutzutage war wirklich nicht sehr interessant. Sie hatte die Wahl zwischen Nachrichten, merkwürdigen Spieleshows, bei denen sich alle Beteiligten bis auf die Knochen demütigten, Shows bei denen irgendwelche bekannten oder auch unbekannten Persönlichkeiten Essen in sich hineinschoben und dann mit aufgesetzt begeistertem Gesichtsausdruck laut “Lecker” und “Toll” riefen und natürlich mal besseren und mal schlechteren Fernsehserien. Wirklich tiefgründig war nichts davon. Sie seufzte laut auf. Bei einem Bericht über einen Vorfall im Vergnügungspark Tropical-Land legte sie die Fernbedienung zur Seite. Das Geräusch einer sich öffnenden Türe erklang und ein etwa siebzehnjähriges Mädchen mit einer relativ jungenhaften Gestalt und feuchten schwarzen Haaren betrat den Raum. Sie hatte sich ein Handtuch um die Schultern gelegt. “Was schaust Du da?” Fragte Masumi Sera das Mädchen und setzte sich zu ihr auf die Couch. “Nachrichten. Es scheint einen Vorfall im Tropical-Land gegeben zu haben. Allerdings halten sie sich bedeckt. Die Polizei gibt keine Informationen über die Geschehnisse heraus.” Meinte das Mädchen und stellte fest, dass Masumis Miene einen besorgten Ausdruck angenommen hatte. “Was ist los?” “Conan-kun und seine Freunde wollten heute dorthin...” erklärte Sera ihr zögernd. Ein dunkler Schatten legte sich über die Augen des Mädchens. “Ich sagte Dir doch bereits, dass Du vorsichtig sein sollst, wegen dieses Jungens… wir können nicht sicher sein, dass wir ihm trauen können...” “Ja, ja...mach Dir keine Sorgen” Sera zwinkerte der Blondhaarigen beschwichtigend zu, die sie noch immer mit nicht deutbarem Blick betrachtete. Sera verwarf den Gedanken, dass der Fall etwas mit dem Jungen zu tun hatte, wieder. Und selbst wenn. Immerhin war er ein Zauberer. Er vollbrachte Dinge, zu denen andere nicht im Stande waren. Samstag, 04. Juli, 18:55 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort Unruhe hatte sich unter den Anwesenden ausgebreitet, die Angestellten der einst sehr erfolgreichen Bühnenshow Akamizu tauschten besorgte und vor allem verunsicherte Blicke miteinander. Wer hier hatte ihren Hauptdarsteller ermordet? War der Täter etwa wirklich unter ihnen? “Dann sagen Sie schon, Mori… wer hat das alles getan? Wer hat das Kostüm von Herrn Tsugimura durchlöchert und das Eis in das Becken gekippt? Und die Tabletten ausgetauscht?” Fragte Megure nun, doch er begann nun schon zu stutzen, als er die Anwesenden betrachtete. Conan fuhr fort: “Die Tat kann nur Jemand begangen haben, der den Ablauf dieser Show kennt und sich die Tatsache zu Nutze machen konnte, dass Herr Tsugimura in das Becken mit dem Wasser springt. Jemand, der ihn kennt. Jemand der weiß, wo sich der Kühlraum und der Spind des Opfers befinden… und der weiß, dass die Mitglieder der Truppe ihre Spinde niemals abschließen.” “Also sind die Hauptverdächtigen eindeutig die Mitglieder des Ensembles beziehungsweise diejenigen, die sich um die Organisation der Show selbst gekümmert haben und heute hier anwesend sind...” meinte Megure. “Ja, das ist natürlich am Wahrscheinlichsten...” begann Conan und wurde sofort darauf von Megure unterbrochen: “Dann waren es vermutlich Sie, Herr Maeda!” Er deutete auf den Mann mit dem grau-weiß melierten Bart, der erschrocken zurückzuckte. “Geben Sie schon zu, dass Sie genau gesehen haben, dass die Wassertemperatur unter den vom Opfer gewünschten 37 Grad lag...” “Aber nicht doch...” murmelte der Mann entsetzt und sah hilfesuchend hinüber zu dem “Schlafenden Kogoro”. “Nein, Herr Maeda war es nicht. Ich glaube ihm, dass er die Temperaturanzeige tatsächlich nicht im Auge hatte.” “Wieso denn das? Normalerweise müsste er so eine wichtige Sache immer im Blickfeld haben, nicht wahr?” Brummte Megure, doch abermals ertönte Kogoros Stimme. “Ja, normalerweise schon. Allerdings habe ich von einem der anderen Bühnenangestellten gehört, dass Herr Maeda seinen Job sehr liebt. Da er allerdings schon etwas älter ist, begannen die Leute hinter seinem Rücken zu tuscheln, da ihm immer wieder etwas passiert, dass eigentlich nicht passieren sollte… Sie haben auch bereits davon gehört, habe ich nicht Recht, Herr Yamada…?” “Ja. Tatsächlich stand bereits im Raum, Herrn Maeda in seinen wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Er scheint doch manchmal sehr müde und laut den Angestellten soll er bereits öfter während der Arbeitszeit eingeschlafen sein...” Maeda zuckte zusammen, als er diese Worte hörte. Erschrocken und mit einer großen Angst in seinen Augen blickte er den Ensembleleiter an. “Aber...” machte Yamada weiter… “ich teile Herrn Tsugumi Maedas Liebe zu dieser Show. Und niemand aus der Truppe ist mit soviel Herz mit dabei… aus diesem Grund habe ich entschieden, es ihm durchgehen zu lassen… bis er sich selbst dazu entscheidet, fortwährend ein bloßer Zuschauer dieser Show zu werden...” Dankbar und mit feuchten Augen starrte der alte Herr hinüber zu dem Menschen, der seine große Leidenschaft teilte. “Vielen Dank, Herr Yamada...” meinte er nur und zog sich ein mit altmodischen Rauten gemustertes Taschentuch aus seiner Hosentasche, mit dem er sich nun die Augen abwischte. “Da es nun geklärt ist, dass Ihnen keine Konsequenzen drohen… erzählen Sie doch bitte noch einmal, was genau im Kontrollraum passiert ist, bevor die Leiche aufgefunden wurde.” Meinte Conan nun mit bestimmter, aber doch sanfter Stimme. “Ich… tatsächlich wird meine Sicht immer schlechter. Die Zahlen 1 und 2 kann ich nur sehr schwer voneinander unterscheiden. Ich fürchte, zwischendurch bin ich auch einmal weggenickt… ich hätte doch nicht ahnen können, dass dies zu solch einer Tragödie führen würde...” abermals tupfte er sich die Tränen von den Wangen. “Es steht also fest, dass Sie es nicht gewesen sind...” seufzend drehte Megure sich zu den Anwesenden um und besah sich die Leute noch einmal genauer. Frau Takata, die sich um die Maske, die Kostüme und die Bühnenbildnisse kümmerte; Miyu Ninomiya, die für die Lichttechnik zuständig war gleichzeitig zeitweise als Souffleuse arbeitete; der in die Jahre gekommene, für die Bühnen- und Beckentechnik zuständige Herr Tsugumi Maeda, der noch immer sehr aufgewühlt schien. Da standen außerdem noch Hiroki Yamada, der Organisator der Show, der noch immer blass um die Nase war und seine Krawatte mittlerweile ein wenig gelockert hatte, um besser Luft zu bekommen, seine Krawattennadel in Form eines Schlittschuhs musste hierbei verrutscht sein. Und natürlich Risa Amemiya, die noch immer vor Kälte und aufgrund des Schocks, ihren Bühnenpartner verloren zu haben, zu zittern schien. “Moment mal… wer sind Sie denn?” Megure entdeckte eine junge Frau mit blond gefärbten Haaren, die unsicher lächelnd hinter den Tatverdächtigen stand. Neben ihr stand ein junger Mann, von dem nur sein Gesicht eindeutig zu erkennen war, der Rest wurde von einem Superheldenkostüm überdeckt. “Ich bin Aya Kamiki… ich arbeite zeitweise hier im Tropical Land, solange die Kamen-Yaiba-Show hier aufgeführt wird…” “Und ich bin Rentaro Hashimoto… genau wie Aya arbeite ich während der Aufführung der Show hier im Park...” “Warum sind Sie genau hier?” Fragte Megure verwundert. In diesem Augenblick mischte sich Takagi ein: “Herr Mori bat mich, die beiden als Zeugen hierher zu bringen...” “Was machst Du denn hier, Rentaro-kun?” Verwundert sah Frau Amemiya den Mann in seinem Kamen-Yaiba-Kostüm an. Er schien sich sichtlich für seine Aufmachung zu schämen. “Sie kennen sich?” Fragte Takagi nun überrascht und besah sich den jungen Mann eingehend. Er fühlte sich sehr unwohl, dass war an seinem verlegenen Gesichtsausdruck zu erkennen. “Natürlich! Er war einmal der Hauptdarsteller dieser Show...” stellte Miyu Ninomiya klar. “Und damit schließt sich der Kreis...” Conans Augen hinter seiner Brille funkelten nun “denn Sie sind mit den Gegebenenheiten hier sehr gut vertraut und dies haben Sie schamlos ausgenutzt um Ken Tsugimura zu ermorden… habe ich nicht Recht, Herr Rentaro Hashimoto?” Bei diesen Worten wich die Farbe aus dem Gesicht des Mannes. “Was sagen Sie denn da, Herr Mori… ich habe mit dieser Sache hier nichts zu tun… ich stand den kompletten Nachmittag bei meinen Shows auf der Bühne… und überhaupt, ich war seit Monaten nicht mehr hier in dieser Showhalle...” verteidigte der Mann sich. “Das kann ich bezeugen...” meinte Aya und nahm ihren Schauspielkollegen in Schutz “er war fast die komplette Zeit anwesend… bis auf ein paar Toilettenpausen...” “Bei dem Insiderwissen, dass Herr Hashimoto hat, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sich während der paar Minuten in den Toilettenpausen hierherzuschleichen, immerhin ist die Bühne der Yaiba-Show kaum eine Minute von hier entfernt. Mit ein wenig Vorbereitung ist das durchaus zu schaffen. Das einzige was Sie getan haben müssten, wäre die Säule aus Eis bereits vor Ihrer Show zu zerkleinern.” “Aber… mal davon abgesehen, dass ich doch schon sagte, dass ich hier niemals gewesen bin… das wäre doch sicherlich schon bei der Vorbereitung dieser Show aufgefallen, wenn plötzich das Bühnenbild gefehlt hätte...” ein überlegenes Grinsen breitete sich nun auf dem Gesicht des Mannes aus. “Natürlich hätte ich es bemerkt… ich bin mehrmals im Kühlraum gewesen, um nach dem Rechten zu sehen...” meinte nun Frau Takata. Rentaros Lächeln wurde noch breiter. “Sehen Sie. Ich hätte so etwas in der Kürze der Zeit überhaupt nicht bewerkstelligen können...” “Es wäre möglich gewesen...” drang nun wieder Kogoros Stimme zu den Anwesenden “denn es handelt sich immerhin um eine Eissäule. Sie haben diese bereits gestern Abend, als niemand von den Angestellten mehr anwesend war, zersägt, damit niemand es mitbekommt. Danach haben Sie die Eisblöcke einfach wieder aufeinandergestapelt. Damit sie auch wirklich zusammenhielten, haben Sie die Oberflächen mit ein wenig warmen Wasser besprüht, welches sofort wieder gefror. Heute mussten Sie schließlich nur noch mit einem Hammer voneinander trennen… niemandem fällt unter so vielen Eisskulpturen diese eine auf, immerhin standen sicherlich noch mehr davor… die Tabletten haben Sie dann heute erst ausgetauscht. Fräulein Kamiki, können Sie mir sagen, ob Herr Hashimoto gegen etwa 15:20 Uhr eine Pause eingelegt hat?” “Ja… tatsächlich… er sagte, er müsste kurz auf die Toilette. Eigentlich war er erst kurz zuvor in der Pause der Show einmal gewesen… ich habe mich gefragt, warum er schon wieder geht. Immerhin haben ziemlich viele Kinder darauf gewartet, ein Foto mit ihm zu machen...” erinnerte sich Aya Kamiki. “Um 15:20 Uhr?” Merkte Frau Ninomiya nun überrascht auf “Zwischen 15:00 Uhr und 15:30 Uhr besprechen wir immer noch einmal den genauen Ablauf der Show in unserem Aufenthaltsraum, die Vorbereitungen auf der Bühne sind zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.” “Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich alle im besagten Aufenhaltsraum befanden und der Täter somit freie Bahn hatte, korrekt? Genau dann haben Sie die Gelegenheit genutzt, das Eis in das Wasser zu kippen. Zuvor haben Sie natürlich noch die Tabletten ausgetauscht, die das Opfer regelmäßig genommen hat.” “Was für ein Unsinn… Sie behaupten das alles, aber können Sie auch beweisen, dass ich hier war und das getan habe? Immerhin gibt es doch keine Zeugen, die mich gesehen haben könnten, nicht wahr?” “Da liegen Sie falsch, Herr Hashimoto… Conan… würdest Du bitte den Herren von der Polizei erklären, was Du gesehen hast, als ihr das Foto habt machen lassen…?” “Ja!” Mit einem scheinbar unbekümmerten Lächeln auf den Lippen sprang der Junge hinter der Säule hervor, Hashimotos Gesicht versteinerte. “Als wir mit dem Onkel Fotos machen ließen, haben wir ihn gebeten, das Foto zu unterschreiben. Dabei ist mir aufgefallen, dass unter seinen Fingernägeln rote Spuren zu sehen sind… außerdem waren sie ganz runzlig, so, als ob sie zu lange im Wasser gewesen waren...” “Blödsinn...” blaffte ihn Rentaro Hashimoto an “das beweist überhaupt nichts. Du bildest Dir das nur ein. Ich habe mir zuvor die Hände gewaschen und ich vertrage das nicht so besonders, meine Finger werden immer sofort schrumpelig… außerdem, sehen Sie doch selbst, da sind keine roten Spuren unter meinen Nägen… ich sagte doch bereits, dass ich schon seit Monaten nicht mehr hier in dieser Halle war...” trimphierend riss er sich die Handschuhe von den Händen und hielt sie dem Inspektor direkt unter die Nase. “Natürlich sind da keine Spuren mehr unter Ihren Nägeln. Sie hatten genügend Gelegenheit, diese zu entfernen...” Halb verdeckt durch die Scheinwerfervorrichtung versteckt, begann Conan wieder mit Kogoros Stimme zu sprechen. “Aber es gibt doch etwas, einen unumstößlichen Beweis...” “Und was sollte das sein?” Meinte der Mann nun ungeduldig. “Herr Takagi, haben Sie das Foto, um das ich sie gebeten hatte…?” Wieder Kogoros Stimme. Conan trat abermals aus dem Schatten hervor, als Takagi das Foto mit den lächelnden Kindern und dem maskierten Yaiba darauf dem Inspektor reichte. “Was soll das? Was soll das für ein Beweis sein?” Unsicherheit spiegelte sich nun auf dem Gesicht des Mannes im Kostüm wieder. Er schien sich nun doch sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen. “Was.. was genau soll mir dieses Foto sagen? Die Kinder scheinen sich köstlich amüsiert zu haben...” der Inspektor warf Conan einen freundlichen Blick zu. “Aber sehen Sie doch mal, Herr Inspektor… fällt Ihnen denn überhaupt nichts Merkwürdiges auf?” Meinte Conan und deutete nochmals auf das Foto. “Nun…” Megure besah sich das Bild noch einmal eingehend “Ah, jetzt verstehe ich… der Schal… er ist komplett identisch, habe ich Recht?” “Genau, Ayumi hat sich einen identischen Schal gekauft, sie war so glücklich...” plapperte Conan darauf los. “Moment mal, ganz identisch ist er aber nicht… er ist viel dunkler… ach so, jetzt verstehe ich...” Takagi klatschte vor Aufregung in die Hände, weil er endlich verstanden hatte, worauf der Junge hinauswollte. Er sah sich nach Conan um, doch dieser war plötzlich wieder nirgends mehr zu sehen. Rentaro Hashimoto war blass geworden. “Ja… Sie wissen, was dies bedeutet, nicht wahr?” Begann nun wieder Kogoro “Sie haben in ihrem perfekten Plan etwas übersehen… als Sie das Eis in das Becken kippten, mussten Sie sich ziemlich weit nach unten beugen, damit das rote Wasser nicht über den Beckenrand schwappte und so möglicherweise noch jemand darauf aufmerksam machen würde, dass etwas anders ist als sonst… dabei rutschte versehentlich Ihr roter Schal mit ins Wasser. Aufgrund des dicken Kostüms und der Tatsache geschuldet, dass Sie sowieso heute aufgrund der Hitze bereits sehr schwitzen, ist es Ihnen vermutlich gar nicht aufgefallen, dass er nass war. Oder Sie hatten einfach keine Zeit, ihn auszutauschen, da es viel zu auffällig gewesen wäre, wenn der Maskierte Yaiba seinen obligatorischen Schal nicht tragen würde bei seinen Auftritten…” “Sagen Sie mir, Herr Hashimoto… wie können Sie mir erklären, dass auf dem Schal, den Sie tragen, Spuren des roten Färbemittels aus dieser Show zu finden sind… und das, obwohl Sie laut eigener Aussage seit Monaten nicht mehr hier gewesen sind?” Kogoros Stimme wurde nun sehr schneidend. Der Mann stand einfach nur sprachlos da, wusste nicht, was er daraufhin noch entgegnen sollte, dann knickte er plötzlich ein. “Tja… da habe ich wohl nicht richtig aufgepasst… als ich das Eis in das Becken geschoben habe...” “Rentarou-kun… warum? Ich dachte, ihr seid Freunde?” Risa Amemiya sah ihren ehemaligen Showkollegen entsetzt an. “Wir haben uns damals beim Turmspringen kennengelernt. Sie wissen es nicht, aber ich war mit ihm bei derselben Sportagentur beschäftigt. Zusammen trainierten wir für die großen Auftritte… allerdings ließ meine Leistung nach, meine Haltung war einfach nicht perfekt und ich begann auf Anraten eines Bekannten mit der Einnahme von Betablockern...” “Doping...” meinte Inspektor Takagi und sah den Mann an, der nun wie ein Häufchen Elend vor ihnen stand. “Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte und meinen geliebten Beruf aufgegeben. Ich wollte einfach nur in Frieden leben. Das Zeug habe ich danach nie wieder genommen. Aber er hatte Fotos gemacht und ist einfach immer wieder aufgetaucht. Zuerst war es nur Geld, monatelang habe ich ihm Geld gegeben… danach wollte er meine Rolle, weil er selbst aufgrund seiner ständigen Pöbeleien in unseren früheren Turmspringerteam seinen Job verlor. Ich war so froh, hier untergekommen zu sein, aber ich habe gekündigt, weil ich dachte, das Ganze hätte dadurch endlich ein Ende… und habe die Arbeit als maskierte Comicfigur angenommen. Aber er… er hat mir nicht einmal jetzt meine Ruhe gelassen. Vor ein paar Tagen tauchte er plötzlich bei einer meiner Shows auf und drohte mir, meinen Kollegen von meinen Verfehlungen zu erzählen… ich konnte es einfach nicht mehr ertragen… diese Bazille, die mir systematisch alles nahm, was mir wichtig war… ich musste seinem Treiben ein Ende bereiten…” ein eiskalter Ausdruck trat nun in seine Augen. “Sie mögen mich für verrückt halten, aber ich bereue absolut nichts...” Megure nickte Takagi zu. “Nehmen Sie ihn mit. Und sorgen Sie dafür, dass das Publikum den Saal verlassen kann...” “Natürlich, Herr Inspektor...” Behände legte der junge Kommissar dem Mann, der nun begonnen hatte, laut zu lachen, Handschellen an. Langsam und mit ernstem Gesichtsaudruck trat Conan Edogawa aus seinem Versteck hervor. Der kleingeschrumpfte Oberschülerdetektiv des Ostens beobachtete mit ernster Mine, wie Rentaro Hashimoto Handschellen angelegt wurden und er von Takagi abgeführt wurde. Hashimotos Gesichtsausdruck deutete nicht darauf hin, dass er seine Tat in irgendeiner Weise bereute. Ob sich das während seines nun drohenden lebenslangen Gefängnisaufenthalts ändern würde, war mehr als fraglich. Ein trauriger Ausdruck legte sich in die Augen des Kindes. Conan konnte einfach nicht nachvollziehen, weshalb Menschen zu Mördern wurden. In seinen Augen gab es nichts, was es auch nur ansatzweise rechtfertigen würde, einen anderen Menschen zu töten. Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Nervös mit den Fingerspitzen auf seinen Laptop trippelnd, beobachtete der Mann weiterhin den Jungen, der nun mit einem ernsten Gesicht den Mörder dabei beobachtete, wie er von der Bühne geführt wurde. “Unglaublich...” murmelte er, sichtlich beeindruckt von der Leistung des Jungen und der Präzision seiner Schlussfolgerungen. Er musste sofort alles weitere in die Wege leiten, möglicherweise war doch noch ein wenig Beobachtungsarbeit nötig. Bevor er ihn aus dem Weg schaffte, musste er einfach wissen, wer er wirklich war. Da das Mädchen ebenfalls eigentlich eine Erwachsene war, konnte er getrost davon ausgehen, dass mit ihm dasselbe passiert war wie mit ihr. Möglicherweise hatte sie ihm sogar selbst das entsprechende Mittel verabreicht, das Wissen dazu hätte sie auf jeden Fall gehabt. Er überlegte einen Moment, ob es Sinn machen würde, den Jungen nach seinem Wissen zu befragen, entschied sich dann aber – seltsamerweise zögernd - dagegen. Jede Minute, die dieser Bengel weiter existierte, bedrohte den Fortbestand seiner Gruppierung. Ja, er hatte sich entschieden. Zuerst würde er sich um die Identität des Jungen kümmern, ihn danach beseitigen und schließlich die Menschen, mit denen er sich umgeben hatte. Ihm war klar, dass es unauffällig geschehen musste und dass wie immer keine Spuren zurückbleiben durften, die zur Organisation zurückverfolgt werden konnten. Mit Sherry würde er ebenso verfahren, eine Verräterin durfte nicht auf Gnade hoffen. Niemals. Der Mann besah sich noch immer das Bild des Jungen auf dem Bildschirm seines Laptops, mit dem er sich bisher in einer der unzähligen Herrentoiletten des Nebengebäudes verschanzt hatte, zu. Sobald der Junge die Bühne verließ, würde er nicht mehr mitbekommen, was weiter geschah. Da er wusste, wo der Junge lebte, wäre es nicht so schlimm, verlöre er die Spur zu ihm, doch er wollte keinen einzigen seiner Schritte verpassen. Bei der Show waren eindeutig zu viele Polizisten anwesend, dort wollte er auf keinen Fall wieder hinein. Madeira war scheinbar noch mit der Suche nach Sherry beschäftigt, auch wenn er nicht nachvollziehen konnte, was da so lange dauerte... und… da kam ihm plötzlich ein Gedanke. Natürlich. Kogoro Mori war ebenfalls hier… dieser Dummkopf, vor dem er nichts zu befürchten hatte. Der sich von einem Kind an der Nase herumführen ließ. Schnell zog er sein Handy hervor und tippte eine Nachricht ein. Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Show, Tatort Als der Junge nun gedankenversunken dort am Rande der Bühne stand, bemerkte er, dass sein Handy vibrierte. „Nanu… ich dachte, ich hätte es ausgeschaltet...“ Just als er den Hörer abheben wollte, erkannte er, dass es Shinichis Handy war. „Ran! Ich habe vergessen, Shinichis Handy auszuschalten. Verflixt, hier vor all den Leuten kann ich das Gespräch nicht annehmen!“ Hastig ging er in Richtung Bühnenausgang. Verschlafen öffnete Kogoro Mori seine Augen einen Spalt breit. Er hatte höllische Kopfschmerzen, sein Schädel dröhnte, er hätte einfach nicht so viel bechern dürfen heute Nachmittag. „Mori! Das war wie immer eine Glanzleistung...“ Megure gratulierte ihm wie so oft begeistert und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Ja...“ sagte Kogoro mit gerunzelter Stirn, den Blick auf den Jungen gerichtet, der eilig den Raum verließ „wirklich eine Glanzleistung...“ So ihr Lieben. Das war es wieder mit diesem Kapitel. Habt ihr das Lied erkannt, dass Professor Agasas Erfindung von sich gegeben hat? Ich fand, der Text passte sehr gut zu einer Feuerwerksexplosion... Bitte schreibt mir wie immer eure Meinung. Vor allem interessiert mich wirklich, ob euch der Kriminalfall gefallen hat. Bis jetzt habe ich noch einen in meine Geschichten eingebaut. War er stimmig? Ist euch etwas unlogisch vorgekommen? Liebe Grüße, eure Himawari-chan. Kapitel 6: Akamizu - Yuukai-Teil oder: In der Falle --------------------------------------------------- Kapitel 6 – Akamizu - Yuukai*-Teil oder: In der Falle London, England, -28 Jahre vor Shinichis Verjüngung- Interessiert sah sich die junge, schlanke Frau mit den langen, hellbraunen Haaren in dem gut gefüllten Tagungssaal um. Hier trafen wirklich Menschen aus aller Herren Länder aus ihrem persönlich bevorzugten Spezialgebiet aufeinander. Schwatzend standen sie in kleineren Grüppchen zusammen, knüpften Kontakte und fachsimpelten. Wie die meisten hoffte auch sie neben dem Erwerb von wertwollem Zusatzwissen, hier auf diesem Kongress einen potenziellen Arbeitgeber finden zu können. Seitdem sie vor gut 3 Jahren ihren Abschluss im Fach Biochemie gemacht hatte, war sie trotz ihrer hervorragenden Referenzen nur sehr schwer untergekommen. Natürlich lag dies auch zum Teil an ihrer Persönlichkeit. Die Frau strebte nach Perfektion und wollte die Geheimnisse des menschlichen Lebens bis zu ihren Anfängen hin erforschen. Die meisten Firmen konnten mit ihren Angeboten ihren Forscherdurst nicht stillen, boten ihr nicht das an, was sie brauchte. Sie hatte von einem befreundeten Studienkollegen gehört, dass in Japan aktuell nach Fachkräften im Bereich der Biochemie gesucht wurde, also hatte sie einige Sprachkurse besucht. Auf Anraten eben dieses Freundes hatte sie sich in ihre elegantesten Kleidungsstücke geworfen und hatte schließlich nach einiger Zeit, die sie auf eine Warteliste gesetzt worden war, einen Platz für diesen Kongress ergattern können. Unschlüssig sah sie sich um, betrachtete die sich munter unterhaltenden Forscherkollegen. Sie war noch niemals ein Kommunikationstalent gewesen, schon in ihrer Jugend und zu Studienzeiten war sie von ihren Kommilitonen zwar als freundlich und hilfsbereit aber doch auch als verschlossen und ruhig bezeichnet worden. Sogar ihre eigene Familie behauptete manchmal von ihr, einfach nicht zu wissen, was in ihrem Kopf vorging. In diesem Moment entdeckte sie ihn. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt in einer Gruppe mit etwa fünf weiteren Frauen und Männern und tat seine Meinung zum Thema Zellteilung kund. Einer der Zuhörer, ein älterer Herr mit einem etwa dreißig Zentimeter langen Rauschebart, schien ein Dozent an einer Universität zu sein, er trug eins dieser schon von Weitem erkennbaren Namensschildchen mit dem Emblem der Uni darauf, auch wenn ihr der Name der Uni auf Anhieb nichts sagte. Der Sprecher, der sogar den wesentlich erfahreneren Uni-Dozenten mit seinen Worten in seinen Bann zu ziehen schien, trug einen relativ teuer scheinenden schwarzen Anzug und eine dunkelblaue Krawatte. Sein pechschwarzes Haar fiel ihm in einigen Strähnen lose auf die Stirn, immer wieder strich er diese aus seinem Gesicht, während er in fließendem Englisch weiter refererierte. Zögernd ging sie einen Schritt auf die Gruppe zu und hörte erst einmal eine Weile zu. Unglaublich. Genau diese Gedanken, die der Mann aussprach, hatte sie sich selbst schon einmal gemacht. Kurzentschlossen gesellte sie sich zu der Gruppe. Der Mann unterbrach seine Fachsimpeleien nicht, lächelte sie aber freundlich an und nickte ihr zu. Schüchtern lächelte sie zurück. Samstag, 04. Juli, 19:05 Uhr, Parkplatz des Vergnügungsparks Tropical-Land So elegant es die ungünstigen Umstände zuließen, parkte der braunhaarige Mittzwanziger seinen Oldtimer gekonnt in eine ausreichend große Parklücke. Er stieß die Türe des weißen Subaru 360 auf, stieg aus und vergewisserte sich, dass die Waffe noch immer an Ort und Stelle steckte. Wäre sie verrutscht und die Ausbuchtung möglicherweise zu sehen und er würde so einen Vergnügungspark betreten, würde er sich erst einmal erklären müssen. Dafür hatte er eindeutig keine Zeit. Eilig und ohne sein Auto abzusperren, machte er sich auf den Weg zu den Kassen. Aufgrund des fortgeschrittenen Abends kam er tatsächlich nach nur wenigen Minuten Schlangestehen an die Reihe und kaufte sich eine Eintrittskarte für Studenten zum ermäßigten Preis. Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, linker Zuschauerbereich “Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten die lange Wartezeit zu entschuldigen. Sie dürfen den Saal nun verlassen. Wir möchten Sie bitten, den Zuschauerbereich geordnet zu verlassen. Bitte wenden Sie sich an unseren Informationsschalter im Eingangsbereich, als kleine Wiedergutmachung erhält dort jede Person eine Freikarte für das Tropical-Land an einem Tag Ihrer Wahl… für die Unannehmlichkeiten entschuldigen wir uns noch einmal aufrichtig...” eine freundlich-monotone Frauenstimme erklang aus einem der Lautsprecher und ließ Ai Haibara aufhorchen. Nur Sekunden nach dem Erklingen der Durchsage begannen die Leute um sie herum aufzustehen und ihre Habseligkeiten einzusammeln. Den meisten war die Erleichterung, endlich den Saal verlassen zu dürfen, deutlich anzumerken. Ein Großteil der Leute, sowie auch sie selbst, wusste noch immer nicht, was eigentlich passiert war hinter der Bühne. Nach und nach waren bis vor etwa 15 Minuten immer wieder Menschen von Polizisten mitgenommen worden und dann nach ein paar Minuten wieder aufgetaucht. Haibara, die sich seit dem Einschalten des Lichtes hinter einer Säule im oberen Teil des Zuschauersaales versteckt gehalten hatte, hatte von den Menschen in der obersten Reihe nur vereinzelte Wortfetzen aufschnappen können. Darunter waren unter anderem: “unglaublich…” “Polizei...” “...ich und verdächtig...” Einmal war ihr, als wäre auch das Wörtchen “Leibesvisitation” gefallen. Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, rechter Zuschauerbereich Die im Gegensatz zu sonst stark minimierte Grundschulkindergruppe, die sich seit Ayumis Telefonat mit Professor Agasa nicht mehr von ihren Plätzen wegbewegt hatte, sah sich nach dem Ertönen der Durchsage unsicher im Raum um. Während die Menschenmassen an ihnen vorbeizogen, fasste Mitsuhiko einen Entschluss: “Ich weiß, dass der Professor sagte, wir sollen hier auf Subaru-san warten...” fing er an “aber ich finde, wir sollten nach Haibara-san suchen, jetzt wo endlich die Türen geöffnet wurden...” Ein Funkeln trat in ihre Augen und Ayumi und Genta nickten ihm entschlossen zu. Die drei Sechsjährigen standen von ihren Plätzen auf und mischten sich unter die Vorbeiziehenden. Samstag, 04. Juli, 19:15 Uhr, in einem unbekannten Hotelzimmer Seufzend legte die schwarzhaarige Oberschülerin Masumi Sera das Smartphone aus ihrer Hand. Sie hatte nun schon zum vierten Mal vergeblich versucht, Conan zu erreichen. Es ließ ihr einfach keine Ruhe. „Was machst Du denn da, Masumi?“ Ihre Mitbewohnerin taxierte sie mit einem Blick aus ihren großen grünen Augen, die Masumis so ähnlich sahen und die jede Lüge sofort zu durchschauen schienen. „Nichts… ich habe nur meine Nachrichten gecheckt. Ich warte auf eine wichtige Mitteilung einer Klassenkameradin...“ versuchte das Mädchen von ihren wahren Gedanken abzulenken. Das blondhaarige Kind sah sie nur kurz prüfend an und ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich wieder auf die Couch. Noch immer liefen die Nachrichten. „...bei dem Flüchtigen handelt es sich um Masamune Ishada. Der Mann ist etwa 1,80 m groß, sehr stämmig und gut trainiert. Er wird als gewaltbereit und gefährlich eingestuft und ist für mehrere Serienmorde verantwortlich. Eine Bewaffnung ist nicht auszuschließen. Er war vor seiner Verhaftung als Psychologe in einer medizinischen Einrichtung tätig... vor etwa einer Woche wurde der Mann nach einer ärztlichen Untersuchung ins Krankenhaus eingeliefert von wo aus ihm schließlich die Flucht gelang. Sachdienliche Hinweise erbitten wir unter der Rufnummer...“ Gelangweilt schaltete das zierliche Mädchen den Fernseher aus. Sera blickte verstohlen auf ihr Handydisplay und warf dann einen vorsichtigen Blick hinüber zu der Mittelschülerin, die begann, einen nicht vorhandenen Punkt an der Wand intensiv zu betrachten. „Konntest Du ihn schon erreichen?“ Sera, die sich ertappt fühlte, lief dunkelrot an. „Nein...“ gab sie schließlich zu. Wie immer war sie durchschaut worden von ihrer Mitbewohnerin. Aber das war ja auch kein Wunder. Immerhin kannte sie Masumi schon ein Leben lang. Samstag, 04. Juli, 19:16 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flursystem zur Akamizu-Showhalle “Seid ihr euch sicher, dass wir hier nach ihr suchen sollten? Es sieht nicht so, als ob Zuschauer hier rein dürften...” meinte die kleine Ayumi unsicher, als Genta ohne Scheu eine Türe öffnete und schnurstracks den dahinterliegenden Raum betrat. “Aber klar doch… wir wissen ja nicht, wohin sie gegangen ist, hier gibt es so viele Abzweigungen und Räume...” meinte nun Mitsuhiko, schloss sich Genta an und sah sich genau um, während sie ein ganzes Stück in das Zimmer hineingingen. Das braunhaarige Mädchen mit dem roten Schal folgte den beiden Jungs zögernd. Es handelte sich um einen Abstellraum in dem Requisiten und verstaubte Bühnenbildnisse längst nicht mehr aufgeführter Shows eingelagert wurden. “Hey, seht mal, hier hinten sind jede Menge Masken in dieser Kiste!” Genta winkte die anderen fröhlich zu sich her, direkt vor ihm stand ein großer Karton, in welchem unzählige Masken in verschiedensten Formen und Varianten zu finden waren. “Das ist ja Wahnsinn!” Meinte Ayumi und betrachtete strahlend das Sammelsurium an Gesichtsbekleidungen. Samstag, 04. Juli, 19:16 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingang zur rechten Bühnenhälfte Eilig trat Conan aus dem Bühneneingang. Als er die Stufen hinunter hastete, spürte er plötzlich, wie ihn etwas hart von hinten auf dem oberen Rücken traf und ihn der Stoß zum Stolpern brachte. Er landete unsanft auf dem Hintern und konnte mit Mühe und Not sein Mobiltelefon festhalten, beinahe wäre es in einem hohen Bogen auf den Boden geschleudert worden. „Aua...“ überrascht sah er auf, das vibrierende Handy noch immer in seiner Hand. „Tut mir leid, Junge, ich habe nicht aufgepasst und Dich wohl mit meinem Ellenbogen erwischt. Hast Du Dich verletzt?“ Ein in jeder Hinsicht seltsamer Mann, der trotz der draußen herrschenden Wärme merkwürdigerweise in einen langen, schwarzen Mantel gekleidet war, sprach diese Worte aus. „Nein, es ist alles in Ordnung...“ meinte Conan, während er sich wieder aufrichtete. „Was für ein komischer Typ...“ dachte er bei sich, während er dessen markantes Gesicht, die für dunkle Innenräume vollkommen ungeeignete Sonnenbrille und die pechschwarzen Haare des Mannes betrachtete. Der Mann, welcher merkte, dass der Junge ihn eingehend musterte, verabschiedete sich eilig von ihm. In diesem Moment erinnerte sich Conan wieder daran, dass er den ganzen Tag das Gefühl gehabt hatte, beobachtet zu werden. Komischerweise war dieses Gefühl verschwunden, seitdem der Mordfall passiert war. Wer konnte nur dieser Typ gewesen sein, der nach ihm die rechte Bühnenhälfte betreten hatte? Außerdem musste er dringend zu den vier anderen zurück. Sie warteten vermutlich sehnsüchtig auf ihn. Es wunderte ihn, dass sie ihn noch nicht gesucht hatten. Er sah auf seine Uhr. 19:16 Uhr. „So ein Mist, ich habe ja Conans Handy ausgeschaltet und Ran hatte ich versprochen, dass ich spätestens um 18:00 Uhr Zuhause sein werde… Das heißt, weder die Kinder noch Ran konnten mich erreichen...“ murmelte er leise. Das lautstarke Vibrieren des Mobiltelefons riss ihn schlagartig aus seinen Überlegungen. Er war für einen Moment so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er das nervtötende Geräusch einfach ausgeblendet hatte. Wenn er sich nicht beeilte, würde das Mädchen auflegen. Wenn er es nicht schaffte, ranzugehen, würde Ran heute Abend wieder mit bitterer, enttäuschter Miene am Abendbrottisch sitzen und ihre schlechte Laune an Kogoro und ihm auslassen. Samstag, 04. Juli, 19:17 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Sitzplätze direkt am Bühnenaufgang Der Mann mit dem braunen Mantel, den braun gefärbten Haaren und einem gespenstisch weißen Mundschutz lächelte, auch wenn dies für einen Außenstehenden natürlich dank der weißen Gesichtsbedeckung nicht zu erkennen war. Er hatte persönlich dafür gesorgt, dass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Endlich war seine Zeit gekommen. Diese Chance durfte er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Darauf hatte er den ganzen Tag gewartet, hatte bereits seit mehreren Tagen Vorbereitungen getroffen. Er stand von seinem Sitzplatz, welcher in der Nähe des Bühnenaufgangs lag, auf und ging gemächlich ein paar Schritte in Richtung Ausgang, immer sein kleines Ziel im Blick. Samstag, 04. Juli, 19:17 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Mittelgang Das kleine Mädchen mit dem Seidentuch wartete ein paar Minuten ab, bis ein so reges Treiben zwischen den Sitzreihen und den Zwischengängen, die zu den beiden großen Ausgangstüren führten, herrschte, dass es im Schutze der vielen Menschenleiber möglichst unerkannt den Raum verlassen konnte. Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingang zur rechten Bühnenhälfte Der Mann mit den dunklen Haaren und dem markanten Gesicht, welches die meisten der Zuschauer im Saal, die auf ihrem Weg nach draußen an ihm vorbeigingen, wohl an einen Fisch erinnern ließ, zog sein Handy aus seiner Tasche und schrieb eine Nachricht. Ein stolzes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, ließ es noch schmaler wirken. Perfekt. Er hatte seinen Auftrag ausgeführt. Möglicherweise gab es für ihn doch noch Aufstiegschancen in der Organisation. Eigentlich war er hier gewesen, weil er den sogenannten schlafenden Kogoro hatte beschatten müssen, doch dieser war hier im Showsaal verschwunden, zusammen mit dem breitschultrigen Inspektor, dessen Mantel ihn an die Mode eines vergangenen Jahrhunderts zurückerinnern ließ. Er selbst hatte den Raum nicht betreten dürfen und wohl oder übel draußen warten müssen. Als sich die Türen schließlich öffneten, war er, gegen den Strom der hinausströmenden Menschenmassen ankämpfend, eingetreten. Zuerst war er davon ausgegangen, dass er diesen Job gründlich in den Satz gesetzt hatte, immerhin würde nun eine riesige Lücke in seinem Beobachtungsbericht klaffen. Doch als er schließlich eine Bildnachricht mit dem Foto eines kleinen Jungen von Wodka erhalten hatte, die dieser direkt von ganz oben an ihn weitergeleitet hatte, hatte er seine Chance gewittert, sich zu beweisen. Ja. Auch wenn er nicht wusste, was an einem kleinen Kind mit einer Nerdbrille so interessant sein sollte, dass man ihm eine Wanze und einen Tracker unter den Hemdkragen kleben sollte... Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flurbereich vor der Akamizu-Showhalle Als Ai den Flur erreichte, verließ sie den Strom der Menschen und bog in einen kleinen Seitengang ein. Sie musste unbedingt einen Weg finden, das Gebäude zu verlassen, ohne dass das Organisationsmitglied sie fand. Aufmerksam sah sie sich um. Gut, es schien ihr Niemand gefolgt zu sein, dieser Teil des Ganges war außerdem von den aus dem Saal strömenden Menschenmassen nicht einsehbar, da sie bereits mehrere Abzweigungen nach rechts genommen hatte. Sie war also vollkommen allein. Ein weiteres Mal bog sie in einen abermals kleineren Gang ein, diesmal entschied sie sich für einen Gang zu ihrer Linken. Am Ende des Flures war ein grün leuchtendes Notausgangsschild zu erkennen. Eilig lief sie an einigen geschlossenen Türen vorbei, die den schmalen Gang säumten. Am Ende des Flures angekommen, griff sie nach der Türklinke, Sie spürte, wie eine Gänsehaut sie überlief, noch bevor sie die hohe Stimme der Frau hörte, die wie aus dem Nichts zu kommen schien. “Hier ist Endstation für Dich, Sherry-chan.” Haibara drehte sich resigniert um und sah eine Frau aus dem Schatten eines Eingangs zu ihrer Rechten treten. Sie schien um die fünzig Jahre alt zu sein und hatte ein paar braune, von schmal gezupften schwarzen Augenbrauen gesäumte Augen. Ihr Mund war zu einem beinahe höhnischen Grinsen verzogen und ihre ebenholzschwarzen, glatten Haare fielen ihr schwungvoll auf die Schultern. Sie trug ein dunkles Kleid, um ihre rechte Schulter baumelte der breite Gurt einer großen Damenhandtasche, aus der sie in ebenjenem Moment eine lange schwarze, mit einem Schalldämpfer bestückte Waffe zog. Der Blick, mit dem die Frau sie aus kalten, an dunkle Tunnel erinnernden Augen musterte, ließ die kleingeschrumpfte Ai Haibara, welcher die schwarze Organisation den Namen Sherry gegeben hatte, erahnen, welches Schicksal sie erwarten würde. Samstag, 04. Juli, 19:18 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle So hastig, dass er fast über seine eigenen rot-weißen Powerkickboots stolperte, öffnete Conan Edogawa die schwergängige Türe, die in die weißgeflieste, spärlich ausgestattete Herrentoilette führte. Er prüfte kurz, ob sonst noch jemand anwesend war und als er sah, dass alle Kabinentüren sperrangelweit offen standen und sich keiner darin befand, huschte er in die mittlere der fünf Kabinen und schob eilig von Innen den Riegel vor. Der Junge klappte den in Serie hergestellten Toilettensitz hinunter und ließ sich darauf nieder, stellte die Stimme des Oberschülerdetektivs Shinichi Kudo über den als Fliege getarnten Stimmentransposer ein und nahm schließlich das Gespräch an. Er wunderte sich, dass das Mädchen nicht schon lange die Geduld verloren und aufgelegt hatte. „Ran! Was gibt es denn?“ „Shinichi! Bin ich froh, dass ich Dich erreiche...“ Conan konnte die Erleichterung aus ihrer Stimme heraushören. Sie schien sehr froh, dass er doch noch ans Telefon gegangen war. Irritiert stellte er fest, dass sie ihn nicht mit mit kurzen, sachten Vorwürfen überhäufte und ihn fragte, wieso er denn erst so spät ans Telefon gegangen war. So benahm sie sich normalerweise nur, wenn irgendetwas passiert war und ihr etwas auf dem Herzen lag. „Was ist denn los, Ran?“ „Nichts… ich wollte nur einfach mal wieder mit Dir reden, das ist alles.“ „Ran.“ Dachte der Junge und seine Augen nahmen einen weichen Ausdruck an. Jetzt wusste er mit 100%-Sicherheit, dass etwas im Argen lag. Am besten würde er ihr erst einmal zuhören, vermutlich würde sie ihm schon bald von selbst erzählen, was sie bedrückte. Zumindest hoffte er das. Er kannte Ran viel zu gut und wusste, dass sie vieles von dem, was sie belastete, einfach für sich behielt um Niemandem Sorgen zu machen. Sie tat das auch auf die Gefahr hin, selbst von dieser Last erdrückt zu werden. „Na dann, reden wir...“ meinte Shinichi betont fröhlich, sich aber keinesfalls verstellend. Wenn er mit Ran telefonierte, wurde seine Laune immer schlagartig besser. „Wo bist Du im Moment? Hast Du immer noch mit Deinem schwierigen Fall zu tun?“ Rans Stimme klang noch immer kein bisschen vorwurfsvoll. Sie interessierte sich einfach nur ehrlich dafür. „Iiiich...“ setzte Shinichi an und sah sich in der Toilettenkabine um, während ihm der unangenehme Geruch von Putzmitteln und Urin in die Nase stieg. Der kleine Detektiv rümpfte aufgrund des strengen Toilettengeruchs die Nase. Wie hatte er es doch satt! Ständig musste er sich irgendwo verstecken. Vermutlich kannte er jegliche auf dem Markt erhältliche Ausführung von öffentlichen Toiletten. Nicht nur gut, sondern so gut, dass er in den Sanitärfachhandel einsteigen könnte. „...ich stecke immer noch mittendrin, ja.“ beendete er seinen Satz. Er spürte einen Stich in seiner Brust ob dieser Lüge. Und doch war es nur eine von vielen, die er dem Mädchen, dass er um jeden Preis beschützen wollte, erzählte. Ein Schatten legte sich für einen Moment über seine Augen, dann begann er abermals zu sprechen. „Sag mal Ran… irgendetwas ist doch mit Dir, habe ich Recht? Ich kann es an Deiner Stimme hören, dass etwas passiert sein muss...“ startete Shinichi nun einen vorsichtigen Versuch, den wahren Grund für ihren Anruf herauszufinden. Samstag, 04. Juli, 19:19 Uhr, Wohnung der Familie Mori, Wohnzimmer Seitdem sie mit Shinichi telefonierte, fühlte sie sich wie so oft ein wenig besser. Die Nervosität, die sie den ganzen Tag beherrscht hatte, schien plötzlich ganz weit weg, als sie den weichen Klang seiner Stimme hörte. Ihr Blick fiel auf den Esstisch mit dem noch übervollen Sandwichteller. Sie hatte sich noch immer nicht dazu durchringen können, eines anzurühren, egal wie sehr Tooru Amuro versucht hatte, ihr diese nahezubringen. Nach dem Telefonat mit dem Polizeioberrat war der junge Mann schließlich aufgestanden und hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen. Danach hatte er angekündigt, dass er wohl langsam wieder hinunter ins Café musste. Da ja nun keine Gefahr mehr drohte, hatte Ran natürlich nichts dagegen gehabt. Ran hatte schließlich den Fernseher eingeschaltet, als der Mann gegangen war. Doch auch das laufende Gerät hatte sie nicht von der Tatsache ablenken können, dass Conan noch nicht Zuhause war und sie ihn auch nicht auf dem Handy erreichen konnte. Im Gegenteil, die laufenden Nachrichten hatten ihre Furcht nur noch geschürt. „Es ist…“ begann Ran zögernd „Conan ist noch noch nicht Zuhause…“ „Aber darüber musst Du Dir doch keine Sorgen machen, Ran… Du weißt doch, dass dieser Junge schwerer zu hüten ist als ein Sack Flöhe… er kommt sicher bald nach Hause...“ versuchte Shinichi mit beinahe verlegener Stimme das Mädchen zu beschwichtigten. Ran fiel dieser Unterton nicht auf. Allerdings schien Shinichi wie so oft zu merken, dass es noch etwas anderes war, dass sie belastete, deutete ihr Zögern richtig und schwieg genau lange genug, bis sie weitersprach: „Heute… ist so ein beunruhigender Vorfall geschehen… ich habe eine Person gesehen, die einer Verbrecherin aus einem früheren Fall sehr ähnlich sah, es war eine Verwechslung. Ich habe mich an den Fall damals zurückerinnert und hatte plötzlich wieder Angst, dass so etwas noch einmal passieren könnte… wahrscheinlich mache ich mir deswegen auch so viele Gedanken um Conan. Ich habe das schreckliche Gefühl, dass etwas Furchtbares passieren wird… es… es war wie eine böse Vorahnung...“ brach es aus dem Mädchen hervor. „Aber Ran...“ drang Shinichis Stimme aus dem Hörer, sie hatte einen unglaublich tröstenden Klang „…mach Dir keine Gedanken. Manchmal verschleiern unsere Empfindungen wie ein Nebel die Sicht auf die Realität… Angst lässt uns nicht mehr klar denken, lähmt uns und kann uns innerlich zerstören. Menschen neigen dazu, sich Dinge, vor denen sie Angst haben, in den dunkelsten Farben auszumalen und sich dann vorzustellen, dass diese Gedanken zur Realität werden… Manchmal geht das soweit, dass die Menschen dann nicht mehr zwischen den selbst erfundenen Ängsten und der Wirklichkeit unterscheiden können. Sie lassen sich von ihren Ängsten beherrschen. Du projizierst Deine Ängst von damals auf heute. Conan geht es sicher gut. Du weißt doch, dass der Junge auf sich aufpassen kann...“ Ran schloss für einen Moment ihre Augen, ließ Shinichis Worte auf sich wirken. Ja, das wusste sie. Sie wusste, das Conan auf sich aufpassen konnte. Trotzdem ließ sie das schlechte Gefühl, welches sie hatte, einfach nicht los. Dann, nach wenigen Sekunden dämmerte ihr, dass sie nicht nur Angst um Conan hatte. „Ach Shinichi. Wenn Du hier wärst, wäre alles so viel einfacher… es geht mir hierbei nicht nur um Conan...“ dachte sie. „Als ich das letzte Mal eine böse Vorahnung hatte, damals, als wir uns im Vergnügungspark ohne uns richtig voneinander zu verabschieden getrennt haben, ist sie zur Realität geworden. Meine Angst wurde zur Realität, deswegen lähmt sie mich…“ dachte sie und riesige Tränen bildeten sich in ihren Augen, sie konnte im Augenblick selbst nicht verstehen, warum sie gerade jetzt eine riesige Traurigkeit übermannte. Vermutlich lag es an all den Sorgen, die sie sich den Tag über gemacht hatte. „Und was…“ dachte sie weiter, ihre Gedanken wirbelten nun erschreckend schnell in ihrem Kopf „was, wenn meine größte Angst tatsächlich zur Wirklichkeit wird. So wie damals? Was soll ich dann nur tun, ganz allein? Denn meine größte Angst ist es, Dich tatsächlich zu verlieren...“ Große, heiße Tränen bahnten sich nun ihren Weg ihre Wangen hinunter. Samstag, 04. Juli, 19:20 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle Ran blieb für einen Moment stumm. Alarmiert achtete Shinichi auf die Geräusche vom anderen Ende der Leitung. War da ein leises Schluchzen? Weinte Ran etwa? „Weißt Du, Shinichi...“ fing Ran nun wieder an, ihre Stimme zitterte leicht, doch ansonsten hatte sie sich sehr gut im Griff, auch wenn der geschrumpfte Oberschülerdetektiv ahnte, dass ihr bestimmt stumme Tränen die Wangen hinunterliefen. „Es ist nicht nur Conan.“ Shinichi horchte auf, ihre Stimme klang plötzlich sehr ernst. Die nächsten Worte die sie aussprach, wogen schwer: „Ich mache mir auch Sorgen um Dich, Shinichi.“ Für einen Moment fühlte der Junge sich, als umklammerte jemand mit einem eisigen Griff sein Herz. „Ran...“ dachte er deprimiert. „Wie gerne würde ich Dir die Wahrheit erzählen… aber es geht nicht. Ich brächte Dich damit in eine unglaubliche Gefahr. Das kann ich nicht riskieren… diese Verbrecherorganisation darf auf keinen Fall unterschätzt werden… wüsstest Du die Wahrheit, wären diese Leute auch hinter Dir her. Sie würden uns alle töten...“ Er schluckte schwer, überlegte seine nächsten Worte genau. „Ran...“ begann er, doch sie unterbrach ihn, sie schien wirklich aufgewühlt. „Ich meine nur… wenn Du Deine Nase immer in Dinge steckst, die dich nichts angehen, könnte das einmal nicht so glimpflich ausgehen wie es das bis jetzt immer getan hat...“ Als Shinichi diese Worte hörte, musste er beinahe ein wenig lächeln, als er die folgenden Worte dachte: „Du weißt überhaupt nicht, wie Recht Du damit hast. Leider ist es dafür schon zu spät. Meine Strafe folgte auf dem Fuße. Und jetzt brauche ich wieder einen Schemel, damit ich mir überhaupt am Waschbecken die Zähne putzen kann...“ „Wie kommst Du denn darauf? Du weißt doch, ich bin immer vorsichtig.“ Schwindelte Shinichi mit sanfter Stimme um Ran zu beruhigen. „Ich habe einen Bericht über einen aus dem Gefängnis entflohenen Serienmörder gesehen… Er hat mehrere Menschen getötet, darunter auch Polizisten. Einer dieser Polizisten ist bei dem Versuch, ihn zu verhaften, gestorben. Ich habe allerdings zu spät eingeschaltet, ich habe den Namen nicht mitbekommen. Hast Du ihn auch gesehen?“ Fragte Ran, sie schien nun noch aufgeregter. „Nein, ich war bis über beide Ohren in meinen Fall vertieft...“ „Das ist ja interessant. Den muss ich mir sofort heute Abend online ansehen.“ Dachte Shinichi. Er merkte, dass sie nun endlich an dem Punkt angekommen waren, über den sie wirklich dringend reden wollte. „Weißt Du Shinichi… als ich den Bericht gesehen habe, musste ich daran denken, dass Du so oft mit solchen Menschen zu tun hast. Vielleicht hattest Du bis jetzt immer nur Glück… Mörder sind unberechenbar… außerdem habe ich das Gefühl, dass Du wirklich in Schwierigkeiten steckst. Immerhin bist Du zu einem ziemlichen Geheimniskrämer geworden und trittst kaum mehr in der Öffenltichkeit auf… ist etwa einer Derjenigen, die Du überführt hast, hinter Dir her?“ Meinte Ran nun und Shinichi entgegnete sofort: „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, Ran. Ich stecke nicht in Schwierigkeiten, versprochen. Mein Fall ist nur so komplex und ich habe meinem Klienten versprochen, keine anderen Fälle anzunehmen, während ich diesen löse. Er möchte, dass ich mich ganz darauf konzentriere, ich bin daran gebunden. Wenn ich mich also anderen Fällen zuwende, muss ich das im Geheimen machen. Du weißt doch, ich kann einfach nicht nein sagen, wenn mir ein Fall über den Weg läuft. Und ich passe schon auf mich auf. Auf meine meisterhaften detektivischen Fähigkeiten ist Verlass. Ich verspreche Dir, dass ich wieder nach Hause kommen werde...“ Meinte er nur schnell und klang selbstsicherer, als er sich tatsächlich fühlte. Das war Lüge Nummer Drei an diesem Abend. Sein Herz fühlte sich nun an, als hätte ihm jemand einen riesigen, kantigen Felsbrocken daraufgelegt. Allerdings schien sein Beruhigungsmanöver geklappt zu haben, zumindest hörte sich Rans Stimme nun schon entspannter an, ja, sie klang sogar fast schon wieder normal. „Du bist ein ganz schöner Angeber, weißt Du das?“ „Weiß ich. Angeber Shinichi Kudo, stets zu Ihren Diensten.“ Er konnte Ran förmlich auf der anderen Seite des Telefons lächeln sehen, sah das nun wieder vorhandene Strahlen in ihren Augen, als er diese Worte selbstbewusst aussprach. „Nun gut, Herr Angeber. Dann verabschiede ich mich jetzt besser. Ich muss das Abendessen für Paps und Conan machen, sofern sie sich denn bald einmal bequemen, wieder aufzutauchen...“ „Machs gut und bis bald, Ran.“ „Bis bald, Shinichi.“ Samstag, 04. Juli, 19:21 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, an einem unbekannten Ort Innerlich triumphierend saß der Mann in seinem Versteck. Jetzt konnte er sich also ganz sicher sein, dass es sich bei dem Jungen um einen Erwachsenen handelte. Immerhin hatte er zuvor noch beobachten können, dass das Handy des Kindes geklingelt hatte und nichts ließ darauf schließen, dass die erwachsene Stimme, die die Wanze an seinen Laptop übertragen hatte, nicht zu ihm gehörte. Sein Handlanger hatte gute Arbeit geleistet. Das Abhörgerät war perfekt platziert worden, die ihm unbekannte Erwachsenenstimme war glasklar zu hören gewesen. Als sie ertönt war, hatte er sofort an die rote Fliege gedacht, die sich der Junge vor den Munde gehalten hatte, als er mit Kogoro Moris Stimme den Mordfall gelöst hatte. “Ein verdammt pfiffiges Kerlchen...” murmelte er leise. Er sah nun noch einmal auf seinen Laptop. Über eine kleine Anzeige auf seinem Bildschirm konnte er den winzigen, leuchtenden Punkt ausmachen. Die Zielperson befand sich auf der Herrentoilette und bewegte sich schon seit einigen Minuten nicht mehr vom Fleck. Innerlich fügte er seiner Informationsliste einen weiteren Namen zu: Ran Mori. Das Mädchen, dass in der Detektei Mori wohnte. Eindeutig eine potenzielle Gefahrenquelle, sie schienen sich nahezustehen. Um sie würde er sich später kümmern. Es galt nun, herauszufinden, wer der Junge in Wirklichkeit war. Und wie hatte er es geschafft, an seine E-Mail-Adresse zu kommen? Gab es tatsächlich einen Verräter in der Organisation oder war der Junge auf andere Art und Weise an die Adresse gekommen? Nach dem, was er heute gesehen hatte, wäre ihm das auf jeden Fall zuzutrauen. Er musste sich eingestehen, dass der Junge ihn mit jeder neuen Information, die er über ihn erhielt, neugieriger machte. Es hatten schon ganz andere schlaue Füchse versucht, ihn zu täuschen, keinem war es gelungen. Nicht einmal Shuichi Akai, obwohl dieser wohl einer der wenigen war, denen er wirklich zugetraut hatte, seiner Organisation etwas anzuhaben. Doch Shuichi Akai war tot, Kir hatte ihn beseitigt. Die Videoaufnahmen, die Gin ihm zugespielt hatte, bewiesen das eindeutig. Er war eine ernstzunehmende Gefahr gewesen. Hatte er in dem Jungen einen neuen Shuichi Akai gefunden? Das Geräusch einer eintreffenden Nachricht riss ihn aus seinen Gedanken. Sie stammte von Madeira. “Endlich...” dachte er nur ungeduldig und öffnete sie: “Habe Sherry lokalisiert. Weiteres Vorgehen?” Hastig tippte er eine Antwort ein: “Bring sie an einen ruhigen Ort und entledige Dich ihrer. Keine Fehler diesmal.” Er überlegte kurz. Das Mädchen war gerissen. Sie hatte es schon seit Monaten geschafft, sich zu verstecken, war einmal Gin entkommen und hatte sogar einmal ihren eigenen Tod vorgetäuscht. Für ihn war sie eine der gefährlichsten Personen, die aktuell existierten. Die Verbindung, die sich mit ihrer bloßen Existenz zur Organisation und damit zu ihm herstellen ließ, musste augenblicklich gekappt werden. Samstag, 04. Juli, 19:21 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle Conan beendete das Gespräch, schaltete Shinichis Handy zur Sicherheit aus und seufzte tief. Wie gerne würde er Ran alles erzählen. Doch damit würde er sie den Schergen der schwarzen Organisation auf Gedeih und Verderb ausliefern. Ein absurder, aber doch nicht ganz abwegiger Gedanke kam ihm: „Die Frage ist… falls Ran die Wahrheit erfährt… bräuchte es dann noch Männer in Schwarz um mir den Garaus zu machen? Möglicherweise würde die gute Ran mit Freude diesen Part übernehmen...“ „Die Kinder! Ich muss den Kindern Bescheid sagen! Und der Professor wollte uns doch abholen! Kogoro will sicher auch wissen, wo ich stecke… und Ran muss ich auch informieren, sie macht sich sowieso schon Sorgen…“ Er klappte Conans Handy auf und schaltete es an. Auf dem Display erschien die Aufforderung, seinen PIN-Code einzugeben. Der Junge hörte, wie die Türe zur Toilette aufschwang und sich wieder schloss, dann konnte er laute Schritte von den Wänden des Raumes widerhallen hören. Für einen Moment wunderte er sich, dass sich in diesem Teil des Gebäudes noch jemand befand. Mit voller Absicht hatte er die Toiletten im hinteren Teil des Gebäudes aufgesucht, da er hier im Gegensatz zu den vorderen Toiletten, die in der Nähe des Haupteingangs lagen, ungestört sein konnte. Er begann zu tippen… 486… Ein lautes Klopfen unterbrach ihn in seinem Tun, noch bevor er die letzte Zahl eingeben konnte. Tatsächlich schien jemand von Außen an die verschlossene Kabinentüre zu klopfen. Was sollte das? Er war in der einzigen besetzten Kabine, die vier anderen waren unbesetzt. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. War es etwa sein Verfolger, dessen Blick er den ganzen Tag auf sich gespürt hatte? Er betrachtete die Uhr an seinem Handgelenk. „Mist. Ich habe meine einzige Betäubungsnadel bei der Lösung des Falles vorhin benutzt… und gerade heute habe ich meinen Fußballgürtel nicht um...“ Hektisch sah er sich um. Der Spalt unter den Kabinen war selbst für ihn als Kind zu eng, um darunter hindurchzukriechen, er betrug höchstens 10 Zentimeter. Der Fluchtweg nach oben schied aus aus. Sogar wenn er auf den heruntergeklappten Deckel der Toilettenschüssel stieg, würde er nicht hinaufkommen, um die Kabinenwand zu überklettern. Außerdem würde ihn der Klopfer (er vermutete zumindest, dass es ein er war, immerhin war das hier die Herrentoilette) dabei entdecken. Ein leises, klickendes Geräusch erklang und Conan beobachtete mit starrem Blick, wie sich der Riegel, der eigentlich vorgeschoben sein sollte, langsam zurückschob. Ja, ihm war bereits beim „Einchecken“ in seine Kabine aufgefallen, dass es sich um ein übliches Serientürschloss handelte, welches man von Außen ganz einfach durch geschicktes Drehen mit den Fingern öffnen konnte. Es besaß einen Zugang von Außen, das war eine reine Sicherheitsmaßnahme, damit Angestellte in Notsituationen mit einem speziellen Schraubenschlüssel ganz einfach die Türe öffnen konnten. In diesem Fall und oft auch bei Kabinenschlössern die in Schultoiletten verwendet wurden, konnte das Jeder, der nur etwas Kraft in seinen Händen besaß. „Verflixte Billigproduktion...“ dachte er nur und wartete bang, was nun passieren würde. Conan wich ein Stückchen weiter zurück, als sich die Türe langsam und mit quietschenden Angeln öffnete. Er erstarrte, als er plötzlich einen ihm unbekannten riesigen Mann mit einem braunen Mantel und braunen Haaren in der Türe stehen sah. Der Kerl trug einen großen, weißen Mundschutz, der sein halbes Gesicht verdeckte. Völlig ungerührt und bewegungslos stand der Mann da. Er war so ausladend gebaut, dass er die komplette Breite der Türe einnahm. Conan registrierte voller Panik, dass sein einzig möglicher Fluchtweg versperrt war. Es gab keinen Ausweg. Er saß in der Falle. Samstag, 04. Juli, 19:20 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Eingangsbereich Sich immer wieder höflich entschuldigend hatte Subaru Okiya sich durch die Menschenmassen gedrängt, die sich in der Nähe des Informationsschalters tummelten. “Gibt es hier etwas umsonst…?” murmelte er irritiert und machte sich dann auf den Weg durch den Flur in Richtung Showhalle, immer der mit Eiskristallen geschmückten Beschilderung folgend. Als er im Zuschauersaal ankam, war dieser verwaist. Nur einige wenige Nachzügler schlenderten an ihm vorbei in Richtung Ausgang. Unschlüssig sah er sich um. Er konnte die Kinder nirgends entdecken. Subaru lief den kompletten Mittelgang hinunter bis er schließlich ganz im unteren Bereich des Saals, fast direkt an der Bühne angekommen war. Er ließ seinen Blick über die Zuschauerreihen gleiten, aber tatsächlich war im Raum kein einziges bekanntes Gesicht zu sehen. Eilig ging er ein Stückchen weiter, bis er plötzlich stoppte, als ein knirschendes Geräuch wie von splitterndem Glas erklang. Er sah nach unten und entdeckte, dass er auf etwas flaches, rechteckiges getreten war. “Ein Handy?” Murmelte er und besah sich das Gerät. Es war auf der Unterseite vollkommen verkratzt, als wäre es ein ganzes Stück den Boden entlanggeschrammt. Das Display war gesplittert, was aber wohl seinem unsanften Tritt mit seinem Fuß zu verdanken war. Subaru benötigte nur wenige Sekunden, um zu erkennen, wem es gehörte. Erst vor einigen Tagen hatte er das Mädchen mit den rotbraunen Haaren mit genau diesem Gerät in der Hand auf dem Sofa des Professors sitzen sehen. Rasch zählte er eins und eins zusammen. Das Mädchen war angeblich von den Kindern getrennt worden, an ihr Telefon ging sie nicht… war ihr tatsächlich etwas passiert? Wie lange war das jetzt her? Welche Möglichkeit hatte er, sie zu finden? Das Handy war hier. Eine Ortung war unmöglich. Vielleicht versteckte sie sich irgendwo? Den Menschenmassen nach zu urteilen, die sich noch in der Eingangshalle befanden, waren die Türen zum Saal erst seit einigen Minuten geöffnet. Das Mädchen musste noch hier in der Nähe sein, zumindest noch im Tropical Land… “Verdammt...” fluchte er leise, steckte das Gerät in seine Jackettasche und rannte hastig in Richtung des Informationsschalters. Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Flurbereich vor der Akamizu-Showhalle “Los, rein da! Ladies first...” Madeira richtete ihre mit einem Schalldämpfer bestückte Waffe nun direkt auf das kleine Mädchen mit dem Seidenkopftuch. Haibara besah sich die Waffe. Es war eindeutig kein Spielzeug. “Nun mach schon!” Die Frau nickte hinüber zu einer im Moment geschlossenen Türe zu ihrer Rechten. Ai öffnete diese und trat zögernd ein. Ein kurzer Blick zeigte Haibara, dass es sich um einen nicht mehr genutzten Abstellraum handeln musste. Überall standen verstaubte, große Kisten mit Bühneninventar und Kostümen herum. Aufgrund der Notsituation in der sie sich nun befand, waren ihre Sinne bis zum Äußersten geschärft. Sie hatte plötzlich das Gefühl, ein Geräusch wie von leisen Schritten und eine hohe, ihr sehr bekannte Stimme gehört zu haben. Überrascht sah sie sich noch einmal im Raum um. Hier war niemand. Die Angst vor dem, was nun kommen würde, ließ sie wohl schon komplett den Verstand verlieren... “Was war das? Jetzt bin ich schon paranoid...” dachte sie. “Wirds bald? Beeilung!” Das Mädchen war dem Organisationsmitglied scheinbar nicht schnell genug. Sie gab ihr von hinten einen Schubs, sodass sie erst einmal unfreiwillig ein Stückchen in den Raum hineinstolperte. “Und zieh dieses komische Kopftuch aus! Du willst doch in Würde sterben, nicht wahr, Sherry?” Die Frau trat an das Mädchen heran und riss ihr brutal das Tuch vom Kopf. Das Mädchen funkelte sie nur mit starren Augen an. Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Gebäude, Requisitenkammer “Die hier ist toll, findest Du nicht?” Vergnügt deutete Genta auf eine reich mit Perlen verzierte Maske, die er in seiner linken Hand hielt und streckte sie Ayumi entgegen. “Genta, wir müssen weiter! Wir müssen Ai-chan suchen!” Rief Ayumi und nahm Genta die Maske aus der Hand und ließ sie auf den ungeordneten Stapel von Gesichtsbedeckungen fallen, mit denen die Kinder in den letzten Minuten herumgeblödelt hatten. Enttäuscht wandte der kräftige Junge sich Mitsuhiko zu, der seit ein paar Sekunden ungewöhnlich still gewesen war. “Was ist denn los, Mitsuhiko...” meinte Genta, erstaunt über Mitsuhikos angespannten Gesichtsausdruck. “Psst… da sind Stimmen… hört ihr nicht…” der junge Mann mit den Sommersprossen merkte instinktiv, dass etwas an der Frauenstimme, die er vernehmen konnte, ungewohnt agressiv klang. “Los, versteckt euch!” “Was, aber wieso denn…?” Fragte Ayumi überrascht, doch Mitsuhiko zog sie und Genta einfach mit sich hinter einen großen Stapel Kartons. Das Mädchen verstummte, als mit einem leisen Geräusch langsam die Türe aufging und eine kleine Gestalt mit einem Kopftuch zögerlich den Raum betrat. “Ist das etwa eine Großmutter?” Flüsterte Genta. “Unsinn, dafür ist sie viel zu klein… das ist bestimmt ein Kind...” meinte Mitsuhiko leise. Das Entsetzen breitete sich auf den Gesichtern der drei Kinder aus, als hinter der kleinen Gestalt eine Frau in einem schwarzen Kleid auftauchte, in ihrer Hand hielt sie etwas, dass an eine Waffe erinnerte, allerdings war der Lauf viel zu lang für eine gewöhnliche Pistole. Ängstlich beobachteten sie nun, wie die Lady in Schwarz dem Kind einen Stoß in den Rücken versetzte, so dass dieses ein gutes Stückchen in den Raum hinein stolperte. Die beiden Gestalten waren zu weit weg und hinten im Raum gab es nur ein relativ kleines Fenster, sodass der vordere Teil mehr oder weniger im Halbdunkel lag. Aus diesem Grund waren die Gesichter der beiden aus der Perspektive der Kinder auch kaum zu erkennen. “Wirds bald? Beeilung!” Rief die Frau nun aus. “Und zieh dieses komische Kopftuch aus! Du willst doch in Würde sterben, nicht wahr, Sherry?” Die Frau trat an das Mädchen heran und riss ihr brutal das Tuch vom Kopf, sodass nun etwa schulterlanges, helles Haar zum Vorschein kam. Es musste ein Mädchen in etwa ihrem Alter sein. “Wie hast Du mich gefunden?” Fragte das Mädchen nur tonlos. “Ai-chan...” rief Ayumi überrascht, geistesgegenwärtig legte Mitsuhiko seinen Finger an seine Lippen und bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, still zu sein. Ai horchte auf. Da, da war es schon wieder gewesen. Sie hatte sich das nicht eingebildet. Sie waren tatsächlich hier! Eiseskälte breitete sich in ihr aus, kroch ihr in Mark und Bein. Das konnte nicht sein. Sollte alles umsonst gewesen sein? Würde diese Frau die Kinder, die ihr so sehr ans Herz gewachsen waren, die wie eine Ersatzfamilie für sie waren, einfach gnadenlos auslöschen? Angespannt beobachtete die Grundschülerin mit den rotbraunen Haaren das Organisationsmitglied, welches sie nur mit einem kalten Blick ansah. Sie schien noch nichts von der Anwesenheit der Kinder gemerkt zu haben. Sie musste es schaffen, die Frau von der Anwesenheit der Kinder abzulenken. Was hatte sie schon noch zu verlieren? Die Leben der Kinder hatten oberste Priorität für sie. “Spielt das eine Rolle?” Madeira hatte ihren erstarrten Gesichtsausdruck bemerkt, schloss aber daraus, dass das Mädchen einfach Angst hatte und lächelte über diesen Gedanken süffisant. Eine Welle von Adrenalin durchströmte Haibara, als sie einen Schritt auf die Frau zutrat und dabei ein ganz kleines Stückchen nach rechts auswich. Wenn sie die Stimme richtig eingeordnet hatte, war sie aus dem hinteren Bereich gekommen. Sie musste die Kinder warnen. “Nein, das tut es nicht, denn Du wirst sowieso mich und alle töten, die mit mir in Verbindung stehen, habe ich Recht?” Meinte sie nun laut und deutlich, ihre Stimme zitterte kein bisschen. Es durfte nicht alles umsonst gewesen sein. Wenn diese Frau es jetzt und gleich zu Ende brachte und die Kinder in ihrem Versteck blieben, würde ihnen nichts geschehen. “Ganz recht… doch Du bist zuerst dran. Du solltest Dich geehrt fühlen, Sherry-chan. Ich habe den Befehl direkt von “ano kata” erhalten. Nicht um jeden kümmert sich der Boss persönlich...” Die Erkenntnis traf das kleingeschrumpfte Mädchen wie ein Schlag ins Gesicht. Von “ano kata” persönlich? Das bedeutete, dass sie sowohl Kudo-kun, den Professor und auch die Kinder töten würden. War wirklich alles umsonst gewesen? Verdammt, und es war ihre Schuld. Hätte sie nicht beim Professor Unterschlupf gesucht, wäre das alles niemals passiert. Einen Moment lang stand sie da, die Verzweiflung überrannte sie ein riesigen Wellen, drohte sie hinfortzuspülen. Zu spät, es war zu spät. Mit großen Augen starrte sie auf die Mündung der Waffe, die die Frau nun unbarmherzig auf sie richtete. “Hören Sie sofort auf!” Ohne lange über möglich Konsequenzen nachzudenken, sprang eine breite Gestalt mit einem fleckigen, giftgrünen Pullover hinter einem der Kartons hervor, sie trug eine prunkvolle, mit goldenen Pailetten besetzte Maske, die ihr komplettes Gesicht verdeckte. Haibara erkannte diese Art von Maske. Sie wurde in dieser Art gerne beim venezianischen Karneval verwendet. Für einen Moment über die merkwürdige Aufmachung ihres Angreifers irritiert, sah Madeira ihn nur unschlüssig an. Noch bevor sie reagieren konnte, kam aus dem hinteren Bereich des Raumes eine Maske in Form eines Vogels auf sie zugeflogen. Mit blitzschnellen Reflexen wich sie aus. Haibara, die noch immer erstarrt war vor Angst, beobachtete Genta dabei, wie er eine weitere Gesichtsbekleidung nach der Frau warf, die er zuvor noch in seinen Händen gehalten hatte. Genau in diesem Moment sprangen noch zwei weitere Gestalten mit ähnlichen Masken auf ihren Gesichtern hinter demselben Karton hervor, beide bewarfen Madeira nun ebenfalls, sodass sie damit beschäftigt war, ihren Angriffen auszuweichen. “Ai-chan, wir müssen weg hier!” Haibara spürte, wie sich kleine, warme Finger direkt um ihre sich taub anfühlende, eiskalte Hand schlossen. Sie sah auf und blickte direkt in Ayumis zwar ein wenig ängstliches aber doch entschlossenes Gesichtchen. Für einen Moment sah Haibara sie mit einem dankbaren und warmen Blick an, dann wurde er plötzlich kalt und sie stieß die kleine Ayumi unsanft ein Stückchen in Richtung der Tür. “Los, verschwinde sofort von hier!” “Nein, ohne Dich gehe ich nicht!” Ein leises Zischen einer aus einer Waffe mit einem aufgeschraubten Schalldämpfer abgefeuerten Kugel unterbrach die Diskussion der beiden. Haibara wirbelte herum, sodass Ayumi sich nun hinter ihrem schützenden Rücken befand. “Mitsuhiko! Was ist mit Dir?” ertönte nun Gentas entsetzte Stimme. Der Junge rannte hinüber zu seinem Freund, der mit dem Rücken an die nun mit frischem Blut beschmierte Wand gelehnt dasaß und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Schulter hielt. Unter seinen Fingern quoll blutrote Flüssigkeit hervor, sein Pullover war an dieser Stelle innerhalb von Sekunden blutgetränkt. “Ihr verdammten Gören! Euch wollte ich mir eigentlich für den Schluss aufheben. Aber in diesem Fall können wir das natürlich auf euren eigenen Wunsch noch ein wenig beschleunigen...” mit hasserfülltem Gesicht sah sie zu Genta hinüber, der nun mit ängstlichem Gesichtsausdruck Mitsuhiko musterte, dem die Tränen in die Augen getreten waren vor Schmerzen. Die Frau hob ihre Waffe. Haibaras Gedanken kreisten. “Wie soll man denn gewinnen, wenn man immer nur davonläuft!” Die Stimme der kleinen Ayumi hallte in ihrem Kopf wieder. “Du darfst nicht davonlaufen, hörst Du, nicht vor Deinem eigenen Schicksal!” Nun tauchte auch noch Shinichis Gesicht vor ihr auf. Eilig trat sie vor, stellte sich schützend vor Genta und Mitsuhiko. Plötzlich spürte sie keine Angst mehr. Jetzt, in diesem Moment, dem Tode so nahe wie niemals zuvor, spürte sie keine Furcht mehr. “Halt. Die Kinder wissen von nichts, sie sind vollkommen unbeteiligt. Wenn Du sie am Leben lässt, werde ich alles tun, was ihr verlangt...” begann sie in einem letzten Versuch, die Kinder zu schützen. “Wie süß. Wahre Freundschaft, wie?” Ein höhnisches Lächeln breitete sich nun auf dem Gesicht der Frau aus. “Ihr werdet alle sterben. Aber da Du es ja scheinbar nicht ertragen kannst, die Kinder gehen zu sehen, tue ich Dir gerne den Gefallen Dich als Erste zu Deinen Eltern und Deiner Schwester zu schicken...” Abermals hob die Frau ihre Waffe. Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Akamizu-Showhalle, Tatort Mit hängenden Schultern saß der Mann noch immer an dem Platz, an dem er sich vor etwa einer Dreiviertelstunde aufgrund seines Schwindels und Brummschädels niedergelassen hatte. Tatsächlich war ihm für einen Moment so übel gewesen, dass er sich am liebsten übergeben hätte. Kogoro Mori hatte doch nur für einen Moment die Augen schließen wollen, war dann aber schließlich eingeschlafen. Aufgewacht war er dann vom Klang einer ihm wohlbekannten Stimme. Zuerst hatte er vermutet, dass er träumte. Immerhin war es unmöglich, dass man von seiner eigenen Stimme geweckt wurde, richtig? Er hatte seine Augen noch einen Moment geschlossen gehalten. Als seine eigene Stimme einfach nicht verstummte und sogar plötzlich begann, Conan Anweisungen zu geben, hatte er seine Augen einen winzigen Spalt breit geöffnet. Er hatte den Jungen dabei beobachtet, wie er angebliche von ihm gegebene Anweisungen befolgte. Was genau war passiert? War es tatsächlich der Junge gewesen, der diese brillianten Schlussfolgerungen hinter seinem Rücken und mit seiner Stimme zum Besten gegeben hatte? Er selbst hatte die Augen schnell wieder geschlossen, damit niemand merkte, dass er wach war. Er hatte die Person nicht gesehen, die hinter dem Scheinwerferpodest gestanden haben musste. Doch er hatte ihn gesehen, wie er von hinten hervorgekommen war. Den kleinen Jungen, der schon seit geraumer Weile bei ihnen lebte. Der immer dann intelligente Fragen einwarf oder Hinweise zur Lösung eines Falles einstreute, wenn er oder die Polizei im Dunkeln tappten. Erschöpft fasste sich Kogoro Mori an den Kopf. Was sollte das alles bedeuten? Wer zur Hölle war dieses Kind? Er hatte eine ganze Menge Fragen an den Bengel. Er hatte ein gewaltiges Hühnchen mit ihm zu rupfen. Wo steckte er? Samstag, 04. Juli, 19:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle Der Mann sah ihn mit freudlosen, kalten Augen an, taxierte ihn von Kopf bis Fuß. Der Blick des Mannes verhieß nichts Gutes. Verdammt. Er saß wie eine Maus in der Falle. „Wer sind Sie?“ Fragte Conan Edogawa mit leichter Verunsicherung in der Stimme. „Waren Sie das? Haben Sie mich den ganzen Tag über schon verfolgt?“ Nun regte sich etwas in seinen Augen, doch der Mann blieb stumm. „Verdammt, was ist das für ein unheimlicher Kerl?“ Fragte sich der Junge fieberhaft, rückte noch ein Stückchen näher an die kühle Wand. Weiter zurück konnte er nun nicht mehr. Der Mann begann nun, in seiner Manteltasche zu wühlen. „W… was tun Sie da?“ Wieder erhielt er keine Antwort. Der Grundschüler trat nun einen Schritt vor. Gab es nicht doch eine Möglichkeit, an ihm vorbeizukommen? Der Hühne unterbrach, was er bis eben getan hatte, zog langsam und bedächtig seine Hand wieder aus der Manteltasche. Der Mann trat nun näher an ihn heran, bis er schließlich genau vor ihm stand. Er war wirklich ein Riese. Conan blieb nichts anderes übrig, er setzte zum Angriff an. Wenn der Mann nicht damit rechnete, konnte er ihn möglicherweise überrumpeln. Flink sprang er nach oben und zog den Mundschutz des Mannes nach unten, sodass ihm dieser mit einem schnalzenden Geräusch direkt ins Gesicht schlug. Leider hatte das Manöver nicht den von Conan beabsichtigten Erfolg. Nur einen Moment von dem Schmerz beeindruckt, langte der Kerl nach dem Jungen und verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. Der Grundschüler taumelte durch den Stoß nach hinten, so dass er erst mit seinem Rücken schmerzhaft gegen die Toilettenschüssel stieß und schließlich bei seinem Sturz auf den Boden hart mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Mit einem leisen Knirschen zersplitterte sein linkes Brillenglas, feine Risse schlängelten sich nun darüber. Conans Handy, welches er noch immer in der Hand gehalten hatte, fiel zu Boden. Mit einem kaum hörbaren Stöhnen fasste er sich an den Rücken, sein Kopf dröhnte vor Schmerzen, alles um ihn herum drehte sich für einen Moment. Von den Schmerzen benommen, bekam er nur am Rande mit, dass der Mann nun wieder in seiner Manteltasche kramte. Verdammt. War hier denn niemand, der ihm helfen konnte? Allein hatte er keine Chance gegen den Mann. Mühsam öffnete der Junge seinen Mund und presste ein leises „Hilfe...“ heraus. Der Mann warf nun abermals einen kalten Blick auf die am Boden liegende Gestalt und meinte nun mit einer tiefen, kräftigen Stimme: „Das bringt nichts. In diesem Teil des Gebäudes ist keiner. Alle Zuschauer sind bei der Information und die Angestellten sind noch bei der Polizei um ihre Aussagen zu machen. Und sollte sich doch einer verirren: im Gang zur Toilette steht ein Schild auf dem geschrieben steht, dass dieser Teil des Gebäudes wegen Reinigungsarbeiten nicht zugänglich ist.“ Da der Mundschutz des Mannes nun ein Stückchen verrutscht war, konnte Conan ein sadistisches Grinsen auf dessen Gesicht erkennen. „Was… was haben sie mit mir vor?“ Angsterfüllt und mit schmerzhaft nach oben gedrehtem Kopf starrte der Grundschüler auf den Mann, der nun eine steril verpackte Einwegspritze und ein kleines Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus seiner Manteltasche gezogen hatte. „Das wirst Du noch früh genug erfahren...“ Er packte das medizinische Instrument aus und zog die Spritze auf sodass sich die wasserklare Flüssigkeit nun darin befand. Auf dem Fläschchen stand etwas geschrieben. Conans Kopf drehte sich, er konnte erst nach dem dritten Anlauf erkennen, was es war. “Midazolam… Ein verschreibungspflichtiges Beruhigungsmittel… in höheren Dosen auch ein Betäubungsmittel…” dachte er träge. “Keine Sorge…” Der Hühne lächelte ihn überlegen an “...jetzt wird es Dir gleich viel besser gehen… Conan-kun.” Als der Mann seinen Namen aussprach, lief es dem Jungen eiskalt den Rücken hinunter. “Woher weiß er, wie ich heiße? Hat er mich also tatsächlich beobachtet? Kenne ich ihn? Wer ist das?” Dachte der Grundschüler panisch. Er versuchte, sich aufzurichten, doch der Mann gab ihm noch einmal eine Ohrfeige, dass es ihm noch mehr schwindelte und packte einfach seinen Arm. Er kam nicht im geringsten dagegen an. Selbst wenn er sich nicht vor Schmerzen und Schwindel kaum würde rühren können, dieser Hühne war ihm kräftemäßig einfach viel zu überlegen. Unsanft verdrehte ihm der Kerl seinen Arm und und besah ihn sich kurz, um die Vene zu finden. “Ist er etwa… ein Arzt?” Hilflos lag er da und musste dabei zusehen, wie der Mann ihm die Nadel in den Körper stieß. Sobald der Mann die Spritzennadel herausgezogen und ihn losgelassen hatte, stemmte sich Conan mit letzter Kraft hoch, keuchend stützte er sich auf dem geschlossenen Toilettendeckel ab. Der Mann jedoch kümmerte sich überhaupt nicht um ihn. Seelenruhig entfernte er sachgemäß die Spritzennadel, steckte sie in einen extra für diesen Zweck mitgenommenen Behälter und ließ dann alles in seiner Tasche verschwinden. Mit einem hässlichen Grinsen auf dem Gesicht ging der Mann rückwärts aus der Kabine und schließlich zu einem der Waschbecken und begann, sich die Hände zu waschen. Das Rauschen des Wassers hallte unangenehm laut in Conans Ohren wieder. Alles um ihn herum drehte sich, er versuchte, seine Hand vom Toilettendeckel zu nehmen und einen Schritt zu gehen, doch es funktionierte nicht, seine Beine wollten sich einfach nicht bewegen. Mit müden Augen sah er zu dem Braunmantel hinüber, der sich nun noch ein zweites Mal die Hände mit einer selbst mitgebrachten Seife wusch. Plötzlich begann die Hand, mit der er sich abstützte zu zittern. Die Kraft verließ ihn und er sank, mit dem Gesicht nach unten, zu Boden. Alles in ihm wehrte sich dagegen, jetzt aufzugeben, doch gegen die Droge, die ihm verabreicht worden war, hatte sein junger Körper keine Chance. Mehrere Sekunden, nachdem er zu Boden gesunken war, breitete sich ein Gefühl von einschläfernder Zufriedenheit in ihm aus, seine letzten Versuche, sich dagegen zu wehren, blieben erfolglos. War das wirklich so wichtig? Alles was er jetzt wollte, war ruhig dazuliegen und vielleicht sogar ein wenig zu schlafen... Unendlich sorgsam wischte der Kerl seine Fingerabdrücke vom Wasserhahn, dann wandte er sich um und blickte in die Kabine hinein, die er eben verlassen hatte. Zufrieden bemerkte der Hüne, dass das verabreichte Mittel wie gewohnt schon nach wenigen Minuten seine Wirkung tat. Sehr gut. Der Junge würde ihm nun keinerlei Probleme mehr bereiten. Er hob das Handy des Knaben von den weißen Fliesen auf. Auf dem Display war ein halb eingegebener PIN-Code zu sehen. Sehr gut. Er würde das Gerät später noch brauchen. Er steckte das Handy in seine Manteltasche und beugte sich schließlich zu dem Jungen auf den Fußboden hinunter. Er drehte ihn auf den Rücken. Seine großen blauen Augen waren geöffnet und schienen ihn anzustarren, aber der Mann wusste, dass er nichts mehr mitbekam. Die Dosierung des Mittels war genau stark genug, um ihn außer Gefecht zu setzen, ihn aber auch nicht einschlafen zu lassen. Der große Mann durchsuchte die Hosentaschen des Jungen um potenzielle Gefahrenquelle unschädlich zu machen. Erstaunt zog er ein zweites Handy aus Conans Hosentasche. Es war komplett identisch mit dem ersten, welches er auf dem Boden gefunden hatte, sogar der Anhänger hatte diesselbe Form. Es war ausgeschaltet. “Was zum… so ein verzogener Bengel, hat zwei von den Dingern! Die Jugend heutzutage…Tja, mehr als eins brauche ich nicht...” Fein säuberlich wischte er von dem zweiten gefundenen Gerät seine Fingerabdrücke ab und entsorgte es dann im Toilettenmülleimer. Je eher es jemand fand, umso besser. Aber so schnell würde das bei seinen getroffenen Vorsichtsmaßnahmen sowieso nicht passieren. Er bemerkte, dass die Brille des Jungen wohl von seinem Aufprall auf dem Boden einen Sprung hatte. Sogleich nahm er sie ihm ab und beförderte sie zu dem Handy in den Toilettenmülleimer. Es war besser, wenn der Bengel nicht so viel sah. Sorgsam richtete er seinen Mundschutz. Er packte den Jungen, der zwar seine Augen offen hatte aber sich doch nicht mehr physich wehren konnte und trug ihn, auf dem Rücken huckepack nehmend, nach draußen. Jeder, der die beiden beim Durchqueren des Gebäudes sehen würde, würde in dem betäubten Jungen einfach nur ein erschöpftes Kind sehen, welches von seinem Vater zum Auto getragen wurde. Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Mannes, während er mit dem Jungen auf dem Rücken den Vernügungspark durchquerte. Perfekt. Alles lief perfekt. Er würde seinen Plan schon bald in die Tat umsetzen können. *Yuukai = Entführung Soo. Kapitel an dieser Stelle schon wieder zu Ende. Falls sich übrigens irgendwer fragt, wo denn der Typ mit dem braunen Mantel plötzlich herkommt: Er war von Anfang an (Tropical Land) da. Guckt nach, wenn ihr mir nicht glaubt :-). Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? War es spannend? Wie fandet ihr den ShinRan-Moment? Kapitel 7: Das Verschwinden des seltsamen Kindes oder: Nur noch wenige Milimeter von der Wahrheit entfernt ---------------------------------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 7 – Das Verschwinden des seltsamen Kindes oder: Nur noch wenige Milimeter von der Wahrheit entfernt -England, London, 28 Jahre vor Shinichis Verjüngung- Freundlich lächelte er die junge Frau mit den langen, braunen Haaren an. Sie trug eine Brille, hinter welcher sanfte grüne Augen strahlten. Sie war in ein elegantes Kostüm gehüllt und sog jedes seiner Worte scheinbar begierig in sich auf. An dem konzentrierten Ausdruck in ihrem Gesicht konnte er erkennen, dass sie vom Fach war und jeder seiner Ausführungen folgen konnte, egal wie tief er ins Detail ging. Sie wirkte eher ruhig, nachdenklich und in sich gekehrt, in ihren Augen jedoch loderte ein Wissendurst, der ihn auf seltsame Art und Weise faszinierte. Nachdem er noch eine Weile mit Professor Neil von der Stanford-University gefachsimpelt hatte, und dieser sich nach einer Weile schweren Herzens und vielen Worten des Lobes von ihm verabschiedet hatte, begann sich der Saal um ihn herum immer mehr zu leeren. Er bemerkte, dass die junge Frau noch immer in seiner Nähe stand, bisher hatte sie noch immer kein einziges Wort mit ihm gesprochen. Um nicht unhöflich zu sein, ging er einen federnden Schritt auf sie zu, sprach sie an: “Wie unhöflich von mir. Ich hatte mich noch überhaupt nicht vorgestellt,” und streckte ihr seine Hand entgegen “Mein Name ist Atsushi Miyano… Sie können mich gerne Atsushi nennen...” Zögerlich streckte sie ihm nun ebenfalls ihre Rechte entgegen und ergriff die seine, er hatte einen festen Händedruck und seine im Vergleich zu ihren sehr großen Hände strahlten eine ungeheure Wärme ab. “Ich bin… ich meine… nennen Sie mich einfach Elena...” meinte sie verlegen. Samstag, 04. Juli, 19:30 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Besuchertoiletten, zugehörig zur Akamizu-Showhalle Laut hallte das Echo der Schritte, welches die auf dem mit Fliesen ausgelegten Boden aufkommenden, handbeschlagenen Schuhsohlen der edlen schwarzen Schnürlederschuhe, im langen Flur zu den Besuchertoiletten hinterließen, an den Wänden wider. Schnellen Schrittes ging der Träger ebendieser an einem mit auf dem Gang stehenden Klappschild vorbei, auf welchem in schwarzen Lettern groß die Aufschrift “Reinigungsarbeiten – Toilette vorübergehend geschlossen” aufgedruckt war. Der Mann ignorierte das Schild und ging weiter, bis seine Schritte schließlich langsamer wurden und dann vor der Türe, die zu den Besuchertoiletten der Herren führte, komplett stoppten. Er zog die schwergängige Türe auf und sah sich nach allen Seiten in dem mit nicht besonders ansprechenden weißen Steinfliesen ausgestatteten Raum um. Zielgerichtet durchsuchte er die Kabinen von links nach rechts nach Hinweisen oder Spuren, die der Junge oder sein Angreifer hinterlassen haben könnten. Der Mann war sich sicher, noch vor wenigen Minuten das Geräusch eine Kampfes, das leise Splittern von Glas und danach einen sich öffnenden Toilettenmülleimer gehört zu haben. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht, als er in der mittleren der fünf Kabinen angekommen war. Auf den ersten Blick sah alles normal aus. Der Toilettendeckel war ordentlich heruntergeklappt, doch dort, direkt auf den Fliesen neben der Toilettenschüssel lagen zwei kurze, dunkelbraune Haare. Er ging in die Knie, strich direkt neben den beiden Haaren mit seinen braunen Lederhandschuhen über den Bodenbelag. Als er seine behandschuhten Finger gegen das helle Licht hielt, schimmerten zwei winzige Glasfragmente auf seinen Fingerspitzen. Hier war er definitiv richtig. Aus seiner Jackettasche zog er einen kleinen durchsichtigen Plastikbeutel, welchen er nun mit den Glassplittern und den Haaren füllte und ihn anschließend mit Inhalt wieder dort verstaute. Hoffnungsfroh öffnete er den Deckel des Mülleimers und wurde nicht enttäuscht. Auf den ersten Blick erkannte er eine ihm wohlbekannte Brille mit schwarzem Rahmen. Eines der beiden Brillengläser war beschädigt. Gleich darunter konnte er er ein modernes Smartphone mit einem schwarzweißen Fußballanhänger erkennen. Der Mann nahm das Smartphone heraus und besah es sich einmal genauer. Es war ausgeschaltet, also war schon einmal keine Ortung des Geräts möglich. Außerdem hatte jemand fein säuberlich alle Fingerabdrücke von der Oberfläche abgewischt. Er war sich jedoch sicher, dass sie noch Abdrücke im Labor finden würden, wenn sie alles genau untersuchten. Immerhin trugen die wenigsten Menschen beim Einlegen eines Handyakkus Handschuhe. Auch diesen Gegenstand steckte er in ein durchsichtiges Plastiktäschchen und verwahrte ihn sicher in seiner Tasche. Als nächstes fischte er die die Brille aus dem glänzenden Edelstahleimer. Er betrachtete sie eingehend und drehte sie mehrmals in seinen Händen hin und her. Der Rahmen war verdächtig breit und dick an manchen Stellen. War darunter etwas verborgen? Am oberen rechten Bügel entdeckte er schließlich eine Art Knopf, der so gut getarnt war, dass er auf den ersten Blick kaum vom restlichen Bügel zu unterscheiden war. Zögernd drückte er darauf, sogleich begann sich ein Gespinnst aus dünnen, feinen Linien auf dem Brillenglas auszubreiten. Die Linien verbanden sich schließlich zu einem Netz und der Mann staunte nicht schlecht, als er erkannte, dass es sich um ein Koordinatennetz handelte. Es schien eine Ortungsanzeige sein, wenngleich sich auch aktuell nichts im Umkreis befand, welches ein Signal zum Zurückverfolgen hinterließ. “Gar nicht schlecht...” murmelte der schwarz gekleidete Mann nun und untersuchte die Brille noch ein wenig genauer. Am Ende des Bügels fand er noch etwas Interessantes: Ein Teil des Bügels ließ sich herauslösen. Der Technik darin nach zu urteilen, handelte es sich um einen Peilsender. Mit einem Handgriff entfernte er die winzigen Batterien und machte den Tracker somit unschädlich. Danach verpackte er auch die Brille sicher in einem weiteren seiner Plastiktäschen und ließ es in seiner Jackettasche verschwinden. Er war sich hunderprozentig sicher: Der Junge war mit seinem Angreifer mitgegangen und das auf keinen Fall freiwillig. Er hatte schon aus den mitgehörten Gesprächsfetzen und Geräuschen auf dieses Szenario schließen können, es bestand kein Zweifel an seiner Vermutung. Jemand hatte sein Zielobjekt mitgenommen, doch wer Derjenige genau war, wusste er nicht. Die Stimme, die er neben der des Jungen gehört hatte, konnte eindeutig einem erwachsenen Mann mittleren Alters zugeordnet werden. Kein Akzent, er war also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gebürtiger Japaner. Außerdem konnte er davon ausgehen, dass der Junge den Mann nicht gekannt hatte, dieser aber ihn schon eine Weile beobachtet haben musste, denn immerhin hat ihn dieser bei seinem Namen genannt. Diese ganze Geschichte nahm eine in seinen Augen für ihn sehr erfreuliche Wendung an. Falls es sich tatsächlich um eine Entführung handelte, wäre das in höchstem Maße in seinem Sinne. Nichts war besser, als wenn jemand anderes, der keinerlei Verbindung zur Organisation hatte, die Schmutzarbeit übernahm. Nichts war schöner, als Probleme, die sich von selbst lösten. Und falls es das nicht tat – dann würde er eben nachhelfen. Da er einen Tracker und eine Wanze unter dem Hemdkragen des Jungen hatte platzieren lassen, konnte er seine Show noch ein wenig weiter genießen, er hatte alles unter bester Konrolle. Es bestand nur ein geringes Risiko, dass ihm das Kind jetzt im Augenblick gefährlich werden konnte. Wo auch immer der Junge hingebracht werden würde, viel Handlungsspielraum würde er dort nicht haben. Derweil konnte er sich noch ein wenig amüsieren und die Spuren in seinem Labor auswerten lassen. Mit den Fingerabdrücken, Haaren und den Daten auf dem Handy würde sich sicher einiges anfangen lassen. Danach würde er mit Sicherheit wissen, wer der Junge wirklich war. Sobald die Identität bestätigt war, konnte er mit seiner Säuberungsaktion beginnen. Gut gelaunt machte er sich auf den Weg, das Gebäude zu verlassen. Es war unnötig, hier zu bleiben. Madeira kümmerte sich um das Mädchen. Er erwartete ihre positive Nachricht über die Exekution jede Minute. Sobald ihre Leiche gefunden werden würde, würde es hier wieder vor Polizei nur so wimmeln. Diesen Polizeischwarm musste er auf jeden Fall meiden. Den Jungen würde er dank der Wanze und des Trackers überall wieder finden. Die Aufnahmefunktion seines Laptops war aktiviert. Später konnte er sich in aller Ruhe anhören, was er verpasst hatte. Es war unwahrscheinlich, dass das Kind sich noch im Vernügungspark befand. In dem Moment, in dem sich hinter ihm die automatisch reagierenden Türen zum Gebäude schlossen, ertönte im Gebäude eine Lautsprecherdurchsage, doch er hatte sich bereits zu weit davon entfernt, um groß auf sie zu achten. Samstag, 04. Juli, 19:34 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Gebäude, Requisitenkammer Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, sah Haibara die Frau an, die ihr feixend und mit hoch erhobener Waffe gegenüberstand. Die kleine Ayumi, die erst seit wenigen Momenten begriffen hatte, in welcher furchtbaren Situation sie sich befanden, stand starr wie eine Salzsäule ein Stückchen hinter ihrer Freundin mit dem rotbraunen Haar. Selbst wenn sie gewollt hätte, ihre Angst lähmte sie, sie konnte sich nicht von der Stelle rühren “Conan-kun… hilf uns doch… bitte...” dachte sie angstvoll. Ein lautes Knacken durchbrach die angespannte Atmosphäre wie ein Messerschnitt, dann erklang plötzlich eine verzerrte Männerstimme in der hinteren oberen Ecke des Raumes. Alle Anwesenden brauchten mehrere Sekunden um zu begreifen, dass es sich um eine Lautsprecherdurchsage handelte, welche vermutlich im gesamten Gebäude zu hören war. Die Stimme war nur deswegen etwas undeutlich zu hören, weil altersschwach scheinende Lautsprecher, über den diese übermittelt wurde, wohl schon seit Jahren nicht mehr gewartet worden war. Madeira, die eigentlich im Begriff gewesen war, abzudrücken, erstarrte für einen Moment irritiert, als sie den Inhalt begriff. “Fräulein Shiho Miyano wird gebeten, sich zu den Kassen am Nordausgang des Vergnügungsparks zu begeben. Herr Shiyaroku sucht nach Ihnen...” Ich wiederhole, Fräulein Shiho Miyano wird gebeten, sich an den Kassen am Nordausgang des Parks einzufinden, Herr Shiyaroku...” “Was soll das? Wer ist Herr Shiyaroku?” Blaffte Madeira das verwunderte Mädchen an, das selbst nicht begriff, was hier geschah. “Shiyaroku? Japanisch für “Sherlock?” Ist das etwa Kudo-kun? Hat er herausgefunden, dass ich in Schwierigkeiten stecke?” dachte sie überrascht. “Wer war das? Mit wem bist Du sonst noch hier?” Ai sah der Frau mit festem Blick in ihre kalten Augen. “Ich bin allein hierhergekommen… sogar diesen Kindern hier bin ich nur durch Zufall begegnet...” “Ai-chan...” dachte Ayumi und sah angsterfüllt auf ihre kleine Freundin, die sich bereits seit mehreren Minuten überhaupt nicht mehr wie ein Grundschulkind benahm. Genta und Mitsuhiko kauerten noch immer an der Wand und beobachteten die anderen im Raum befindlichen Personen mit bleichen Gesichtern. “Red keinen Unsinn...” fauchte die Frau mit dem schwarzen Kleid das Mädchen mit nun an: “Zuerst kümmere ich mich um euch, danach werde ich mir diesen Shiyaroku-san vorknöpfen, der sonst noch mit Dir hier ist…” Erneut hob sie ihre Waffe, zielte diesmal ohne Umschweife auf Haibaras Brust, doch trotzdem bewegte sich das Mädchen nicht einen einzigen Millimeter. In diesem Moment rief Mitsuhiko mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht, seine zuvor getragene venezianische Maske war ihm schon bei seinem Kampf mit Madeira vom Gesicht gerutscht und lag nun neben ihm auf dem Boden: “Bitte! Tun Sie ihr nichts… Sowas können Sie doch nicht tun...” Er versuchte sich aufzurichten, doch er sank wieder zurück auf den Boden. Madeira ignorierte seine Worte komplett, sie schien seine Anwesenheit gänzlich auszublenden. “Doch, das kann ich, Schätzchen...” meinte sie abschätzig, schien ihn doch gehört zu haben. Langsam bewegte sich ihr Finger zum Abzug; vollkommen unerwartet erklang das Sirren einer Pistolenkugel und im nächsten Moment ließ die Lady in Schwarz ihre Waffe fallen. Blut tropfte von ihrer scheinbar von einer Kugel getroffenen Hand hinab auf den Linoleumboden, ihr Gesicht war schmerzverzerrt. “Ich erlaube mir zu sagen, dass Sie es bis eben “konnten”...” Überrascht drehten sich die Kinder und auch Madeira in Richtung der nun einen Spalt breit geöffneten Tür zum Flur, aus deren Richtung diese zumindest den Kindern wohlbekannte Stimme wie aus dem Nichts gekommen war. “Das ist doch...” dachte Haibara einen Moment unendlich erleichtert, dann schaltete sie sofort: Mit einem eiligen Sprung griff sie gleichzeitig mit Madeira nach der hinuntergefallenen Waffe und tatsächlich war Ai schneller; mit einem beherzten Handstoß pffefferte sie das Mordwerkzeug hinüber zu der Gestalt, die nun im Türrahmen aufgetaucht war, stieß sie möglichst weit aus Madeiras Reichweite. Die erwachsene Frau keuchte entsetzt auf, als ihr Blick auf einen großgewachsenen, braunhaarigen Mann mit einem schwarzen Rollkragenpullover und einem weinroten Jacket fiel, der die Waffe nun in vollkommener Ruhe aufhob. “Aber aber. Diese Dinger sind gefährlich. Sie möchten doch sicher niemanden verletzen?” Subaru besah sich Ayumi und Haibara, die zwar schneeweiße Gesichtchen hatten, ansonsten aber unverletzt schienen. “Subaru-san...” jauchzte Ayumi erfreut, aber mit doch mit einem etwas mulmigen Gefühl in der Brust, als sie beobachtete, wie der Mann die Waffe der schwarzgekleideten Tante sicherte. Er schien selbst keine Waffe bei sich zu haben, doch die Frau war eindeutig verletzt. Hatte Subaru-san etwa geschossen? “Verdammt!” Madeira, die sich wieder aus ihrer Erstarrung gelöst hatte, zog ein Klappmesser mit einer unschön breiten und vor allem scharfen Klinge aus ihrer Tasche. “Herrjemine. Da scheint ja jemand gefährliche Sachen in seiner Tasche regelrecht zu sammeln… und ich dachte immer, da sei nur unnützes Zeug drinnen. Nicht umsonst heißt es wohl, dass die Handtasche einer Frau ein ebensolches Mysterium ist wie die Frau an sich...” Subaru schüttelte scheinbar ungerührt seinen Kopf, während das Organisationsmitglied auf ihn zurannte. Genta schlug entsetzt seine Hände vor die Augen, als die Frau die Messerklinge hob und dazu ansetzte, dem Störenfried damit das Gesicht zu verschönern. Es brauchte nur einen Handgriff des Mannes, Madeiras Traum von einer schnellen Racheaktion platzen zu lassen. Subaru wich ihr geschickt aus und packte ihr Handgelenk mit einem kräftigen Ruck, sodass sie ihre Hand, welche das Messer fest umklammert hielt, nicht mehr bewegen konnte. Egal wie sehr sie es auch versuchte, sie schaffte es nicht, ihre Hand aus dem festen Griff des Mannes zu befreien. Mit hasserfüllten Augen starrte sie den Undercoveragenten an, der sie noch immer mit einem freundlichen Gesichtsausdruck ansah. “Aaarg.” Kreischte die Frau und versuchte ihn nun, mit ihrer verbliebenen linken Hand im Gesicht zu treffen, doch er wich ihr immer wieder aus. “Verehrteste, Sie verletzen sich, wenn Sie weiter so herumzappeln. Aber wie es scheint...” Subaru blickte sich noch weiter im Raum um und entdeckte den blassen Mitsuhiko, dessen Pullover blutgetränkt war, und Genta, der mit roten, verschmierten Händen direkt neben ihm saß, “scheinen Sie diese gefährlichen Sachen genau aus diesem Zweck zu haben…” Noch immer versuchte die Frau, den Mann zu treffen und tatsächlich schaffte sie es schließlich, ihre Messerhand zu befreien. Mit Schwung schlug sie heftiger aus als zuvor und obwohl Subaru reflexartig zurückschreckte, erwischte sie ihn mit ihrem Messer am Kragen seines Pullovers, die Klinge verfehlte seinen Hals nur um Haaresbreite. Das kurze, reißende Geräusch von Stoff und noch etwas anderem, nicht zuordenenbarem, erklang, doch Subaru ließ sich nicht beirren. Seine Augen hatten sich verändert. “Es ist falsch, Menschen zu verletzen… und vor allem...” fing er an. Alle im Raum horchten plötzlich auf, Subarus Stimme hatte sich vollkommen verändert, als spräche eine ganz andere Person. Subaru fluchte innerlich. Das Messer musste die Kabel zu dem Stimmentransposer, der hinter dem Kragen verborgen gewesen war, zerstört haben. Genta und Mitsuhiko sahen sich verwirrt an, sie konnten diese Stimme absolut nicht zuordnen, während Ayumi nun wieder nach Ais Hand griff, die ihr diese diesmal nicht entzog. “Ai-chan...” flüsterte das braunhaarige Mädchen verwirrt “...was hat das alles zu bedeuten?” doch Haibara schien sie nicht zu hören. Die Stimme die sie gehört hatte, konnte das wirklich sein…? Haibara lief ein kalter Schauder über den Rücken. Sie hatte sich also nicht getäuscht. Sie kannte die Person, die sich hinter Subaru Okiyas Maske versteckte. Das Bild eines schweigsamen Mannes mit langen schwarzen Haaren und einer unscheinbaren dunklen Strickmütze tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Ohne es zu bemerken, ging sie einen Schritt auf den Mann zu. Sie spürte einen dicken Kloß in ihrem Hals aufsteigen. Egal wie oft sie auch schluckte, er wollte einfach nicht mehr verschwinden. Der Scheinstudent wiederum starrte die schwarzgekleidete Frau plötzlich nicht mehr mit leicht zusammengekniffenen Augen an, sondern diese schienen plötzlich weiter geöffnet als zuvor. Hinter seinen Brillengläsern blitzen zwei sie kühl fixierende, mit leuchtend grünen Regenbogenhäuten umrandete schwarze Pupillen auf: “...wenn es sich dabei noch um Kinder handelt!” vollendete er seinen zuvor begonnenen Satz. Seine sonst als Subaru Okiya immer sehr gemäßigt klingende Stimme, die nun überhaupt nicht mehr ruhig klang, nahm einen scharfen Tonfall an, als er diese Worte aussprach. Madeira merkte irritiert und überrascht, wie er die Oberhand gewann und sie mit einem kräftigen Ruck zu Boden schleuderte. “Moroboshi… Dai?” Flüsterte die Frau und starrte ihn mit großen, vor Entsetzen weit geöffneten Augen an, während er sich hastig auf sie kniete und mit seinem Arm ihre Hände zu Boden drückte. Seine Lippen verzogen sich zu einem unmerklichen Lächeln. Ohne ein Wort zu entgegnen, zog er mit seiner verbliebenen freien Hand sein Handy aus seiner Jackettasche und warf es Ai Haibara zu, die Ayumis Hand losließ und es überrascht auffing. “Würdest Du bitte… da ich ein wenig beschäftigt bin… James Black anrufen und ihn bitten, Verstärkung zu schicken? Wir brauchend außerdem dringend einen Krankenwagen...” meinte er, ihren fragenden Blick deutend. Auf das Gesicht der Grundschülerin hatte sich ein unendlich ernster Ausdruck geschlichen. Sie zögerte einen Moment, noch immer nicht sicher, ob sie dem Mann wirklich zu 100% trauen konnte. Dann sah sie zu Mitsuhiko und Genta hinüber, der Junge mit den Sommersprossen sah nicht gut aus und schien einer Ohnmacht nahe. Subaru folgte ihrem besorgten Blick. “Und Du, Mädchen...” Ayumi zuckte zusammen, als der Mann sie direkt ansprach “würdest Du bitte jemanden von der Information bitten, einen Sanitäter mit einem Erste-Hilfe-Kasten vorbeizuschicken? Ich fürchte, wir können nicht warten, bis der Krankenwagen eintrifft...” Das Mädchen nickte entschlossen, warf einen letzten Blick auf Ai und machte sich schnellstmöglich auf den Weg zur Information. “Du sollst mich loslassen, sofort...” fauchte Madeira, die sich dank seines Klammergriffes noch immer nicht rühren konnte. Ohne sie auch nur zu beachten, warf der Mann mit der Perücke Ai nochmals einen Blick zu. Sie hatte verstanden. Wortlos suchte Ai Haibara nach dem Kontakt James Black und wählte seine Nummer. Samstag, 04. Juli, 19:40 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Showhalle, Tatort Genervt sah der geläuterte Meisterdetektiv Kogoro Mori nun zum etwa zehnten Mal auf seine relativ teuere und elegante Uhr mit dem runden Ziffernblatt, welche er schon vor einiger Zeit einmal von einem dankbaren Klienten geschenkt bekommen hatte. Seine Oberlippe und der darauf wachsende schwarze Schnauzbart zitterten vor Ungeduld. Der braunmantelige Inspektor Megure, Takagi und der keineswegs reumütige Täter Hashimoto mussten mittlerweile schon im Polizeihauptquartier angekommen sein, sie waren nach Rücksprache mit Kogoro schon einmal vorgefahren, er wollte dann nachkommen, sobald er den Jungen gefunden hatte. Die Angestellten der Bühnenshow Akamizu waren ebenfalls für ihre Zeugenaussagen in einem mittelgroßen Polizeibus für eine nicht zu vermeidende Fahrt zum Hauptquartier abgeholt worden. Eine letzte Sicherung des Tatortes war vor einigen Minuten abgeschlossen worden und die letzten Polizeibeamten hatten die Bühne verlassen. Mittlerweile stand er also mutterseelenallein hier an diesem unheimlichen Ort, der Boden direkt um das Todesbecken war noch immer blutrot gesprenkelt, wenn die Farbe auch mittlerweile größtenteils getrocknet war. Das gelbe Polizeiabsperrband, auf dem abwechselnd in großen schwarzen japanischen Zeichen und in lateinischen Lettern auf englisch stand, dass die Absperrung nicht übertreten werden durfte, trug nicht zur Auflockerung der Atmosphäre bei. Kogoro fröstelte es bei dem Anblick. Abermals sah er auf seine Armbanduhr. Danach wählte er zum zweiten Mal das Handy des Jungen an. Außer der wiederholten Ansage, dass der Teilnehmer nicht erreichbar war im Augenblick, erfuhr er nichts Neues. Der Mann seufzte schwer als ihm schließlich einfiel, dass er selbst mit dafür verantwortlich gewesen war, dass Conan das Gerät ausgeschaltet hatte. Der Junge war nun seit fast zwanzig endlos erscheinenden Minuten wie vom Erdboden verschwunden. Genug Zeit für den noch immer leicht katerbehafteten Kogoro, sich Gedanken zu dem Vorfall von vorhin zu machen. Auch wenn er sich selbst zur Ruhe mahnte, so konnte er doch nicht verhindern, dass ihn immer wieder leise Wellen von Wut überfluteten. Der Gedanke, dass der Junge ein unschönes Spiel mit ihm trieb, hatte sich in den letzten Minuten gesetzt und war zur Gewissheit geworden. Er fragte sich nun eher, wie lange ging das schon so ging. Seitdem der Bengel wie aus dem Nichts bei ihm aufgetaucht und sich bei ihm einquartiert hatte? Auf jeden Fall war das möglich, nein, es war sehr wahrscheinlich sogar. Immerhin hatte er kurz nach dem Auftauchen des Kindes seinen ersten “Narkoleptischen Anfall” wie er ihn immer so schön genannt hatte, gehabt. Verdammt… wie hatte er sich nur so hinters Licht führen lassen können? Er war so wütend. Wenn er den Jungen jetzt in die Finger bekommen würde, wäre es um ihn geschehen. Nach wenigen Minuten spürte er, wie die angestaute Wut langsam verflog und einem tiefen Gefühl von Kränkung platzmachte. Falls der Junge tatsächlich immer bei den meisten seiner Fallaufklärungen dahintergesteckt hatte, war die Erscheinung des genialen schlafenden Kogoro nichts weiter als eine Farce gewesen. Sein ganzes, wohlgemerkt in den letzten Monaten sehr aufgeblasenes, Ego, war von einem Moment auf den anderen von der Größe der Erdkugel auf Erbsengröße geschrumpft, als ihm bewusst wurde, dass er kaum einen seiner Fälle selbst gelöst hatte. Wenn er gründlich darüber nachdachte, so fiel ihm kaum ein Fall ein, an dessen Tathergang er sich tatsächlich gänzlich erinnern konnte. War es doch einmal anders gewesen, so erinnerte er sich an mindestens einen schlauen Einwurf, den das Kind gemacht hatte, höchstwahrscheinlich, um ihn auf die richtige Spur zu lenken. Conan hatte ihn schamlos benutzt, um in seinem Namen die begangenen Verbrechen aufzuklären. Kogoro konnte nicht umhin, er fühlte sich in genau jenem Moment tief gekränkt. Der Bengel hatte ihn entmündigt. Hatte die Kontrolle über kostbare Zeit seines Lebens übernommen, ihm sogar das letzte bisschen Stolz, welches bis zum Auftauchen des Jungens noch gehabt haben mochte, genommen. Geknickt ließ Kogoro Mori seine Schultern hängen. Schmach und Schande überkam ihn, als ihm bewusst wurde, dass der Junge ihm im Grunde genommen sogar geholfen hatte, immerhin war er durch dessen Fallaufklärungen berühmt geworden. So viele Klienten, wie in den letzten Monaten bei ihm an die Tür geklopft hatten, hatte er noch nie zuvor gehabt. Doch letzten Endes blieben ihm, dem Mann, der geschlafen hatte, als jemand anderes die Arbeit für ihn getan hatte, nichts weiter als eine tiefsitzende Demütigung übrig. Kogoro Mori, die Schnarchnase. Vielleicht war er tatsächlich für nichts weiter gut als für Schlaftablettenwerbung? Es dauerte nochmals einige Minuten, dann kochte abermals die Wut in ihm hoch, verdrängte seine vernünftigen Gedanken für einen Moment. Er konnte das doch nicht einfach auf sich sitzen lassen. Wie konnte Conan ihm das antun? Der Bengel hatte ihm und dem Rest der Welt ständig etwas vorgespielt, ihn getäuscht und belogen. Als er diesen Gedanken fasste, spürte er plötzlich so etwas wie Enttäuschung tief in sich. Er konnte es sich nicht wirklich erklären. Lag es daran, dass er Conan in den letzten Monaten, die der kleine Kerl bei ihnen gewohnt hatte, sogar ein wenig in sein Herz geschlossen hatte? Der ehemalige Polizist dachte an das unschuldige und fröhlich lächelnde Gesicht des Jungen. Was war hier nur los? Wie konnte das alles sein? Es musste eine Erklärung für diese Vorfälle geben… Außerdem… er war doch nur ein kleiner Junge, oder? Ein Kind konnte niemals all diese komplexen Fälle lösen… steckte da noch jemand anderes dahinter? Bekam er Anweisungen von jemandem? Nochmals sah er auf seine Uhr. 19.45 Uhr. Es reichte. Er musste ihn jetzt suchen, und zwar sofort. Er wollte Antworten auf seine Fragen. Und zwar jetzt, nicht erst später. Sich zusammenreißend um nicht vor Wut wie ein kleines Kind bei jedem Schritt aufzustampfen, verließ er die Bühne und sah sich im Zuschauersaal um. Er war wie leergefegt. Er stutzte. Halt, nein. Komplett verlassen war er nicht. Nur wenige Meter von ihm entfernt saß ein Mann in einem der mit rotem Samt bezogenen Sitze und schien zu schlafen, ein leises Schnarchen war aus seiner Richtung zu hören. Er trug trotz der im Saal herrschenden Düsternis eine Sonnenbrille. Auf dem Sessel neben ihm lag ein sorgfältig zusammengefalteter schwarzer Mantel aus Leinenstoff. “Komische Leute gibt’s...” murmelte Kogoro “erinnert mich eindeutig an einen Karpfen, der Typ… da fällt mir ein, Ran wartet bestimmt schon mit dem Essen auf mich und...” Er stoppte mitten im Satz. Er wollte den Namen des Jungen, der ihn auf die hinterhältigste Art und Weise, die man sich vorstellen konnte, hintergangen hatte, nicht aussprechen. Er verließ den ansonsten leeren Zuschauersaal und begann, das Gebäude nach dem verschwundenen kleinen Mistkerl Conan Edogawa abzusuchen. Er würde ihn finden. Und wenn er das gesamte Tropical Land auseinander nehmen musste. Samstag, 04. Juli, 19:50 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Akamizu-Gebäude, Requisitenkammer Mit jahrelang geübten Handgriffen verarztete der sichtlich schockierte, schon etwas ältere Mitarbeiter der Notarztbelegschaft des Vergnügungsparks Tropical Land die Schulter des mitgenommen aussehenden kleinen schlaksigen Jungens. Der Grundschüler war tatsächlich angeschossen worden. Eine Schussverletzung zu verarzten an einem Ort, der eigentlich Spaß für Jung und Alt bringen sollte. Dieses Land schien verrückt geworden zu sein. “Mitsuhiko, ist alles in Ordnung mit Dir?” Fragte Genta besorgt den Jungen mit den braunen Sommersprossen, der seine Augen geschlossen gehalten hatte, solange ihm der provisorische Verband, welcher dazu gedacht war, weiteren Blutverlust zu vermeiden, angelegt worden war. Er durchbrach mit seiner Frage die seit mehreren Minuten im Raum herrschende, peinliche Stille. “Aber natürlich Genta, mir geht es gut! Am wichtigsten ist, dass Haibara-san nichts passiert ist...” Mit glänzenden, müden Augen sah der Junge Ai an, die ebenfalls seit dem Anruf bei James Black kein Wort mehr gesprochen hatte. Ayumi, die zusammen einer Angestellten von der Information zurückgekehrt war, war ebenfalls ungewöhnlich still geblieben, doch jetzt nickte sie froh “Ja, das finde ich auch...” “Es sieht aber so aus, als wäre die Kugel im Schulterblatt stecken geblieben, Junge. Das muss operiert werden. Sonst könntest Du eine ernstzunehmende Sepsis davontragen…” Subaru Okiya betrat eben den Raum. Er hatte zusammen mit zwei stämmigen Securityangestellten des Tropical Lands dafür gesorgt, dass Madeira bis zum Eintreffen der FBI-Agenten erst einmal in einem Nebenraum sicher verwahrt wurde. “Sepsis?” Fragte Genta ahnungslos. “Eine Blutvergiftung...” flüsterte das Mädchen mit den rotbraunen Haaren leise. Sie fühlte sich schrecklich und war an einem Punkt angekommen, an dem sie einfach nicht mehr weiterwusste. Das Schreckenszenario, welches sie sich nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen hatte ausmalen wollen, war eingetroffen. Wie sollte sie es jetzt nur schaffen, die Kinder zu schützen? Nein, nicht nur die Kinder, auch ihre Eltern, der Professor, sie alle würden gnadenlos von “ano kata” ausgelöscht werden. Früher oder später würde er sie alle finden, das wusste sie. Die anfängliche Erleichterung, welche sie nach ihrer Rettung verspürt hatte, war sehr schnell riesigen Schuldgefühlen gewichen. Es war ihre Schuld, dass die Kinder mit in diese ganze Sache hineingezogen worden waren. Wäre Subaru, nein… wie auch immer er im Augenblick hieß, nicht gekommen, wären sie schon längst alle tot. Sie musste doch etwas tun können… Sie wurde von Subarus Stimme aus ihren Gedanken gerissen. “Ich wusste es. Du hast Fieber, Junge…” Der Mann mit dem zerissenen schwarzen Rollkragen fühlte gewissenhaft die Stirn des Jungen. Sie war glühend heiß, seine Wangen vor Hitze gerötet, sein Haaransatz war schweißgetränkt. “Leider habe ich die Wunde nur überflächlich desinfizieren können. Ich gebe ihm gleich eine Spritze, dann sollte sich das wieder normalisieren. Der menschliche Körper versucht sich gegen den Fremdkörper mit dem Fieber zu wehren und ihn wieder loszuwerden…” meinte der anwesende Arzt und fügte dann hinzu “...wir können hier im Park leider nicht operieren. Dafür muss er auf jeden Fall zu einem professionellen Unfallchirurgen ins Krankenhaus...” meinte der Mann während er eine Thermodecke über Mitsuhiko ausbreitete und seinen Kopf auf einem kleinen Kissen bettete, damit er sich hinlegen konnte. “Ich verstehe. Vielen Dank für Ihre Hilfe… der Krankenwagen und auch die Polizei sind ja schon unterwegs.” Freundlich nickte Subaru mit der so überhaupt nicht zu seiner ausgeglichenen Art passenden Stimme ihm zu. “Was ist eigentlich mit Ihrer Stimme passiert, haben Sie eine Erkältung?” meinte Genta nun neugierig. Sogar Mitsuhiko, der bis zu diesem Moment mit geschlossenen Augen ruhig dagelegen hatte, verdrehte seine Augen ob dieser schwachsinnigen Frage. Hätte er die Kraft dazu gehabt, so hätte er Genta einen kleinen aber schmerzhaften Stoß zwischen die Rippen verpasst. “Nein, um ehrlich zu sein...” begann Subaru “...ist das eine lange Geschichte. Ich erzähle sie euch ein anderes Mal, ok?” “Was? Ach menno...” meinte Genta, einen Moment beleidigt, doch danach blieb er ruhig. Die ganze Sache schien die drei Kinder sehr mitgenommen zu haben. Sie waren überhaupt nicht mehr so neugierig und voller Tatendrang wie sie es sonst immer waren. Jedes schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, keiner wollte die Ruhe im Raum unterbrechen, zumindest nicht, solange es Mitsuhiko so schlecht ging. Obwohl es Ai zuwider war, begann sie zu sprechen: “Wieso sind Sie hier… und wie konnten Sie uns finden?” Fragte Haibara nun zögerlich. “Ah… da fällt mir ein...” Subaru schien ihre Fragen zu ignorieren und langte stattdessen in seine Jackettasche und zog Ais arg ramponiertes Smartphone daraus hervor. Haibara starrte es nur an. Es war vollkommen zerkratzt und das Display zersplittert. In diesem Moment wurde ihr bewusst, was für ein unglaubliches Glück sie gehabt hatte. Als sie das Gerät das letzte Mal in ihren Händen gehalten hatte, war sie sich sicher gewesen, dass nun alles vorbei war. Trotzdem war sie gerettet worden. Er reichte es ihr und sie nahm es unsicher entgegen. Subaru, der ihr Blick nicht entgangen war, glaubte, dieser hatte etwas mit dem Zustand des Geräts zu tun. “Um ehrlich zu sein, bin ich nicht unschuldig daran, dass es so aussieht. Das Display ist hinüber, man kann nichts mehr erkennen. Möglicherweise kannst Du Deine Daten noch retten… ich empfehle Dir aber, es nicht anzuschalten. Wer weiß, wer es sonst orten könnte...” “Danke, dass Sie es gefunden haben...” meinte Ai Haibara merkwürdig steif. Ayumi mischte sich nun ein “aber wie konnten Sie uns denn nun finden?” “Ich habe eine Frau an der Information mit ihrer Begleitung über ein kleines Mädchen mit einer ungewöhnlichen Haarfarbe reden hören, das sich unbedingt die Haare verdecken wollte. Ich habe sie nach einer kurzen Beschreibung gefragt. Sie war sich außerdem sehr sicher, dass dieses Mädchen zwischen den ganzen Leuten gesehen hat, die den Saal verließen. Und dann meinte sie noch, dass sie ganz sicher ihr eigenes Halstuch, missbraucht als Kopftuch, in diesem Gang da draußen um die Ecke hat huschen sehen...” er deutete mit einem unergründlichen Grinsen in Richtung des Ganges vor der Türe, dann ging er ein paar Schritte nach vorne und hob das lebensrettende Seidentuch vom Boden auf. Wortlos reichte er es Haibara, das kleingeschrumpfte Mädchen nahm es schweigend entgegen. Sie konnte es nicht glauben. Diese Frau hatte ihr an diesem Abend zweimal geholfen. Einmal, als sie ihr einfach das Tuch überlassen hatte, obwohl sie das nicht hätte tun müssen. Und das zweite Mal, als sie einfach aufmerksam gewesen und dann auch noch Subaru-san von dem berichtet hatte, was sie gesehen hatte. “Sie hat uns das Leben gerettet...” murmelte das Mädchen leise, dann fiel ihr etwas ein: “Sie waren das, nicht wahr? Sie haben die Lautsprecherdurchsage machen lassen, habe ich Recht? Immerhin sind Sie ebenso wie ein gewisser Jemand ein Sherlock-Holmes-Fan...” …und dann fügte sie noch in Gedanken hinzu “...und Sie kennen mich von früher. Neben den Mitgliedern der schwarzen Organisation und Kudo-kun wären nur Sie in der Lage, meinen richtigen Namen zu nennen...” “So ist es… eigentlich wollte ich Dich damit aus der Reserve locken und finden. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Du zumindest in die Nähe des Nordausgangs kommen würdest, um zu sehen, wer auf Shiho Miyano wartet. Und so kann ich austesten, wie viele von ihnen hier sind… sobald meine Kollegen hier sind, werden sie den Ausgang die komplette Nacht im Blick behalten...” “Ai-chan… wer ist Shiho Miyano? Und warum benimmst Du Dich schon die ganze Zeit so komisch? Wer war diese böse Frau, die hinter Dir her war… und warum...” Fragte Ayumi, doch sie stoppte, bevor sie ihren Satz beendete. Haibara konnte an dem Ausdruck in Ayumis Augen erkennen, dass dem Mädchen noch viel mehr auf dem Herzen lag. Ai öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, doch in diesem Augenblick... “Ich würde sagen, kleine Missus, dass wir das zu einem anderen Zeitpunkt besprechen...” ein älterer Mann mit ergrautem Haar, Anzug und europäischen Gesichtszügen war im Türrahmen aufgetaucht. “James-san...” meinte Ayumi überrascht “was machen Sie denn hier?” “Das, ist ebenfalls eine sehr lange Geschichte… auch das werden wir später besprechen. Er warf Okiya einen vielsagenden Blick zu, dann drehte er sich in Richtung Flur um und winkte jemandem außerhalb seines Sichtfelds zu. “Kommen Sie bitte hierher. Der verletzte Junge ist hier...” Er nickte zwei Sanitätern zu, die zwischen sich eine Trage auf langen Rollen schoben und eilig damit den Raum betraten. Schweigend betrachteten die Anwesenden, wie Mitsuhiko abtransportiert wurde. “Er kommt ins Tokioter Polizeikrankenhaus, es ist eine besondere Überwachung nötig. Ich habe alles Notwendige mit der japanischen Polizei geklärt. Ich habe ihnen erzählt, dass der Junge von einer international vom FBI gesuchten Verbrecherin verletzt wurde… eine, für die wir zufällig eine Ermittlungserlaubnis haben...” flüsterte der Mann Subaru ins Ohr, damit die Kinder nichts davon mitbekamen. Haibara, die den beiden am nächsten stand, hatte trotzdem einen Großteil davon verstanden. “Nein! Nicht das Polizeikrankenhaus… dort ist er nicht sicher, sie werden...” platzte sie verzweifelt heraus. “Keine Sorge. Wir wissen, womit wir es zu tun haben. Wir stellen die Kinder und ihre Familien ebenfalls unter den Schutz des Federal Bureau of Investigations… auch die Bewohner der Detektei Mori stehen unter unserem Schutz...” Der Mann beugte sich zu ihr hinunter, als er diese Worte leise aussprach. “Kinder, ihr möchtet doch bestimmt mit eurem Freund ins Krankenhaus, habe ich Recht? Ihr wollt doch sicher wissen, wie es ihm weiterhin ergeht?” Ayumi und Genta nickten ihm zu, während Mitsuhiko langsam aus dem Zimmer gerollt wurde. Die beiden Kinder machten sich auf den Weg, ihm zu folgen. Als die kleine Ayumi merkte, dass Ai sich nicht von der Stelle rührte, blieb sie stehen. “Ai-chan...” Haibara fiel auf, dass das Mädchen sie anders musterte als sonst. So, als würde sie sie mit anderen Augen sehen. Es war fast ein wenig Misstrauen in ihrem Blick, dies schmerzte Haibara ungemein. Das endlose Vertrauen, dass das Mädchen ihr sonst entgegengebracht hatte, schien ins Wanken geraten zu sein. Kein Wunder, bei dem was die Kleine heute alles erlebt hatte. “Keine Sorge, ich komme nach...” versicherte sie dem kleinen Mädchen, das sie unsicher ansah. “Versprich es mir...” flüsterte Ayumi, sie schien noch immer mit sich zu kämpfen. “Ich verspreche es Dir...” meinte Haibara, ein ehrliches Lächeln zog sich über ihr Gesicht. “Ich glaube Dir...” Ayumi lächelte nun ebenfalls, während sie mit Genta und einem weiteren Herrn vom FBI den Raum verließ. Es befanden sich nun nur noch Ai, der falsche Subaru und James Black in der Requisitenkammer. “Wir haben die Frau bereits in Gewahrsam genommen...” begann James und meinte damit Madeira, die schon vor Minuten von ein dreien seiner Männer in Handschellen abgeführt worden war. “Vergesst bitte nicht ihre Tasche, die hier auf dem Boden steht. Ich habe vorhin noch einmal reingeschaut. Sie scheint vor ihrem Besuch hier bei einem Waffenhändler ihres Vertrauens gewesen zu sein und sich eingedeckt zu haben… da drinnen befindet sich neben etwa fünf Kilo Ersatzmunition auch ein Handy. Kein Wunder, dass sie so durchtrainierte Oberarme hatte. Möglicherweise können wir weitere Spuren sichern...” Subaru deutete mit seinem Kopf auf die schwarze Handtasche, die er der Schwarzgekleideten vor einiger Zeit abgenommen hatte. “Konntet ihr den Jungen schon finden? Als ich ankam, war er nicht hier und er scheint hier nirgends zu sein…” meinte Okiya nun zu James Black. Haibara gefror das Blut in den Adern, als sie diese Worte vernahm. “Sprechen… sprechen Sie etwa von Edogawa-kun?” Fragte sie, abermals war Angst in ihren Augen zu lesen. “Ganz recht. Wir können ihn leider nirgends finden… in der Detektei Mori ist er nicht, Jodie hat das geprüft...” meinte James und sah sie mitleidig an. “Die Kinder meinten vorhin, er wäre auf der Bühne, weil es dort einen Zwischenfall gab...” meinte Ai und sah den alten Mann hoffnungsvoll an. “Unsere Leute suchen aktuell noch. Vielleicht finden sie ihn dort ja. Ich werde Ihnen Bescheid geben… ich würde sagen, wir warten das Suchergebnis noch ab, das wird allerdings noch eine Weile dauern, dann machen wir uns ebenfalls auf den Weg zum Polizeikrankenhaus. Du siehst mir auch sehr mitgenommen aus. Du bist furchtbar blass, junge Dame...” James verließ nun den Raum, um mit seinen Männern zu telefonieren und sie über die Lage zu unterrichten. Die Grundschülerin war nun mit Subaru allein. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich im Raum aus. “Ich...” begann Shuichi Akai, doch Ai unterbrach ihn kalt. “Nur… nur weil Sie mich gerettet haben, heißt das noch lange nicht, dass ich Sie mag oder Ihnen vertraue. Nach dem, was Sie meiner Schwester angetan haben...” Akai sah sie nur mit einem unergründlichen Blick aus seinen grünen Augen an, beließ es aber schließlich dabei und fügte nichts mehr hinzu. Der richtige Zeitpunkt für die Wahrheit war noch nicht gekommen. Ein paar Minuten herrschte Schweigen, dann erklang von draußen plötzlich eine Ai wohlbekannte Stimme. “Was ist denn hier los? Wer sind Sie denn? Hey, lassen Sie mich los… das ist Freiheitsberaubung!” Überrascht sah Ai auf den Flur hinaus. Dort standen zwei ihr unbekannte Männer, die trotz ihrer Undercoverkleidung wohl dem FBI zugehörig sein mussten und… Kogoro Mori, der, sich heftigst wehrend, von ihnen an beiden Armen festgehalten wurde und nun einem etwas sauertöpfisch dreinblickenden James Black vorgeführt wurde. “Chef, wir haben diesen verdächtigen Typen hier herumlungern sehen… er hat jeden Raum genau durchsucht...” meinte einer von Blacks Untergebenen und packte Kogoro noch ein wenig fester am Arm. “Was machen Sie denn hier… ach Moment, Sie sind doch Kogoro Mori, habe ich Recht?” James rückte seine Brille zurecht und betrachtete den zeternden Mann genauer. “So ist es...” meinte Kogoro und richtete erst einmal sein Jackett, als die beiden Kerle ihn auf James’ Geheiß losließen. Sein Blick fiel auf das kleine Mädchen, das sich zusammen mit Subaru noch immer in der Requisitenkammer befand. “Ah, den kleinen Rotfuchs kenne ich doch...” Mori ging langsam in den Raum hinein, dann stürmte er auf Ai zu. Shuichi, noch immer in Alarmbereitschaft, trat einen Schritt vor und streckte seinen Arm aus, wie um das Mädchen zu schützen. Haibara nahm das schweigend zur Kenntnis. Kogoro blieb abrupt stehen, ließ es sich aber nicht nehmen, laut und temperamentvoll auf Ai einzureden. “Wo ist die kleine Kröte? Los, sag es mir…!” “Da sind Sie hier leider falsch, Herr Mori. Krötenwanderungen finden immer kurz nach dem Winter statt. Ich würde sagen, im März könnten Sie als freiwilliger Krötenretter tätig werden...” meinte Subaru und Kogoro stutzte ob dieses absolut unverschämten und trotzdem schlagfertigen Ausspruchs. Der Kerl kam ihm bekannt vor, er hatte den Mann jedoch noch nicht oft gesehen, trotzdem schien etwas anders zu sein als sonst. Er konnte es allerdings nicht einordnen. An seine merkwürdigen Kommentare konnte er sich jedoch noch dunkel erinnern. Kogoro, nicht in der Laune für derlei Sperenzchen, fauchte ihn an: “Ich spreche von Conan. Wo ist er?” “Er ist also auch nicht bei Ihnen?” Fragte Haibara erschrocken, ihre Gesichtszüge entgleisten. Die seit ihrer Rettung vorhin wieder einigermaßen intakte kalte Fassade des Mädchens, begann zum zweiten Mal heute zu bröckeln. “Wo ist er nur? Haben Sie ihn etwa irgendwohin mitgenommen? Ist es vielleicht schon zu spät? Ist er… bereits tot…? Hat die Organisation etwa bereits den Befehl gegeben...” James und Subaru schienen genau dasselbe zu denken, auch auf ihren Gesichtern breiteten sich dunkle Schatten der Sorge aus. Kogoro Mori spürte instinktiv, dass etwas nicht stimmte. Er mochte kein Händchen für hochkomplexe kriminologische Fallaufklärungen haben, doch eines besaß er ganz sicher: Ein Gespür dafür, dass etwas im Argen lag. Schon an den Mienen und den Blicken der Anwesenden untereinander konnte er erkennen, dass hier etwas ganz gewaltig stank. “Könnten Sie mir bitte erklären, was zum Teufel hier eigentlich gespielt wird?” Fragte Kogoro mit entschlossener Miene. Der FBI-Agent James Black schien einen Moment abzuwägen, ob er dem Mann vertrauen konnte, dann nickte er langsam. Einen winzigen Teil der Wahrheit hatte der Mann verdient. Samstag, 04. Juli, 20:00 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land und Besucherparkplatz Eiligen Schrittes hatte der Mann das Showgebäude verlassen, den Laptop hatte er unauffällig in seiner Tasche verstaut. Ohne die fröhlichen und ausgelassenen Menschen um sich herum eines Blickes zu würdigen, hatte er sich auf den Weg zum Nordausgang des Tropical Lands begeben. Als er seine Eintrittskarte in den Automaten geschoben hatte, der die Schranke für das Verlassen des Parks öffnen würde, waren sie ihm aufgefallen. Er war sich ganz sicher, dass es sich bei ihnen um Menschen von diesem Schlag handelte. Solche Leute konnte er bereits auf mehrere Meter Entfernung spüren. Schnüffler. Sie waren überall. Dort, direkt zwischen den Kassen 3 und 4 stand einer in Zivilkleidung lässig an die Absperrung gelehnt. Er erkannte ihn an seinem betont gleichgültigen Gesichtsausdruck. Nur wenige Meter von den Ausgangsschranken standen noch einmal zwei mehr von ihnen, auch sie verhielten sich auffällig unauffällig. Was machten sie hier? Waren es Polizisten? Nein, einer von ihnen hatte eindeutig ein südländisches Äußeres, einer sah eher europäisch aus. Möglicherweise waren es… FBI-Agenten? Was taten Sie hier? Konnte es tatsächlich sein, dass sie auf ihn oder andere Mitglieder seiner Organisation warteten? Der Verdacht, dass es tatsächlich einen Verräter in seiner Organisation gab, erhärtete sich. Um möglichst keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ging er einfach ohne zu zögern oder genauer hinzusehen an ihnen vorbei. Niemand beachtete ihn, als er hinter einer relativ kleinen Frau mit ihren zwei fast genauso großen, nach etwas zu Trinken quengelnden Kindern schließlich den Vernügungspark verließ. Er ging langsam weiter in Richtung Parkplatz, sah sich bewusst nicht noch einmal nach Hinten um. Am Besten verschwand er erst einmal von hier, danach konnte er sich Gedanken machen. Als er an seinem Auto angekommen war, stutzte er einen Moment. Wie interessant. Direkt neben seinem Auto, einem schwarzen Mercedes 300 SC Coupé mit einer lang gezogenen Kühlerhaube, welches im Jahre 1956 erbaut worden war und von der es nur eine sehr begrenzte Stückzahl auf der ganzen Welt verteilt gab, stand ein anderer Oldtimer. Er besah ihn sich interessiert. Es war ein weißer Subaru 360. Im Gegensatz zu seinem Schmuckstück war dieser aber bei weitem nicht so viel wert. Er warf einen letzten, nun geringschätzigen Blick auf den Wagen und stieg dann in seinen Mercedes, die Laptoptasche verstaute er auf dem Rücksitz. Schade, dass es in diesen alten Kutschen noch keine modernen Klimaanlagen gab, es war brütend heiß hier drinnen. Doch immerhin… genau das machte auch den Charme eines solchen Fahrzeugs aus. Der Mann klappte die Sonnenblende hinunter, drehte den Zündschlüssel herum und startete damit den Motor. Langsam rollte er mit seinem Oldtimer vom Parkplatz. Samstag, 04. Juli, 20:22 Uhr, Vergnügungspark Tropical Land, Verwaltungsgebäude, Besprechungszimmer Schweigend saßen der noch immer als Subaru Okiya verkleidete Shuichi Akai, sein graubärtiger Chef James Black, die nicht ganz freiwillig zu einer Grundschülerin mutierte Ai Haibara und der gedemütigte, tatsächlich häufig schlafende Kogoro Mori um einen großen Tisch in einem von der Parkleitung zur Verfügung gestellten provisorischen Besprechungszimmer, welches sonst für Konferenzen der Angestellten des Vernügungsparks genutzt wurde. Kogoro Mori hatte die Stirn gerunzelt, die Augen konzentriert geschlossen und auf seine gefalteten Hände gebettet. James Black hatte ihm in der letzten Stunde einiges erklärt, er wurde aber trotzdem das Gefühl nicht los, dass er ihm mindestens genau so viel verschwieg. Doch Kogoro Mori blieb nichts anderes übrig, als die kleinen Informationshäppchen, welche man ihm hingeworfen hatte, zu schlucken. Fakt war: Es schien jemand hinter dem Bengel her zu sein, mit dem nicht zu spaßen war. Jemand, auf den sogar das FBI angesetzt worden war, international gesuchte Verbrecher. Die anderen Kinder waren von ebendiesem Verbrecher ebenfalls angegriffen und eines der Kinder dabei sogar verletzt worden. Nun war der Junge wie vom Erboden verschwunden. Auf dem Handy war er nicht erreichbar, er konnte auch nicht geortet werden, das hatten sie bereits ausgetestet. Vermutlich war das Gerät ausgeschaltet. Er war nicht in die Detektei Mori zurückgekehrt. Da die Kinder noch anwesend gewesen waren, wäre er niemals einfach so gegangen. Sie mussten annehmen, dass ihm etwas passiert war. Der Mann mit dem schwarzen Oberlippenbärtchen hatte die Informationen zuerst mit Fassung aufgenommen, noch immer gegen seine Wut ankämpfend. Doch als ihm bewusst geworden war, was dies wirklich bedeutete, hatte sich seine Wut in Luft aufgelöst, war vollständig verpufft. Aktuell galt es, einen verschwundenen kleinen Jungen zu suchen, der in höchster Gefahr schwebte. Shuichi Akai betrachtete den Detektivbüroinhaber interessiert, aber mit unbewegtem Gesichtsausdruck. Der Mann benahm sich in seinen Augen höchst merkwürdig. Er schien am Anfang sehr wütend auf den Jungen gewesen zu sein, aus welchen Gründen auch immer. Mittlerweile hatte sich aber Sorge auf sein Gesicht gelegt. James Black hatte gut daran getan, ihm keine weiteren Einzelheiten zu nennen. Alles, was Kogoro Mori wusste, war, dass Jemand hinter dem Jungen her war, die Gründe hatte man ihm nicht genannt. Es waren natürlich weder die Worte “Organisation” noch “Verjüngung” gefallen. Außerdem hatte man ihm gesagt, das alles der obersten Geheimhaltungsstufe unterlag und niemand anderes involviert werden durfte. Es war besser, wenn der Mann nicht noch weiter in die Sache hineingezogen werden würde. Shuichi drehte den Kopf und musterte das kleine Mädchen mit den rotbraunen Haaren, welches direkt neben ihm saß. Sie hatte seit dem Betreten des Raums kaum ein Wort gesprochen. Wie auch James Black warteten sie alle auf Nachrichten von seinen Kollegen, die im Moment die Showhalle und die nähere Umgebung im Vernügungspark absuchten. Bei einem Areal, dass mehrere Hektar Fläche umfasste, kein leichtes Unterfangen. In diesem Moment klingelte James Blacks Mobiltelefon. “Ich verstehe...” James hörte sich an, was sein Kollege zu sagen hatte, dann legte er mit einem bedrückten Gesichtsausdruck auf. Er wandte sich an die Anwesenden. “Der Junge konnte nirgends gefunden werden… unsere Leute haben das komplette Tropical Land nach ihm abgesucht...” Shuichi Akai warf einen Blick auf die Karte, die an der Wand hing und die Grundrisse der Attraktionen und Gebäude des Verngnügungsparks in bunten Farben und ebenso bunter Beschriftung zeigte. “Sie haben sich jeden Ort einzeln angesehen?” Fragte Kogoro. “Ganz recht… wir haben akribisch jeden Ort, der auf dieser Karte eingezeichnet ist, abgesucht. Außerdem haben wir die Angestellten informieren lassen, dass wir Zeugen suchen. Allerdings ist das nicht so einfach. Manche Angestellte sind schon nach Hause, wieder andere können sich an sehr viele Kinder heute erinnern, allerdings nicht an ein Bestimmtes. Immerhin fanden heute den ganzen Tag Sonderaufführungen extra für Kinder statt. Hier hat es vor Vor- und Grundschülern nur so gewimmelt...” meinte Shuichis Vorgesetzter mit ernstem Blick. Shuichi sah kurz zu Kogoro und dann zu James hinüber, schließlich nickte James ihm zu. “Herr Mori… ich fürchte, für heute können wir nicht mehr viel tun… unsere Männer werden sich nun daran machen, die etwa 1000 Stunden Videomaterial zu sichten, die die Überwachungskameras aufgezeichnet haben, wir werden uns vor allem auf die Ein- und Ausgänge konzentrieren. Möglicherweise fällt uns etwas auf. Am Besten wäre es, wenn Sie nach Hause zu ihrer Tochter gehen. Sie wartet bestimmt schon auf Sie...” Kogoro schluckte schwer. Tatsächlich hatte er Ran aufgrund der Aufregung absolut vergessen. “Aber… Sie können doch nicht ernsthaft von mir verlangen...” “Es tut mir leid, Herr Mori. Unsere Ermittlungen sind leider vertraulich. Ich kann Ihnen auch nicht gestatten, sich mit uns die Videoaufnahmen anzusehen...” “Ich verstehe...” meinte Kogoro plötzlich niedergeschlagen, sich aber lange nicht geschlagen gebend. Dann würde er eben selbst Nachforschungen anstellen. Er wandte sich an Ai “dann werde ich das Mädchen nach Hause fahren...” Subaru trat neben Haibara und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Widerwillig ließ sie es geschehen. “Das Mädchen muss uns noch eine Weile Gesellschaft leisten...” Kogoro sah auf das kleine Mädchen, erkannte den grimmigen Ausdruck in ihren Augen. Was war hier nur los? Warum schienen alle Kinder in seiner Umgebung plötzlich so erwachsen zu sein? “Ich verspreche Ihnen, dass wir uns sofort bei Ihnen melden, sobald der Junge gefunden wurde… bitte erzählen Sie vorerst Niemandem von den Geschehnissen. Ran-san dürfen Sie natürlich erzählen, dass der Junge verschwunden ist, aber bitte keine Details. Und sprechen Sie bitte auf keinen Fall mit einem Außenstehenden darüber… es ist möglich, dass Sie beobachtet werden… alles soll so unverdächtig wie möglich wirken... wir haben zur Sicherheit ein paar unserer Leute in Ihrer Nähe positioniert… falls Ihnen irgendetwas auffällt, melden Sie sich bitte sofort. Hier, das ist meine Nummer...” Subaru reichte ihm einen handgeschriebenen Zettel mit einer krakelig niedergeschriebenen Handynummer darauf. Kogoro stutzte. Was zur Hölle waren das für Menschen, die hinter Conan her waren, dass sie Geleitschutz vom FBI bekamen? In welche Machenschaften waren diese Leute verstrickt? Kogoro ahnte Fürchterliches. “Yakuza?*...” flüsterte Kogoro leise. *Japanische Mafia “Nein...” dachte Haibara “...wenn nur die Yakuza hinter ihm her wären, würde ihn ein gnädigereres Schicksal erwarten… wo steckst Du nur, Kudo-kun?” Samstag, 04. Juli, 21:15 Uhr, Beika-cho, Wohnung der Familie Mori Unruhig ging Ran Mori vom Wohnzimmer in die Küche, danach von der Küche ins Bad, vom Bad in ihr eigenes Zimmer. Danach begann sie ihre Runde von vorne. Als sie zum dritten Mal wieder im Wohnzimmer angekommen war, warf sie einen schnellen Blick hinauf auf die Uhr, welche an der Wand hing und deren kleiner und großer Zeiger sich unerbittlich vorwärts bewegten. Es war nun schon nach 21:00 Uhr. Weder Conan noch ihr Vater waren Zuhause, obwohl beide es fest versprochen hatten. Auf dem Wohnzimmertisch standen noch immer die Sandwiches, welche Tooru ihnen vorbeigebracht hatte. Diese und noch ein paar weitere, welche sie nachträglich belegt hatte, damit sie auch für alle drei Familienmitglieder reichen würden. Sie seufzte, ging in die Küche, holte sich ein Stück Klarsichtfolie aus dem Schrank und begann, die Sandwiches damit abzudecken um sie vor weiterem Austrocknen zu schützen. Danach packte sie den Teller und stellte ihn in den Kühlschrank. Ran war verunsichert. Von ihrem Vater war sie gewohnt, dass er später oder auch einmal garnicht nach Hause kam. Er traf öfters einmal Freunde mit denen er dann die ganze Nacht beim Mahjonggspielen und Bier- und Saketrinken verbrachte. Sie war es schon so gewohnt, dass sie sogar schon einmal vergessen hatte, ihm eine Standpauke zu halten, als er, wieder einmal, stark alkoholisiert plötzlich mitten in der Nacht in der Küche einen gewaltigen Lärm verursacht und damit das halbe Haus aufgeweckt hatte. Er war definitiv kein gutes Vorbild für Conan. Sie hoffte inständig, dass der Junge sich kein Beispiel an ihm nehmen würde. Sie trat ans Fenster und sah noch einmal hinüber auf das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes, auf dem sie heute Nachmittag die unheimliche Frau gesehen hatte. Es lag still und verlassen da. Das Mädchen senkte ihr Haupt und besah sich das Display ihres Handys. Nichts, weder eine eingegangene Nachricht noch ein verpasster Anruf. Sie hatte Conan bereits mehrfach angerufen, ihn aber nicht erreicht. Bei ihrem Vater hatte sie es ebenfalls probiert, doch er bequemte sich einfach nicht ans Telefon, nach dem fünften Klingeln sprang immer die Mailbox ran. Vielleicht war er auch noch Polizeipräsdium in einer Besprechung, dort schaltete er das Gerät häufig stumm. Sie konnte einfach nicht umhin, sich Sorgen zu machen. Es lag in ihrer Natur, sich zu kümmern und nicht einfach nur zu ignorieren, falls etwas nicht stimmte. Außerdem hatte sie einen sechsten Sinn, der sie nur selten trog. Die Oberschülerin machte sich aber bewusst, dass ihr Grübeln im Moment auch nicht weiterhalf. Sie musste sich ablenken, irgendetwas tun. Ihr fiel ein, dass sie vollkommen vergessen hatte, dass sie noch fürs Frühstück morgen Einkaufen gehen musste. Froh, etwas gefunden zu haben, das sie ablenkte, griff sie nach ihrer Handtasche mit der Geldbörse. Sie verließ die Wohnung und stieg die Stufen hinab, welche von der mittlerweile untergehenden Sonne bestrahlt wurden. Noch immer war es brütend heiß, außerdem war eine extrem unangenehme Schwüle hinzugekommen, schon nach wenigen Minuten außerhalb der Wohnung hatte sich auf ihrer Stirn ein leiser Schweißfilm gebildet. Eindeutige Indikatoren dafür, dass die Regenzeit nicht mehr weit war. Ran warf einen Blick in den Himmel. Im Westen waren ein paar sehr schwarze Wolken aufgezogen. Möglicherweise würden bald die ersten längeranhaltenden Regenschauer einsetzen. Am besten beeilte sie sich, damit sie nicht in einen der berüchtigten, heftigen Platzregen geriet. Sie bog gedankenverloren in eine kleine Seitenstraße ein, welche zum nächstgelegenen 24-Stunden-Supermarkt führte. Die dunklen Schatten, welche sich unauffällig an ihre Fersen hefteten, bemerkte sie nicht. Samstag, 04. Juli, 21:17 Uhr, an einem unbekannten Ort Conan Edogawa begann undeutlich, die Umgebung um sich herum wieder wahrzunehmen. Das wohlige, angenehme Gefühl einer tiefsitzenden Ruhe und Sicherheit welches er bis eben noch verspürt hatte, verflog langsam aber stetig und wich einem schleichenden, unangenehmen Gefühl der Angst. Langsam öffnete er seine Augen, dann blinzelte er mehrmals um zu begreifen, dass es nicht an seinen Sehorganen lag, dass er um sich herum nichts erkennen konnte. Er befand sich in völliger Dunkelheit, sie hüllte ihn komplett ein. Nicht einen einzigen Schemen um sich herum konnte er erkennen. Ein merkwürdig mildes Gefühl der Panik flammte in seiner Brust auf. “Was ist passiert? Wo bin ich?” Dachte er träge. Das Midazolam, welches ihm verabreicht worden war, verrichtete noch immer seinen Dienst, lähmte seine Sinne. In seinem Kopf herrschte ein Gefühl seltsamer Leere, immer wieder überkam ihn Benommenheit und wenn diese einmal kurz verflog, so fühlte er der Junge sich, als hätte ihm jemand einen mit Watte gefüllten Sack über den Kopf gestülpt. Der kleingeschrumpfte Oberschülerdektektiv Shinichi Kudo spürte einen kühlen, modrigen Luftzug an seinen Wangen. Die Raumtemperatur schien weit unter Körpertemperatur zu liegen. Sein Rücken tat ihm weh, er lehnte mit ihm an einer rauhen und vor allem kühlen Steinwand. Seine Finger- und Zehenspitzen fühlten sich vor Kälte schon beinahe taub an. Als er versuchte, sich zu bewegen, merkte er, dass das nicht möglich war. Er war sich nicht sicher, ob es an noch der Droge lag oder schon daran, dass ihm jemand die Hände hinter seinem Rücken zusammengebunden hatte. Vermutlich trug beides seinen Teil dazu bei, dass er keinen Finger rühren konnte. Sein Kopf schmerzte, er schloss seine vor Trockenheit brennenden Augen, noch dunkler konnte es sowieso nicht mehr werden. Er war vollkommen orientierungslos, fühlte sich unglaublich erschöpft, wollte einfach schlafen und an nichts denken müssen. Was würde mit ihm passieren, wenn er hier an diesem finsteren, kalten Ort einschlief? Würde er erfrieren? Oder gaukelte ihm sein geschundener Körper nur vor, dass es kalt war? Stumpf tröpfelte die sonst wohl sehr laute, donnernde Stimme eines Mannes an sein Ohr, sie klang merkwürdig gedämpft und schien von sehr weit weg zu ihm hindurchzudringen: “...sinn… kein Gast...” und schließlich hörte er noch eine andere, wesentlich leisere und merkwürdig verzerrt klingende Stimme, die er absolut nicht zuordnen konnte “...ur ei.. n Kind...” Er hörte ein Geräusch wie von einem quietschenden Türscharnier und leise Schritte, die immer lauter wurden. Jemand kam näher. Durch das Licht, welches mit einem Mal seine geschlossenen Augenlider sachte durchdrang, konnte er erkennen, dass sich sein Umfeld erhellt haben musste. Conan versuchte noch einmal, seine Augen zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Langsam und doch unerbittlich übermannte ihn der Schlaf, nach dem sich sein Körper so sehr sehnte. Das wars auch schon wieder. Ich danke artig fürs Lesen und bitte um eure Meinungen. Kapitel 8: Eine Wirklichkeit gewordene dunkle Vorahnung oder: Die Schlussfolgerungen des Kogoro Mori ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 8 – Eine Wirklichkeit gewordene dunkle Vorahnung oder: Die Schlussfolgerungen des Kogoro Mori Samstag, 04. Juli, 21:25 Uhr, auf einer Straße in Tokio Mittlerweile begann sich eine sanfte, alles umhüllende Dunkelheit über die Stadt und ihre 8 Millionen Einwohner zu legen. Nachdem der Mann sich ein ganzes Stück vom Vernügungspark entfernt hatte und sich damit in sicherer Entfernung vom Vernügungspark befand, bog er mit seinem Auto in eine kleine Seitenstraße ein. Er wollte unbedingt das Signal des Peilsenders prüfen. Überrascht hatte er die mit einem blinkenden Licht angezeigte Position überprüft, war sich zuerst nicht sicher gewesen, ob das Signal stimmte. Eine äußerst merkwürdige Position. Möglicherweise hatte der Mann dem Jungen die Kleidung ausgezogen und irgendwo entsorgt. Oder vielleicht war es auch ein cleverer Schachzug. “Gar nicht schlecht...” dachte er, auf seinen Lippen erschien nun wieder ein Grinsen. Trotz der Schnüffler vom FBI empfand er den Abend als durchaus gelungen. Soviel wie heute war schon lange nicht mehr im eher grauen, immer gleichen Organisationsalltag passiert. Obwohl er sich sonst tatsächlich immer lieber im Hintergrund hielt, war dieses Mal etwas anders. Man konnte es beinahe persönliches Interesse nennen. Er steckte nun den Stöpsel eines In-Ear-Kopfhörers in sein Ohr, welcher über ein Kabel mit dem kleinen Laptop verbunden war, den er auf dem Sitz neben sich ausgebreitet hatte. Er hatte es nicht lassen können, wollte unbedingt lauschen. Er hörte eine Weile zu, konnte nur absolute Stille vernehmen. Enttäuscht fürchtete er, dass tatsächlich Jemand die Kleidung des Jungen gewechselt hatte. In diesem Moment hörte er es, es war ein gleichmäßiges Atmen, zwar nur sehr leise und doch in der Stille deutlich zu hören. Er konnte sich also ziemlich sicher sein, dass die Wanze noch an Ort und Stelle war und er die weiteren Geschehnisse mitverfolgen würde können. Er dachte an die Aufnahmefunktion der Wanze, die er die komplette Zeit angeschaltet gehabt hatte. Da aktuell nichts Besonderes passieren würde, könnte er genauso gut auch die Aufnahmen zurückspulen. Er spulte zurück und stoppte bei 19:30 Uhr. “Wer sind Sie?” Die verängstigte Stimme des Jungen erklang und eine dröhnende Männerstimme erwiderte “Das wirst Du noch früh genug erfahren...” Diesen Teil kannte er schon. Er hörte sich trotz allem noch einmal die folgenden Minuten an. Es schien einen Kampf gegeben zu haben, bei dem der Junge schließlich unterlegen war. Das Geräusch eines Wasserhahns, der geöffnet wurde war zu hören, ein leises Stöhnen und ein darauffolgendes kurzes Knacken, bei dem die Brille zu Bruch gegangen war, als der Junge wohl zusammengebrochen und mit dem Glas zuerst auf dem Boden aufgekommen war. Er spulte nochmals ein Stückchen nach vorne, konnte eine ganze Weile nur die lauten Umgebungsgeräusche des Vergnügungsparks und dazwischen relativ laute Schritte und Stimmen hören. Das ging etwa zehn Minuten so, dann nahm die Geräuschkulisse schließlich ab. Noch ein paar Minuten später war plötzlich überhaupt nichts mehr zu hören. Der Mann musste den Vergnügungspark verlassen haben. Alles andere wäre nicht sinnig, denn am Ort des Verschwindens würde die Polizei natürlich zuallererst nach dem Kind suchen. Der Schwarzanzugträger sah auf seine Ohr, bemerkte, dass es schon spät war. Er entschloss, sich den Rest der Aufnahme auf der Fahrt anzuhören. Er startete den Motor, bog auf die Stadtautobahn ein. Die unzähligen Lichter der hellen Straßenlaternen, welche den Straßenrand säumten, huschten über sein im dusteren Wageninneren fahl erscheinendes Gesicht, während er sich in seinem Oldtimer durch die Stadt bewegte. Es befanden sich nur noch wenige Autos auf der Straße, er konnte also gemütlich und ohne sich groß zu konzentrieren oder auf viel Verkehr achten zu müssen, fahren. Nebenbei lauschte er weiterhin den Aufnahmen. Nach einiger Zeit konnte er plötzlich neben dem Atmen eine dumpfe, dröhnende Stimme hören. Interessiert hörte er genau hin. Als er wenige Minuten später an einer roten Ampel zum Stehen kam, huschte abermals ein breites Grinsen über sein Gesicht. Das war ja überaus interessant. Möglicherweise hatte er bald nicht nur eines, sondern zwei Probleme weniger. Zwar schien dies nicht so geplant zu sein, aber das konnte man natürlich mit ein wenig Einfluss von seiner Seite ändern. Der Entführer des Kindes schien zu allem bereit. Eine Tatsache, die er sich zu Nutze machen konnte. Er war sich sicher, egal wie intelligent dieser Junge auch sein mochte, aus dieser Situation konnte auch er sich nicht so einfach befreien. Nicht, nachdem er ein wenig nachgeholfen haben würde. Das allerdings würde noch ein wenig warten müssen. Er dachte an die Haare, das Handy und die Brillenglasfragmente, die sich noch immer in seinem Besitz befanden. Sie mussten unbedingt heute noch ins Labor, damit er so schnell wie möglich entscheiden konnte, wie er weiter verfuhr. Mit einem beherzten Tritt drückte er das Gaspedal durch, der Wagen rauschte so schnell er es hergab durch die schwüle und mittlerweile komplett hereingebrochene Nacht. Samstag, 04. Juli, 21:25 Uhr, Beika-cho, Supermarkt Mit Bedacht packte Ran Mori im aufgrund der draußen eingebrochenen Dunkelheit hell erleuchten und 24 Stunden durchgehend geöffneten Supermarkt die Zutaten in den Einkaufskorb, die sie für das Frühstück morgen früh benötigen würde. Obwohl es bereits nach neun Uhr war, waren noch ungewöhnlich viele Menschen unterwegs, meistens handelte es sich um junge Leute, die gut gelaunt noch Snacks und Alkohol für samstagabendliche Treffen mit Freunden besorgten. Sie stand nun vor der gut sortierten Gemüseabteilung, betrachtete die fein säuberlich aufgestapelten Süßkartoffeln, die sauber geputzten Frühlingszwiebeln, Rettiche und anderes lokales Gewächs. Ihr Blick fiel außerdem auf die relativ kleinen Mengen an Südfrüchten, die wie immer hier in Japan sauber einzeln verpackt und zu einem hohen Preis verkauft wurden, da sie importiert werden mussten. Bis zum nächsten Gehaltsschub ihres Vaters waren keine Früchte mehr in ihrem Haushaltsplan vorgesehen. Sie seufzte tief, als sie wieder einmal die dieses Jahr ungewöhnlich hohen Gemüsepreise bemerkte. Im letzten Jahr war das Land von unnatürlich vielen Taifunen heimgesucht worden, viele der heimischen Gemüsesorten waren entweder wegen des vielen Regens auf den Feldern verfault oder nicht richtig gereift, da es zu wenige Sonnenstunden gegeben hatte. Bei dem trotz seiner momentanen Berühmtheit unregelmäßigen Einkommen ihres Vaters war es schwer bei diesen Preisen drei hungrige Mäuler sattzubekommen. In Gedanken verbesserte sie sich. Drei hungrige Mäuler, wovon eines tatkräftig die Bier-, Tabak- und Wettbranche unterstützte. Das Mädchen zuckte unbewusst mit den Schultern, wandte sich wieder dem Gemüse zu. Es half alles nichts. Eine Miso-Suppe ohne Rettich war keine richtige Miso-Suppe. Sie überlegte zögernd, welchen der beiden noch verfügbaren weißen Rettiche sie nehmen sollte. Immerhin waren sie dreimal so teuer wie gewöhnlich, da sollte das gut überlegt sein. In diesem Moment spürte sie es wieder. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, eine Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus. Da war jemand hinter ihr, sie war sich ganz sicher. Sie spürte mindestens ein wachsames Paar Augen auf sich gerichtet. Ran ließ sich nichts anmerken, packte das kleinere Exemplar der beiden Daikons in ihren kleinen roten Einkaufskorb. Sie hatte sich entschieden, dass sie dieses Mal der Sache auf den Grund gehen würde. Sie wusste auch schon, wie sie das anstellen würde. Das Mädchen bog hastig und doch für einen potenziellen Beobachter gut sichtbar nach rechts in einen der vier vorhandenen Seitengänge ab, in deren voll bepackten Regalen sich Lebensmittel und alltägliche Gebrauchsgegenstände stapelten. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass hinter ihr ein Schatten in dem Gang verschwand, der parallel zu dem ihren lag. Ohne zu zögern bog sie am Ende ihres Ganges abermals nach rechts und damit in den besagten Parallelgang ein. Als sie um die Ecke bog, spürte sie einen harten Widerstand, als sie unsanft mit jemandem zusammenstieß. Diejenige war ebenfalls überrascht und packte die stolpernde Ran beherzt am Arm, damit sie nicht stürzte. Ran wiederum konnte in letzter Sekunde ihren Einkaufskorb vor dem Sturz bewahren, auch wenn sich der teure Rettich verselbstständigte, mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden aufschlug und ein ganzes Stückchen wegrollte, bis er direkt vor einem Fußpaar in dunklen Lederschuhen zum Stehen kam. “Tut mir leid...” stammelte Ran, erblickte die Frauenhand, die sie noch immer am Arm festhielt und überrascht erkannte sie, mit wem sie zusammengestoßen war. “Jodie-Sensei...” “Mouri-san… was machst Du denn hier? Was für ein Zufall...” Ein freundliches Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der gebürtigen Amerikanerin aus. “Ich kaufe das Essen für morgen früh ein. Was machen Sie denn hier, Jodie-Sensei… ich dachte, Sie wohnen in einem ganz anderen Stadtteil….?” “Ich bin mit einem Freund hier, wir wollten noch Zutaten kaufen um gemeinsam etwas zum Abendessen zu kochen… er wohnt gleich hier in der Nähe… ich bin mir nicht sicher, ob Du André Camel schon kennst...” sie deutete auf einen breit gebauten, bulligen Mann mit groben Gesichtszügen in einem mintgrünen Anzug und ebenso grüner Krawatte. Er hatte sich bis eben noch zum Boden hinunter gebeugt um den leicht mitgenommen aussehenden Daikon aufzuheben. Mit einem freundlichen Lächeln auf seinem sonst eher grimmig anmutenden Gesicht reichte er ihn ihr nun. “Dankeschön...” meinte Ran höflich und noch immer etwas irritiert. Hatte sie sich schon wieder etwas eingebildet? “Wenn wir schon einmal hier sind, Mori-san, was hältst Du davon, wenn wir Dir beim Nachhausetragen Deiner Einkäufe helfen? Bald ist es stockdunkel...” Bot Jodie ihr freundlich mit ihrem für Ran wundervoll geschauspielerten, liebreizend starken amerikanischen Akzent an. Und obwohl Ran mehrfach dankend ablehnte, ließ sich ihre ehemalige Englischlehrerin einfach nicht abwimmeln. So machten sie sich gemeinsam auf den Weg zurück zur Detektei Mori. Etwa auf der Hälfte der Strecke begannen große, feuchte Tropfen auf die Gruppe niederzuprasseln. Hastig beschleunigten die drei ihre Schritte, legten das letzte Stückchen des Weges rennend zurück. Außer Atem sprach Ran ihren beiden Begleitern ihren Dank aus: “Vielen Dank noch einmal. Ohne Sie beide wäre ich vermutlich pitschnass geworden. Allein mit den Einkäufen wäre ich niemals so schnell wieder hier angekommen… warten Sie bitte einen Moment hier unten, ich hole Ihnen zwei Regenschirme, damit Sie trocken wieder nach Hause kommen. Wir haben mehr als genug davon...” Jodie nickte ihr mit einem Lächeln zu. Als Ran oben am Ende der Treppe angekommen war, flüsterte die Frau ihrem FBI-Kollegen zu, diesmal war nicht der leiseste Hauch eines Akzents zu hören: “Das war vielleicht knapp… wer hätte ahnen können, dass sie uns bemerkt… und uns sogar eine Falle stellt…” “Nicht schlecht, die Kleine. Allerdings haben wir dank ihr jetzt einen großen Vorteil verspielt. Der Typ, der sie beobachtet, hat uns nun ebenfalls im Visier...” wisperte Camel zurück. Er nickte mit dem Kopf nach links. Dort parkte ein unauffälliges silberfarbenes Auto am Straßenrand. Darin saß ein ihnen unbekannter Mann, der bei der schwachen Beleuchtung seines Fahrzeuginnenraums scheinbar unbeteiligt in einer Abendzeitung blätterte und dort auf Jemanden zu warten schien. Samstag, 04. Juli, 21:34 Uhr, in einem unbekannten Apartment Laut prasselten die schweren Regentropfen von außen gegen die großen Panoramafenster des Apartments, klopften so laut dagegen, als wollten sie um Einlass bitten. Nachdenklich saß die Frau mit den glänzenden, langen naturblonden Haaren, in ihrem weichen Sessel, in ihrer Rechten hielt sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten, ein nicht mit Wein gefülltes Glas. Sie hatte das Weinglas aus Kristall stattdessen mit klarem, spritzigem Mineralwasser gefüllt. Ihre hellen, gezupften Augenbrauen hatte sie in einem für sie in einem ungewöhnlichen Anflug von Ernst hochgezogen, während sie ein sehr altes Foto betrachtete, welches sie in ihren mit rotem Nagellack manikürten und gepflegten Händen hielt. Eigentlich hatte sie diese Aufnahme schon vor langer Zeit verbrennen oder auf sonstige Art und Weise von der Welt tilgen wollen, doch sie hatte es trotz zahllreicher Versuche und trotz ihrer sonstigen eiskalten Attitüde nicht getan. Aufgrund der Ereignisse heute hatte sie es das erste Mal seit mehr als zwanzig Jahren wieder hervorgeholt. Sie, die schon seit langer Zeit eher vor sich hinvegetierte, statt wirklich zu Leben. Schon lange hatte sie aufgegeben, irgendeine Bedeutung in ihrem Leben zu sehen. Man lebte entweder, oder man starb. Manche früher, manche später. Es gab nichts dazwischen, dessen war sie sich lange Zeit sicher gewesen. Der Egoismus, die Raffgier oder auch das Streben nach ihren persönlichen Zielen ließ die Menschen zu mordenden Bestien werden. Auf Verluste, die für andere entstanden, wurde keine Rücksicht genommen. Dies hatte sie in voller Brutalität am eigenen Leibe erfahren müssen. Ein kühles, selbstironisches Lächeln ließ ihren Mundwinkel leicht nach oben schnellen, doch schon nach Sekunden erschlafften die Muskeln in ihrem Gesicht wieder und ihr Lächeln verschwand. Es blieb nichts weiter, als ein kalter, tief vom Leben enttäuschter Ausdruck in ihren Augen. Sie hatte selbst einmal anders gedacht. Damals, als sie noch eine Heranwachsende gewesen war. Die Frau schnaubte leise, beinahe verächtlich. Ja, sie war jung und voller Hoffnungen gewesen, was das große Abenteuer Leben für sie bereit halten würde. Bis ihr plötzlich mit einem Schlag alles genommen worden war, von einer Person, die sie ihr Leben lang bewundert hatte. Alles war ihr urplötzlich entrissen worden, sogar ihr eigenes Leben, das schließlich fremdbestimmt worden war. Nicht einmal der gnädige Tod war ihr vergönnt gewesen. Das alles hatte sie eines Besseren belehrt, es gab keine Gerechtigkeit auf dieser Welt, vor allem keine ausgleichende. Sie hatte ihren lachhaften, naiven Kinderglauben nach und nach begraben. In den vergangenen Jahren hatte sie sich ein kühles Pokerface antrainiert, das Empfinden von Gefühlen jedoch hatte sie sich abtrainiert, war zu einer perfekten Killerin geworden, die für ihre oder auch die Ziele anderer über Leichen ging. Es spielte sowieso keine Rolle. Die lange Zeit, in der sie keinerlei positive Erfahrungen mit Menschen gemacht hatte, hatte sie in dieser Hinsicht abstumpfen lassen. Sie war sich sicher gewesen, dass es Niemanden auf dieser Welt gab, der uneigennützig auch nur einen Finger für Jemand anderen rühren würde. Dass es keinen Gott gab, der gnädig auf die Menschen herabsah. Bis sie Angel und Cool Guy an jenem regnerischen Tag vor fast einem Jahr in New York kennengelernt hatte. An jenem Abend nach dem Zusammentreffen mit den beiden Jugendlichen in der amerikanischen Millionenstadt hatte sie in ihrem großen Apartment im 50. Stock eines Hochhauses in Manhattan in ihrem von ihrem eigenen Blut verschmierten Bett gelegen und auf die funkelnden Lichter der Stadt hinabgesehen. Mit Mühe hatte sie die Schmerzen versucht zu ignorieren, zu unterdrücken, die ihr die zwar verarztete aber doch noch frische Schusswunde bereitet hatte. Sie wollte die Gefühle von Überraschung und des ehrlichen Respekts vor einem Menschen, die sie schon seit so langer Zeit nicht mehr verspürt hatte und die der braunhaarige Sohn von Yukiko Kudo mit seinem beinahe naiv anmutenden Sinn für Gerechtigkeit und seiner Achtung vor dem menschlichen Leben in ihr ausgelöst hatte, nicht zulassen. Wermut war sich nicht sicher gewesen, weshalb sie plötzlich wieder angefangen hatte, diese lange verdrängten Gefühle zuzulassen. Möglicherweise lag es an ihrer instabilen körperlichen Verfassung, dass sie sie überhaupt an sich herangelassen hatte. Zuvor hatte sie alle Empfindungen konsequent abgeschaltet, bis sie dies schließlich in Perfektion beherrscht hatte. Sie war ihm und auch Angel dankbar für dieses Zusammentreffen. Waren die beiden doch seit langer Zeit die einzigen gewesen, die etwas in ihrem Inneren bewegt hatten. An einer Stelle, die sich für sie selbst seit Ewigkeiten wie ein gefrorener, unbeweglicher Eisbrocken angefühlt hatte. Dabei hatte das Mädchen in ihrer Selbstlosigkeit noch nicht einmal ahnen können, dass sie ihr mit ihrer Rettung keinen Gefallen getan hatte. Doch dies würde ein Engel wie sie niemals verstehen können. Dass es Dinge gab, die schlimmer als der Tod waren. Das der Tod durchaus gnädig sein konnte. Seitdem sie die Kinder damals kennengelernt hatte, hatte sie es gewusst. Sie, deren Gefühle seit langem erkaltet gewesen waren, die zu einer Mörderin geworden war, hatte eine Entscheidung getroffen. Vieles war unnütz und verzichtbar. Doch es gab seitdem auch für sie etwas, das sie gerne bewahren wollte. Etwas, dass sie schützen wollte. Wie sie es vor so langer Zeit schon einmal hatte tun wollen, aber dabei kläglich gescheitert war. Wieder blickte sie auf das Foto, starrte in die glücklichen Gesichter der Menschen, die darauf abgebildet waren. Wie lange war es nun schon genau her? Sie schluckte, fasste sich sofort wieder. Es brachte nichts, unnötige Gedanken an die Personen auf dem Foto zu verschwenden. Die Hälfte davon war tot, eingespert oder auf der Flucht. Die Organisation hatte ihre Welt aus den Fugen gerissen, hatte sich habgierig alles genommen, was ihr wichtig gewesen war. Sie starrte auf das junge Mädchen, das lächelnd direkt neben ihrem eigenen, jugendlichen Selbst stand. Wut stieg in ihr auf, machte Wermut für einen Moment blind für die restlichen Gestalten, die außer dem Mädchen auf dem Foto abgebildet waren. Ja. Sie war an allem Schuld. Dieses dumme, törichte Mädchen, welches ihre Träume über das Leben aller anderen gestellt hatte. Sie hatte sie alle mit in den Abgrund gezogen, auch wenn sie das vermutlich niemals beabsichtigt hatte. Die Organisation hatte sämtliche Leben geraubt, die versucht hatten, das für sie extrem wertvolle Mädchen vom Gegenteil zu überzeugen und ihr beinahe alles genommen. Das war nun schon sehr lange her. Und nun… begann scheinbar alles von vorne. Wieder hatte die Organisation vor, sich ihrer letzten beiden verbleibenden Menschen, die sie sich vorgenommen hatte zu schützen, habhaft zu werden. Sie zu töten. Sie wusste, was es bedeutete, einmal in “seinen” Fokus zu geraten, dafür kannte sie ihn schon zu lange. Er war zu vorsichtig, auch nur das geringste Risiko einzugehen. Würde er auf den Jungen aufmerksam werden, der in der Detektei Mori wohnte, hätte dieser nicht die geringste Chance. Um ihn musste sie sich allerdings aktuell noch keine Sorgen machen, immerhin hatte er seine Aufmerksamkeit noch nicht erregt. Angel bereitete ihr da schon eher Kopfzerbrechen. Wermut musste unbedingt herausfinden, weshalb er die Detektei Mori beschatten ließ. Sie bezweifelte, dass es mit “ihm” so leicht sein würde, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, wie es ihr damals bei Gin gelungen war. Es durchfuhr sie kalt. Gin… falls er von dem neuerlichen Ziel des Bosses erfahren würde, wäre das Schicksal der Drei besiegelt. Er hatte seinen Verdacht bezüglich Kogoro Mori bereits vor Monaten geäußert, war auch niemals wirklich davon abzubringen gewesen… Das war gefährlich, verdammt gefährlich. Gin war wie ein Hai, der sich, wenn er sich einmal in seiner Beute festgebissen hatte, sie nicht mehr loslassen würde, bevor sie erlegt war. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Aktuell mussten die Maßnahmen, die sie getroffen hatte, ausreichen. Zuerst hatte sie selbst ein Auge auf das Mädchen geworfen, was letztendlich dazu geführt hatte, dass sie ihr Ablenkungsmanöver bei Rum hatte starten müssen, da sie dabei entdeckt worden war. Wer hätte gedacht, dass sich das Mädchen noch so genau an ihr Gesicht erinnerte… glücklicherweise hatte Angel sie nur wenige Sekunden, bevor Wermut sowieso das Dach hatte verlassen wollen, gesehen. Wermut hatte Bourbon bereits auf der Straße erblickt, als er das Café Poirot verlassen hatte und sich schließlich auf den Weg die Stufen hinauf zur Wohnung der Familie Mori gemacht hatte. Sie hatte sich also ohne einen weiteren Gedanken an Angels Sicherheit verschwenden zu müssen, sofort zum Polizeipräsidium und damit zu Rum begeben können. Tooru Amuro, wie sich der Sunnyboy mit den hellbraunen Haaren in dieser Mission nannte, hatte die Bewachung übernommen, bis er durch einen Blick aus dem Fenster schließlich bemerkt hatte, dass neben dem normalen Beschatter von der Organisation nun auch noch ihre Freunde vom FBI eingetroffen waren. Sie selbst hatte ihm natürlich nicht verraten, dass sie mehr oder weniger dafür verantwortlich gewesen war. Dafür konnte sie ihm zu wenig trauen. Da er jedoch Jodie Starling kannte, hatte er selbst schlussfolgern können, dass das Mädchen in guten Händen war. Vermutlich hätte er bei einem längeren Aufenthalt auch noch den Verdacht auf sich gelenkt, daher er hatte er sich lieber zurückgezogen. Sie wusste, dass Amuro ein Risiko darstellte. Immerhin war es möglich, dass er “ano kata” von den Beschattern des FBI erzählte. Doch das war in ihren Augen eher ein Vorteil. Sie wusste, dass er es nicht leichtsinnig riskieren würde, dass seine Mitglieder in die Hände des FBI gerieten. Das würde ihnen auf jeden Fall Zeit verschaffen. Auch wenn Wermut grundsätzlich jedem Menschen misstraute, so hatte sie sich doch auf Bourbon verlassen müssen, als er bei dem Mädchen war. Er hatte ihr neben seinem Versprechen an sie selbst versichert, dass er keiner Zielperson etwas antun würde. Immerhin würde er damit auch “ano katas” Befehl missachten. Bis jetzt hatte es, nach Aussage des Beobachters, der anstelle des Fisches, welcher Kogoro verfolgt hatte, nur einen Beobachtungsbefehl für den Detektivbüroinhaber und seine Tochter im Oberschulalter gegeben. Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas, von ihrem Mineralwasser, merkte, dass es kein Wein war, verzog das Gesicht. Stellte das Glas neben sich auf einen kleinen Tisch. Dann stand sie auf, nahm das Foto, welches sie bis eben noch in ihren Händen gehalten hatte und verstaute es achtlos in einer Schublade in ihrem Wohnzimmerschrank. Wermut setzte sich wieder hin, knipste die kleine Lampe aus, die ebenfalls auf dem kleinen Tischchen mit dem Wasserglas stand und bis dahin ein ungemütliches hellweißes Licht abgesondert hatte. Sie legte ihren Kopf auf ihre Hände, die Ellenbogen auf die schmale, lederne Armlehne gestützt. Nachdenklich beobachtete sie durch die große Glasfront in ihrem Apartment, welches sich in einem der obersten Stockwerke eines Wolkenkratzers befand, wie die zu dieser Tageszeit rarer werdenden Lichter der Autos auf der Hauptverkehrstraße vorbeihuschten und dabei eine unwirklich erscheinende Lichterspur hinterließen. Samstag, 04. Juli, 22:05 Uhr, an einem unbekannten Ort Er verspürte eine unbegreifliche, panische Angst. Sie war so stark, dass die Beklemmung ihm das Atmen erschwerte, gleichzeitig pochte sein Herz wie wild, schlug schmerzhaft schnell gegen seinen Brustkorb. Er konnte sich nicht bewegen, sein Körper reagierte einfach nicht. Er spürte, dass er auf einem, kalten, schmalen Untergrund aus Metall lag. Seine Augen konnte er nicht öffnen, egal wie sehr er sich auch bemühte. Es war, als hätte jemand Bleikugeln an seinen Augenlidern festgemacht, die diese nun unerbittlich nach unten zogen. Was war das nur? Warum verspürte er nur diese furchtbare, noch nie dagewesene Angst? Er konnte es spüren; außer einem großen, rauen Tuch bedeckte nichts seinen Körper. Dabei war ihm doch so kalt, so unendlich kalt. Es schien über seinen kompletten Körper, ja sogar über sein Gesicht ausgebreitet worden zu sein, behinderte ihn beim Atmen. Noch während er diesen Gedanken fasste, konnte der Junge spüren, wie ihm mit einem beinahe unsanften Ruck das Tuch vom Gesicht gezogen wurde. Noch immer konnte er nichts sehen. Er hörte einen entsetzten Aufschrei, den er unter Tausenden wiedererkannt hätte, der ihm beinahe das Herz zeriss. “Was… nein… bitte… Conan-kun...” Ein ihn bis ins Mark erschütterndes Schluchzen durchbrach die Stille. Es kam von Ran. “Warum weinst Du denn, ich bin doch hier… mir geht es gut...” dachte der Junge, versuchte abermals seine Augen zu öffnen, sich zu bewegen. Es funktionierte nicht. “Conan-kun...” wieder Rans Stimme, das Mädchen schien vollkommen aufgelöst, so hatte er sie noch niemals zuvor erlebt. Der Grundschüler spürte, wie ihm jemand, vermutlich ebenfalls Ran, mit zitternden, eiskalten Händen sanft die merkwürdig klammen Haare aus der Stirn strich. “Wie ist das nur passiert…?” Der kleingeschrumpfte Oberschülerdetektiv Shinichi Kudo hörte die pure Verweiflung aus ihrer Stimme heraus. “Was soll passiert sein?” dachte er, die Panik nahm immer größere Ausmaße an, schien ihn beinahe zu ersticken. “Ich bin doch hier, Ran… alles ist in Ordnung...” “Können Sie den Jungen eindeutig identifizieren?” Eine Conan unbekannte, kalt klingende Stimme erklang, ihn durchfuhr es eiskalt, als die Bedeutung dieser Worte zu ihm durchdrang. “Mich… identifizieren… das klingt beinahe als ob...” “Ja...” Antwortete die Oberschülerin, ihre Stimme brach schon beim Ausspruch dieses einzelnen, kurzen Wortes ab. “Was… was soll das? Was passiert hier?” Nie gekannte Furcht durchflutete ihn. Er wollte den Mund aufmachen und schreien, doch er konnte nicht. Er konnte sich nicht bewegen, obwohl sein Gehirn die Befehle ganz sicherlich weitergab. “Ja...” erklang nun wieder Rans Stimme, sie wurde von Schluchzern durchbrochen “...es ist Conan Edogawa...” Conan spürte brennend heiße, nasse Tränen, die von oben auf seine Stirn tröpfelten und sich langsam ihren Weg über sein Gesicht bahnten. Ran. Sie weinte. Weinte wegen ihm. “Ran, nein, ich bin doch nicht tot, das kann nicht sein...” Adrenalin durchströmte ihn, er versuchte nochmals mit aller Kraft seine Augen zu öffnen, wehrte sich verzweifelt gegen die Bewegungslosigkeit… Dieses Mal gelang es ihm. Mit einer letzten Anstrengung, die ihn beinahe seine ganze vorhandene Kraft kostete, schlug er die Augen auf. Auf den ersten Blick konnte er nichts weiter erkennen, als einen in Dunkelheit getauchten Raum. Über sich erkannte er eine Zimmerdecke mit einer ausgeschalteten, edlen Lampe, die gespenstische Schatten an die Decke warf, welche durch das Mondlicht hervorgerufen wurden. Seine Augenlider fühlten sich so schwer an. Er schloss sie noch einmal, bis er spürte, wie sich sein Herzschlag langsam beruhigte, konzentrierte sich dabei auf das, was er um sich herum spürte. Er musste in einem warmen, weichen Bett mit kuscheligen Laken liegen. Einschläfernde Wärme umgab ihn. Erleichterung durchströmte ihn. Ein Alptraum. Es war ein Alptraum gewesen. Noch niemals hatte sich ein Traum so erschreckend real angefühlt. Es war kein Wunder, dachte er, als langsam die Erinnerungen träge durch seinen Kopf tröpfelten. Irgendein Irrer hatte ihn mit einem Sedativ vollgepumpt. Alpträume, Hallunzinationen… alles Nebenwirkungen von diesem Beruhigungsmittel. Langsam kamen die Erinnerungen wieder zurück. Die Akamizu-Show. Der Mord. Jemand, der ihn verfolgt hatte. Sein aussichtsloser Kampf gegen den Hünen mit dem gespenstischen weißen Mundschutz. Und… sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, unendliche, beklemmende Kälte. Die Unfähigkeit sich bewegen zu können, obwohl er es so verzweifelt versucht hatte. Gedämpfte Stimmen. Eine weinende, verweifelte Ran, nasse, heiße Tränen auf seinem Gesicht. Was davon war Wirklichkeit gewesen, was Einbildung? Verwirrt öffnete er die Augen, hob den Kopf ein Stückchen, als er ein Geräusch hörte, welches sein Herz sogleich wieder unnatürlich schnell schlagen ließ. Träumte er etwa immer noch? Er konnte wieder ein leises Schluchzen vernehmen, eine Faust umschloss mit eisigem Griff sein Herz. Würde dieser Alptraum denn niemals enden? Samstag, 04. Juli, 22:05 Uhr, Tokio, Industriegebiet Eilig überquerte der Mann den riesigen, bestimmt 1000 Stellplätze umfassenden Parkplatz, lief hinüber zu einem großen, gepflegt wirkenden Gebäudekomplex, der über 10 Stockwerke und die Hälfte der Straße umfasste. Dieser befand sich gleich gegenüber einer großen Druckereihalle für eine bekannte Tageszeitung, in welcher aktuell schon die Lichter brannten, da der Druck für die Morgenausgabe bald beginnen würde. Er sah sich kurz um, alles war so, wie es sein sollte. Sein Zielgebäude lag verlassen da, wie es um diese Zeit der Fall sein sollte. Nein, es zumindest den Anschein haben sollte. Denn natürlich forschten seine Mitglieder nicht nur tagsüber sondern auch des Nachts. Er persönlich hatte diese Anweisung gegeben, doch für den Rest der Bevölkerung handelte es sich bei diesem Gebäude um einen ganz gewöhnlichen Laborkomplex eines Pharmakonzerns, von dem keiner so recht einmal etwas gehört hatte. Dieser machte spätestens um 20:00 Uhr abends die Schotten dicht. Dass hier die komplette Nacht jemand arbeitete, war den Menschen nicht bekannt und würde auch nicht bekannt werden. Der Mann ging zu einem der großen stählernen Briefkästen und warf die kleinen Tütchen aus seiner Tasche dort hinein. Er schloss die Klappe wieder und steckte einen Schlüssel in ein Schlüsselloch, welches sich an der Seite des Kastens befand und jeder Unwissende sich gefragt hätte, wozu es nütze war. Er ignorierte die Überwachungskamera direkt über sich, die sich aktiviert hatte, als er den Schlüssel in das Schlüsselloch gesteckt hatte. Ein kleiner, aber feiner Mechanismus, der automatisiert einem Forscher im Inneren des Gebäudes eine Nachricht auf sein Handy schickte, dass nun neue Ware zum Analysieren gekommen war. Eine Nachricht, mit dem Hinweis, dass diese äußerste Dringlichkeit erforderte. Er ging zurück in die Richtung, in der sein Auto stand. Er beobachtete kurz den hageren Mann, dessen weißer Haarschopf von der schwachen Außenbeleuchtung beschienen wurde und der einen weißen Kittel trug. Er war scheinbar aus dem Nichts am Eingang aufgetaucht und hatte die Beutel sofort herausgeholt. Er kannte seinen Namen nicht, doch dies war ihm auch nicht wichtig. Wäre er nicht einer von unzähligen, Ersetzbaren gewesen, hätte er ihm persönlich einen alkoholischen Decknamen vergeben. Der Mann ging zu seinem Mercedes zurück und steckte sich abermals den Stöpsel des Kopfhörers in das Ohr. Er hörte ein leises Schluchzen in seinem Ohr, zog die Augenbrauen vor Verwunderung hoch, dann zogen sich abermals seine Mundwinkel nach oben. Er fragte sich, wie sich sein kleines Zielobjekt in dieser Angelegenheit schlagen würde. Er wollte eben den Motor starten, als ein leises Handyklingeln ihn dabei unterbrach. Der Schwarzträger zog das Mobiltelefon aus seiner Tasche. Während des Lesens nahm sein Gesicht zuerst einen Ernsten, danach einen gefassten Ausdruck an. Er hatte es sich fast schon gedacht. Die Anwesenheit des FBI heute im Tropical Land und die Tatsache, dass Madeira sich nicht mehr gemeldet hatte, hatten fast nur diesen Schluss zugelassen. “Verdammt...” Er schlug mit seiner Faust auf das mit edlem Holz verkleidete Armaturenbrett. Noch einmal las er die Nachricht, die er erhalten hatte. Sie kam von Rum. “Madeira befindet sich in FBI-Gewahrsam. Haftbefehl lag vor.” “Ano kata” überlegte. Wie sollte er jetzt weiter vorgehen? Madeira durfte auf keinen Fall plaudern. Auch wenn er sich fast sicher war, dass sie das nicht tun würde, bestand doch ein kleines Restrisiko. Solange sie sich in den Händen des FBI befand, konnte er nichts unternehmen. Sie musste irgendwie an die Polizei… Ja, das würde funktionieren. Er tippte eine Nachricht an die Nummer zwei, seinen engsten Vertrauten in der Organisation. Wie unglaublich nützlich es doch war, einen Verbündeten in höheren Polizeikreisen zu haben. Sofort erhielt er eine Antwort. “Verstanden.” Wie er es auch drehte und wendete, er war sich sicher, dass es einen Verräter in der Organisation gab. Jemanden, der nun vielleicht auch schon zum zweiten Mal, verhindert hatte, dass Sherry das Zeitliche segnete. Sherry. Diese Frau schien ständig neue Wege zu finden, sich ihnen zu entziehen… sie musste er auf jeden Fall unschädlich machen, zusammen mit dem Spion, der sich bei ihm eingenistet hatte. Als er daran dachte, wie lange sie bereits auf der Flucht war und wie wenig gefährlich sie ihm bis jetzt geworden war, entspannte er sich ein wenig. Damals hatten sie hinter ihr alle Brücken gekappt, es gab praktisch keine Spuren, die sie zurückgelassen hatten. Das Mädchen hatte nichts gegen die Organisation in der Hand. Das, was ihm wirklich gefährlich werden konnte, wenn es denn ans Tageslicht käme, wusste das Mädchen selbst nicht, denn sie hatte ihn niemals getroffen, dafür hatte er persönlich gesorgt. Keiner in der Organisation außer Wermut, Rum und “ihr” wussten, wer er tatsächlich war. Dies würde sich auch nicht ändern, er hatte große Ziele. Eher würde er halb Tokio dem Erdboden gleichmachen als sein großes, mittlerweile über ein halbes Jahrhundert andauerndes Projekt aufzugeben. Dafür war er viel zu weit gekommen. Niemand konnte ihm gefährlich werden, solange er mit Vorsicht handelte. Er hatte alles unter bester Kontrolle. Er würde die Augen und Ohren in nächster Zeit weit offen halten. Samstag, 04. Juli, 22:06 Uhr, Wohnung der Familie Mori Ran steckte den Haustürschlüssel in das Türschloss zu ihrer Wohnungstüre, drehte ihn gedankenversunken um. Sie hoffte, dass ihr Vater schon Zuhause war. Als sie die Türe öffnete, fiel ihr als Erstes auf, dass weder die Schuhe ihres Vaters noch die von Conan im Eingangsbereich standen. Sie waren immer noch nicht Zuhause! Sie ließ die Eingangstüre offen stehen, ging hinüber zur Garderobe, um zwei durchsichtige Plastikschirme aus dem Schirmständer zu nehmen, überlegte, ob sie Jodie und Agent Camel um Hilfe bitten sollte. In diesem Moment hörte sie es. Ein merkwürdiges, verdächtiges Geräusch. Es klang, als schöbe jemand Schubladen auf und zu. Ran zuckte zuerst zusammen, spitzte dann aufmerksam die Ohren. Da! Da war es wieder gewesen. Nun hörte sie ein leises Klackern, als ob eine Schublade unsanft durchwühlt wurde und diese dabei immer wieder ein Stückchen in ihren Rollen vor- und zurückrutschte. “Ein Einbrecher?” Dachte die Oberschülerin erschrocken. Das Geräusch war nun ein wenig lauter geworden, als wäre der Sucher ungeduldig und damit hektischer und unvorsichtiger geworden. Das Geräusch der sich in ihren Rollen bewegenden Schublade war nun deutlich zu hören. Ran trat einen Schritt vor, bewegte sich langsam auf die Quelle des Geräuschs zu. Es kam aus dem Zimmer, in welchem Conan und Kogoro gewöhnlich schliefen. Ran schlich auf Zehenspitzen am Wohnzimmertisch vorbei, darauf lag noch immer ein kleiner, mit sauberer Handschrift beschriebener Zettel, den sie hinterlassen hatte, damit sich ihre beiden Familienmitglieder keine Sorgen gemacht hätten, wären sie vor ihr nach Hause gekommen. “Bin kurz Einkaufen. Bin bald wieder zurück...” Noch immer eine ihrer Einkaufstüten in Händen haltend, näherte sie sich langsam dem Raum, aus welchem die Geräusche nun relativ laut drangen, die Holztüre stand halb offen. Vorsichtig trat sie an die Türe, warf einen Blick hinein, dann rief sie überrascht aus: “Paps! Was machst Du denn da?” Kogoro Mori, der in seiner Eile noch immer seine Straßenschuhe trug, achtete nicht auf sie, setzte seine begonnene Arbeit fort. Er öffnete die nächste Schublade der schweren Eichenkommode in seinem Zimmer. Es war die dritte Schublade von unten, die, in der Ran sonst immer einen Teil von Conans frisch gewaschener Kleidung verstaute. Der Mann begann, Hosen und T-Shirts des Jungen herauszuziehen, schüttelte alles kurz, wie um zu prüfen, ob sich etwas darin befand, das dort nicht hingehörte, dann warf er es achtlos auf den Fußboden. Er war nun bei den Socken angekommen, hier konnte er ebenfalls nichts finden. Er ließ das letzte Pärchen Socken, rot, mit dunkelblauen Bärchennoppen auf der Sohle, zu Boden fallen. Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, dass der Junge die jemals getragen hatte. Überhaupt trug der Junge ungerne verspielte Kleidungsstücke, wer konnte ihm das verübeln? Die Socken waren vermutlich ein Geschenk seiner Tochter an den Jungen gewesen, welches dieser gefliessentlich ignoriert hatte. Nachdem er die Schublade mit den Fußbekleidungen ebenfalls geleert hatte, zog er diese aus der Kommode und legte sie unsanft auf sein Bett, wo sich bereits eine andere befand. Die, in der weitere Kleidung des Jungen verstaut gewesen war. Der Mann ging nun in die Knie, musterte die Zwischenräume in der Kommode. Nichts. Hier war, wie er im Rest des Raumes bereits geprüft hatte, ebenfalls nichts… “Ich habe Dich gefragt, was Du da machst… was machst Du da mit Conans Sachen?” Rans Stimme wurde nun lauter, jetzt schien Kogoro sie gehört zu haben, zog seinen Kopf wieder aus der Kommode hervor. Er warf ihr einen für das Mädchen nicht deutbaren und trotzdem merkwürdig ernsten Blick zu. Ran erschauderte. Diesen Blick hatte sie bei ihrem Vater noch niemals zuvor gesehen. Kogoro war ein lockerer Typ Mensch, der zwar recht aufbrausend war und auch einmal gerne schimpfte, sich aber in der Regel recht schnell wieder beruhigte. Dieser Gesichtsausdruck, diese Ernsthaftigkeit, die seine Augen ausstrahlten. Es musste etwas passiert sein. “Wo sind die persönlichen Gegenstände des Jungen?” “Hier in der Kommode war keine weitere Schublade mehr frei, deswegen habe ich sie im Wohnzimmer im Sideboard verstaut...” meinte sie irritiert, noch immer von Kogoros Verhalten geschockt. Wortlos rauschte Kogoro an ihr vorbei, öffnete die Türe zum Wohnzimmerschränkchen. Auf dem obersten Brettchen kamen mehrere Kindermangas und -bücher zum Vorschein, auf der Ablage darunter waren sauber geordnet Schulbücher und mit krakeliger Schrift vollgeschmierte Schulhefte verstaut. Er öffnete eines der Hefte, betrachtete die Schriftsätze. Alles fein säuberlich in den einfachen Silbenschriften Hiragana und Katakana geschrieben, vollkommen gewöhnlich für einen Grundschüler. Er stutzte. Die Schrift war krakelig, doch irgendetwas daran kam ihm falsch vor. Kogoro blätterte die Seiten durch, überflog sie, kam aber einfach nicht darauf, was ihn störte. “Hat er sonst noch irgendwo Sachen, Ran?” “In seinem Schulranzen...” Ran deutete auf die Garderobe, beobachtete ihren Vater sprachlos dabei, wie er den Tornister packte, umdrehte und den Inhalt einfach auf den Boden ausleerte. Zum Vorschein kamen mit Schulnotizen vollgeschriebene Arbeitsblätter, weitere Schulbücher und ein Federmäppchen, in welchem sich ein paar Kugelschreiber, Bleistifte, ein gelber Radiergummi und Spitzer befanden. Der Mann schüttelte noch ein letztes Mal grob das Behältnis und tatsächlich purzelte noch ein letztes kleines Notizbüchlein heraus, welches ganz unten in der Tasche des Jungen verstaut gewesen sein musste. Der Mann überlegte kurz und war sich dann sicher, dass er den Jungen bereits bei verschiedenen Gelegenheiten darin Notizen hatte machen sehen. Er griff danach, öffnete es, besah sich die ersten Seiten, konnte es nicht fassen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Die Seiten waren gespickt mit Aufzeichnungen des Jungen, geschrieben in einer ordentlichen, gut zu lesenden Handschrift. Doch die Handschrift allein war es nicht, die Kogoro Mori einen Schauer über die Rücken jagte. Es war der Inhalt der Notizen selbst. Der Junge war angeblich sechs Jahre alt und verwendete Fremdworte, die Kogoro in diesem Alter niemals geläufig gewesen waren. Kein Kind in dem Alter hatte solch umfassendes Wissen und konnte dieses auch noch aufschreiben. Korrekt, ohne einen einzigen Rechtschreibfehler, niedergeschrieben in komplizierten Schriftzeichen, die erst in viel späteren Klassenstufen gelehrt wurden. Woher hatte er dieses Wissen? Konnte das jemand anderes für ihn geschrieben haben? Diese Schrift unterschied sich ja doch deutlich von der, die er in seinen Schulheften gesehen hatte. Kogoro zog eines der Arbeitsblätter vom Stapel, erkannte nun sofort, was ihn gestört hatte. Das Schriftbild änderte sich ständig. Natürlich waren Kinderschriften immer krakelig und selten komplett einheitlich, aber diese Schrift war irgendwie… anders. Es schien fast so, als hätte der Junge sich gezwungen, ausladender und kindlicher zu schreiben. Manche Worte schienen mit Absicht in die Länge gezogen, an einer anderen Stelle wiederum waren sie normal und dann wieder mit viel zu langen Strichen geschrieben. Es war fast so, als hätte er die Worte im Nachhinein verändert, damit sie eher zu einem Grundschüler passten und sich dabei keinen einheitlichen Kanon überlegt. Das war doch verrückt… Was war hier los? Er kam sich vor, als wäre er einer dieser schrulligen Nebencharaktere aus einer dieser berühmten, fast 100 Bände umfassenden Manga-Serien, die erst ganz zum Schluss, in Band 99 herausfanden, was wirklich gespielt wurde. Einer, von den Charakteren, die dann aus allen Wolken fielen, weil fast das gesamte Umfeld des Nebencharakters und sogar die Leser, schon gewusst hatten, was los war und nur er so lange im Dunkeln getappt war. Kogoro Moris Oberlippenbärtchen zuckte, dachte noch einmal genau nach, dachte an die Dinge, die er gefunden hatte in der Wohnung, dann stieß er einen unflätigen Fluch aus. Ein schöner Detektiv war er, in der Tat. Warum hatte er immer nur auf die Dinge geachtet, die da waren? Warum hatte er niemals auf die Dinge geachtet, die eben nicht da waren, die aber da sein müssten? Warum war ihm zuvor niemals aufgefallen, dass das Kind kaum persönliche Gegenstände besaß? Normalerweise quollen die Spielkisten von Kindern in Conans Alter doch immer voller unnützem Kinderkram über, welches das Kind selbst in ein paar Jahren nicht mehr brauchen würde. Conan war sechs Jahre alt. Wo war die Spielkiste? Warum hatte das Kind nur Gegenstände des täglichen Bedarfs? Grundsätzlich konnte er diese Frage natürlich damit beantworten, dass der Junge erst eine relaltiv kurze Zeit bei ihnen lebte. Doch trotzdem. Der Junge hatte ihn nicht ein einziges Mal gefragt, ob er ihm etwas zum Spielen kaufen würde. Niemals. Selbst die Konsole mit den Videospielen, hatte er nur selten angerührt und wenn er einmal gespielt hatte, hatte er haushoch gegen seine Freunde verloren. Fast so, als ob er eben nicht damit aufgewachsen war, wobei das doch bei seiner Generation üblich sein sollte. Auch die sonstigen Interessen, die ein Kind sonst hatte, schien er nur zu teilen, wenn er mit seinen Freunden unterwegs war. Entweder war er ein zutiefst traumatisiertes, merkwürdiges, hochintelligentes Kind, oder aber, er war nicht der, der er vorgab zu sein. Die Schlussfolgerungsshow, deren Zeuge er heute Nachmittag geworden war, deutete er auf Letzteres hin. Und nun steckte der Junge in Schwierigkeiten, in die er sich vermutlich sogar selbst gebracht hatte. Zog seine Tochter und ihn mit hinein. Verdammt. Kogoro Mori bezweifelte mittlerweile ernsthaft, dass es sich bei Conan Edogawa um seinen richtigen Namen handelte. Wie sollte er den Jungen nur finden? Nirgends gab es auch nur den geringsten Hinweis darauf, wer er war. Wer er war? Moment mal… “Ran… wo sind Conans Papiere?” “Papiere?” “Ja, Du weißt schon. Ein Versicherungsausweis einer Krankenversicherung oder ein Reisepass… kam er nicht ursprünglich mit seinen Eltern aus Amerika hierher?” zählte der Mann die verschiedenen in Japan notwendigen Dokumente auf. Ran schüttelte den Kopf. “Ich… ich habe diese Dokumente nie gesehen. In der Schule konnte ich ihn ohne anmelden, der Direktor sagte mir, Professor Agasa hätte sich bereits um alles gekümmert. Ich musste nur noch die Anmeldeformulare ausfüllen. Und die Krankenhausrechnungen und Arztrechnungen hat ebenfalls Professor Agasa beglichen.” “Und als wir nach London geflogen sind, ist er getrennt mit Professor Agasa nachgereist...” fügte Kogoro in Gedanken hinzu. Aber das war doch schon einmal etwas. Er musste dringend dem Professor mal einen Besuch abstatten. Der alte Herr war das Bindeglied. Ran hatte ihm doch erzählt, dass sie den Jungen damals bei dem Professor aufgegabelt hatte. Allerdings musste er zuvor noch zwei Dinge erledigen. 1. Das Kind musste gefunden werden, danach konnte er ihn sich immer noch in Ruhe vorknöpfen. Und eine zweite Sache, die ihm beinahe das Herz brach. Er sah hinüber zu seiner fast erwachsenen Tochter, die ihn mit großen Augen ansah, in ihrer Hand hielt sie schon seit mehreren Minuten eine weiße Plastiktüte vom 24-Stunden-Supermarkt, welcher sich nur einige Häuserblocks entfernt befand. “Warum möchtest Du das wissen, Paps… wo ist Conan?” Sie sah ihn mit einem zutiefst beunruhigten Blick an. Er zögerte einen Moment, überlegte, ob er ihr eine Lüge auftischen sollte, ihr erzählen sollte, dass der Junge mit den anderen Kindern unterwegs war. Dann entschloss er sich, dass er ihr das nicht antun konnte. Sie vergötterte den Jungen, sie hatte die Wahrheit verdient. Bevor er selbst allerdings keine Beweise hatte, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmte, würde er ihr aber nichts von seinem anderen Verdacht erzählen. “Mausebein… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll… Conan ist verschwunden… er wurde vermutlich entführt...” Ran hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie dachte an das Gespräch, welches sie heute mit Shinichi geführt hatte, an ihre dunkle Vorahnung. Eine Vorahnung, die sich seit Shinichis Verschwinden damals nun zum zweiten Mal bewahrheitet hatte. Sie wusste nicht wieso, doch sofort bildeten sich Tränen in ihren Augen. Sie hatte noch keine Einzelheiten gehört, wusste noch nicht, was genau passiert war. Doch ihre Intuition sagte es ihr, ließ es sie deutlich spüren: Der Junge war in großer Gefahr. Mit einem lauten Poltern ließ Ran Mori die Tasche mit den Lebensmitteln zu Boden fallen. Der inzwischen arg ramponierte Rettich verursachte einen Höllenlärm, als er aus der Tüte hinaus und heute zum zweiten Mal über den Fußboden rollte. “Mori-san… ist alles in Ordnung?” Eilige Schritte erklangen Sekunden nach dem Poltern auf der Treppe vor der Wohnungstüre, dann wurde diese mit Wucht aufgestoßen. Jodie und Agent Camel hielten inne, als sie sahen, dass beide Bewohner der Detektei Mori scheinbar unversehrt waren. Jodie Saintemillions Blick fiel auf den offenen Wohnzimmerschrank und den Inhalt des Schultornisters, welcher über den Boden verteilt dalag. Sie musterte Rans Gesicht, in welchem sich die pure Verzweiflung wiederspiegelte, leise Tränen rannen ihr über die Wangen. Ein Schatten legte sich über Jodies Gesicht. Sie hatten den Jungen also bisher noch immer nicht finden können. Sie wollte etwas sagen, doch Camel legte ihr seine rechte Hand auf ihre Schulter und schüttelte den Kopf. Jodie hatte verstanden. Sie waren offiziell als Zivilisten hier, waren denmnach auch in die Ereignisse nicht eingeweiht. Ran beachtete die beiden Angekommen nicht, sondern dachte nur verzweifelt: “Conan-kun… Wo steckst Du nur?” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)