DEAN CORVIN: 01. Das Ende des Imperiums von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 24: HEIMKEHR --------------------  Nach dem Erreichen der Plejaden hatte es nochmal einen ganzen Tag lang gedauert, bis der Verband von zwanzig Raumern der Sonnenwind-Flotte, der die NOVA SOLARIS eskortierte, gemeinsam mit ihr das Zentrum des offenen Sternenhaufens erreichte. Denn der Durchflug dieses Gebietes im Hyperraum, war alles andere, als ein Kinderspiel, was hauptsächlich an den hyperphysikalischen Gegebenheiten dieses Sektors, wegen der hohen Sternenkonzentration auf ein relativ eng begrenztes Raumgebiet, lag. Die Plejaden bildeten beinahe die Grenze zum Raumgebiet des Terranischen Imperiums. Da von dort aus, während des Interstellaren Krieges, nie Angriffe gegen das Terranische Imperium erfolgten, wurde im Gegenzug vom Terranischen Imperium nie der Versuch unternommen, mit einer Kriegsflotte in dieses Gebiet einzudringen, was ganz sicher zum Großteil auch an den schnell wechselnden Bedingungen des Hyperraums in dieser Region lag. So gehörten die Plejaden zu den am wenigsten umkämpften Gebieten des gesamten Krieges - obwohl nur 444 Lichtjahre von Terra entfernt. Bereits die erste planetare Regierung von Farradeen hatte, schon kurz nach der Kolonisierung dieses Raumsektors, schnell den strategischen Wert der Plejaden erkannt. Während des Krieges, aber auch danach, entstanden zahlreiche Stützpunkte in den dort befindlichen Sternensystemen. Gleichzeitig verlegte man einen Großteil der Flottenwerften in dieses nur schwer zugängliche Gebiet, durch das es zwar einigermaßen sichere Routen gab, die aber nur wenigen, loyalen Navigatoren der Kriegsflotte von Farradeen bekannt waren. Gegenwärtig umfasste die Farradeen-Allianz 37 kolonisierte Sternensysteme, von denen allein 9 in den Plejaden lagen, und 53 Flottenbasen und befestigte Außenposten auf nicht kolonisierten Planeten. Als der Verband, vorläufig zum letzten Mal aus dem Hyperraum fiel, sah die Zentrale-Besatzung gespannt auf die Bilder, die der Haupt-Holoschirm wiedergab. Nur 500.000 Kilometer befanden sich die 21 Raumschiffe nach diesem Manöver von Farradeen entfernt. Im Zentrum des Bildschirms zeichnete sich das gestochen scharfe Abbild eines grün-blau schimmernden Planeten ab, der eine große Ähnlichkeit mit Terra aufwies. Weite Flächen der erkennbaren Landmassen schienen von dichten Wäldern bewachsen zu sein. Zwischen den Kontinenten schimmerten die tiefblauen Meere. Auf den ersten Blick war Farradeen eine wunderschöne Welt, und Dean Corvin, ebenso wie die meisten anderen Anwesenden, hoffte, dass sich dieser Eindruck auch nach der Landung bestätigen würde. Die Besatzung des Leichten Kreuzers hatte seine Ansprache, vor gut elf Tagen, besser aufgenommen, als er befürchtet hatte. Nur wenige kritische Fragen waren aufgekommen, aber auch diese vernünftig und sachlich, was Corvin zeigte, dass Hilaria Mbena Generalmajor Stuart Phillips eine sehr gute Crew für die NOVA SOLARIS abgerungen hatte, und in Gedanken sandte eine Dankesbotschaft in Richtung Delta-Cephei-System. Bisher bedauerte Dean Corvin lediglich, dass Kimi Korkonnen nicht dabei war. Zum ersten Mal, seit Jahren, hatten sie voneinander Abschied nehmen müssen, und der Kanadier spürte seit Tagen, wie sehr er den Freund vermisste. Ein gewisser Trost war ihm in diesen Momenten, dass er sich mittlerweile so hervorragend mit Irina Hayes verstand. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass hier eine sehr gute, platonische Freundschaft heranreifte. Ähnlich der, die ihn und Tabea Carrick verbunden hatte. Gelegentlich verfiel er bei dem Gedanken an die verstorbene Freundin in eine düstere Stimmung, die jedoch weniger lang anhielt, als unmittelbar nach den traumatischen Ereignissen auf Luna. Manchmal gewann Dean Corvin in letzter Zeit den Eindruck, dass diese Geschehnisse schon Jahre zurücklagen. Inzwischen war bei der Regierung auf Farradeen die offizielle Kriegserklärung der Konföderation Deneb eingegangen. Der Diktator auf Denebarran hatte darin nochmals eindeutig klargestellt, dass er die Flotten des Verbündeten nicht den Kombattanten-Status einräumte, und dem entsprechend mit ihnen zu verfahren gedachte. Der Rat von Farradeen hatte auf diesen Zusatz nicht reagiert, und Dean Corvin musste sich nicht darum kümmern, da er und seine Mannschaft nun Teil der Farradeen-Allianz waren. Doch er machte sich natürlich Sorgen um seine Freunde bei der Terranischen Flotte, und gelegentlich loderte wilder Hass auf den Diktator der Konföderation in ihm auf. Die Lage im Sol-Sektor, und im Aldebaran-System war momentan ungewöhnlich ruhig, doch es war nur eine Frage der Zeit, wann sich das änderte. Hilaria Mbena und ihre Verbündeten gedachten dem zuvor zu kommen und hofften, vor einer signifikanten Lageänderung, das geplante Kommandounternehmen durchführen zu können. Dean Corvin seinerseits hoffte dasselbe, wenn auch aus etwas anderen Beweggründen heraus. Denn er hoffte inständig, bei der bevorstehenden Aktion, etwas über das Schicksal einer jungen Frau zu erfahren, die vermutlich noch immer auf dem Mond der Erde festsaß. Falls man sie nicht entdeckt und gefangengenommen hatte. Dabei war ihm klar, wie gering die Aussichten waren, Rian Onoro jemals lebend wiederzusehen. Doch er war nicht bereit, die Hoffnung daran aufzugeben. Der Kommandant der NOVA SOLARIS kehrte aus diesen Überlegungen in die Gegenwart zurück, als er von Moana Adamina angesprochen wurde. „Kommandant, wir haben Landefreigabe für Landefeld 027-XII auf dem Raumhafen der Stadt Xorolan.“ „Bestätigen Sie, Leutnant.“ Dean Corvin beobachtete die Samoanerin und schmunzelte bei dem Gedanken an ihre erste Begegnung, und der versteckten Drohung, ihm in den Hintern zu treten. Bisher hatte sie dieses Vorhaben nicht umgesetzt, auch wenn es gelegentlich immer noch kleinere Reibereien zwischen ihnen gab. Sie war zugegebenermaßen ein schwieriger Typ. Aber sie erfüllte ihren Dienst an Bord bislang vorbildlich, und das zählte für den Kanadier. Ein krasser Kontrast zu Moana Adamina war Curtis Newton, dessen Ruhe beinahe sprichwörtlich war. Nichts und Niemand schien den Pilot aus der Ruhe bringen zu können. Die neben ihm sitzende Weganerin, ebenfalls im Rang eines Leutnants, Linaris Terrek, schien von ähnlichem Gemüt zu sein, wie der Pilot. Doch nur oberflächlich, denn Corvin war aufgefallen, dass sie einen Hang dazu hatte, gerne ihre Mitmenschen zu necken. Ihre Vorfahren mussten relativ früh nach Wega-VIII ausgewandert sein, denn ihre Haut wies einen sehr deutlichen Blauschimmer auf. Für ihre Herkunft typisch war sie von sehr kräftiger Statur und ihr Haar besaß die typische, dunkelrote Färbung. An der Konsole der Langstrecken-Ortung saß Stabsfeldwebel Stefanie Dornarran. Die auf Venus geborene Frau wirkte, im Vergleich zu der Weganerin, geradezu zerbrechlich, wegen ihrer zierlichen Statur. Die helle Haut der Frau bildete zu ihren dunkel-braunen Haaren einen interessanten Kontrast. Den Letzten im Bunde, in der Zentrale des Kreuzers, bildete Oberfeldwebel Akira Takeda, der, mit über 1,90 Metern Körpergröße von ungewöhnlich hochgewachsener Statur war, für einen Mann asiatischer Abstammung. War Curtis Newton ruhig, so konnte man den Mann an den Maschinenkontrollen als geradezu wortkarg bezeichnen. Dean Corvin blickte diese Offiziere und Unteroffiziere nacheinander an, während die NOVA SOLARIS in die oberen Schichten der planetaren Atmosphäre eindrang. Dies war seine Führungscrew, zu der auch noch Fatul Mahmalad, im Maschinenraum, gehörte. So unterschiedlich sie in ihrem Äußeren waren, so individuell waren sie auch in Geisteshaltung und Gemüt. Sie ließen sich in kein Schema pressen, und das war gut so. Dennoch würde er, Dean Corvin, aus ihnen eine Einheit formen, eine Schiffsbesatzung, die an einem Strang zog, und die sich demselben Ziel verschrieb. Das schwor er sich in diesem Moment. Bereits während des Fluges zu diesem Planeten hatte er sich mit jedem von ihnen mindestens einmal etwas länger unterhalten, und dabei hatte er in den Gesichtern dieser Menschen etwas entdeckt, was ihm vor der Abwehrschlacht im Delta-Cephei-System noch nicht so eindringlich aufgefallen war. Vertrauen. Sie vertrauten ihm, einem jungen Raumschiffskommandanten – ein Absolvent der Sektion-Terra – der weit vor der Zeit in den Rang eines Majors aufgestiegen war. Damit schoben sie ihm gleichzeitig alle Verantwortung zu, doch sie erdrückte ihn nicht. Im Gegenteil, sie gab ihm eine Sicht auf die Dinge, die ihm bisher verschlossen gewesen war. Tiefer und tiefer sank die NOVA SOLARIS, der Oberfläche des Planeten Farradeen entgegen. Es sprach für das Können von Leutnant Curtis Newton, dass er den Kreuzer mittig auf der ausgefahrenen Plattform eines unterirdischen Werft-Hangars aufsetzte, ohne dass man in der Zentrale etwas davon spüren konnte. Noch bevor Dean Corvin den Befehl dazu gab, die Schiffssysteme herunterzufahren, wurde die Plattform abgesenkt und der Leichte Kreuzer sank unter das Niveau des Landefeldes ab. Das Letzte, was die Zentrale-Besatzung auf dem Hauptschirm zu sehen bekam war, dass sich über dem Raumschiff gewaltige Panzerpforten, ähnlich jenen der Geheimbasis auf Luna, schlossen. Dean Corvin aktivierte den Schiffs-Interkom an seiner Konsole, so dass seine Stimme im gesamten Schiff gehört werden konnte, und sagte ruhig: „Hier spricht der Kommandant. Die NOVA SOLARIS ist gelandet. Bitte fahren Sie alle Systeme herunter, verlassen den Kreuzer und treten bitte vor der NOVA SOLARIS an. Ende.“ Corvin erhob sich und sagte: „Sie haben es gehört. Wir verlassen das Raumschiff.“ Als die Führungsoffiziere die Rampe hinunter schritten war die Besatzung des Leichten Kreuzers bereits vollständig vor dem Schiff angetreten. Gemeinsam mit Irina Hayes trat Dean Corvin vor die, in Dreierreihe angetretene, Mannschaft, während sich die übrigen Mitglieder der Zentrale-Besatzung einreihten. Drei Offiziere, die durch ein breites Schott diesen inneren Hangarbereich betreten hatten, schritten auf sie zu. Drei Schritte vor ihnen blieben sie stehen, und der Ranghöchste der drei Offiziere, ein weiblicher Oberstleutnant, salutierte. „Major Corvin, ich bin Oberstleutnant Vara Kiryn, die Kommandantin dieses Werftkomplexes. Ich begrüße Sie und Ihre Besatzung herzlich auf Farradeen. Bitte geben Sie Befehl, dass ihre Mannschaft meinen beiden Ordonanzen folgt. Sie werden sich darum kümmern, dass ihre Leute zunächst neu eingekleidet werden, und man ihnen danach ihre Unterkünfte in der Stadt zuweist, die sie bei der Landung sicherlich bemerkt haben werden. Sie selbst begleiten bitte mich, Major. Der Stabschef möchte sie kurz sprechen, bevor ich Ihnen im Anschluss ihre Unterkunft zeigen werde.“ Dean Corvin gab Irina Hayes einen kurzen Wink. Die beiden begleitenden Offiziere führten die Besatzung der NOVA SOLARIS in Richtung des breiten Schotts davon, während sich Oberstleutnant Vara Kiryn wieder Corvin zuwandte. „Bitte begleiten Sie mich.“ Sie wandte sich nach Rechts und Dean Corvin schritt an ihrer Seite auf eines von mehreren kleinen Seitenschotts der Hangarhalle zu. Auf dem Weg aus der Halle musterte Corvin seine Begleiterin. Sie trug ihr schwarzes Haar recht kurz, was zu ihrem Typ passte. Ihre grau-grünen Augen strahlten gleichzeitig Intelligenz und Willensstärke aus. Aber auch eine gewisse Wärme. Die etwas zu groß geratene, leicht gebogene, Nase verliehen ihrem Gesicht dabei eine gewisse Pfiffigkeit, wie Corvin fand. Er schätzte die Frau an seiner Seite, die nur unwesentlich kleiner gewachsen war, als er selbst, auf Mitte Dreißig, nach terranischer Zeitrechnung. Dabei spürte er instinktiv ihr Selbstvertrauen, und ihm wurde in diesem Moment nur allzu deutlich bewusst, wie sehr er sich von dieser Frau unterschied, obwohl er nur einen Rang unter ihr stand. Gleichzeitig bekam er eine leichte Ahnung davon, wie schwer es für ihn werden würde, den Rang, den er nun bekleidete, gut auszufüllen, und die dumpfe Ahnung, dass man ihm mit der rasanten Beförderung ganz bestimmt keinen Gefallen getan hatte, machte sich in ihm breit. „Jetzt wünschen Sie sich bestimmt gerade, Sie wären noch Oberleutnant, ohne die Verantwortung für einhundertundneun Leben zu tragen, nicht wahr?“, drang die etwas raue Stimme der Frau an seiner Seite in Corvins Gedanken. Verwundert blickte Corvin seine Begleiterin an. Oberstleutnant Kiryn lachte wissend. „Entschuldigen Sie, Major, aber ihr Gesicht eben hat Bände gesprochen. Ich kann mir ganz gut vorstellen, wie Sie sich gerade fühlen. Sie sind ein junger, vielleicht talentierte, aber dennoch unerfahrener, Offizier, für den Posten eines Kreuzer-Kommandanten. Sie werden auf die harte Tour lernen müssen ein guter Befehlshaber zu werden, fürchte ich.“ Dean Corvin schluckte bei diesen recht offenen Worten, von denen er ahnte, dass jedes genau den Tatsachen entsprach. Für eine Weile grübelnd, antwortete er endlich: „Ich hoffe nur, dass ich nicht dabei versagen werde, Oberstleutnant.“ Die Frau sah ihn sinnend an. „Dass Sie an sich zweifeln ist ein gutes Zeichen. Nur schlechte Offiziere denken, mit jeder Situation fertig werden zu können. Nun, immerhin glaubt die Oberkommandierende der Terranischen Raumflotte an Sie, also tun Sie das am besten auch, Major Corvin.“ Sie erreichten das Schott. Während sie hindurch schritten, und eine hell erleuchteter, weißer Gang sie aufnahm, erwiderte der Terraner: „Ich danke Ihnen, für Ihre offenen Worte.“ Ein wohlwollendes Lächeln überflog die breiten Lippen der Frau für einen kurzen Moment, bevor sie das Thema wechselte. „Ich denke, dass Ihr Kreuzer bereits übermorgen mit den neuen Markierungen der Farradeen-Allianz aufwarten kann, Major. Wir werden uns dabei bemühen, keine Kratzer in der Panzerung zu hinterlassen. Keine allzu auffälligen Kratzer zumindest.“ Die Augen der Frau funkelten amüsiert, als Corvin ein leises Seufzen von sich gab. Beide Offiziere erwiderten den Gruß einer Gruppe von Technikern, die ihnen im Gang entgegen kam, und bogen dann, nach Links, in einen Seitengang ab. Endlich hielt Oberstleutnant Kiryn an. Sie legte ihre Hand auf den Öffnungskontakt des Schotts vor dem sie standen, und sie betraten einen Vorraum, dem sich ein Büroraum anzuschließen schien. Zumindest ließ das Schott auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, und die Einrichtung darauf schließen. Die schwarzhaarige Frau wandte sich an Dean Corvin. „Treten Sie ein, der Stabschef erwartet Sie in meinem Büro. Ich werde hier draußen, im Vorzimmer, warten. General Ty-Verrin will Sie unter vier Augen sprechen.“ „Ich danke Ihnen.“ Dean Corvin trat ein und machte einige Schritte auf die energisch wirkende Frau zu, die in der Mitte des Raumes stand. Corvin schätzte die Körpergröße der Endfünfzigerin auf nicht ganz 1,70 Meter. Dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl zu dieser Frau aufzusehen, als er vorschriftsmäßig grüßte und sagte: „Major Dean Corvin, melde mich wie befohlen.“ Die grünen Augen des Generals musterten Corvin durchdringend, während er den Gruß erwiderte. Erst nach einem endlos scheinenden Moment erwiderte sie mit klarer Stimme: „Stehen Sie bequem, Major. Ich bin General Faora Ty-Verrin. Ich will Ihnen hier und jetzt keine detaillierten Fragen stellen, dafür wird im Laufe der nächsten Wochen noch Zeit sein. Mir geht es im Augenblick nur darum, mir ein persönliches Bild von Ihnen zu verschaffen, denn offensichtlich hält meine Kollegin vom Imperium große Stücke auf Sie, weil Sie den Experimentalkreuzer vor dem Zugriff der Konföderation in Sicherheit bringen konnten. Aber das betrifft General Mbena, und nicht mich. Bei mir beginnen Sie bei Null, das muss Ihnen klar sein, Major Corvin.“ „Aye, Sir.“ Wieder schienen die Augen des Generals ihn zu sezieren, und Dean Corvin spürte dabei ein Kribbeln in der Magengegend. Erst, als sich auf dem Gesicht der blonden Frau die Andeutung eines Lächelns zeigte, entspannte sich Corvin innerlich etwas. „Major, ich will Sie dann nicht länger aufhalten, die Ereignisse der letzten Wochen waren bestimmt alles andere, als angenehm für Sie. Oberstleutnant Kiryn wird Sie im Anschluss zu ihrer Unterkunft begleiten und Ihnen dabei den Dienstplan der nächsten Tage, für Ihre Besatzung und Sie, aushändigen. Morgen jedoch erwarte ich von Ihnen einen ausführlichen Bericht, bezüglich des Überfalls auf das Sol-System und aller relevanten Ereignisse danach. Bereiten Sie sich darauf vor.“ „Verstanden, Sir.“ Dean Corvin zögerte etwas und die Endfünfzigerin hob neugierig ihre Augenbrauen. „Ist noch etwas, Major Corvin?“ Der Terraner nickte. „Ja, Sir. Ich habe mich gefragt, warum sich ein so hoher Offizier, wie Oberstleutnant Kiryn, persönlich um mich kümmert.“ Eine Spur von Anerkennung spiegelte sich in den Augen des Generals. „Vara Kiryn kümmert sich um Sie, weil sie nicht nur eine hervorragende Werft-Kommandantin ist, sondern weil sie auch Psychologie studiert hat, Major. Abseits davon werden Sie beide, in der nächsten Zeit, eng zusammenarbeiten, und ich hielt es für eine gute Idee, dass Sie sich so früh wie möglich kennenlernen. Haben Sie sonstige Fragen?“ „Nein, General.“ „Dann dürfen Sie nun wegtreten.“ Sie salutierten erneut und Dean Corvin wandte sich ab. Bevor er das Büro verließ, holte ihn die helle Stimme des Generals ein. „Major Corvin?“ Der Terraner verhielt den Schritt und wandte sich um. „Sir?“ „Willkommen auf Farradeen.“ „Danke, General.“ Im Vorraum angekommen hielt Vara Kiryn bereits einen Daten-PADD in ihren Händen. Dean Corvin ahnte, dass es sich um jene Unterlagen handelte, von denen der General gesprochen hatte. Dienstpläne für ihn und seine Besatzung. „Ich lasse Ihnen weitere Daten später auf das Terminal ihrer Unterkunft überspielen“, erklärte Vara Kiryn, noch bevor Corvin eine entsprechende Frage stellen konnte. „Sobald Ihre Individualmuster in der planetaren Datenbank gespeichert sind benötigen wir so etwas hier nicht mehr.“ Bei den letzten Worten winkte sie vielsagend mit dem PADD. Dean Corvin nahm es von ihr entgegen. Gemeinsam verließen sie das Büro der Frau. Als sie, eine Viertelstunde später, nebeneinander über den Belag des Landefeldes zu einem wartenden Bodengleiter schritten, ging gerade die Sonne des Systems hinter der fernen Hügelkette unter. „Farradeen hat auf den ersten Blick sehr viel mit Terra gemeinsam“, sagte Corvin nachdenklich. „Es ist sehr schön hier.“ „Sie vermissen Ihre Heimatwelt?“ Eingedenk dessen, was Dean Corvin von General Ty-Verrin über den Oberstleutnant erfahren hatte, antwortete er wahrheitsgemäß: „Etwas, Oberstleutnant. Andererseits hat es mich, seit ich zurückdenken kann, immer zu den Sternen gezogen. Ich würde sagen, dass sich bei mir Heimweh und Fernweh die Waage halten. Was ich gegenwärtig wirklich sehr vermisse, das sind meine Freunde, die sich nun da draußen im Weltraum verstreut, auf verschiedenen Planeten und Raumschiffen aufhalten.“ Oberstleutnant Vara Kiryn blickte Dean Corvin prüfend an. Er hatte einen Punkt nicht ausgesprochen, und diese Frau schien das bemerkt zu haben. Ihre nächsten Worte bestätigten diese Vermutung des Terraners. „Aber da ist noch etwas Anderes, habe ich den Eindruck.“ Dean Corvin überlegte einen Moment lang. Erst als sie den Gleiter erreicht hatten und im Fond eingestiegen waren, antwortete er auf diese Vermutung. „Ja, Oberstleutnant. Bei der Flucht von Luna musste ich eine Kameradin, die ich während des Angriffs kennengelernt habe, zurücklassen, und das belastet mich seitdem.“ „Möchten Sie darüber reden, Major?“ Dean Corvin sah die Frau an seiner Seite offen an, während der Gleiter abhob und Fahrt aufnahm. „Grundsätzlich ja, Oberstleutnant. Aber nicht mehr heute. Können wir vielleicht morgen darüber reden?“ Die Frau nickte. „Das ist kein Problem, Major Corvin. Ich werde Sie morgen Abend, nach Dienstschluss, aufsuchen und dann erzählen Sie mir davon.“ Dean Corvin verspürte eine deutliche, innere Erleichterung. Ja, es verlangte ihn danach, mit einer neutralen Person über diesen Punkt zu sprechen. Tief durchatmend erwiderte er: „Das wäre toll, Oberstleutnant Kiryn.“ Schneller als gedacht hielt der Gleiter vor einem Bungalow, der zum Randbezirk der Stadt gehörte. Nachdem Corvin und Vara Kiryn ausgestiegen waren deutete die Frau auf das Gebäude und meinte: „Das wird ihr zukünftiges Zuhause sein, Major. Ihr Erster Offizier wohnt links neben Ihnen, ihre Kameraden in den anderen, umliegenden Bungalows. Die Einrichtung ist momentan noch etwas spartanisch, aber da werden Sie wohl selbst, im Laufe der Zeit, Abhilfe schaffen, schätze ich. Zumindest aber wartet, dort in der Garage, bereits ein eigener Dienstgleiter auf Sie.“ Dean Corvin sah Vara Kiryn in die Augen und Dankbarkeit lag in seinem Blick. „Dieser freundliche Empfang tut gut, Oberstleutnant. Ich freue mich bereits auf das morgige Gespräch mit Ihnen.“ Die Frau lächelte verstehend. „Wir sehen uns morgen, Major Corvin.“ Sie stieg in den Gleiter, und der Terraner blickte ihm nach, bis er in der Ferne seinen Blicken entschwand. Für eine Weile blieb er einfach im Vorgarten seines neuen Zuhauses stehen und sah sich aufmerksam um. Dabei lauschte er den Geräuschen einiger unbekannter Tiere, die aus dem fernen Wald an seine Ohren drangen. Er schloss seine Augen und atmete tief die würzige Luft ein, die so fremde und gleichzeitig auch vertraute Gerüche mit sich trug. Erst nach einer ganzen Weile öffnete er die Augen wieder und ging in die Hocke. Gedankenverloren, mit beiden Handflächen über das Gras des Rasens streichend, blickte er zu der Hügelkette hinüber, hinter der die Sonne dieses Systems eben erst untergegangen war, und zum ersten Mal, seit vielen Tagen, verspürte er eine innere Ruhe in sich, die er sehnsüchtig vermisst hatte. Erst nach einer geraumen Weile erhob sich der Terraner wieder und dachte dabei: Noch bist du eine fremde Welt für mich, Farradeen, aber vielleicht wirst du eines Tages das werden, was ich als Heimat bezeichnen kann. Dann wandte sich Dean Everett Corvin um und betrat das Innere seines neuen Zuhauses. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)