DEAN CORVIN: 01. Das Ende des Imperiums von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 22: IN DER FALLE ------------------------  Seit nunmehr fast sieben Tagen war Feldwebel Rian Onoro auf der Flucht vor den Truppen der Konföderation Deneb, die mittlerweile die Geheimbasis längst vollständig unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Nur um Haaresbreite war sie, nach der Flucht der NOVA SOLARIS, den heranrückenden Truppen von Generalleutnant Grenqvist entkommen. Nach den ersten drei Tagen, die sie sich erfolgreich in den abgelegenen Bereichen der Basis hatte verbergen können, hatte die Technikerin gehofft, die Spürtrupps der Konföderation würden irgendwann aufhören, die Basis zu durchstreifen. Doch zu ihrem Verdruss war das nicht geschehen. Noch immer durchsuchten schwer bewaffnete Patrouillen alle Bereiche dieser Basis nach versprengten Terranern, und ihre einzige Chance war es gewesen, immer in Bewegung zu bleiben, und keine Spuren dabei zu hinterlassen. Gerade im Moment war sie dabei, einen seit zwei Tagen geplanten Sabotageakt gegen die internen Überwachungssysteme durchzuführen. In einem abgelegenen Frachtraum der Basis, ganz in der Nähe der Hauptenergieleitungen, über welche die internen Scanner und optischen Überwachungsanlagen mit Energie versorgt wurden, hatte sie mühsam einige Kunststoff-Kisten so übereinander gestapelt, dass sie sich Zutritt zur Zwischendecke hatte verschaffen können. Flach auf dem Bauch kriechend, über ihrem Kopf nur eine Handbreit Raum, bewegte sie sich zielstrebig ihrem Ziel entgegen. Ihre Waffen hatte sie zwischen mehreren Kisten im Lagerraum zurückgelassen. Einige der Aggregate hier oben, zwischen denen hindurch sie sich schlängeln musste, strahlten eine enorme Wärme aus, und bereits nach wenigen Minuten schwitzte sie aus allen Poren. Bereits vor einigen Tagen hatte sie, da sie sich nun seit einer Woche nicht mehr hatte waschen können, einen unangenehmen Körpergeruch an sich selbst festgestellt. Und dieser erneute Schweißausbruch würde es nicht zum Besseren verändern. Irgendwann werden die mich auch ohne Scanner finden, dachte Rian Onoro ironisch. Sie brauchen einfach nur die Witterung aufzunehmen. Immer weiter kriechend erreichte sie nach rund zwanzig Minuten schließlich ihr Ziel. Kurz verschnaufend nahm sie, in der beengten Umgebung, den Deckel des Energieverteilers ab, den sie sich für ihre Sabotage ausersehen hatte. Nachdem sie kurz die Schaltkristalle angesehen hatte, entfernte sie zielsicher vier der flachen, transparenten Elemente und steckte sie verkehrt herum wieder ein. Diese Modifikation sorgte dafür, dass die Energieversorgung der Systeme, die sie nicht zu sabotieren gedachte, weiterhin gewährleistet war und dass man ihre Manipulation des Energiestroms nicht ohne weiteres aufspüren konnte. Nicht, ohne die internen Scanner, die sie eben, neben dem Kamerasystem, vom Netz getrennt hatte. Fraglos würden die Techniker der Konföderation irgendwann den Fehler finden, und beides wieder in Gang setzen können, doch das würde ihrer Schätzung nach vermutlich mindestens eine Woche dauern. Bis dahin musste ihr etwas Neues einfallen. Bereits während sie umkehrte und zu der Deckenöffnung des Frachtraumes zurück kroch, verspürte sie einen Druck in der Magengegend. Sie musste, und das bereits seit Stunden, ein dringendes Bedürfnis verrichten. Doch anders, als bisher, gab es in diesem Bereich der Basis, in der sie momentan weilte, keine Sanitärräume. Bisher waren diese Momente ihr größtes Problem gewesen, denn es war gar nicht so leicht, eine Toilette aufzusuchen, ohne dabei gleichzeitig einer Patrouille in die Arme zu laufen. Bisher hatte sie zwar Glück gehabt, doch sie musste vorsichtig bleiben. Als sie endlich aus der Zwischendecke heraus kletterte und kurz darauf wieder glücklich auf dem Boden des Frachtraumes stand, da wurde der Druck bereits unerträglich. Fieberhaft sah sie sich nach einem Notbehelf um und entdeckte ihn. In der hinteren Ecke des Raumes fand sie einen Kunststoffeimer, der offensichtlich bereits längere Zeit hier verrottete. Eine Zeitlang stand sie unschlüssig da, bevor sie den Eimer nahm und ihn zwischen zwei der größeren Kisten auf den Boden stellte. Allein schon bei dem Gedanken daran, was nun folgen würde, ein angewidertes Gesicht machend, ließ sie die Hosen herunter, kniete sich, mit dem Rücken an eine der Kisten angelehnt, ab und versicherte sich, dass der Eimer wirklich mittig unter ihr stand. Erst dann entspannte sie sich. Sich breitbeinig, etwas ungeschickt, erhebend, suchte sie fieberhaft in einer der Hosentaschen nach etwas Toilettenpapier, das sie am Vortag eingesteckt hatte. Erleichtert, als ihre Finger es ertasteten, zog sie es aus der Tasche und säuberte sich damit, so gut es eben ging und ließ es anschließend mit in den Eimer fallen. Rasch zog sie sich wieder an und dachte dabei: Bloß weg damit. Den nächsten Schacht zur Recycling-Anlage machte sie schnell ausfindig, und mit Ekel im Blick ließ sie den Eimer mit ihrer Notdurft durch die große Klappe verschwinden. Sie war sicher, dass ihr dieser beinahe entwürdigende Moment länger im Gedächtnis bleiben würde, als ihr lieb war. Fast gleichzeitig fingerte ihre Linke an ihrer Beintasche, dort, wo sie noch einen der letzten Konzentrat-Riegel aufbewahrte, die sie vor drei Tagen aus einem der kleineren Depots gestohlen hatte. Sie entschied sich jedoch spontan, dass sie noch nicht wieder Hunger hatte. Stattdessen beließ sie es dabei, eine Wassertablette zu schlucken, um ihr Verlangen nach Flüssigkeit zu stillen. Bereits zweimal hatte sie sich mit Lebensmitteln versorgen müssen, da sie naturgemäß immer nur einen begrenzten Vorrat in ihren Taschen mitnehmen konnte. Es war bald an der Zeit, ihren Vorrat wieder aufzufüllen. Spontan entschloss sich Rian Onoro dazu, das sofort zu erledigen. Was sie hatte, das hatte sie. Ihre beiden Handwaffen zurück in die Hosentaschen stopfend nahm sie zuletzt wieder ihr Plasma-Gewehr an sich. Das Schott des Frachtraumes öffnend spähte sie vorsichtig auf den Gang hinaus. Niemand war zu hören oder zu sehen. Schnell verließ sie den Frachtraum und rannte geschmeidig den Gang hinunter, zu einem Schott, hinter dem eine der Nottreppen lag. Ohne besondere Vorsicht dabei an den Tag zu legen eilte sie durch die entstandene Öffnung, nachdem sie das Schott geöffnet hatte. Sie prallte direkt gegen einen Soldaten der Konföderation Deneb. Der Raumsoldat hatte routinemäßig dieses Treppenhaus abgeschritten und war offensichtlich gerade dabei gewesen, es auf dieser Ebene zu verlassen. Ebenso erschrocken, wie Rian Onoro selbst, starrte der junge Mann, der kaum älter sein konnte, als die Technikerin, sie ungläubig an. Bevor die Frau einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte sie bereits auf ihn angelegt und drückte ab. Die Energie des Plasma-Schusses schleuderte den Mann nach hinten. Polternd stürzte er die Treppe hinunter und blieb auf dem nächsten Absatz reglos liegen. Entsetzt über das, was sie im Affekt getan hatte starrte sie mit weit aufgerissenen Augen zu dem Toten hinunter. Daran, dass er tot war, zweifelte Rian Onoro keinen Moment lang, denn seine Augen, in denen immer noch ein ungläubiger Zug zu liegen schien, starrten weit aufgerissen mit gebrochenem Blick ins Leere. Ihre Beine begannen unterhalb der Knie jämmerlich zu zittern und ihr Herz raste wie wild während sie ihn noch immer unter Schock stehend anstarrte. Kalter Schweiß brach ihr aus. Sie spürte, dass ihr schwindelig wurde und vorsichtig setzte sie sich auf die oberste Stufe, bis sie das erste Grauen überwunden hatte, und sich ihr Puls langsam zu normalisieren begann. Erst dann stand sie wieder auf und schritt, beinahe mechanisch, die Stufen zu dem toten Soldaten hinunter. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie einen Menschen getötet hatte, und dass sie mit dieser Schuld würde leben müssen. Es kostete sie Überwindung, den Toten nach seiner eisernen Ration zu untersuchen, doch vielleicht würde sie das, zumindest heute, davor bewahren, noch einen Menschen töten zu müssen. Obwohl sie sich immer wieder einredete, dass es nicht ihre Schuld war, sondern die Schuld derer, die sie überfallen hatten, schwand das Ziehen in ihrem Magen nicht. Mit zittrigen Fingern nahm sie die Nahrung, die der Soldat mit sich führte, an sich und verließ eilig diesen Ort des Grauens. Dabei standen Tränen in ihren Augen. Sie spürte, dass sie in den nächsten Stunden nichts konstruktives zustande bringen würde. Außerdem fühlte sie sich entsetzlich ausgebrannt und so beschloss sie, ein adäquates Versteck für sich zu finden und sich etwas Ruhe und auch geistige Erholung zu gönnen. Als sie sich endlich, hinter einer Wandverkleidung in einer kleinen Nische, zusammengerollt hatte und die Augen schloss, da dauerte es eine ganze Weile, bis sie das erschrockene Gesicht des jungen Soldaten nicht mehr vor ihrem geistigen Auge sah, und sie endlich, am gesamten Leib zitternd, in einen unruhigen Schlaf fiel.   * * *   Nach nur fünf Stunden erwachte Rian Onoro schweißgebadet. Sie fühlte sich immer noch zerschlagen, doch mit jedem Atemzug spürte sie auch, dass der Schlaf ihr gutgetan hatte. Jetzt, mit etwas Abstand zu dem traumatischen Ereignis von vorhin, gelang es ihr, sich endlich wieder einigermaßen zu beruhigen. Sie verspürte weder Hunger noch Durst. Stattdessen wirbelten ihre Gedanken wild durcheinander. Sie musste weg von dieser Basis, wenn möglich sogar weg von Luna. Vielleicht konnte sie eine Möglichkeit finden unbemerkt nach Terra zu gelangen, oder zum Mars. Sie hatte vor zwei Tagen, bei einem ihrer Ausflüge in den Zwischendecken der Basis, zufällig zwei Offiziere belauschen können. Sie hatten sich über Transportschiffe unterhalten, die auf Luna erwartet wurden. Nach und nach reifte in Rian Onoro ein kühner Plan heran. Ein verzweifelter Plan, fraglos, doch immerhin gab es, wenn auch eine nur sehr geringe, Hoffnung darauf, von hier fliehen zu können. Rian Onoro schätzte ihre Chance, mit etwas Glück, einen dieser Frachter, bevor er nach seinem Entladen wieder startete, unauffällig betreten zu können, und dann später zu kapern, sobald er sich im Weltraum befand, als realistisch genug ein, um sie zu ergreifen. Doch dazu würde sie noch einige Informationen benötigen, wie beispielsweise die aktuellen Flugpläne. Doch die würde sie kaum in den imperialen Datenbanken finden. Es musste ihr irgendwie gelingen, die Daten eines herrenlosen Daten-PADD´s abzugreifen. Doch dazu musste sie sich dem Feind unangenehm annähern, was die Gefahr einer Entdeckung heraufbeschwor. Rian Onoro war jedoch andererseits klar, dass sie damit anfangen musste gewisse Risiken einzugehen, wollte sie von hier wegkommen. Die Technikerin brütete eine Weile darüber, wo sie diese Daten am besten auftreiben konnte und sie kam zu zwei Ergebnissen. Erstens würde wohl ganz bestimmt der Führer der Bodentruppen über diese Informationen verfügen, doch der schien ihr zu gut abgeschirmt zu sein. Die zweite Lösung gefiel ihr auch nicht besser. Denn ihr war bewusst, dass die zweite Lösung Kim Tae Yeon hieß. Sie hatte beim Belauschen der beiden Offiziere mitbekommen, dass sie gegenwärtig alle Zu- und Abgänge der Basis kontrollierte. Also brauchte sie auch die aktuellen An- und Abflugzeiten sämtlicher Raumschiffe und Shuttles, die in dieser Basis anlegten oder wieder abflogen. Da es dazu, sich die benötigten Daten im Büro dieser Verräterin zu besorgen, kaum eine brauchbare Alternative zu geben schien, entschied sich Rian Onoro dazu. Doch dazu musste sie zunächst herausfinden, wo genau sich das Büro dieser falschen Schlange befand. Erst als sie bereits wieder auf dem Weg war, wurde Rian Onoro bewusst, dass bisher kein Alarm ausgelöst worden war, seit sie den Soldaten der Konföderation getötet hatte. Vielleicht hatte sie ja Glück und es dauerte noch eine Weile, bis man ihn vermissen würde. Sie war noch keine zehn Decks höher gestiegen, wobei sie zweimal nur knapp weiteren Patrouillen ausweichen konnte, als sie erneut Stimmengewirr aus einem Seitengang vernahm. Eine beunruhigende Aktivität hatte sich hier in den letzten Stunden offensichtlich entwickelt, und es dauerte einen Augenblick, bis die Technikerin verstand warum. Verdammt, natürlich binden die mir nicht auf die Nase, dass sie längst über den Toten gestolpert sind, und sich bereits in Alarmbereitschaft befinden. Rian Onoro wurde klar, dass sie ihr Vorhaben zunächst einmal zurückstellen, und mindestens einen Tag abwarten und sich musste, bis sie es wagen konnte, ihre Nase wieder vorzustrecken und nach den Flugplänen zu forschen. In einen unbelebten Seitengang ausweichend schaffte sie es unbemerkt in einen kleinen Abstellraum zu verschwinden, und von dort aus, einmal mehr, durch eine wilde Kletteraktion in eine Zwischendecke zu kriechen. Dort legte sie ihr Gewehr vor sich ab, streckte sich und blieb auf dem Bauch liegen. Mit geschlossenen Augen grübelte sie darüber, wie sie am besten ungesehen an Bord eines Frachters der Konföderation gelangen konnte. Darüber schlief sie erneut ein, diesmal tief und traumlos.   * * *   Dreißig Stunden später hatte Rian Onoro endlich die Daten gefunden, die sie benötigte um einen erfolgreichen Fluchtversuch zu wagen. Durch einen Luftkanal war sie in das ehemalige Büro von Rodrigo Esteban eingedrungen, das jetzt von Kim Tae Yeon genutzt wurde. Sie kannte sich auf dieser Ebene der Geheimbasis sehr gut aus, und so war es ihr nicht schwergefallen sich Zugang zu den Lüftungskanälen zu verschaffen. Sie hatte Glück gehabt – auf dem Schreibtisch des Arbeitszimmers hatte sie zwei PADD´s gefunden, und nach kurzer Suche war sie bei einem dabei auf genau die Daten gestoßen, die sie dringend für ihre Flucht benötigte. Der günstigste Moment zur Flucht war bereits in einer Stunde. Genau dann nämlich sollte, laut der Liste auf dem PADD ein Frachter in Richtung Terra starten. Es würde knapp werden, aber es war zu schaffen, sagte sie sich selbst aufmunternd. Es gab zwar keine direkte Verbindung zu dem besagten Hangar, über den sie unbemerkt hinein gelangen konnte, aber Rian Onoro traute sich zu, durch einen der engen Luftschächte zu einer der Mannschaftsmessen zu kriechen und von dort aus weiter, durch abgelegene Nebengänge, einen der kleineren Kontrollräume des Hangars zu erreichen. Dort konnte sie abwarten, bis der Frachter bereit zum Start war. Sie schätzte, dass sie mindestens zehn Minuten vor dem Start den Hangar erreichen würde, wenn sie jetzt gleich aufbrach. Erst danach würden die eigentlichen Probleme beginnen, die darin gipfeln würden, ungesehen an Bord zu kommen. Rian Onoro hatte kurz überlegt sich von ihrem Plasma-Gewehr zu trennen. Doch dann hatte sie es sich entschlossen vor die Brust gehängt, wo es sie, während sie durch den engen Schacht kroch, am wenigsten behindern würde. Ihre Handwaffe, und jene, die ihr Dean Corvin überlassen hatte, schob sie tiefer in die Taschen, um sie nicht zu verlieren. Beide behinderten sie nur wenig, bei dem, was sie nun vor hatte. Mühsam kroch sie, aus der Sicherheit eines engen Wartungsraumes in dem sie sich aufhielt, in den engen Schacht und befestigte notdürftig die Klappe hinter sich, wozu sie in dem engen Schacht eine geradezu artistische Einlage hinlegen musste. Danach kroch sie, so schnell es ihr mit ihrer Ausrüstung möglich war, vorwärts. Ihr wurde, einmal mehr, unangenehm warm, und allmählich kam ihr zu Bewusstsein, dass sie sich zu einem wahren Himmelfahrtunternehmen aufmachte. In der Enge des Ganges fragte sich Rian Onoro, wie es Dean Corvin und seinen Mitstreitern wohl ergangen war. Waren sie der Konföderation entkommen, oder befanden sie sich vielleicht längst in Gefangenschaft, und die NOVA SOLARIS im Besitz des Feindes? Sie schüttelte diese fruchtlosen Überlegungen ab. Den Kanadier abwechselnd verfluchend und sich um ihn Sorgen machend, kroch sie unermüdlich weiter, bis endlich das Ende des Schachtes in Sicht kam. Rian Onoro nahm eine ihrer Handwaffen, die keine Plasmaschüsse, sondern Miniraketen mit Explosivwirkung verschoss, und legte auf die Lüftungsklappe an, die von der anderen Seite fest verriegelt war. Dies war der schwierigste Teil ihres Plans, denn die erhitzte Luft würde sich nach dem Schuss, im Schacht zurück stauen, und sie lief Gefahr dabei, dass sie verletzt wurde. Außerdem konnte sie zufällig bemerkt werden. Doch ihr Vorhaben ließ an keiner Stelle Alternativen zu, und so schoss sie ohne zu zögern. Die Wirkung der Waffe übertraf noch Rian Onoros Erwartungen, und sie ein ganzes Stück in den Schacht zurückgeschleudert, wo sie für einen Moment benommen liegen blieb. Leise aufstöhnend erhob sie sich endlich wieder und kroch nach vorne, bis sie das zerstörte Ende des Schachtes erreicht hatte. Der Luftschacht endete fast unter der hohen Decke der momentan unbenutzten Mannschaftsmesse und die sportliche Frau machte sich daran, über verbogene Metallträger und zerschmolzene Metall- und Kunststoffteile der Wand, zum Boden des Raumes hinunter zu klettern. Die letzten zwei Meter ließ er sich einfach fallen. Rian Onoro löste das Gewehr vor ihrer Brust, nahm es zur Hand und blickte sich kampfbereit um. Sie rechnete nicht damit, dass kein Feind in der Nähe war, sondern lieber mit dem Schlimmsten. Eilig lief sie zum Schott des großen Raumes, öffnete es und spähte vorsichtig auf den Gang hinaus. Alles war ruhig und kein Feind war zu sehen. Schnell rannte Rian Onoro den Gang hinunter und bog dann nach Rechts ab, wobei sie an einem Lift vorbeikam. Sie hatte jedoch nicht vor, einen dieser leicht zu kontrollierenden Wege zu nehmen um den Hangar zu erreichen, der sich drei Hauptdecks unter ihr befand, sondern sie gedachte ihr Ziel über eine der Nottreppen zu erreichen. Durch zwei dicht hintereinander angeordnete Schotts betrat er eins der vier Forschungslabors. Bisher war ihr niemand begegnet. Rian Onoro war fast schon ein bisschen sorglos, als auf der gegenüberliegenden Seite drei Bewaffnete auftauchten und in ihre Richtung sahen. Sie fluchte erbittert und schoss, trotz ihrer nachlassenden Anspannung, zuerst. Ein Teil der Laboreinrichtung wurde regelrecht zerschmolzen und sofort verwandelte sich der Raum in ein Chaos aus Flammen und Rauch, so dass die Frau nicht feststellen konnte, ob sie auch getroffen hatte. Daran jedoch, dass ihr Feuer erwidert wurde stellte sie fest, dass zumindest einer ihrer Gegner noch handlungsfähig war. Schnell rannte sie, durch den Qualm, auf den nächsten Nottreppeneingang zu, dessen Position sie sich gemerkt hatte, und flüchtete hinein. Mit rasendem Herzen rannte sie nach unten. In dieser Situation konnte das Treppenhaus zu einer tödlichen Falle für sie werden. Schon eine einzige hinunter geworfene Granate konnte ihren schnellen Tod bewirken. Doch Rian Onoro erreichte das nächst tiefer gelegene Hauptdeck, ohne dass etwas derartiges geschah. Getreu ihrer Überzeugung, dass es falsch war, das Glück weiter herauszufordern, verließ sie das Treppenhaus, um ein anderes aufzusuchen, obwohl dieses sie bis zum Deck des fraglichen Hangar gebracht hätte. Während Rian Onoro durch den Gang hetzte, zerbarst das Schott des Treppenhauses, das sie eben verlassen hatte, in einer dumpfen Explosion und bewies damit die Richtigkeit ihrer Theorie. Rian Onoro lachte wild auf. Sie hatte einen Teil ihrer Angst verloren und war nur noch von dem glühenden Gedanken beseelt, ihr Ziel zu erreichen. Ihr Vorteil dabei war, dass die Soldaten der Konföderation Deneb nicht genau wussten, wo ihr eigentliches Ziel lag. Rian Onoro erreichte ein anderes Nottreppensystem, überprüfte es eilig und rannte erneut die Treppen hinunter. Diesmal verließ sie das Treppenhaus nicht ein Hauptdeck tiefer sondern rannte weiter hinunter, bis zum Zieldeck. Sie war dem Frachter-Hangar jetzt so nahe, dass der Gedanke daran, noch zu scheitern, sie unbewusst aufstöhnen ließ. Außerdem wusste sie nicht, wie lange die Ladungen ihrer Waffen reichen würde, falls sie sich erneut den Weg würde frei schießen müssen. Den ursprünglichen Plan, unbemerkt an Bord des Frachters zu gelangen, hatte sie mittlerweile begraben. Man war ihr auf den Fersen, und sie musste zu extremeren Maßnahmen greifen. Weit hinter sich hörte sie gerufene Befehle, als sie endlich das Hangarschott erreichte und es mit zitternden Fingern öffnete. Sie stürmte durch das sich öffnende Schott, doch nur einige Schritte weit, bevor sie deprimiert abstoppte und ihre Waffe sinken ließ. Rian Onoro blickte in ein gutes Dutzend Waffenmündungen, die auf sie gerichtet waren und erkannte, nach einigen Sekunden, ein ganz bestimmtes Gesicht wieder. Es gehörte Kim Tae Yeon. Nur trug sie nun die perlnachtblaue Uniform der Konföderation Deneb, mit den Rangabzeichen eines Majors am Uniformkragen. Für einen Moment verspürte Rian Onoro das unbändige Verlangen, ihre Waffe doch wieder hoch zu reißen und ein letztes, gutes Werk für die Menschheit zu tun, indem sie diese Verräterin erschoss, wo sie stand. Doch dieser Moment verstrich und resignierend ließ sie das Plasma-Gewehr zu Boden fallen, wo es polternd aufschlug. Die beiden Handwaffen folgten. Sie ließ es sich jedoch nicht nehmen, der Asiatin ein Wort ins Gesicht zu schreien: „Verräterin!“ Mit mehreren, schnellen Schritten war Kim bei ihr und schlug ihr ins Gesicht. „Jeder Besiegte nennt den Sieger Verräter – und das Imperium ist besiegt“, konterte die Verräterin verächtlich. „Die Konföderation ist die Zukunft.“ Kim Tae Yeon gab zwei der ihr unterstellten Soldaten ein Zeichen, sie zu ergreifen. Rian Onoro funkelte ihre Widersacherin wütend an. Wenigstens wollte sie von dieser Natter etwas in Erfahrung bringen, und so riskierte sie einen Schuss ins Blaue, indem sie verächtlich sagte: „Sie haben mich, aber nicht die NOVA SOLARIS, das ist die Hauptsache.“ „Auch die werden wir eines Tages...“ Sie brach ab und presste die Lippen zusammen, als sie das erleichterte Lächeln auf dem Gesicht der Dunkelhäutigen bemerkte. Leiser zischte sie dann: „Diese Hinterhältigkeit werden Sie mir büßen, Feldwebel.“ Die Asiatin gab Befehl, sie wegzubringen, und Rian Onoro stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass die beiden kräftigen Soldaten sie direkt zu dem Frachter schleiften. „Sie wären so oder so auf diesem Gefangenentransporter gelandet!“, höhnte die Asiatin hinter ihr, und Rian Onoro wand sich wild im Griff ihrer Bewacher, ohne ihnen entkommen zu können. Ihr wurde klar, dass diese gemeine Verräterin ihr eine Falle gestellt hatte, und sie war prompt hinein getappt. Aber noch war sie am leben, und somit bestand die Chance auf Revanche, wenn auch nur eine äußerst vage, wie sie zugeben musste. Als man sie schließlich die Rampe zum Frachter hinauf zerrte fielen ihr die letzten Worte, die ein Mann namens Dean Everett Corvin an sie gerichtet hatte, wieder ein. Er hatte gesagt, er würde zurückkehren wenn er die Gelegenheit erhalten würde, und an diese vage Hoffnung klammerte sie sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)