DEAN CORVIN: 01. Das Ende des Imperiums von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 6: KIMS RACHE ---------------------  Kim Tae Yeon blickte im Laufen über ihr rechte Schulter und rief Dean Corvin, der beim Geländelauf verzweifelt hinter ihr her hastete, lachend zu: „Wo bleibst du denn? Wenn du mich einholen kannst, dann bekommst du einen Kuss, wäre das ein Anreiz für Dich?“ Corvin lachte grimmig und beschleunigte fast übergangslos. Während der letzten elf Monate waren sie sich sehr nahe gekommen, und schon seit einiger Zeit ahnte Dean Corvin instinktiv wie das enden würde, wogegen er mittlerweile nichts mehr einzuwenden gehabt hätte. Anfangs hatte er dem Friedensangebot der Asiatin nicht recht getraut und war für einige Monate auf Distanz geblieben. Ab dem Beginn ihres letzten Ausbildungsjahres hatte sich das langsam und stetig geändert. Schon zuvor hatten sie wieder begonnen, gemeinsam für den Unterricht zu lernen, wobei sie unmerklich zu ihrer normalen Freundschaft zurückgefunden hatten. Worüber Dean Corvin sehr glücklich war, denn mit Andrea zu lernen, so wie in den vergangenen Jahren, das wäre ihm sehr schwer gefallen, besonders in der Zeit, nachdem sie sich zu Jayden bekannt hatte. Bis zum Winter war daraus eine Vertrautheit geworden, wie es Dean Corvin zuvor nicht mehr für möglich gehalten hatte und immer öfter war er gemeinsam mit der Asiatin unterwegs, so wie auch am heutigen Samstag-Nachmittag. Es hatte sich in den letzten Monaten so ergeben, dass sie an den Wochenenden gemeinsam trainierten um auch körperlich in Höchstform zu bleiben. So wie an diesem dritten Februar des Jahres 3218. Fast nur am Rande hatte Dean Corvin dabei mitbekommen, dass aus seinen drei übrigen Freunden, von der Sektion-Venus, mittlerweile quasi eine Fünfergruppe geworden war, denn Rodrigo Esteban und Miriam Rosenbaum schlossen sich ihnen immer öfter an. Zwischenzeitlich hatte Dean Corvin dabei den Eindruck gewonnen, als würde sich zwischen Miriam und seinem besten Freund etwas entspinnen, doch bislang gab es keine wirklich greifbaren Hinweise darauf, und so hütete sich der Kanadier voreilige Schlüsse zu ziehen. Inzwischen hatte sich zwischen Ihm Andrea uns Jayden wieder die frühere unbeschwerte Freundschaft eingestellt und der Kanadier war ganz froh, am Ende darüber hinweg gekommen zu sein, dass Andrea ihn recht trocken hatte abblitzen lassen. Momentan schwirrte eine ganz andere junge Kadettin durch seine Gedanken, und zwar jene, die er langsam bei diesem Geländelauf einzuholen begann. Als er heran war, gab er ihr einen scherzhaften Klaps auf den Po und zog schnell seine Hand zurück, um dem Schlag zu entgehen, den sie mit ihrer Rechten danach führte. Der Wald um sie herum lichtete sich etwas und beide Kadetten verfielen schließlich in einen leichten Trab. Der Wind frischte auf und trug ihnen die ersten Ausläufer eines Niederschlag-Ausläufers entgegen. Sie waren diese Strecke in den letzten Monaten sehr oft gelaufen und so wussten sie, dass in etwa fünfhundert Metern der Weg aus dem Wald heraus führte. Schließlich gingen sie neben einander her und Dean Corvin von der Seite ansehend fragte die Asiatin etwas enttäuscht wirkend: „Willst du Deine Belohnung am Ende gar nicht haben?“ Erst jetzt fiel dem jungen Mann wieder ein, was Kim Tae Yeon ihm zugerufen hatte, als er hinter ihr her gelaufen war, und etwas unsicher fragte er zurück: „Dann war das eben kein Scherz von Dir?“ Die Kadettin blieb stehen und erwiderte: „Nein, kein Scherz. Und da der erste Versuch das reine Fiasko war, dachte ich mir ich frage diesmal besser ob...“ Dean Corvin, der ebenfalls angehalten hatte und nahe bei Kim Tae Yeon stand, nahm sie wortlos in die Arme. Im nächsten Moment hatte er seine Lippen auf ihre gelegt und küsste sie sanft. Die ersten Regentropfen fielen durch das lichte Blätterdach auf ihre Gesichter. Kim Tae Yeon schmiegte sich mit einem leisen Gurren an ihn und erwiderte seinen Kuss verlangend, während ihre Hände dabei über seinen Rücken glitten. Es dauerte gefühlt eine kleine Ewigkeit, bis sie sich endlich wieder von einander lösten, und die Asiatin lächelte zufrieden, als sie Corvins Gesichtsausdruck sah. Es war soweit den nächsten Schritt zu machen, das spürte sie, und sie würde ihn leidenschaftslos gehen, so viel stand fest. Darum blickte sie ihn verführerisch an und fragte heiser: „Erinnerst du Dich an diese kleine Pension, die unten, am Rand der Stadt liegt, wenn wir aus dem Wald herauskommen?“ Dean Corvin nickte. „Ja, warum?“ Die junge Frau hauchte Dean Corvin einen Kuss auf die Nasenspitze und lächelte bedeutungsvoll. „Na, warum wohl? Wie es der Zufall will, habe ich meinen Credit-Chip eingesteckt. Wir könnten dort den verregneten Nachmittag verbringen, damit wir nicht pitschnass werden und uns erkälten. Was sagst du?“ Der Kadett horchte nur kurz in sich hinein und antwortete lächelnd: „Ich halte das für eine sehr gute Idee.“ Sie küssten sich erneut, bevor sie sich endgültig von einander trennten und wieder in einen leichten Trab verfielen, mit dem Ziel, nicht allzu durchnässt die Pension zu erreichen. Als sie in Sicht kam forcierten beide Kadetten das Tempo wieder und lachend betraten sie schließlich das schon etwas betagte Steingebäude, das bereits einige Jahrhunderte gesehen haben musste. Nachdem sie eingecheckt hatten gab der Empfangsautomat ihnen den kodierten Impulsschlüssel und buchte automatisch den Betrag für das Zimmer dabei von Kims Credits-Karte, die sie zuvor in den dafür vorgesehenen Schlitz geschoben hatte, ab. Die Karte wieder einsteckend nahm Kim Tae Yeon, mit einem verlangenden Blick zu Corvin, den Schlüssel und reichte ihm ihre Hand. Sie stiegen über eine antiquierte Treppe hinauf in die zweite Etage und fanden das Zimmer, ganz am Ende des Ganges, was die Koreanerin zu der Bemerkung veranlasste: „Perfekt, da haben wir unsere Ruhe.“ Sie beeilten sich einzutreten und suchten das kleine, zum Zimmer zugehörige, Badezimmer auf. Ganz zwanglos begann die Asiatin, vor Corvin, ihre Kleidung abzulegen und der Kadett ließ seine Blicke bewundernd über ihren makellosen Körper huschen, während auch er seine Sportsachen ablegte. Gemeinsam stellten sie sich unter die Dusche, an der man noch manuell die Wassertemperatur einstellen musste. Hier gab es keine Automatik, die das übernahm, und die beiden Kadetten fühlten sich in eine weit zurückliegende Epoche zurückversetzt. Lachend betätigte Kim Tae Yeon den Duschgel-Spender, wobei sie etwas von Finsteres Mittelalter murmelte und begann dann, zu Dean Corvins Überraschung, nicht sich selbst damit einzuseifen, sonder ihn. Dabei blickte sie ihn auffordernd an und bat ihn, dasselbe bei ihr zu tun. Der Kadett kam ihrer Aufforderung nur allzu willig nach und er spürte, wie sein Körper auf die sanften, streichelnden Berührungen der splitternackten, jungen Frau zu reagieren begann. Unter seinen eigenen Berührungen begann Kim Tae Yeon leise vernehmlich zu seufzen. Sie schmiegte sich eng an ihn und küsste ihn verlangend, während sie einander weiterhin sachte einrieben. Mit erregtem Aufstöhnen hauchte Kim Tae Yeon schließlich leise: „Nimm mich, Dean, oder ich fange an zu schreien.“ Dabei zog sie ihn einfach mit sich, bis sie die warmen Fliesen der Dusche in ihrem Rücken spürte. Gleichzeitig glitt ihre Hand an seinem Unterleib hinab und übernahm das Kommando. Mit einem undefinierbaren Laut der Erregung drang Dean Corvin in sie ein und er spürte, wie sich gleich darauf ihre Finger fest in seinen Po krallten, und wie sie ihn fest gegen sich presste. Oh, ja!“, hauchte sie und arbeitete seinen ersten sanften Bewegungen entgegen. Es dauerte nicht lange, bis beide Entspannung fanden und sich lachend erneut einseifend beendeten sie kurze Zeit später endlich ihren Duschmarathon, um sich, nach alter Väter Sitte, mit den bereitliegenden Badetüchern abzutrocknen.   * * *   Als sie später, eng an einander gekuschelt, in dem breiten Bett lagen, nachdem sie ein weiteres Mal mit einander geschlafen hatten, lauschten sie dem leisen Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben. Draußen war es bereits merklich finsterer geworden, und im Halbdunkel spielte Dean Corvins linke Hand mit einer von Kim Tae Yeons Haarsträhnen. Die Asiatin hatte ihren Kopf auf die Brust des Kadetten gebettet und ließ die Fingerspitzen ihrer Rechten dabei spielerisch über seine Bauchmuskeln gleiten. Nach einer Weile fragte sie leise in die Dunkelheit hinein: „Werden du und Kimi, so wie im letzten Jahr auch, dieses Jahr wieder am Schwimm-Turnier der Akademie teilnehmen?“ „Ja“, gab Dean Corvin leise zurück, während er ihre Haarsträhne auf seinem Zeigefinger aufwickelte. „Morgen Abend haben wir uns zum Trainieren verabredet.“ Die junge Frau lächelte diabolisch, wovon Corvin nichts mitbekam. Aber sie brauchte noch die genaue Uhrzeit und so fragte sie, bewusst unbeteiligt klingend: „Wann denn? Sehen wir uns vorher?“ Dean Corvin lachte leise. „Selbstverständlich werden wir uns vorher sehen, mein Engel. Kimi und ich trainieren erst am späten Abend. Kimi hat es so organisiert, dass wir die kleine der drei Schwimmhallen, als Letzte aller Teilnehmer, zwischen 21.00 Uhr und 22.30 Uhr für uns haben. Damit haben wir etwas mehr Zeit, als die übrigen Teilnehmer, da nach uns niemand mehr die Halle benutzen wird, und wir uns deshalb nicht mit dem Umziehen und dem Verlassen der Halle beeilen müssen.“ „Sehr clever“, lobte die Asiatin und dachte dabei gleichzeitig: Perfektes Timing – das begünstigt meine Pläne. Morgen Abend wird die Falle zuschnappen, und ab Übermorgen wirst du ganz andere Töne von mir zu hören bekommen, du Bastard. Ohne wirklich bei der Sache zu sein streichelte ihre Hand den Oberkörper des Kadetten, der sie eben so sehr befriedigt hatte. Im Anschluss an ihr Liebesspiel wäre sie beide Male beinahe schwankend in ihrem Entschluss geworden, sich an Dean Corvin zu rächen, was sie jetzt, nachdem sie an ihn gekuschelt neben ihm lag, fast noch wütender machte, und sie noch mehr gegen ihn aufbrachte, je länger sie darüber nachdachte. Der Gedanke, auf ihre Rache zu verzichten um tatsächlich mit Dean zusammen sein zu können, hatte zwischenzeitlich etwas sehr Verlockendes gehabt und eine Unsicherheit in ihr Spiel gebracht, die ihr gar nicht gefiel, und gegen die sie verbissen angekämpft hatte. Jetzt, da sie wieder klar und emotionslos denken konnte, war sie fester denn je entschlossen ihren finsteren Plan, in Bezug auf Dean Corvin, in die Tat umzusetzen. Sie verschwendete keinerlei Gedanken daran, dass dabei mit Kimi Korkonnen auch ein Unschuldiger in das Netz ihrer Intrige verfangen würde. Kollateralschäden sind manchmal eben nicht zu vermeiden. Hinter ihrer Stirn arbeitete es und ein Plan, den sie bisher nur sehr vage ausgearbeitet hatte, nahm allmählich Gestalt an. Jonas und Jeremy würden dabei eine wichtige Rolle spielen und eine Kadettin ihres Jahrgangs, die das perfekte, nichtsahnende Opfer in dieser Tragödie spielen sollte. Auch sie gehörte zu den unvermeidbaren Kollateralschäden. Ihren Kopf anhebend und Dean Corvin sachte auf den Hals küssend, obwohl sie lieber ihre Zähne hinein geschlagen hätte, gurrte sie leise. „Ihr nutzt also die Zeit voll aus um die Halle erst kurz vor 22:30 Uhr zu verlassen.“ „Ja, ich denke schon.“ Kim Tae Yeon gurrte nur leise und liebkoste mit ihren Lippen seinen Hals, seine Brust und küsste ihn endlich wieder auf den Mund. Er sollte ruhig die Gelegenheit habe ihr noch ein wenig mehr zu verfallen, bevor sie diese Farce übermorgen beenden würde. Umso mehr würde er später leiden. In diese finsteren Gedanken versunken schob sie ihren geschmeidigen, warmen Körper über seinen um ihn ein weiteres Mal zu fordern und dabei gleichzeitig ihre momentane Lust auf Sex zu befriedigen. Von all diesen finsteren Vorhaben der jungen Asiatin bemerkte Dean Corvin überhaupt nichts – hauptsächlich weil seine Emotionen gerade mit ihm Achterbahn fuhren. Als er sich schließlich gegen 21.30 mit Kim Tae Yeon auf den Weg zur Akademie machte hatte der Regen fast aufgehört. Hand in Hand schritten sie durch den vorgelagerten Park auf den Haupteingang zu. Vor der breiten Front aus Stahl und Glas blieben sie stehen und die Koreanerin umarmte Dean Corvin fest. Ihn kurz und heftig küssend, fragte sie nach einer Weile: „Wann sehen wir uns morgen, mein ungestümer Loverboy?“ Dean lachte. „Loverboy? Fängst du jetzt auch schon mit historischen Studien an, wie mein Freund Jayden?“ Kim lachte amüsiert auf. „Ganz bestimmt nicht, das überlasse ich lieber Deinem Freund. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Dean blickte in die dunklen Augen der jungen Frau und erwiderte: „Was hältst du davon, wenn wir morgen, gleich nach dem Frühstück, hinunter zum Hafen fahren und eine Bootspartie auf einem dieser alten Segelboote machen. Es gibt einige Anbieter, die Ausflüge auf die Südinsel anbieten.“ Die Asiatin nickte lebhaft. „Das wäre toll, Dean.“ Sie legte den Kopf schief und erkundigte sich dann mit etwas verändertem Tonfall: „Was siehst du in mir?“ Der Kanadier zog die Stirn in Falten und antwortete unsicher: „Ich verstehe die Frage nicht so ganz. Was genau meinst du?“ Kim Tae Yeon wand sich bevor sie leise erwiderte: „Na ja, wir haben miteinander geschlafen, und ich frage mich jetzt natürlich, wie es weitergeht. Ich meine mit uns Beiden. Was empfindest du für mich?“ Dean Corvins Miene entspannte sich und sie offen anlachend antwortete er: „Momentan bin ich heiß in Dich verliebt, Tae Yeon. Ich hätte das vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, aber es ist so, und im Augenblick bin ich rundherum glücklich.“ Die Asiatin strahlte Corvin an, bei seinen Worten, wenn auch ganz und gar nicht aus den Gründen, die er vermutete. Ihn nochmal rasch küssend sagte sie schließlich: „Dann hole ich Dich morgen, direkt nach dem Frühstück, in deinem Quartier ab.“ Dean Corvin lächelte zustimmend, und gemeinsam betraten sie das Innere des Gebäudes, bevor sie sich verabschiedeten, um ihre Quartiere aufzusuchen.   * * *   Der gesamte Sonntag verlief für Dean Corvin sehr harmonisch, in der Begleitung von Kim Tae Yeon, und während ihrer Bootspartie nahm er sich ein Herz und fragte seine Begleiterin, ob sie künftig mit ihm zusammen sein wolle. Ihre Antwort hatte in einem Lächeln und einem langen Kuss bestanden, und glücklich über diese Reaktion hatte er sie in seinen Armen gehalten und an sich gedrückt. Hätte er in diesem Moment geahnt, was der durchtriebenen jungen Frau durch den Kopf ging, so wäre er stattdessen sicherlich hellauf entsetzt gewesen. Aber noch war er vollkommen ahnungslos. Als der Kanadier an diesem Abend sein Quartier betrat, wobei ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht lag, war Kimi Korkonnen bereits anwesend. „Wie ich sehe, war der Tag mit Tae Yeon ein voller Erfolg“, grinste der Finne und zwinkerte dem Freund verschwörerisch zu. „Seid ihr jetzt eigentlich zusammen oder wie ist der momentane Status eurer Beziehung?“ „Wir sind zusammen“, nickte Corvin vergnügt und es hätte nicht des unverschämt glücklichen Lächelns bedurft, um Korkonnen zu sagen, wie glücklich der Freund damit momentan damit war. Kopfschüttelnd fragte der Finne: „Warum nicht schon vor einem Jahr so. Das hätte uns beiden sehr viel Kummer und Aufregung erspart, oder nicht?“ „Hinterher ist man immer gescheiter“, konterte Dean Corvin und zog eine Grimasse. Er blickte auf das Chrono-Feld seines Vielzweckarmbandes und meinte dann: „Komm, greifen wir uns unsere Schwimmsachen und machen uns auf den Weg zur Schwimmhalle.“ Kaum eine Minute später waren die beiden Freunde unterwegs zum Sporttrakt. Unterwegs begegneten ihnen verschiedene ihrer Kommilitonen. Als sie in den Gang zur Schwimmhalle einbogen, da glaubte Dean Corvin zwei bestimmte Gesichter zu erkennen, doch als er in die entsprechende Richtung sah, da konnte er sie nicht entdecken. Mit grüblerischer Miene setzte er seinen Weg fort. Kimi Korkonnen, der den plötzlich so nachdenklichen Gesichtsausdruck des Freundes nicht zu interpretieren wusste, fragte neugierig: „Was hast du auf einmal?“ Der Kanadier blickte nochmal schnell über die Schulter zurück, doch auch jetzt erkannte er nichts ungewöhnliches. Wieder zu Kimi Korkonnen sehend antwortete er: „Ich weiß nicht, aber ich hatte für einen Moment den Eindruck, als würden uns die beiden ehemaligen Spielgefährten von Tae Yeon beobachten. Aber offensichtlich habe ich mir das nur eingebildet.“ Nun drehte sich auch Korkonnen um und zuckte mit den Schultern. „Anscheinend. Vielleicht ist es nur aus Angst, Tae Yeon wieder zu verlieren, jetzt da du gerade eben erst mit ihr zusammengekommen bist.“ „Ja, vermutlich hast du Recht. Ich werde hoffentlich nicht paranoid.“ Kimi Korkonnen nickte zustimmend. „Aber du weißt ja, wie es heißt: Selbst Paranoide haben mitunter reale Feinde.“ Lachend betraten die Freunde den Vorraum, von dem aus es zu den Umkleideräumen für männliche und weibliche Kadetten ging. Beide Kadetten legten ihre Kleidung ab und schlüpften in ihre Schwimmhosen. Nachdem sie ihre Sachen in den dafür vorgesehenen Spinden verstaut, und eine fünfstellige Codezahl zur Sicherung eingegeben hatten marschierten sie unter die Dusche, auf deren anderer Seite sich Schwimmhalle-III anschloss. Als sie sich ins Wasser gleiten ließen fragte Dean Corvin seinen Freund: „Sag mal, was ist eigentlich jetzt mit Dir und Miriam. Macht sie Dir schöne Augen, oder habe ich mich da letztens verguckt?“ Kimi Korkonnen wirkte etwas verlegen, bevor er meinte: „Das habe ich selbst noch nicht so ganz herausgefunden. Ich glaube schon, aber ich bin mir nicht sicher.“ „Und?“ „Was, und?“ Dean Corvin verdrehte die Augen und führte aus: „Ich meine: Und wäre Dir das nun angenehm oder nicht?“ „Ach so“, machte Kimi Korkonnen, endlich verstehend was der Freund gemeint hatte. „Nun ja, Miriam ist ist wirklich in Ordnung, aber ich weiß nicht.“ Der Kanadier hob fragend seine Augenbrauen. „Warum das denn nicht? Du musst doch wissen, ob du etwas für sie empfindest.“ „Nun ja, das schon“, räumte der Blonde ein. „Ich meine, es gibt da schon so ein gewisses Gefühl für Miriam, aber ich bin mir nicht sicher, was es ist.“ „Und bis du das endlich herausgefunden hast, ist unsere Miriam ganz bestimmt schon längst verheiratet, und Mutter von zwei süßen Kindern“, spottete Corvin lachend. Er bemerkte den langen Blick des Freundes und hob lachend seine Hände. „Aber das ist ja nicht mein Problem, sondern Dein´s.“ „Lach du nur“, knurrte der Finne gespielt finster. Dann meinte er: „Los jetzt, wir sind nicht zum Tratschen sondern zum Schwimmen hergekommen.“   * * *   Etwa zur selben Zeit beendete Kadettin im vierten Jahrgang, Claudine Gilbert, ihr Training im Bodenturnen, zusammen mit sieben Kameradinnen. Die Französin galt unter ihren Kommilitonen als unnahbare Streberin, und die Tatsache, dass sie momentan, knapp vor Kim Tae Yeon, an zehnter Stelle zu den zehn Jahrgangsbesten gehörte schien dies zu bestätigen. Wenn es bis zum Jahresende dabei bleiben würde, so würde sie nach ihrem Abschluss zu den zehn Kadetten dieser Sektion gehören, die ihren zukünftigen Posten bei der Raumflotte frei wählen durfte. Doch das würde knapp werden, denn die Asiatin hatte in den letzten drei Monaten Punkte auf sie gutgemacht. Claudine Gilbert war hingegen guten Mutes, dass sie ihren momentanen Vorsprung auf Kim, bis zum Abschluss im Mai, würde verteidigen können. Die hochgewachsene Französin konnte man durchaus als hübsch bezeichnen, doch sie machte zu wenig aus sich, und so wirkte sie stets etwas unscheinbar, obwohl sie einen durchtrainierten Körper und ein ansprechendes Gesicht, mit ausdrucksstarken, aquamarinblauen Augen besaß. Eine beinahe klassisch gerade Nase erhob sich in ihrem leicht sonnengebräunten, von mittellangen, blonden Haaren eingerahmten, Gesicht über geschwungene, volle Lippen. Trotzdem machte die Kadettin gegenüber ihren Kommilitonen einen stets etwas unsicheren und schüchternen Eindruck, der nur zu oft fälschlicherweise als Arroganz ausgelegt wurde. Dies war hauptsächlich der Grund dafür, dass sie sich nach einem Training, wie heute, unter der Dusche zumeist sehr viel Zeit ließ um nach ihren Kameradinnen, als Letzte, den Umkleideraum zu verlassen. Auf diese Weise war sie für sich, was ihr ein Gefühl von Sicherheit gab. Eine trügerische Sicherheit, die sie im Grunde nicht wirklich empfand. Deshalb wirkte die Kadettin, aus dem Rhone-Tal stammend, oft einsam und in sich gekehrt. So hatte Claudine Gilbert, wie sonst auch, kaum darauf geachtet, dass ihre Kommilitonin, Kim Tae Yeon, die ebenfalls an dem Training teilgenommen hatte, heute später als sonst den Umkleideraum verlassen hatte. Über die Kom-Einheit ihres MFA hatte Kim ihre beiden Mitverschwörer James und Zandvoort alarmiert. Sie würden, in der Nähe der Schwimmhalle-III, an der Claudine Gilbert zwangsläufig vorbeikommen würde, nun in Position gehen. Ahnungslos bog Claudine Gilbert zehn Minuten später in den Gang ein, der an Schwimmhalle-III vorbei, zur Haupthalle der Akademie führte. Ganz in Gedanke, wie meistens, sah sie nur undeutlich etwas auf sich zu kommen, und spürte, wie etwas über ihren Kopf gezogen wurde, und ihr die Sicht nahm. Sie wollte sich lautstark über diese Behandlung beschweren, als etwas Hartes ihren Kopf traf und benommen sank sie zusammen. Dabei spürte sich nicht mehr, dass starke Hände sie auffingen, und sie überhastet von diesem Ort weggeschleift wurde. Jeremy James und Jonas Zandvoort indessen, die Claudine Gilbert den blickdichten, schwarzen Beutel über den Kopf gestülpt und annähernd bewusstlos geschlagen hatten, blickten sich grinsend an, während sie die Kommilitonin zunächst zu den Umkleideräumen der kleinen Schwimmhalle und von dort aus weiter zu den Duschen schleiften. Dort ließen sie die Kadettin unsanft zu Boden fallen, wo sie benommen wieder zur Besinnung kam. Jeremy James drückte die Kadettin an den Oberarmen fest gegen den Boden, während sein Kamerad damit begann brutal ihre Kleidung zu zerreißen, wobei Claudine Gilbert sich gebärdete, wie eine Wilde. Mit boshaftem Auflachen, grob die nackten Brüste der Kadettin betatschend, sagte Zandvoort so laut, dass die junge Frau am Boden es nicht überhören konnte: „Verdammt, Kimi, halt die kleine Schlampe besser fest, damit ich sie ganz ausziehen kann!“ „Mach ich ja, Dean, aber beeil dich gefälligst!“, antwortete James mit derselben boshaften Fratze. Gleich darauf versetzte er der Kadettin einen Faustschlag, der sie besinnungslos werden ließ. Beide Kadetten ließen daraufhin von ihrem Opfer ab und Zandvoort zog der Kadettin noch schnell die Hosen halb an den Beinen herunter. Dann gingen sie rüber zum Umkleideraum, und Zandvoort deutete auf die Beleuchtungskontrollen, über die man auch die Lichter in der Dusche und der Schwimmhalle deaktivieren konnte. Zweifellos würden Dean Corvin und Kimi Korkonnen daraufhin nachsehen, was geschehen war und über Claudine Gilbert stolpern. Und genau das sollten sie auch. Sie löschten das Licht, verließen eilig den Umkleideraum und rannten zur Gangecke hinunter, an der Kim Tae Yeon bereits auf sie wartete. Die beiden Kadetten hoben den Daumen und die Asiatin zischte: „Verschwindet jetzt, den Rest erledige ich.“ Sie wartete eine geraume Weile nachdem Jonas Zandvoort und Jeremy James den Gang hinunter gehastet, und um die Ecke verschwunden waren, bevor sie sich Handschuhe überstreifte und schnell in den Umkleideraum schlüpfte. Nach einem schnellen Abstecher zur Dusche zog sie sich wieder auf den Gang zurück, hob ihren Arm und aktivierte die Kom-Einheit ihres MFA. Sie gab ihrer Stimme einen Klang, als sei sie vollkommen aufgelöst und schrie hysterisch auf: „Kadett Kim an Sicherheitspersonal! Dies ist ein Notruf! Ich… ich habe Hilfeschreie gehört, in der Nähe der Schwimmhalle-III! Ich weiß nicht… weiß nicht, was ich tun soll!“ Eine markante Frauenstimme meldete sich: „Bleiben Sie vor Ort, ein Team ist in weniger als einer Minute bei Ihnen.“ Kim deaktivierte den Kom ihres MFA und zerzauste etwas ihr Haar, was die Situation noch etwas dramatischer erscheinen lassen sollte. Kaum eine halbe Minute später bog ein Feldwebel der Sicherheit zusammen mit drei Untergebenen um die Ecke – erkennbar an den kakifarbenen Streifen an Hosen und Jacken ihrer Uniformen. Sich hilflos stellend deutete Kim Tae Yeon mit fahriger Geste auf das Schott, das zu der Schwimmhalle führte. „Ich… ich habe die Schreie von da gehört!“ Der Feldwebel beruhigte die scheinbar Hysterische und gab seinen Leuten einen Wink die Schock-Handschuhe zu aktivieren, während Kim Tae Yeon boshaft dachte: Jetzt bekommst du Mistkerl, was du schon lange verdienst.   * * *   Als das Licht ausging gab Dean Corvin einen Ruf der Überraschung von sich und sagte laut in der Dunkelheit: „Was, zur Hölle, ist denn nun los.“ „Keine Ahnung“, gab Kimi aus der Finsternis zurück. „Aber wenn das ein Witz sein soll, dann kann ich nicht darüber lachen!“ Dean Corvin, der den Beckenrand vor Kimi erreichte hörte ihn, ganz in der Nähe, herum planschen, als er selbst sich aus dem Becken stemmte. Er tastete sich in der Finsternis zum Schott vor, an dem es ebenfalls einen Kontakt gab, über den man das Licht wieder aktivieren konnte. Erleichtert fand er ihn und kniff geblendet die Augen zusammen, als es übergangslos hell wurde. Kimi Korkonnen, der sich mittlerweile ebenfalls aus dem Becken begeben hatte, schritt schnell zum Schott und knurrte: „Mal sehen, ob der Spaßvogel noch anwesend ist. Falls ja, werde ich dafür sorgen, dass ihm oder ihr das Lachen vergeht.“ Corvin nickte und öffnete das Schott. Sie betraten die Duschen und blieben beide erschrocken stehen, als sie, in der unmittelbaren Nähe des Schotts, die misshandelte, und auf dem Boden liegende, Kadettin bemerkten. Ungläubig schritt Dean Corvin zu ihr hin, bückte sich ab und flüsterte dabei heiser: „Kimi, was ist denn hier passiert? Wer tut so etwas?“ „Keine Ahnung“, antwortete der Finne, nicht weniger schockiert, als sein Freund. Es dauerte einen Moment, bis er sich aus seiner Starre löste und sich in Richtung Umkleideraum in Bewegung setzte. „Bleib du bei ihr, ich hole Hilfe.“ Dean, der seinen rechten Arm unter den Rücken der Kadettin geschoben hatte, sie leicht anhob und ihr den Sack vom Kopf nahm, nickte nur. In demselben Moment kam die Misshandelte wieder zu sich, starrte Dean Corvin panisch an und begann aus Leibeskräften zu schreien und wild um sich zu schlagen. Dabei erwischte sie Corvin mehrmals im Gesicht und zerkratzte ihm dabei die linke Wange. Fast gleichzeitig stürmten drei Unteroffiziere der Akademie-Sicherheit in den Duschraum und setzten die beiden jungen Männer durch einen Schultergriff mit ihren aktivierten Schockhandschuhen außer Gefecht. Danach kümmerten sie sich um die sich noch immer wie wild gebärdende, Claudine Gilbert, die von einem Weinkrampf geschüttelt wurde und sich hilfesuchend an einen der Sicherheitsleute klammerte, der nur immer wieder, dabei auf die beiden betäubten Kadetten blickend, stammelte: „Diese Ungeheuer! Diese verdammten Ungeheuer…!“ Auf dem Gang bekam Kim Tae Yeon mit, wie die beiden bewusstlosen Kadetten, hinter dem Rücken an den Händen gefesselt, von den Sicherheitsleuten davon gezerrt wurden, während sie selbst, diabolisch grinsend und sich dabei unbewusst die Hände reibend hinterher sah, bevor sie sich auf den Weg machte, um sich mit ihren beiden Mitverschwörern zu treffen. Als sie den ausgemachten Treffpunkt, am Ausgang zum Exerzierplatz der Akademie erreichte, umarmte sie zunächst Jeremy James und gab ihm einen wilden, leidenschaftlichen Kuss, bevor sie sich Jonas Zandvoort zu wandte und dasselbe bei ihm wiederholte. Mit vor Freude funkelnden Augen, weil ihr boshafter Plan so exzellent funktioniert hatte, blickte sie die beiden Kadetten an und erkundigte sich: „Ihr habt euch, so wie besprochen, mit den Namen Kimi und Dean angesprochen?“ Die beiden jungen Männer nickten zustimmend. „Und ihr seid euch auch sicher, dass Claudine die Namen verstehen konnte?“ Wieder nickten die beiden Kadetten, wobei Jonas Zandvoort überzeugt sagte: „Das hat sie ganz bestimmt. Wir haben den Plan ganz exakt durchgeführt.“ Kim Tae Yeon nickte zufrieden und küsste beide Kadetten nochmals. Dabei dachte sie bereits mehrere Schritte weiter – und an den kleinen Kunststoffbeutel mit den Stofffetzen von Claudine Gilberts Uniformbluse, die sicherlich ein belastender Schuldbeweis sein würden, sollten sie jemals gefunden werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)