Between Near and Distance - Unter den Goldkiefern von Raimei (Eine Bonanza Geschichte) ================================================================================ Kapitel 26: Kapitel 26 ---------------------- Kapitel 26 Ein wenig wehmütig sah er zu, wie seine Familie davon ritt und winkte ihnen nach, bis er sie nicht mehr sah. Seufzend ging er wieder hinein und sah sich gelangweilt um. Lustlos ging er zu dem Esstisch und begann damit abzuräumen. Eigentlich tat so etwas immer Hop Sing, doch Joe wusste nicht, wo der steckte. Da keiner etwas gesagt hatte, ging er davon aus, dass der Koch bald kommen würde. Der Tisch war bald blitzblank, also lümmelte er sich aufs Sofa und nahm sich seit einer gefühlten Ewigkeit wieder das Buch, welches er von Adam geliehen bekommen hatte. Eine Zeit lang genügte das, er kam zwar nicht sehr weit, aber dafür war ihm auch nicht langweilig. Das Buch wanderte also bald wieder ins Regal und wieder suchte sich Joe eine Beschäftigung. Hop Sing war immer noch nicht da, also konnte er dem Chinesen auch logischerweise nicht helfen. Er seufzte. Vielleicht gab es ja draußen etwas, das er tun konnte. Joe legte den Revolvergürtel an und setzte den Hut auf. Dann ging er raus und durchsuchte zuerst den Stall. Das Sattelzeug hatte er erst vor kurzem gereinigt und das Stroh konnte er mit seiner Wunde ganz sicher nicht wechseln. Er konnte noch nicht mal eines der Pferde striegeln, weil einfach keines da war. "Ich sterbe noch vor Langeweile", seufzte er und verließ den Stall wieder. Nun stand er unschlüssig mitten im Hof und blickte auf den Boden. Der müsste mal wieder geharkt werden, aber vermutlich war auch das keine gute Idee. Dämliche Wunde. Joe rieb sich mit einer Hand übers Gesicht und lief dann einfach los. Dann ging er eben spazieren. Er lief einfach, zuerst nur geradeaus. Dann kam er zu einem Pfad, welcher einen Berg hinaufführte. Diesen Weg war er mit seiner Mutter öfter entlang gewandert. Es war eine seiner wenigen Erinnerungen, die er noch an Marie hatte. Also lief er der schönen Erinnerungen wegen den Pfad entlang, welcher, wenn man ihm bis zum Ende folgte, mitten ins Gebirge führte. Aber so weit wollte er gar nicht. Joe genügte es, an den Platz zu kommen, an dem er mit seiner Mutter immer Pause gemacht hatte, ehe sie denselben Weg zurückgegangen waren. Der Platz hatte sich kein Stück verändert. Und für Joe war es, als würde, so wie früher, seine Mutter jeden Augenblick hinter ihm ebenfalls auf dem Plateau ankommen. Es fühlte sich so echt an, dass er sich tatsächlich kurz umdrehte, um zu sehen, dass er nichts sah. Marie war nicht hinter ihm. Er war allein. "Ma...", seufzte Joe und setzte sich nah an der Kante auf einen Felsen. Von hier aus konnte er das Haupthaus der Ranch komplett überblicken. Überhaupt konnte er sehr viel von ihrem Land sehen. Es war alles zwar winzig, aber da er ja wusste, wo er in etwa hinsah, konnte er sich denken, dass die Masse schwarzer Punkte wohl eine ihrer Rinderherden war. Aber einen leuchtend weißen Punkt konnte er nicht erkennen. Also keine Idee, wo seine Familie war. Seufzend ließ sich Joe auf den Rücken niedersinken, legte den Kopf auf den verschränkten Armen ab und blickte in den Himmel. Der Tag fing gut an, es gab nur ein paar wenige Wolken und die waren nicht besonders verheißungsvoll. Früher als Kind hatten er und seine Mutter hier immer Bilder in den Wolken gesucht. Aber heute war einfach zu gutes Wetter für diese Art Wolken. Was seine Mutter wohl davon gehalten hätte, in welche Richtung sich seine Gefühle für Adam entwickelt hatten. Hätte sie es hingenommen? Oder ihren Sohn für seine Gefühle verstoßen? Es war so leicht darüber nachzudenken, was ein Toter darüber denken würde. Viel leichter, als darüber nachzudenken, was die Lebenden dazu sagen würden. Bald würde er sich dem stellen müssen. Mit jedem Tag mehr begann sein Herz immer heftiger zu schlagen, sein Bauch vor lauter Schmetterlingen platzen zu wollen, sein Körper bei jeder kleinsten Berührung zu erschaudern. Es genügte schon ein Gedanke, um ihm die Röte ins Gesicht zu treiben. Ein Gedanke, sein Blut zum Kochen zu bringen. Ein Gedanke, seine Vernunft ganz weit nach hinten zu schieben. Joe legte atemlos seine Hand auf die Brust, dort wo sein Herz lag, und er fühlte es kräftig und deutlich beschleunigt schlagen. "Hey Ma, ich glaube, ich bin ziemlich verknallt", brachte er zitternd über die Lippen und spürte über seine Wangen etwas Nasses laufen. Verwirrt hob Joe eine Hand und strich darüber. Tränen. Wieso weinte er denn? Und wieso zog sein Herz auf einmal so? Joe hatte das Gefühl zu ersticken. Hektisch setzte er sich auf und japste nach Luft. Die Tränen liefen weiter. Verflucht, er war verliebt. In seinen Bruder! Und sie hatten irgendwie schon Dinge getan, die man nicht so tat als Brüder. Oh verdammt, er hatte Adam sein Lieblingstuch gegeben! Was wäre denn, wenn Adam auf einmal dieselben Gedanken hätte, einfach mit der Familie brach und einfach ging? Dann war sein Tuch weg. Über alle Berge. Futsch. Ah...und Adam natürlich auch. Aber sein Tuch! Joe hyperventilierte. Das durfte nicht geschehen. Adam durfte nicht gehen. Nicht jetzt. Joe brauchte ihn doch, jetzt mehr als jemals zuvor. Für sie. Um aus ich und du, du und ich, ein "wir" zu machen. Mein Gott, was für Gedanken hatte er da nur. Das war doch nicht mehr normal. Für diesen romantischen Schmachtkram war Adam zuständig. Joe hatte die Aufgabe, sich richtig schön umwerben zu lassen. Immerhin war er der Jüngere. Oh Gott, er war glatte elf Jahre jünger! Adam würde niemals ernsthaft um ihn werben. Das, was bisher geschehen war, waren nichts weiter als Ausrutscher. Bedauerlicherweise sehr schöne Ausrutscher. Ausrutscher, die dazu führten, dass Joe sich in seinen BRUDER verliebte. Wie weit sollte es noch mit ihm kommen? Und überhaupt, was war denn so toll an Adam? Joe stierte in den blauen Himmel und ließ resigniert den Kopf auf die Seite fallen. Alles. Ja, er war ein ernster, mürrischer, bestimmender Besserwisser. Aber er war auch zärtlich, liebevoll, beschützend, ehrlich, gütig, romantisch, musikalisch, verantwortungsbewusst, analytisch, geduldig und vor allem immer da, wenn er gebraucht wurde. Joe seufzte schmachtend. Er war verloren. Selbst die Gedanken an die eine oder andere frühere Eroberung konnten das perfekte Bild von Adam nun nicht mehr trüben. Es war ernst. Und das ängstigte ihn nun doch. Wenn Adam es nur als Probierphase abtat? Wenn er nur mitgemacht hatte, um Joe nicht zu verletzen? Er könnte es nicht ertragen, von Adam eine richtige Abfuhr zu bekommen. Nein. Ganz ruhig. Beruhige dich, Joe. Das alles kann keine Phase sein. Adam ist so ein Schlaumeier und der lässt sich ganz sicher zu nichts verleiten, was er selbst nicht will. Vertrauen. Er musste ihm nur vertrauen. Und vielleicht doch etwas eigenständig werben, es stand ja nirgends geschrieben, dass nur einer werben konnte. Das könnten sehr interessante Präsente und Ideen werden, wenn sie auf dasselbe abzielten. Joe atmete tief ein und kräftig wieder aus, dann wieder tief ein und verschluckte sich an seiner Luft, als er den ersehnten weißen Punkt sah. Cochises leuchtendes Fell war ein Segen. Sofort machte er sich wieder an den Abstieg. Und so, wie er sich beeilte, war es sogar möglich, dass er noch vor den anderen bei der Ranch ankam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)