Wünsche von _Delacroix_ ================================================================================ Wünsche ------- Der Herbst war quasi über Nacht gekommen, hatte die Blätter an den Bäumen gefärbt und einen kühlen Wind geschickt, der durch jeden noch so dicken Umhang drang. Ryoma mochte das nicht. Zuhause in Schloss Shirasagi waren die Nächte milder und die Tage wärmer, selbst um diese Jahreszeit. Prinz Xander dagegen störte das Wetter augenscheinlich nicht. Stoisch und unbewegt saß er an seinem Tisch und nippte an einer Tasse Kaffee. Ryoma schmeckte das Gebräu nicht wirklich. Es war zwar angenehm warm, aber auch sehr bitter, fast wie der Matcha-Tee, den Kagero ihm vorzusetzen pflegte, wann immer sie glaubte, ihm damit einen Gefallen tun zu können. Trotzdem hatte er sich auf eine Tasse einladen lassen und das zu einer Zeit, zu der das halbe Lager noch im Tiefschlaf lag. In den letzten Tagen hatte sich die wuselige Betriebsamkeit der Armeemitglieder noch verstärkt und war zu einer ungewohnten Hektik geworden, die vor allem die Nohren zu erfassen schien. Selena hatte jede einzelne Truhe nach ihrem Yukata durchsucht, Peri war reizbarer als sonst und selbst Laslow hatte abwesend gewirkt, als er vor einer halben Stunde an ihm vorbeimarschiert war. Ryoma wusste nicht warum. Vielleicht war es das unbeständige Herbstwetter, vielleicht war es auch das Laub, das langsam von den Bäumen fiel und kahle Äste zurückließ, wie man sie so oft in den Bildern Nohrs zu sehen bekam.  Ihm gegenüber stellte Prinz Xander seine Tasse ab. „Prinz Ryoma, ich muss gestehen, ich habe Euch nicht ohne Hintergedanken eingeladen“, eröffnete er. Ryoma nickte. Er hatte sich so etwas bereits gedacht. Zwar waren sie inzwischen Verbündete und trainierten oft zu zweit, aber dieses gemeinsame Kaffeetrinken war ihm schon komisch vorgekommen. Es passte einfach nicht in ihre tägliche Routine. „Wisst Ihr, was heute für ein Tag ist?“, fragte Prinz Xander und musterte ihn streng. Ryoma schüttelte den Kopf. Für ihn war es ein Tag wie jeder andere. Wenn auch ein ziemlich kalter. Prinz Xander nippte erneut an seinem Kaffee. „Heute ist der Siebenundzwanzigste“, klärte er ihn zwischen zwei Schlucken auf, „Und der Siebenundzwanzigste ist mein Geburtstag. Seid Ihr mit diesem Brauch vertraut?“ Gerne hätte Ryoma „Ja“ gesagt, doch die Wahrheit war, er wusste nicht viel darüber. Nur das, was Prinzessin Elise ihm an Mozus Ehrentag erzählt hatte:   In Nohr gab es keinen Jedermanns-Geburtstag. In Nohr feierte man an exakt dem Tag, an dem man geboren worden war. Es war ein besonderer Tag, an dem man Glückwünsche und Geschenke bekam und wenn man Wünsche hatte, dann bemühten sich Andere darum, sie an jenem Tag zu erfüllen. Langsam sah er auf. Erwartete Prinz Xander etwa, dass er etwas für ihn tat? Das er ihm einen Wunsch erfüllte? Neugierig blickte er sein Gegenüber an. Was es wohl für ein Wunsch sein mochte? Etwas Politisches vielleicht? Oder eine Forderung bezüglich Corrin? Unwillkürlich richtete er sich noch etwas weiter auf. Aber was, wenn es etwas anderes war? Etwas persönliches?   Prinz Xander räusperte sich, scheinbar verlegen. „Traditioneller Weise feiern wir in Nohr in der Nacht vom Einunddreißigsten ein großes Fest“, erklärte er und plötzlich machte das Verhalten der ganzen Nohren einen Sinn. Darum suchte Selena also ihren Yukata, ein Kleidungsstück, das man in Hoshido eigentlich nur im Sommer trug, und darum stand Laslow so ungewohnt neben sich. Sie bereiteten etwas vor - Ein Fest. Gerne hätte Ryoma dazu so einige Fragen gestellt, doch diese Erklärung war so plötzlich gekommen, so unverhofft, dass er beschloss, sich zunächst einmal zurückzuhalten. „Also“, ruderte Prinz Xander, die Hände fest um das Porzellan seiner Tasse geschlungen, „wie ich bereits erwähnte, habe ich heute Geburtstag und ich wünsche mir … Ich wünsche mir, dass Ihr mit mir zu dieser Feier geht.“ Kurz glaubte Ryoma, er habe sich verhört, doch da war die Art, wie sein Gegenüber sich an die Tasse klammerte, die Art, wie er sich bemühte ihn nicht anzusehen. Xander hatte ihn wirklich gerade gefragt, ob er mit ihm dieses Fest besuchen würde, anders konnte er sich dieses Verhalten nicht erklären. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und machte es ihm schwer ein erstes „Ja“ zu krächzen. Er wusste nicht, was es genau für ein Fest sein sollte, aber bestimmt würde es lehrreich werden und wenn er Xander damit einen Wunsch erfüllen konnte, dann war er auf jeden Fall dabei. Und vielleicht würde er in den verbleibenden vier Tagen ja auch noch ein kleines Präsent finden. Irgendetwas, um seinem neuen Freund zu zeigen, dass er nicht Geburtstag haben musste, um ihn zu etwas einladen zu dürfen. Vielleicht etwas von Kageros geliebtem Matcha-Tee? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)