Nur mit dir, für dich von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 25: Die Falle --------------------- Knapp zwei Wochen musste André seinen Verband am Tag noch tragen, aber von Abends bis zu dem Morgengrauen, durfte er ihn jedoch ablegen. „Euer Auge ist gerettet, André!“, teilte der Doktor irgendwann erfreulich mit. „Ihr könnt jetzt tun und lassen was Ihr wollt! Ich bin mir nun ganz sicher, dass alle Gefahren überstanden sind!“   Was für eine schöne Nachricht! Einen Monat Pflege, Behandlung und häusliche Umgebung, hatten sich gelohnt! Jetzt konnte man sich wieder dem schwarzen Ritter widmen! Dieser hatte schon alle Adelshäuser unsicher gemacht - bis auf das von der Familie de Jarjayes. Dafür aber überfiel er die Transportzüge des Generals de Jarjayes und auch ein paar anderen Generäle. Aus 200 gestohlenen Gewehren wurde in einem Monat 600.   Seit Andrés Auge mit vollsten Sicherheit gerettet war und er selbst sich wie früher benahm, wollte Oscar dem schwarzen Ritter eine Falle stellen. Hier, in ihrem trauten Heim. Sie ließ die Nachricht verbreiten, dass der König eine ansehnliche Summe von Gold und eine größere Anzahl von Gewehren dem Hause de Jarjayes anvertraut hatte und auf ihr Anwesen gut geschützt unterbringen ließ.   „Meinst du, dass der schwarzer Ritter darauf hereinfällt?“, fragte André eines späten Abends seine Oscar. Sie saßen zu zweit im Kaminzimmer von Oscar und gönnten sich ein Gläschen Wein.   Oscar hatte diesbezüglich noch angeordnet, dass alle Bedienstete nach dem Abendmahl zu Bett gingen und alle Lichter im Haus löschten. Daher gab es auch bei ihr im Zimmer kein Licht. Außer dem schwach glühenden Feuerschein im Kamin. „Das werden wir sehen“, beantwortete sie ihm seine Frage flüsternd.   „Heute ist schon der sechste Abend, das wir auf ihn bis Spät in die Nacht warten und nichts tun“, erinnerte André sie zweideutig. Die erste Abende waren noch ertragbar. Aber je länger sie auf den schwarzen Ritter warteten, desto nervenzehrender wurde es. Das war jeden Abend das Gleiche: Sie saßen am Kamin, bis das Feuer irgendwann spät in der Nacht verglühte und André auf sein Zimmer gehen musste, ohne mit Oscar Zärtlichkeiten ausgetauscht zu haben. Einerseits aus Vorsicht und andererseits aus Müdigkeit.   Oscar erhob sich. Auch sie war es langsam leid zu warten. Ob auf schwarzen Ritter oder etwas anderes, konnte man bei ihr nicht erahnen. Die Uhr hatte gerade eine Stunde nach Mitternacht geschlagen. Oscar stellte ihr halbvolles Glas auf den kleinen Tisch ab und vertrat am Kamin ihre Füße. „Noch zwei Stunden hier ausharren, dann können wir ins Bett gehen. Ich glaube nicht, dass der schwarze Ritter danach noch auftauchen würde.“   „Wenn er überhaupt dieses Wagnis eingehen wird.“ André stellte sein Glas auch ab, überkreuzte seine Beine und ließ Oscar nicht aus den Augen. „Ich meine, wir haben ihn verfolgt und gestellt. Denkst du, er wird ausgerechnet auf deine Nachricht hereinfallen und in dein Zuhause einbrechen? Er ist bestimmt kein Dummkopf, Oscar. Du siehst doch selbst, wie lange wir schon auf ihn warten.“   „Vielleicht hat sich meine Nachricht noch nicht ausgebreitet“, vermutete Oscar, ohne am Kamin stehen zu bleiben: „Das heißt, sie hat sein Gehör noch gar nicht erreicht. Paris ist kein Hof, André. Da dauert es mit den Gerüchten etwas länger.“   „In dieser Hinsicht stimme ich dir zu, Oscar. Aber ich mag nicht tatenlos herumzusitzen und zu warten.“   „Was schlägst du dann vor?“ Oscar blieb direkt vor ihm stehen und sah eindringlich auf ihn herab.   André stand auf, um mit ihr auf gleichen Augenhöhe zu sein, obwohl er knapp einen Kopf größer war als sie. „Ich schlage vor, wir können die Zeit sinnvoller ausnutzen.“   „Wie denn?“, hackte Oscar verspielt nach.   André wickelte eine ihrer Haarsträhnen um sein Finger und sein Blick glitt von ihren Augen auf ihren sinnlichen Mund. „Nun... ich habe da etwas unanständiges im Sinn...“   „Aha.“ Oscar verstand was er wollte und angenehmes Kribbeln überlief ihren Körper. Jedoch täuschte sie ihm trotzdem eine kühle Miene vor und verschränkte ihre Hände hinter sich. „Du willst mich also wieder haben, nachdem du mich abermals von deinem Krankenbett fortgejagt hattest?“   „Ich habe mich doch schon entschuldigt...“ André ließ eingeknickt ihre Haarsträhne los und sah ihr beinahe gequält in die Augen. „Du nimmst mir das also noch übel... Es tut mir aufrichtig leid, Oscar. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich werde es nie wieder tun, ich schwöre es! Ich liebe dich einfach zu sehr!“   Der letzte Satz brachte Oscars Herz zum schmelzen. Sie milderte ihren Gesichtsausdruck. Im Grunde genommen nahm sie ihm seine Abfuhr schon lange nicht mehr übel. Sie wollte ihn damit nur ein wenig necken. „Nun gut, mein Geliebter, ich verzeihe dir.“   „Danke, meine Liebste! Du machst mich wieder glücklich!“ André erstrahlte und zog Oscar schwungvoll an sich.   „Du mich auch“, hauchte Oscar verschmitzt und reckte ihren Hals zu ihm empor.   André schenkte ihr sogleich einen innigen Kuss und seine Hände wanderten schon an ihrem Körper. Wie lange hatte er das vermisst! Sie berühren, sie spüren und in sie eintauchen! Bedauerlicherweise störten aber noch ihr Hemd und ihre Hose dazwischen. Bei ihm ging es dagegen viel effektiver. Er brauchte nur sein Hosenbund aufzumachen. Oscar umklammerte derweile seinen Nacken und ihr Körper presste sich an ihn. Sie gab ihm keine Möglichkeit, sie auszuziehen. Also bewegte André seine Füße, schob Oscar nach hinten und ohne den Kuss zu unterbrechen, führte er sie am Kamin vorbei, bis zu Wand.   Oscar lehnte sich mit Rücken gegen die blumigen Tapete, ihre Hüfte drängte sich zu ihm vor und rieb sich an seinem Schritt. Ihre Finger kramten sich in sein kurzes Haar. Wie anders sie sich doch anfühlten! Aber dennoch angenehm und weich. Noch mehr Hitze der Leidenschaft stieg in ihr empor, als seine Finger sich an ihrem Hosengurt zu schaffen machten. „André...“ Oscar brachte den Kuss ab, ihr Atem entwich ihr stoßweise: „...lass uns ins Bett gehen...“   „Mit dir immer gern“, schmunzelte André und dann hörten sie urplötzlich einen gedämpften Krach. Das klang vom untersten Stockwerk.   „Jemand ist im Haus!“, murmelte Oscar in Alarmbereitschaft und schob André von sich. Weg war die Hitze der Leidenschaft!   André verdrehte die Augen. „Lass uns nachsehen.“ Was hätte er sonst sagen sollen?! Oscar würde das keineswegs ignorieren, egal ob er ihr weismachen würde, dass es vielleicht eine der Bediensteten sei.   Oscar schlüpfte schon unter seinen Armen hindurch und verschwand im dunklen Salon. Unterwegs ordnete sie beiläufig ihre Hose und ihr Hemd. André folgte ihr auf dem Fuß. Zu zweit erreichten sie die Kommode, wo ihre Schusswaffe lag. „Ich nehme die Pistole und du nimmst meinen Degen!“, beschied Oscar kaum hörbar, aber deutlich.           Im Haus herrschte eine blanke Finsternis. Aber Oscar und André kannten sich hier schon gut genug aus. Und zu dem waren ihre Augen auch schon an die Dunkelheit gewöhnt. Bei der großen Treppe und durch die Fenster, sickerte auch noch etwas von Mondlicht hindurch. Schwach, aber dennoch erkennbar.   Im unteren Stockwerk war alles ruhig. Das Paar überquerte es stets auf der Hut und ihre Waffen griffbereit. „Wir schauen bei der Hintertür nach“, flüsterte Oscar kurz angebunden und schlich mit André weiter.   Die Hintertür war aufgebrochen und knarrte leise bei dem ziehenden Luftzug. Es klang unheimlich und gespenstig, aber Oscar kannte keine Furcht.   „Und nun?“, fragte André halblaut. Er hielt sich dicht hinter seiner Geliebten auf. Insgeheim verfluchte er diese Störung. Er war immer noch erregt und wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Oscar im Bett zu sein und mit ihr in Leidenschaft zu verglühen.   Oscar schloss die Hintertür. „Entweder ist es ein gewöhnlicher Einbrecher oder der schwarzer Ritter hat endlich angebissen.“ Etwas hämisches lag dabei in ihrer Stimme: „Auf jeden Fall ist jemand im Haus, der nicht hierher gehört und den schnappen wir uns! Wir gehen in den Keller!“   „Woher weißt du, dass wir unbedingt dort suchen müssen?“   „Das sagt mir mein Instinkt.“   „Du bist unmöglich.“   „Ich weiß.“   „Und trotzdem liebe ich dich...“   „Ich dich auch. Jetzt sei aber still und folge mir leise.“   „Wie du willst. Ich werde dir bis ans Ende der Welt folgen...“   „André, bitte!“ Oscar wirbelte herum und André prallte ungewollt gegen sie. Systematisch schloss sich sein Arm um ihre Mitte, damit sie nicht hinfiel. Oscar spürte die Kraft seinen festen Muskel um ihren Körper und etwas Hartes mit ihrer Hüfte in seinem Schritt. Der Verlangen war noch nicht gestillt. Auch in ihr nicht. Hitze stieg in ihr hoch und ihr Herz beschleunigte sich. Sie wollte ihn auf der Stelle, aber nicht hier und jetzt. „Lass mich bitte los. Du machst es nur noch schlimmer.“   „Du hast recht, entschuldige.“ André ließ sie bedauernd los und sie machte ein Schritt von ihm weg.   Irgendwo in ihrer Nähe entstanden seltsame Geräusche, als würde jemand herumgeistern und nach irgendetwas suchen. Oscar und André horchten auf. Sie wagten kaum zu atmen und versuchten herauszufinden, woher das kam. Etwas kam auf sie zu und sie glaubten Bewegungen wahrgenommen zu haben. Oscar zog schussbereit ihre Pistole und André richtete angriffsbereit den Degen. Die Bewegungen wurden deutlicher und im nächsten Moment zeichnete sich eine menschliche Silhouette vor ihnen. „Halt!“, rief Oscar der Gestalt entgegen: „Sonst werde ich schießen!“   „In Eurem eigenen Haus?“, ertönte von sich unbeeindruckt die Person und blieb stehen. „Das werdet Ihr nicht tun, Kommandant Oscar Francois de Jarjayes.“   Oscar erstarrte, aber ihr Geist arbeitete wachsam. Sie erkannte die tiefe Stimme. Der schwarzer Ritter war tatsächlich in ihre Falle getappt! „Was macht Euch denn so sicher?“   Anstelle einer Antwort blitzte etwas in seiner Hand auf und Oscar druckte nur instinktiv ihre Pistole ab. Der Schuss donnerte durch das ganze Haus ohrenbetäubend. Auch André sah das Aufblitzen und gleich nach dem Schuss, stürzte er mit dem Degen auf den Mann zu. Dieser war anscheinend getroffen und krümmte sich mit einem zischenden Laut. André nutzte das aus und schlug ihm die aufblitzende Klinge leichthin aus der Hand. Der Mann stöhnte schmerzverzerrt und ging zu Boden.   Im Haus erwachte das Leben. Aus dem Schlaf gerissen, vom Schreck kreidebleich und brennende Kerze in den Händen haltend, krochen die Bediensteten langsam und einer nach dem anderen aus ihren Schlafkammern. Die ersten Kerzenlichter erfassten den breiten Gang, zwischen der Hintertür und dem Vorraum. Der Mann am Boden wimmerte und hielt sich die Schulter. Er war maskiert und in Schwarz gekleidet. „So wie ich es mir gedacht habe!“ Oscar steckte triumphierend ihre Pistole ein und deutete André, die Maske abzunehmen. „Ich will endlich wissen wer er ist!“   Die ersten Bediensteten versammelten sich schon im halben Kreis um sie und starrten perplex auf das, was sich vor ihren Augen abspielte. Vorneweg erschien Sophie. „Lady Oscar...“, murmelte sie mit zittriger Stimme: „...habt Ihr etwa geschossen? ...und …und wer ist dieser Mann?“   „Das werden wir gleich sehen.“ Oscar näherte sich dem schwarzen Ritter. „Er ist bei uns eingebrochen und wollte sich nicht ergeben. Deswegen habe ich geschossen“, erklärte sie den Bediensteten knapp und hockte vor dem Kopf des Mannes, um sein Gesicht zu sehen. André nahm ihm die Maske ab und Oscar war verblüfft. „Das ist doch Bernard Chatelet! Er wurde oft mit Robespierre zusammen gesehen!“   „Ist er tot?“, wisperte ein Dienstmädchen kleinlaut.   André befüllte ihm den Schlagader. „Nein. Er ist nur bewusstlos.   „Hol schnell den Arzt, André!!“ beschied ihm Oscar sofort: „Wir brauchen den Mann lebend!“   „Ist gut.“ André flitzte ohne Wiederworte davon. Die Nacht mit Oscar hätte er sich lieber von Anfang an abschminken können! Aber wer wusste schon, dass der schwarzer Ritter unbedingt heute hereinplatzen würde?! Was für ein Einfaltspinsel! Er hatte ihm alles vermasselt und das schöne Beisamensein mit Oscar vergrault! Es würde eine Weile dauern, bis sich wieder so eine günstige Gelegenheit finden würde!   André konnte sich ohrfeigen! Er hatte fünf Nächte Zeit gehabt, um Oscar zu verführen, aber hatte sich stattdessen nicht getraut! Das war jetzt die Strafe dafür!   Der Ausritt bis zum Arzt und die frische Nachtluft, würde schon seine frustrierende Gemütsverfassung abkühlen und in ihm wieder Ordnung bringen. Immerhin hatte Oscar und er den schwarzen Ritter geschnappt! Oscar hatte ihn als Bernard Chatelett identifiziert. Von ihm hatte er genauso viel gehört wie sie. Ein Journalist und ein Gerichtsschreiber, der oft an der Seite von Robespierre gesehen wurde. Und Robespierre hatte sich, vor nicht allzu langer Zeit, als Anwalt für das Volk vorgestellt. Für das Volk! Das hieß, dass Bernard Chatelett, so wie auch Robespierre, generell gegen den Adel waren und den einfachen Bürgerlichen aus dem dritten Stand helfen wollten. Das wäre nicht schlecht, wenn alle Menschen gleichgestellt sein würden! Dann konnte er, ein einfacher Mann wie André, ohne irgendwelchen Schwierigkeiten seine adlige Oscar heiraten und mit ihr glücklich werden! André grübelte auf dem Weg zu dem Arzt noch ein wenig mehr über Bernard Chatelet und dessen Bestrebungen zu dem einfachen Volk. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)