Nur mit dir, für dich von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 14: Die liebe Rosalie ----------------------------- Rosalie wäre nie im Leben darauf gekommen, in eine Lage zu geraten, die all ihre Vorstellungen von Lady Oscar überschlug. Es passierte noch am gleichen Abend, als Lady Oscar sie in der französischen Geschichte unterrichtete. Da kam unverhofft ein Bote der Königin und teilte Oscar mit, sie möge sofort zu Ihrer Majestät kommen.   „Zu dieser späten Stunde?“, wunderte sich Oscar, aber sogleich traf sie ihre Entscheidung: „Nun gut. Ich gehe mich nur umziehen.“   „Ich warte auf Euch bei der Kutsche.“ Der Bote vollführte eine knappe Verbeugung und verließ Rosalies Zimmer.   Rosalie gefiel das ganz und gar nicht. Kaum dass Oscar einen Schritt aus ihrem Zimmer machte, versperrte sie ihr den Weg und begann heftig dagegen zu protestieren: „Bitte geht nicht, Lady Oscar! Wir wollten doch noch Grammatik üben!“   „Rosalie!“ Oscar erhöhte ungewollt ihren Ton: „Immerhin kommt der Befehl von meiner Königin!“   „Ich verstehe Euch nicht!“, konterte Rosalie verzweifelt und beinahe hysterisch: „Immer sprecht Ihr von Euren Königin!“   Oscar betrachtete das Mädchen vor ihr mit gerunzelter Stirn. Dann packte sie sie bei den Armen und rüttelte sie einmal kurz. „Rosalie, was soll das!“   Das schien Rosalie zu Besinnung gebracht zu haben. Sie erstarrte augenblicklich. „Vergibt mir, Lady Oscar...“, wisperte sie kleinlaut und senkte beschämt ihre feuchten Wimpern. „Gestattet mir aber bitte Euch zu begleiten, nur dieses eine Mal...“   „Nun gut, aber beeile dich.“ Oscar ließ sie abrupt los und lief mit langen Schritten aus dem Zimmer.   Rosalie war am verzweifeln. Die Königin hatte alles was ihr Herz begehrte und sie nur die Zuneigung zu Lady Oscar! Sie sollte sich beeilen, hatte sie zu ihr gesagt. Also gut, dann würde sie Lady Oscar nachrennen. Rosalie glättete ihr schlichtes und rosafarbenes, aber hübsches Kleid. Oscar hatte es ihr geschenkt und nun trug sie es für gewöhnlich. Gleich darauf verließ sie ihr Zimmer und eilte zu Oscars Gemächern. Sie erreichte die große Treppe, lief hinauf und in dem langen, kaum beleuchteten Gang, entdeckte sie André. Dieser trat gerade in Oscars Salon ohne anzuklopfen ein. „Dann muss Lady Oscar mit dem Umkleiden fertig sein...“, war Rosalies Gedanke. Also konnte sie genauso wie er ohne anzuklopfen in Oscars Zimmer reingehen. Lady Oscar und André warteten bestimmt nur noch auf sie. Rosalie wurde eines besseres belehrt, als sie den Türknauf lautlos drehte und die Tür Spaltbreit aufstieß. Weiter kam sie nicht. Mit vor Schreck geweiteten Augen, eiskaltem Schauer über den Rücken und erstarrten Gliedern, rührte sie sich nicht von der Stelle.   André umfasste Oscar gerade um die Hüfte, zog sie schwungvoll an sich und verschloss ihren Mund mit seinen Lippen. Oscar schien für kurz überrascht zu sein, aber dann legte sie ihm eine Hand um den Nacken und erwiderte seinen Kuss hingebungsvoll. Aber nur für einen Wimpernschlag. Dann trennten sich die beiden von einander, als wäre nichts geschehen. „Es ist genug“, flüsterte Oscar trocken und zog ihre rote Uniformjacke an, die sie die ganze Zeit mit anderen Hand gehalten hatte. Der Blick, den sie dabei André zuwarf, sprach allerdings eine andere Sprache: Das Feuer der Leidenschaft loderte darin, wie es Rosalie noch nicht in ihr gesehen hatte! Wenn überhaupt je ein Mensch solches bei Lady Oscar gesehen hatte! André sah sie noch liebevoll an und dann verlöschte sich der Glanz der Liebe bei allen beiden. „Wir treffen uns an der Kutsche“, sagte André in einem neutralen Ton und machte sich auf den Weg.   Rosalie erwachte aus ihrer Starre und flüchtete in die Dunkelheit des langen Ganges. Gerade rechtzeitig. André stürmte aus dem Zimmer, ohne sie zu entdecken. Wie denn auch?! Er war in Gedanken bestimmt noch bei Oscar! Mit anlaufenden Tränen in den Augen, presste sich Rosalie gegen die Wand. Das Bild, das sie eben gesehen hatte, brach ihr das Herz. Sie hatte nichts gegen André. Sie hatte sich gar mit ihm angefreundet. Er war ja ihresgleichen. Lady Oscar war da eine Ausnahme. Sie gehörte zwar dem Adel an, aber sie war nicht so verkommen, besaß ein gutes Herz und kämpfte für die Gerechtigkeit. Oscar und André! Wie lange lief das schon zwischen ihnen? Und warum fühlte sie, Rosalie, sich so, als würde ein Messer in ihrem Brustkorb stecken?   Nein! Das durfte nicht wahr sein! Sie durfte diese Gefühle nicht haben! Im Gegenteil! Sie sollte sich für Lady Oscar und André freuen! Sie gaben doch so ein schönes Paar ab!   Rosalie trocknete ihre Tränen mit dem Ärmel, entriss sich von der Wand und schleppte sich zur Tür zurück. Sie sammelte ihren Mut zusammen und klopfte zaghaft an. Nach einem festen „Herein“ von Lady Oscar, öffnete sie die Tür und trat über die Schwelle.   „Ah, Rosalie! Du bist also schon fertig!“ Oscar gurtete gerade ihren Degen um die Hüfte. Dann ordnete sie den hochstehenden Kragen an ihrer roten Uniform und kam auf Rosalie zu. „Jetzt bin ich auch soweit.“   Rosalie wagte nicht ihren Blick zu heben und Lady Oscar ins Gesicht zu sehen, als hätte sie etwas verbrochen. Sie nickte nur stumm mit ihrem Kopf. Plötzlich spürte sie eine sanfte Hand auf ihrem Schulter und zwei Finger unter ihrem Kinn. Die Finger zwangen ihr Gesicht sachte nach oben. Ob sie wollte oder nicht, musste sie nun Lady Oscar ansehen. Himmelblaue Augen, voller Mitgefühl und Beherrschtheit, drangen bis in die Tiefe ihres Inneres. „Was ist passiert, Rosalie?! Du zitterst ja!“   „Ich...“ Rosalie stockte. Nicht nur sie, sondern auch ihre Stimme zitterte. „Vergibt mir, Lady Oscar... ich... ich werde es nie wieder tun...“   „Was wirst du nie wieder tun?“, hackte Oscar milde nach, obwohl ihre Gesichtszüge sich verhärteten.   „Ich habe Euch mit André gesehen, Lady Oscar... das war aber nicht mit Absicht... ich... ich schwöre es! Und ich werde es für mich behalten!“, platzte es Rosalie in einem verzweifelten Wortschwall heraus. Sie rechnete fest mit ihrem Zorn oder damit sofort vor der Tür gesetzt zu werden, aber es geschah nichts.   Oscar wirkte selbst wie versteinert. Ihr Geist arbeitete schnell, ihr Blick verriet die Fassungslosigkeit in ihr und ihr Puls beschleunigte sich. Aber dies war nicht von langer Dauer. Sie fand schnell ihre Fassung zurück, legte die zweite Hand auf Rosalies andere Schulter und brachte gar ein mattes Lächeln zustande. „Ach, meine arme Rosalie... Ich bin dir nicht böse. Du kannst nichts dafür. André und ich werden beim nächsten Mal besser aufpassen. Also komm, der Kutscher wartet.“   „Wie edel Lady Oscar doch ist!“, dachte Rosalie bei sich, während sie mit Oscar nach draußen ging. Sie schwor sich insgeheim, Lady Oscar und André den Liebesglück zu gönnen und sie niemals zu verraten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)