Vogelgezwitscher von Yosephia (Was eine Bahnfahrt alles ändern kann) ================================================================================ Erstes Gezwitscher - von abenteuerlichen Abkürzungen und verlorenen Schals Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Gähnend strich Gray sich durch die schwarzen Haare und trottete hinter seinen Klassenkameraden her aus der Jugendherberge, in der sie die letzte Woche verbracht hatten. Es ging nur langsam voran, weshalb einige nölten. Die frühe Stunde schlug ihnen aufs Gemüt, insbesondere denen, die von der Feier in der vergangenen Nacht noch verkatert waren. Gray war froh, dass er die Einladung zur Feier ausgeschlagen hatte und stattdessen mit seinen Cousins noch mal auf die Nachtpiste gegangen war. So hatte er zwar auch wenig Schlafstunden auf dem Konto, aber wer wusste schon, wann er wieder einmal die Chance bekommen würde, auf dem Snowboard zu stehen? Das Snowboarden war an der gesamten Klassenfahrt immerhin das Einzige, was er in guter Erinnerung behalten würde. Die Jugendherberge mit ihren zugigen Fenstern, ihren immer knarrenden Dielen und den wackeligen Betten würde er gewiss nicht vermissen. Erst recht nicht das zerkochte Essen hier. Und mit fünfzig anderen Schülern in so einem Klapperding zusammen gepfercht zu sein, machte den Alptraum geradezu perfekt. Wer auch immer die glorreiche Idee gehabt hatte, immer zwei Klassen zusammen auf Klassenfahrt zu schicken, gehörte Grays Meinung nach gevierteilt. Mit einer einzigen Klasse war es schon Zumutung genug, auf Klassenfahrt zu gehen! Erleichtert atmete Gray auf, als er endlich auf die hölzerne Veranda hinaus treten konnte. Die Jugendherberge war nach altem Pergrande-Berghüttenstil an einem steilen Hang gebaut worden und nur über eine klapprige Treppe zu erreichen. Die Schüler schleppten ihre Koffer und Reisetaschen immer im Abstand von mehreren Stufen hinunter. Im Moment mühten sich einige Mädchen mit ihren Monsterkoffern ab, weshalb es noch langsamer als ohnehin schon voran ging. Die Lehrer waren schon reichlich ungehalten deswegen. Neben Gray seufzte sein Cousin Lyon entnervt und ließ seine Reisetasche auf die Veranda fallen, um sich darauf nieder zu lassen. Trotz der frühen Morgenstunde und der nächtlichen Abenteuerfahrt war Lyon so perfekt gestylt wie eh und je, weshalb ein Mädchen, das noch recht weit oben mit seinem Koffer war, flehentlich zu Lyon zurück blickte. Doch der tat so, als hätte er das nicht bemerkt und raffte etwas Schnee vom Verandageländer zusammen, um einen Ball daraus zu formen. „Wenn wir den Schnellzug verpassen, müssen wir den Regionalzug nehmen. Der braucht zehn Stunden bis nach Magnolia“, murmelte der Weißhaarige. Gray stöhnte leise. Die Vorstellung, zehn Stunden lang mit diesen Idioten da in einer Bahn zu reisen, war der reinste Horror! Dabei waren schon die fünf Stunden mit dem Schnellzug hierher für seinen Geschmack die reinste Zumutung gewesen. „Dann lasst uns einfach eine Abkürzung nehmen!“ Gleichzeitig drehten Gray und Lyon sich zu ihrem Cousin Natsu um, der es auch endlich aus der Jugendherberge heraus geschafft hatte. In einer Hand trug der breit grinsende Pinkhaarige seine eigene Reisetasche, in der anderen die seiner Cousine Meredy, welche hinter ihm mit eingegipstem Arm aus der Jugendherberge trat. Sofort war Lyon auf den Beinen, um die Tasche seiner Freundin an sich zu nehmen, wofür diese ihm einen effektvollen Augenaufschlag schenkte. Gray verdrehte die Augen. Seine, Lyons und Natsus Mütter waren Schwestern, daher waren die drei Jungen vom Sandkasten an immer zusammen gewesen. Meredy allerdings war Natsus Cousine väterlicherseits und erst vor zwei Jahren nach Magnolia gezogen. Vom ersten Tag an hatten sie und Lyon miteinander geflirtet. Für Grays Geschmack verhielt sich der Weißhaarige wie ein Vollidiot, wenn er seiner Freundin den Hof machte. Nach Meredy mühte sich ihre beste Freundin Juvia durch die enge Tür der Jugendherberge. Mit ihren langen, blauen Haaren und den großen, blauen Augen war sie ausgesprochen hübsch, aber Gray kannte sie kaum. Genau wie Meredy ging sie in die Parallelklasse. Er hatte gar nichts weiter mit ihr zu tun. „Was meinst du mit Abkürzung, Natsu?“, fragte Gray und blickte kurz über seine Schulter zur Treppe. Ein Mädchen hatte seinen Koffer auf dem schmalen Treppenabsatz stehen lassen und versuchte nun, sich an den Anderen vorbei wieder nach oben zu drängen, weil es etwas in seinem Zimmer vergessen hatte. Das hielt den Verkehr noch mehr auf als ohnehin schon. Übermütig grinsend ging Natsu zum Verandageländer, schob seine Reisetasche durch die Lücke in den Holzlatten über die Kante und flankte dann über das Geländer. Geschickt landete er im Schnee und sah dann erwartungsvoll zu ihnen auf. „Natsu, das haben sie uns doch verboten“, schimpfte Meredy, aber sie strafte ihre verantwortungsvollen Worte Lügen, indem sie ans Geländer trat und auf die untere Holzlatte trat. „Achtet doch keiner auf uns“, erwiderte Natsu mit einem nachlässigen Schulterzucken und half seiner Cousine über das Geländer hinweg. „Wo er Recht hat“, seufzte Lyon, wuchtete seine und Meredys Reisetaschen in die Höhe und folgte Natsu und Meredy. Die Taschen warf er neben Natsus in den Schnee, ehe er mit derselben Geschicklichkeit wie Natsu über das Geländer flankte. „Juvia denkt, dass wir das nicht tun sollten. Meredy ist doch schon verletzt“, ließ die Blauhaarige sich vernehmen und blickte zaghaft zu den Lehrern hinunter, die am Fuß der Treppe standen und versuchten, die Schülerin zur Ordnung zu rufen, welche nach oben strebte. „Wird schon schief gehen“, brummte Gray, der auch keine Lust mehr auf Warten hatte, warf Natsu seine eigene Reisetasche zu und ergriff dann einfach Juvias Koffer, um ihn unter den Holzlatten hindurch zu schieben. Mühelos sprang er über das Geländer. Solange er denken konnte, hatte er mit Natsu und Lyon allen möglichen Sport ausprobiert. Über kurz oder lang war es fast immer daran gescheitert, dass die Wettbewerbe zu eintönig wurden. Leichtathletik hatten sie fast drei Jahre lang gemacht, ehe es einfach öde wurde, aber das viele Training hatte sich bezahlt gemacht. „Sei kein Frosch, Juvia. Immerhin habe ich mir den Arm auf der Treppe und nicht im Schnee gebrochen“, lachte Meredy unbekümmert. Dabei musste ihr der Arm unter Garantie weh tun. Gray konnte da aus Erfahrung sprechen, auch wenn es schon acht Jahre her war, dass er mit Natsu und Lyon vom alten Apfelbaum im Garten seiner Eltern gestürzt war und sich den Arm gebrochen hatte. Vorsichtig stieg Juvia auf die erste Latte des Geländers, zögerte jedoch ein Bein über das Geländer zu schwingen. Als Gray ihr zur Hilfeleistung eine Hand anbot, wurde sie rot und griff unbedacht nach seiner Hand. Sie verlor das Gleichgewicht und kippte nach vorn. Um sie vor einen schmerzhaften Sturz zu bewahren, breitete Gray die Arme aus und fing sie auf. Mit ihr zusammen fiel er in den mehr als kniehohen Schnee und für einige Sekunden waren ihre großen, blauen Augen das Einzige, was er sehen konnte. „Oje, das tut Juvia so Leid!“, quietschte sie und sprang auf die Beine. „Nichts passiert“, ächzte Gray und kämpfte sich aus dem Schnee hoch. Als er sich die Haare ausschüttelte und dann nach seiner Mütze griff, um die sich wieder darüber zu ziehen, fiel ihm das breite Grinsen auf, das die Gesichter seiner Cousins zierte. Sogar Meredy grinste amüsiert, während Juvia noch immer vor sich hin stammelte. „Hey, was macht ihr da?!“ Die scharfe Stimme der hageren Herbergsbesitzerin ließ die fünf Teenager zusammen zucken. Am Geländer stand die Frau, die Hände in die Hüften gestemmt und mit einer sehr unfreundlichen Grimasse. Natsu war der Erste, der sich wieder fing. Unverfroren grinste er zu der Schreckschraube hoch. „Die Flucht ergreifen. Schönen Tag noch!“ Und damit griff er wieder nach seiner Reisetasche und nach der von Meredy, ehe er vorsichtig mit dem Abstieg begann. Lyon stützte mit seiner freien Hand seine Freundin. Gray griff kurzerhand auch nach Juvias kleinen Koffer, damit die Blauhaarige sich darauf konzentrieren konnte, ihr Gleichgewicht zu halten. „Wenn ihr euch die Hälse brecht-“, keifte die Herbergsbesitzerin ihnen hinterher. „Haben wir wenigstens Spaß gehabt“, lachte Natsu, warf seine Reisetasche an einer besonders steilen Stelle wieder in den Schnee, setzte sich mit Meredys Tasche darauf und schob mit den Füßen an. Während der ersten Meter glückte diese improvisierte Schlittenfahrt, sodass Gray schon überlegte, es seinem Cousin gleich zu tun, aber dann rutschte die Reisetasche unter Natsu weg und schoss den Abhang hinunter, während ihr Besitzer noch ein ganzes Stück hinunter rollte und dann in einer hohen Schneewehe stecken blieb. Als Natsu daraus auftauchte, war er weiß wie ein Schneemann, aber er lachte ausgelassen. „Das hat Spaß gemacht! Gray, probier’ es auch aus!“ „Ich verzichte“, brummte der Schwarzhaarige Augen rollend und balancierte mit der Reisetasche und dem Koffer den Abhang hinunter. Er lief einige Meter links von Lyon und Meredy, damit er sie, sollte er doch das Gleichgewicht verlieren, nicht mit runter riss. Juvia allerdings lief auf seinen Rat hin direkt hinter ihm, um seine Spuren als Tritthilfen zu verwenden. Sie beklagte sich nicht, aber Gray merkte ihr an, dass ihr dieses Abenteuer nicht ganz geheuer war. Mittlerweile sahen viele ihrer Klassenkameraden ihnen mit großen Augen bei ihrem kleinen Abenteuer zu. Die meisten waren unverhohlen neidisch, wohl weil sie nicht auf diese Idee gekommen waren. Gray musste sich eingestehen, dass Natsu einen lichten Moment gehabt hatte. Auch wenn es nicht ganz ungefährlich war, es war auch nicht riskanter als die klapprige Treppe – und es war eindeutig amüsanter. Als sie endlich alle unten waren, baute sich einer der Lehrer vor ihnen auf und hielt ihnen eine lange Predigt. Natsu grinste unbekümmert, Lyon machte sein Disziplin-Gesicht, bei dem Gray genau wusste, dass er dann immer auf Durchzug stellte, und Meredy sah unverhohlen skeptisch zum Pädagogen auf. Nur Juvia blickte verlegen auf ihre schneeverkrusteten Stiefel hinunter. Genervt zog Gray sich die Mütze vom Kopf, um sie noch einmal auszuschütteln. Erst da fiel ihm auf, dass er keinen Schal mehr um hatte. Richtig, er hatte sich den Schal in der Jugendherberge erst einmal nur lose um den Hals gelegt. Anscheinend hatte er ihn verloren, als er Juvia aufgefangen hatte. Ohne großartig auf den Lehrer zu achten, der etwas von Verantwortung und Regeln und dergleichen schwafelte, blickte Gray zu der Stelle neben der Veranda hoch, wo sein Abdruck noch im Schnee zu erkennen war. Die Treppe war noch immer verstopft und die unsympathische Herbergsbesitzerin stand immer noch auf der Veranda. Nein, das war ihn der Schal nicht wert, der war sowieso im Auflösen begriffen, weil sich an einem Ende ein Knoten in der Wolle geöffnet hatte. Und in Magnolia würde Gray wohl keinen Schal mehr brauchen. Das hieß, wenn er es heute noch in diesen vermaledeiten Zug schaffen sollte… Zweites Gezwitscher - von vollen Zügen und schweigsamen Sitznachbarn Aller Anfang ist schwer. Normalerweise hatte Juvia nichts gegen Menschenmengen. Sie fand es aufregend, so viele Menschen auf einem Haufen beobachten zu können. Während ihre Finger mit einer Handarbeit beschäftigt waren, ließ sie dann immer den Blick schweifen und überlegte sich, woher die Menschen wohl kamen, was sie für Berufe ausübten, ob sie Familien hatten, wohin sie wohl unterwegs waren und… ob sie wohl verliebt waren. Ganz automatisch suchte Juvia immer nach den direkten und indirekten Hinweisen. Nicht nur Ehe- oder Verlobungsringe, nein, Juvia war überzeugt davon, dass man es einem Menschen zuallererst an den Augen ansehen konnte, ob er verliebt war oder nicht. Wenn sie Meredy ansah, leuchteten deren Augen jedes Mal vor lauter Liebe – und das nicht nur, wenn Lyon in der Nähe war. Aber der überfüllte Regionalzug war ihr nicht geheuer. Die Luft war unangenehm stickig und das Stimmengewirr klang unterschwellig aggressiv. Kein Lachen, kein aufgeregtes Getuschel, nur Knurren und Fauchen und das Weinen eines Kleinkindes, das wegen irgendeiner Nichtigkeit von seiner Mutter gescholten wurde. Unbehaglich hatte Juvia sich in eine tote Ecke gequetscht, um niemandem im Weg zu sein, und hielt den Blick gesenkt. Natürlich hatte die große Schülergruppe es nicht geschafft, den Schnellzug zu bekommen, also hatten sie auf den Regionalzug warten müssen, der obendrein auch noch fast eine halbe Stunde Verspätung gehabt hatte. Juvia hatte währenddessen neben Meredy gestanden und somit in unmittelbarer Nähe von Lyon und seinen beiden Cousins. Natsu hatte sich die Zeit mit allerlei Albereien vertrieben. Er hatte trotz des Schneematschs am Boden Handstand geübt, wann immer die Lehrer nicht zu ihnen herüber geblickt hatten, und versucht, Gray und Lyon anzustacheln, es mit ihm aufzunehmen. Letzterer hatte ihm den Gefallen schließlich getan, Gray jedoch hatte nur genervt die Augen verdreht und den Kopf noch etwas mehr eingezogen, um seinen nackten Hals mit dem Kragen seiner Jacke zu schützen. Als der Zug endlich eingefahren war, hatte Juvia im allgemeinen Chaos Meredy und die Jungs verloren. Beinahe hätte sie es wegen des Gedränges gar nicht erst in den Zug geschafft und sie hatte es schon mit der Angst zu tun bekommen. Im Zug hatte sie sich mit ihrem Koffer mühsam durch ein halbes Abteil hindurch gekämpft, ehe sie eingesehen hatte, dass sie Meredy und die Anderen wohl nicht wieder finden würde. Also hatte sie sich hierher zurück gezogen. „Da bist du ja!“ Überrascht blickte die Blauhaarige auf und erkannte Natsus breites Grinsen. Ob es überhaupt etwas gab, das ihm die Laune verderben konnte? Juvia war nun schon seit zwei Jahren mit ihm befreundet – eben seit Meredy ihre Nachbarin war und Natsu diese häufig besuchte, einfach weil das so seine Art als Familienmensch war –, aber sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals bedrückt oder wütend erlebt zu haben. Er nahm das Leben immer und überall mit einem Lächeln. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht, als wir von dir getrennt wurden“, erklärte Natsu und griff einfach nach Juvias Koffer. „Komm’ mit, wir haben einen Platz für dich frei gehalten.“ „Aber…“ Unbehaglich besah Juvia sich den verstopften Mittelgang. Die Leute sahen Natsu missmutig an. „Vielleicht sollte Juvia lieber hier bleiben. Hier stört sie niemanden.“ „Blödsinn, hier musst du doch die ganze Zeit stehen!“ Mit der freien Hand zog Natsu sie mit sich. Um sie herum grummelten die Leute empört oder sogar offen feindselig, aber der Pinkhaarige ließ sich nicht im Geringsten beirren. „Sorry, fliegen kann ich nicht“, erklärte er einer Frau, die sich beschwerte, als er an ihr vorbei wollte. Jede grantige Bemerkung konterte er mit einem frohgemuten Grinsen, was die Leute völlig aus dem Konzept brachte. Drei Abteile weiter wuchtete Natsu Juvias Koffer auf die Gepäckhalterung und drückte die Blauhaarige auf einen Sitz. „Vertragt euch“, lachte er – und schon war er verschwunden. Perplex sah Juvia ihm hinterher, dann wandte sie sich ihrem Sitznachbarn zu. Wildes, schwarzes Haar, dunkle Augen, ein markantes Gesicht. Ihr Herz setzte aus, ehe es viel zu schnell weiter schlug, und ihr Gesicht wurde heiß. „Gray… ist es okay, wenn Juvia hier sitzt?“ „Besser als Natsu diese Quasselstrippe bist du allemal“, murmelte der Schwarzhaarige und blickte dann wieder aus dem Fenster. „Juvia wird sich Mühe geben!“, versprach die Blauhaarige. Obwohl sie erst seit zwei Jahren mit Natsu befreundet war, kannte sie ihn, Lyon und Gray schon seit der Grundschule. In den ersten zwei Schuljahren hatte sie sogar neben Gray gesessen und er hatte sie immer gegen die Mitschüler verteidigt, die sie Bosco-Mädchen beschimpft hatten. Dann waren die Klassen neu gemischt worden und seitdem war Juvia nicht mehr mit Gray und seinen Cousins in einer Klasse gewesen. Und dennoch hatte sie Gray immer beobachtet, wie er sich – zumeist widerwillig – von Natsu zu allerlei Blödsinn hatte anstiften lassen. Wie er sich an allerlei Sportarten probiert hatte. Bei jedem seiner Wettbewerbe war sie dabei gewesen und hatte ihn heimlich angefeuert. Nur ihn anzusprechen, das hatte sie sich nie getraut. Ratlos ließ sie wieder den Blick schweifen und erkannte am Ende des Abteils Meredy, die auf einem Platz gegen die Fahrtrichtung saß. Neben ihr konnte Juvia einen weißen Haarschopf ausmachen. Von Natsu jedoch keine Spur. Er hatte doch nicht etwa zu Juvias Gunsten auf den Platz neben Gray verzichtet? Beinahe wollte Juvia schon aufstehen, um nach dem Pinkhaarigen zu suchen, aber dann fing sie Meredys Blick auf. Ihre Freundin zwinkerte ihr ermunternd zu und wandte sich dann grinsend an Lyon. Der beugte sich zur Seite, um Juvia ebenfalls sehen zu können, und hielt seine Hände in die Höhe, die Daumen gedrückt. Sofort wurden Juvias Wangen wieder heiß. Gleich an ihrem ersten Tag in Magnolia hatte Meredy die Blauhaarige und ihre Gefühle für Gray durchschaut und sie seitdem immer dazu ermuntert, den Vorstoß zu wagen. Natsu und Lyon hatten sich schnell für dieses Projekt begeistern können, waren aber sehr zu Juvias Dankbarkeit zumeist von Meredy gezügelt worden. Dieses Mal jedoch schienen die Drei sich verschworen zu haben. Juvia linste wieder zu Gray, der jedoch noch immer aus dem Fenster starrte, das Kinn mit der Hand abgestützt. Mit Menschenmengen fühlte Gray sich nicht wohl, das hatte Juvia schon vor langer Zeit bemerkt. Im Gegensatz zu seinen beiden Cousins war er eher ein Eigenbrödler und wollte seine Ruhe haben. In der Schule blieb er in den Pausenzeiten auch meist für sich oder verbrachte sie mit Natsu – Lyon war ja während der Pausen oft bei Meredy. Um ihn nicht zu stören, zog Juvia sich umständlich den Mantel aus und stopfte ihn neben ihren Koffer ins Gepäckabteil. Dann öffnete sie ihre Tasche und ließ die Finger über die Wollbündel gleiten, die sie extra für die langen Fahrtzeiten eingepackt hatte. Es war dicke, weiche Wolle, ideal um schnell eine Kleinigkeit zu stricken. Für komplizierte Strickmuster mit dünner Wolle brauchte Juvia mehr Ruhe. Nachdenklich besah Juvia sich die vier verschiedenen Farben. Ein dunkles Grau, ein Rotbraun, ein sattes Schwarz und ein intensives Grün. Mit letzterem wollte sie allerdings lieber ein Haarband für Meredy häkeln und ihre Häkelnadeln hatte sie dummerweise Zuhause vergessen. Natsu hatte bald Geburtstag, ob er sich über eine schwarze Mütze freuen würde? Er hatte seine alte Mütze – eine scharlachrote, die sich fürchterlich mit seinen Haaren gebissen hatte – gleich am ersten Tag auf der Piste verloren. Allerdings hatte er sich seitdem kein Einziges Mal über einen kalten Kopf beklagt. Außerdem hatte Juvia Zuhause auch noch eine Skizze für einen Pullover, der eigentlich als Geschenk für Natsu gedacht war. Die passende Wolle dafür hatte sie auch schon besorgt. Schwarz-graue Wolle für den Hauptteil und für das Bild auf der Brust – ein Drache mit aufgerissenem Maul – rote, gelbe und weiße Wolle. Mit der Hand auf der grauen Wolle schielte Juvia erneut zu Gray. Der hatte sich seine Jacke natürlich auch ausgezogen und sie an den dafür vorgesehenen Haken gehangen. Juvia erinnerte sich wieder, wie er am Bahnhof versucht hatte, seinen blanken Hals vor der Kälte zu schützen. Seinen Schal hatte er bei der Berghütte im Schnee verloren, als er Juvia über das Geländer geholfen hatte. Der Schal war dunkelblau gewesen, daran konnte Juvia sich noch erinnern. Ob Gray auf die Farbe Wert legte? Unwillkürlich griff Juvia nach einer ihrer blauen Haarsträhnen. „Gray, magst du Blau?“ Im nächsten Moment hätte Juvia sich gerne auf die Zunge gebissen. Sie hatte einfach gefragt, ohne noch mal darüber nachzudenken, wie unsinnig diese Frage war. Immerhin hatte sie sowieso keine blaue Wolle und sie wusste doch nicht einmal, ob Gray nicht Zuhause noch einen anderen Schal hatte. Sie wollte ihm kein nutzloses Geschenk machen! Der Schwarzhaarige löste den Blick vom Fenster. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Blau?“ „S-schon gut!“, beeilte Juvia sich zu sagen und winkte hastig ab, sodass ihr die Tasche vom Schoß rutschte. „Juvia hat nur daran gedacht, dass dein Schal und deine Mütze blau waren. Ignoriere Juvia.“ Sie bückte sich, um ihre Tasche aufzuheben und die Sachen einzusammeln, die heraus gefallen waren. Schnell musste sie zugreifen, weil ihre heißgeliebten Stricknadeln davon zu rollen drohten. Die waren ein Geschenk von Gajeel gewesen, der es tatsächlich auf sich genommen hatte, sich in einem Strickwarenladen beraten zu lassen, welche Nadeln für eine Vielnutzerin wie Juvia am besten geeignet waren. „Schon… manchmal“, nuschelte Gray und sie blickte überrascht auf. Aus irgendeinem Grund sah er schräg an ihr vorbei. „Den Schal und die Mütze habe ich nur genommen, weil sie in meiner Größe waren und nicht gekratzt haben. Die Farbe war mir da egal. Aber manchmal… manchmal ist Blau in Ordnung…“ Er rieb sich die Stirn und wandte den Blick wieder dem Fenster zu. Verwirrt blickte Juvia auf ihre Stricknadeln in der einen und die Tasche mit der Wolle und den Müsliriegeln in der anderen Hand hinunter. Diese Antwort hatte ihr nicht unbedingt weiter geholfen. Um sich etwas Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, legte sie die Stricknadeln zurück in die Tasche und packte einen der Müsliriegel aus. Die hatte ihr Vater ihr zugesteckt, bevor sie abgefahren war. Seit ihre Mutter sie und Gajeel vor zehn Jahren einfach im Haus zurückgelassen hatte und zu einem steinreichen Anwalt gezogen war, während ihr Mann auf Dienstreise gewesen war, hatte Metallicana so einen Tick, seine Kinder für den Notfall immer mit verzehrfertigen Snacks einzudecken. Seine Art, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil er damals zu dieser Fortbildung gefahren war, obwohl es zwischen ihm und Marian schon lange gekriselt hatte. Von Juvias Warte aus war das unnötig, denn ihr Vater hatte damals nichts falsch gemacht. Er war nun einmal Polizist mit Leib und Seele, aber das machte ihn weder zu einem schlechten Mann noch zu einem schlechten Vater. Juvia hatte sich nie von ihm vernachlässigt gefühlt. Auch dann nicht, wenn sie und Gajeel wieder bei ihrem Paten Pantherlily hatten übernachten müssen. Mit einem der eingepackten Feuchttücher säuberte Juvia danach ihre Finger, ehe sie nach den Stricknadeln und der grauen Wolle griff. Was konnte es schon schaden, jetzt einfach mal den Schal zu stricken? Sie musste ihn Gray ja nicht aufschwatzen und ihr war jetzt einfach danach, ihre Finger zu beschäftigen. Drittes Gezwitscher – von flinken Fingern und seltsamen Gefühlen Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Durch das Fenster betrachtete Gray die atemberaubenden Berglandschaften von Pergrande. Alles war eingeschneit. Es juckte Gray geradezu, beim nächsten Halt einfach auszusteigen, um zum nächsten Snowboard-Verleih zu gehen und dann die Pisten unsicher zu machen. Zu dumm, dass er beinahe pleite war. Seine Eltern geizten nicht mit dem Taschengeld, aber Gray hatte einen Großteil seiner Ersparnisse für ein Motorrad auf den Kopf gehauen. Den Führerschein hatte er genau wie Lyon und Natsu erst vor wenigen Wochen ausgestellt bekommen. Genau wie seine Cousins hatte er die Fahrstunden und die Prüfungsgebühren von seinen Eltern zum Geburtstag gesponsort bekommen. Die Anzahlung für seine heiß geliebte Maschine hatte er selbst zusammen gespart. Die restlichen Raten würde er mit einem Nebenjob verdienen. Aufs Snowboarden musste er also leider verzichten. Ein leises, regelmäßiges Klicken lenkte seine Aufmerksamkeit von den vorbeiziehenden Landschaften ins Innere des Zuges zurück. Seine Sitznachbarin strickte. Ihre zierlichen Finger bewegten sich flink auf und ab, schoben die Stricknadeln in die Ösen und fertigten eine Masche nach der nächsten. Wie gebannt beobachtete Gray den Tanz der Finger. Zwanzig Maschen zogen sie auf, dann drehten sie routiniert das gesamte Konstrukt und begannen mit der neuen Reihe. Wieder zwanzig Maschen. Alle vollkommen gleichmäßig und dicht. Langsam ließ Gray seinen Blick nach oben zu Juvias Gesicht wandern. Auf ihren Lippen lag ein zartes Lächeln und ihre großen, blauen Augen funkelten vor Freude und Friedfertigkeit. Sie war von ihrer eigenen Arbeit gefangen, ging richtig darin auf. Unwillkürlich kam Gray in den Sinn, dass das eine wirklich süße Seite an der Blauhaarigen war. Als sie den Blick hob, drehte Gray schnell wieder den Kopf und starrte erneut aus dem Fenster, aber nun achtete er auf die Reflexion der Fensterscheibe. Juvias blaue Haare leuchteten ihm geradezu entgegen. Warum sie ihn wohl nach der Farbe Blau gefragt hatte? Und wieso hatte er dabei ihre Haare so lange angestarrt? Natürlich, sie waren auch blau, aber irgendwie hatten sie ein ganz besonderes Blau. Im Licht schimmerten sie lebendig, aber wenn Schatten auf sie fiel, wirkten sie geheimnisvoll und tiefsinnig. Wunderschöne, lange Haare, die Gray gerne durch seine Finger gleiten lassen würde, weil es ihn neugierig machte, wie sie sich wohl anfühlten – ein Gedanke, der ihm gleich darauf peinlich gewesen war, weshalb seine Antwort auf Juvias Frage so undeutlich ausgefallen war. Bei allem, was ihm heilig war, er war doch nicht wie Lyon, dieser Süßholzraspler! Noch immer schlugen die Haare Gray in ihren Bann, aber jetzt lag sein Hauptaugenmerk auf Juvias Fingern. Sie waren schlank und feingliedrig, aber nicht mager und auch nicht kindlich. Wie der Rest von Juvias Haut waren sie blass, aber nicht bleich. Sie waren… perfekt. Wie es sich wohl anfühlte, sie in seiner Hand zu halten? Sie sahen so verführerisch weich aus, schienen nicht den geringsten Makel zu haben. Natürlich entging Gray nicht der halb verheilte Schnitt am linken Daumen oder auch die kleine Brandnarbe am rechten Handrücken, aber diese Blessuren rundeten das Gesamtkunstwerk eher ab, als dass sie es verschandelten. Als der Zug ruckte, rutschte die Wolle von Juvias Schoß. Reflexartig drehte Gray sich herum und fing den grauen Stoff auf. Er war verblüffend weich, aber auch fest. Gray hatte gar nicht gewusst, dass Wolle sich so toll anfühlen konnte. „D-danke“, stammelte Juvia und ihre Wangen zierte ein hübscher Rosaschimmer. „Soll ich die Wolle halten? Scheint so, als könnte der Zugführer hier nicht vernünftig bremsen, und so kannst du nicht richtig arbeiten“, schlug Gray vor und fragte sich im nächsten Moment, warum. „Juvia möchte keine Umstände machen!“ „Machst du nicht.“ Gray schob seine Hand in die Mitte des Bündels, sodass es um sein Handgelenk hing. „So kannst du problemlos nachziehen. Stört mich überhaupt nicht.“ Das Rosa auf den Wangen wurde zu einem satten Rot. Die Lippen standen einen Moment lang sprachlos offen und Grays Gedanken gingen mit ihm durch bei der Vorstellung, wie diese Lippen wohl schmeckten. Schnell wandte er den Blick wieder dem Fenster zu. „Passt schon so, mach’ ruhig weiter“, nuschelte er und hoffte inständig, dass Juvia ihm die Gedanken nicht angemerkt hatte. Sie nuschelte einen Dank und dann hörte er wieder das Klicken der Nadeln. Die ersten Maschen waren langsamer, aber schon bald war das Klicken wieder schnell und gleichmäßig. Ein zartes, wohltuendes Geräusch inmitten der nie enden wollenden Kakophonie des Zugabteils. Gray versuchte, sich darauf zu konzentrieren, um seinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Entgegen dem, was Lyon und Natsu vielleicht dachten, hatte er schon mal Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln können. Es war nur ein wenig Geknutsche und Gefummel gewesen. Seine Hormone waren beim Strandurlaub mit seinen Eltern mit ihm durch gegangen, als diese Bikinischönheit ihn beim Schuppen des Jetski-Verleihs abgepasst hatte. Die Aufregung war jedoch schnell wieder abgeflaut, als ihm klar geworden war, dass das Mädchen außer gewissen körperlichen Trümpfen keine besonderen Qualitäten sein eigen nennen konnte, aber zumindest konnte Gray von sich behaupten, dass er nicht so feucht hinter den Ohren war wie Natsu, der sich noch nie nach einer Frau umgesehen hatte. Dennoch brachte ihn das hier aus dem Konzept. Das gleichmäßige Streifen der Wolle an seinem Handgelenk verursachte ein Prickeln und das Klicken der Nadeln nahm ihm immer mehr gefangen. Dann war er eben noch neun vermaledeite Stunden in diesem Zug eingepfercht – na und? Dann war es hier eben laut und stickig – wen kümmerte es? Dann bekam er halt langsam Hunger – egal! Juvias Nähe wirkte wie ein Schirm, der ihn vor allen Ärger schützte, den er ansonsten verspürt hätte! Der Zug fuhr wieder an. Wie lange hatte er eigentlich gestanden? War etwas angesagt worden? Irgendwie hatte Gray nichts mitgekriegt. Mutierte er hier langsam zu einem Natsu-Doppelgänger? Apropos: Wo war sein lauter Cousin überhaupt? Der hatte vorhin behauptet, er müsste nur kurz auf Toilette, dann hatte er Juvia hier abgeladen und war gleich wieder verschwunden. Gray dämmerte etwas. In letzter Zeit hatte Natsu auffällig oft beiläufige Bemerkungen über Juvia fallen lassen. Sie könne gut kochen – woher wusste dieser Idiot das eigentlich? Sie habe seinen Lieblingspullover geflickt – wieso hatte das eigentlich nicht seine Mutter gemacht? Ihr Bruder und ihr Vater seien ganz schön schräge Gesellen – ging Natsu bei Juvia etwa ein und aus? Immer missmutiger wurde Gray, als ihm immer mehr Gelegenheiten einfielen, bei denen Natsu von Juvia gesprochen hatte. Wie kam es, dass dieser Blindfisch so viel von diesem hübschen Mädchen wusste? Hatte der so viel Kontakt zu ihr, weil sie die beste Freundin seiner Cousine war? Und warum musste er das Gray immer wieder unter die Nase reiben? Als ihm ein Licht aufging, stöhnte Gray entnervt auf. Wieso war ihm das nicht vorher aufgefallen? Dieser Idiot versuchte, ihn zu verkuppeln! Seit wann war Natsu denn so drauf?! „Ist alles in Ordnung?“ Überrascht zuckte Gray zusammen. Er war so in Gedanken gewesen, dass er sogar Juvia für eine Weile vergessen hatte. Jetzt sah sie ihn mit ihren großen, blauen Augen an. Aufrichtig besorgt. Die Stirn sanft gerunzelt. Sie sah wirklich süß aus, wenn sie die Stirn runzelte. „Jaaa~“, antwortete Gray gedehnt, als ihm wieder einfiel, dass Juvia ihm ja eine Frage gestellt hatte. Als sie den Kopf leicht schief legte, fiel eine lange, seidige Haarsträhne über ihr Ohr und hing ihr ins Gesicht. Nachlässig strich sie sie zurück. Es kostete Gray viel Mühe, den Blick von der Haarsträhne und von der Hand zu lösen und wieder auf Juvias Gesicht zu richten – aber das machte es gleich noch schlimmer. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor ein so hübsches Gesicht gesehen zu haben. „Ich musste nur daran denken, dass Natsu ein ganz schöner Idiot ist“, erklärte er hastig und wandte wieder den Blick ab. Als Juvia leise kicherte, überkam ihn ein angenehmer Schauder. „Das sagt er auch oft über dich.“ Schon wieder blickte Gray die Blauhaarige überrascht an. Ihre Lippen umspielte ein sanftes Lächeln und ihre Augen funkelten, während sie weiter sprach. „Aber er erzählt immer ganz viel von dir und Lyon. So ist das wohl, wenn man so gut befreundet ist.“ „Er erzählt dir Geschichten von Lyon und mir?“ In Grays Brust gärte der Ärger, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Wieso sprach Juvia so viel mit Natsu?! „Ja, Meredy gibt ihm Nachhilfe und er versucht immer, vom Thema abzulenken.“ „Ihr Drei lernt zusammen?“ „Da Juvia und Meredy Nachbarinnen sind, machen wir immer zusammen Hausaufgaben“, erklärte die Blauhaarige. „Ich wusste gar nicht, dass du und Meredy nebeneinander wohnt. Ich dachte, ihr würdet einander über die Schule kennen“, gestand Gray und fühlte sich auf einmal sehr beschränkt. Verlegen lächelnd blickte die Blauhaarige auf ihre Wolle hinunter. Die ganze Zeit, während sie sprach, strickte sie Masche für Masche weiter. Mittlerweile hatte sie mindestens zwanzig Zentimeter fertig. Gray hatte keine Ahnung, was da so der Standard war, aber ihm kam das ganz schön schnell vor! „Juvia hat sich sehr gefreut, als Meredys Familie nebenan eingezogen ist. Sonst hat Juvia leider wenige Freunde.“ „Ja, in eurer Klasse sind ziemlich viele Kotzbrocken, das macht es sicher schwer, Freunde zu finden.“ Auf einmal schämte Gray sich beinahe ein bisschen. Er war nicht so der Gruppenmensch. Da er vom Säuglingsalter an mit Lyon und Natsu aufeinander gegluckt hatte, waren die Beiden seine besten Freunde und nach mehr hatte er im Grunde nie selbst gesucht. Klar, mit Natsus Ziehschwester Erza und deren Freund Jellal verstand er sich auch gut, aber ansonsten hatten neue Bekanntschaften ihn nicht sonderlich interessiert. Deshalb hatte er nie Ausschau gehalten, ob in den Parallelklassen vielleicht auch ein paar nette Leute dabei waren. Der Zug wurde langsamer und rollte in einen Bahnhof ein. Leute sprangen auf und rafften ihre Sachen zusammen, einige hatten es so eilig, dass sie mit ihren Taschen Juvia anrempelten. Die Blauhaarige versuchte, sich kleiner zu machen, aber richtig geschützt wurde sie dadurch nicht. Ein Blick aus dem Fenster verriet Gray, dass mindestens doppelt so viele Leute in den Zug rein wollten, wie gerade heraus gestiegen waren. Er klappte die Armlehne zwischen sich und Juvia hoch und stieg vorsichtig über die Blauhaarige hinweg auf den Gang. „Rutsch’ zum Fenster.“ „Aber Juvia macht das wirklich nichts aus und du brauchst doch deine Ruhe“, protestierte sie und schon wieder bekamen ihre Wangen diesen hübsche Rotschimmer. „Ist schon in Ordnung, rutsch’ zum Fenster“, wiederholte Gray mit Nachdruck. Für einen Moment öffnete Juvia die Lippen, aber dann schloss sie sie wieder und leistete seiner Anweisung Folge. Als er wieder saß, schob Gray erneut seine Hand in die Wolle, um sie für Juvia zu halten. Das Lächeln, das er dafür geschenkt bekam, ließ seltsamerweise seinen Magen rumoren und trieb ihm die Hitze ins Gesicht, weshalb er den Blick von ihr abwandte und ihn auf den Gang richtete, wo sich nun die neuen Passagiere entlang drängten. Lauter griesgrämige, rücksichtslose Typen. Eine ältere Dame schob vier Tüten vor sich her und warf Gray einen empörten Blick zu, als wäre es seine Pflicht, ihr seinen Platz anzubieten. Unverfroren blickte er ihr ins Gesicht, bis sie vorbei war. So einer Schreckschraube, die noch gut zu Fuß war, würde er seinen Platz sicher nicht anbieten! Viertes Gezwitscher – von holprigen Gesprächen und merkwürdigen Fragen Beim Reden kommen die Leute zusammen. Masche um Masche. Reihe um Reihe. Juvias Finger tanzten den altbekannten Tanz, während der Rest ihres Körpers sich auf ganz andere Dinge zu konzentrieren schien. Grays Schulter an ihrer – ob beabsichtigt oder nicht, er hatte die Armlehne zwischen ihnen nicht wieder herunter geklappt. Grays Fuß an ihrem – er saß ihr ein wenig zugeneigt, um sich außer Reichweite der rempelnden Fahrgäste zu bringen. Und sein Blick – oder vielmehr seine Blicke. Bildete Juvia sich das nur ein, dass er sie immer wieder von der Seite musterte oder ihre Finger anstarrte? Jedes Mal, wenn sie vorsichtig zu ihm hoch schielte, um es zu überprüfen, blickte er doch in eine andere Richtung. Wahrscheinlich gingen ihre Gedanken mit ihr durch, weil es so aufregend war, dem Schwarzhaarigen so nahe zu sein! Jahre lang hatte sie sich das heimlich gewünscht und doch nie eine Gelegenheit dafür gesehen. Jahre lang hatte sie Gray aus der Ferne angehimmelt und dabei gleichzeitig doch irgendwie gewusst, wie albern das war. Immerhin hatte sie nur diese zwei gemeinsamen Schuljahre mit ihm gehabt, danach hatten sie nie wieder richtigen Kontakt gehabt – und selbst in diesen beiden Schuljahren hatte er sich meistens eher mit Natsu und Lyon gerauft und sich nur insofern um Juvia gekümmert, dass er sie vor den Sticheleien der Mitschüler verteidigt hatte. Wahrscheinlich konnte er sich heute gar nicht mehr daran erinnern. Immerhin war das zehn lange Jahre her. Und doch hatte Juvia im Grunde ihres Herzens immer gewusst, dass Gray etwas ganz Besonderes für sie war. Oft – peinlich oft – hatte sie sich in Träumereien darüber verloren, wie Gray schließlich doch auf sie aufmerksam werden könnte. Dass er sie auffing, wenn sie die Treppe runter zu stürzen drohte. Dass sie einander in der Cafeteria anrempelten. Dass sie irgendwann doch wieder in einer Klasse und nebeneinander landeten. Dass er eines Tages bemerkte, wie sie ihn bei seinen Wettbewerben anfeuerte. Ja, sie hatte kitschige Teenie-Love-Storys schon immer geradezu verschlungen und das hatte sich bis heute nicht geändert, egal wie oft Gajeel sich darüber beschwerte, wenn sie diese Filme im Wohnzimmer sah, und egal wie offensichtlich angestrengt ihr Vater lächelte, wenn sie davon schwärmte. Ruckend fuhr der Zug wieder an. Eine Frau, die neben Gray stehen bleiben musste, verlor kurz das Gleichgewicht und zog dem Schwarzhaarigen ihre Handtasche über den Kopf. Als dieser deswegen brummte, sah sie ihn empört an, als wäre es seine Schuld. Sofort hatte Juvia Schuldgefühle und senkte den Blick erneut auf ihre Strickarbeit. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich sehr über Grays Kavaliersgeste gefreut hatte, da sie sich am Gang doch so unwohl gefühlt hatte, aber sie wusste nur zu gut, dass Gray sich nicht von ungefähr ans Fenster gesetzt hatte. Seit jeher hatte er immer versucht, sich vom großen Trubel fernzuhalten und seine Cousins hatten auf ihre eigene Art irgendwie immer eine Mauer um ihn gebildet. Natsu als sein Sitznachbar hätte Gray hier in diesem ungemütlichen Zug unter Garantie perfekt abgeschirmt. „Uhm… Was ist das für Wolle?“ Juvia sah wieder auf. Gray rieb sich verlegen den Nacken und schielte auf die Wolle an seiner Hand hinunter. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er einen Faden und strich vorsichtig darüber. „Sie fühlt sich… na ja… sehr angenehm an…“ Wärme schoss in Juvias Wangen. Sie wusste, dass diese Wolle gut war. Immerhin beschäftigte sie sich schon seit Jahren mit dem Thema und hatte allerlei Wolltypen ausprobiert. Aber dass Gray den Stoff lobte, freute sie unbändig. Für einen Moment erwog sie, ihm hier und jetzt zu gestehen, dass der Schal, an dem sie gerade arbeitete, für ihn gedacht war – aber dafür fehlte ihr dann doch der Mut. „Das ist boscanische Wolle“, erklärte Juvia daher und versuchte, sich dabei nicht von ihrer eigenen Begeisterung mitreißen zu lassen. „Am Rande des Bosco-Viertels gibt es einen Hof mit Trampeltieren. Dort spinnen sie das Fell nach boscanischer Tradition zu Wolle. Juvia hilft dort manchmal aus.“ „Stimmt… Lyon hat mal etwas davon erzählt, dass Meredy in der Nähe vom Bosco-Viertel wohnt“, murmelte Gray und rieb sich noch immer den Nacken. „Um genau zu sein, erzählt er mir viel zu viel über Meredy“, fügte er brummend hinzu. Aller Nervosität zum Trotz musste Juvia kichern. „Meredy erzählt Juvia auch sehr viel von Lyon. Juvia findet das sehr niedlich.“ „Lyon führt sich auf wie ein Vollidiot, wenn Meredy in der Nähe ist.“ Gray verdrehte die Augen. „Er ist in Meredy verliebt. Juvia findet das sehr romantisch“, erklärte sie enthusiastisch. „Am Valentinstag letztes Jahr hat er für Meredy im Garten Gitarre gespielt!“ Auf einmal begannen Grays Augen geradezu manisch zu leuchten und er beugte sich etwas näher zu Juvia heran. „Das hat er gemacht? Hat er nie erzählt!“ Erschrocken schlug Juvia sich die Hände über den Mund. Ob das ein Geheimnis hatte bleiben sollen? Sie hätte wirklich nicht gedacht, dass Lyon seine beiden besten Freunde nicht an seiner Freude teilhaben ließ, wo er doch sonst so offen mit Meredy flirtete! „Das hätte Juvia vielleicht nicht sagen sollen, bitte verrate Lyon nichts“, flehte sie und wedelte nervös mit den Händen, wobei sie versehentlich Grays Nase erwischte. „Oh nein, das tut Juvia so Leid! Tut es sehr weh? Soll Juvia jemanden holen? Meredy hat vielleicht noch ein Kühlpad vom Arzt mitbekommen!“ „Schon gut“, ächzte Gray und richtete sich wieder auf, wobei er sich die Nase rieb. „Ist wirklich nicht weiter schlimm. Tschuldige, ich hätte dich nicht bedrängen dürfen.“ „Juvia hätte nicht einfach über Lyon plaudern dürfen“, erwiderte sie und senkte zerknirscht den Blick. Gray gab nur ein unbestimmbares Brummen von sich und ließ den Blick über das voll gestopfte Abteil gleiten. Langsam nahm Juvia ihre Arbeit wieder auf. Es dauerte einige Minuten, bis sie ihr altes Tempo wieder erlangt hatte. Gerne hätte sie mit Gray weiter gesprochen, aber sie wusste nicht, worüber. Auf einmal erschien ihr jedes Thema verfänglich. Für einen Tag hatte sie eindeutig schon genug Fettnäpfchen erwischt! Ruhig ratterte der Zug dahin und Pergrandes malerische Berglandschaften wurden immer flacher. Wahrscheinlich würden sie bald die Grenze erreichen. Dann konnte Juvia ihrem Vater bald eine SMS schreiben, damit er wusste, wann sie in Magnolia eintraf. Er hatte mit Meredys Eltern abgesprochen, dass er beide Mädchen vom Bahnhof abholen würde. Mit ihrem eingegipsten Arm sollte die Pinkhaarige nicht unbedingt ihre Reisetasche bis nach Hause schleppen und ihre Großmutter hatte eine wichtige Konferenz im Krankenhaus. Sie hätte sich auch davon abgemeldet, aber Metallicana hatte ohnehin darauf bestanden, Juvia vom Bahnhof abzuholen, da konnte er Meredy auch gleich mit nehmen. Ein leises Knurren zu ihrer Linken ließ sie aufblicken. Verlegen strich Gray sich durch die Haare und Juvia musste aufpassen, dass sie bei diesem Anblick nicht ins Schwärmen geriet. „Natsu, dieser Fresssack, hat letzte Nacht nach unserer Tour alles aufgegessen, was ich für die Fahrt eingepackt hatte“, erklärte Gray missmutig. „Und das Bord-Bistro ist mir zu teuer.“ „Juvia hat noch jede Menge Müsliriegel“, bot sie an und griff gleich eine Handvoll aus ihrer Tasche, um sie Gray anzubieten. „Vater packt ihr immer viel zu viele ein.“ „Echt? Nach dem, was Natsu mir von deinem Vater und deinem Bruder erzählt hat…“ Der Schwarzhaarige stockte und strich sich dann schon wieder durch die Haare. „Tut mir Leid, Natsu hat sicher nur übertrieben. Tut er ja immer.“ Kichernd winkte Juvia ab. „Schon gut, Vater und Gajeel sind wirklich sehr speziell. Natsu und Gajeel bewerfen einander andauernd mit lauter Sachen und Vater hat Natsu verhört, als er das erste Mal mit Meredy bei Juvia zu Besuch war.“ Aus irgendeinem Grund wirkte Grays Miene schon wieder finster und er ließ den Müsliriegel sinken, den er gerade ausgepackt hatte. „Du und Natsu seid ganz schön viel zusammen, oder?“ Irritiert sah Juvia den Schwarzhaarigen an, aber der wich ihrem Blick aus. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie diese Frage beantworten sollte. War es etwa ein Problem für Gray, dass Natsu so viel Zeit mit Meredy und Juvia verbrachte? Sie hätte gedacht, dass Gray ganz froh war, hin und wieder mal eine Pause von seinem überdrehten Cousin zu haben. „Bist du… na ja… du und Natsu…“ Gray zerzauste sich die Haare immer mehr und blickte überall hin, nur nicht in Juvias Augen, während er ein Gesicht machte, als hätte er ganz schön mit sich zu kämpfen. Allerdings wusste Juvia immer noch nicht, worauf er hinaus wollte, und sah ihn ratlos an. „Seid ihr ein Paar?!“, platzte es schließlich aus Gray heraus und seine Wangen zierte dabei ein leichter Rotschimmer. Verdutzt starrte Juvia den jungen Mann einige Sekunden lang an, bis sie begriff, was ihm Kopfzerbrechen bereitet hatte. Aber diese Vorstellung war so absurd, dass Juvia auf einmal nichts anderes tun konnte, als vom ganzen Herzen zu lachen. Prustend hielt sie sich den Bauch und versuchte, sich wieder zu fangen, aber es wurde immer schlimmer. Am Rande bekam sie mit, dass einige der Leute, die auf dem Gang stehen musste, sie säuerlich ansahen, aber sie war immer noch so von der Idee gefangen, dass sie sich gar nicht um diese Leute scherte. Sie und Natsu! Einfach unvorstellbar! Als sie sich endlich wieder etwas gefangen hatte, bemerkte sie, dass Gray sie immer noch abwartend ansah, der Müsliriegel in seiner Hand halb zerquetscht und seine Miene äußerst angestrengt. Entschuldigend wedelte Juvia mit beiden Händen und achtete dieses Mal darauf, nicht damit in die Nähe von Grays Gesicht zu kommen. „Bitte verzeih’ Juvia, aber… Natsu ist ihr bester Freund. Er ist wie ein zweiter Bruder für Juvia, aber sie könnte niemals mit ihm… Nein… Nein, Juvia und Natsu sind kein Paar!“ „Oh…“ Auf einmal hellte sich Grays Miene wieder auf. War er etwa erleichtert? War er womöglich… eifersüchtig gewesen? Aber auf wen? Auf Juvia, die Natsu über gebühr beanspruchte? Oder auf Natsu?! Der Gedanke ließ Juvias Herz heftig pochen, aber sie versuchte, ihn wieder zu vertreiben, um keine trügerische Hoffnung aufkommen zu lassen. Gray hatte sich bisher nicht in der Hinsicht für sie interessiert, warum sollte sich das auf einmal ändern?! „Also… ich wusste nicht, dass ihr euch so nahe steht“, gab Gray zu und senkte den Blick wieder auf seinen Müsliriegel. „Ich dachte, es hätte einen anderen Grund, warum er mir so viel von dir erzählt.“ Schon wieder war Juvia verwirrt, aber Gray war so offensichtlich darum bemüht, seine ganze Aufmerksamkeit auf den zerquetschten Riegel zu richten, dass sie sich nicht mehr traute, ihn danach zu fragen. Fünftes Gezwitscher – von kleinen Geständnissen und großen Erkenntnissen Liebe geht durch den Magen. Juvias Lachen war wunderschön. Und Juvia und Natsu waren kein Paar. Diese beiden Gedanken umkreisten einander in Grays Kopf, während er langsam die Überreste des Müsliriegels vertilgte und dabei seinen Blick schweifen ließ. Neben ihm erklang wieder das Klicken der Stricknadeln und er spürte Juvias weiche Schulter an seiner – und von Zeit zu Zeit vermeinte er, aus dem Augenwinkel zu bemerken, wie Juvia ihn kurz ansah, ehe sie ihre Blick wieder auf ihre Handarbeit senkte. Beim nächsten Halt leerte sich der Zug endlich etwas und Gray erhaschte einen Blick auf Lyon und Meredy, die ihre Jacken wie Decken über sich gebreitet hatten und aneinander gekuschelt schliefen. Er hätte nicht gedacht, dass es außer Lyon noch jemanden gab, der selbst in einem überfüllten, stickigen Zugabteil schlafen konnte. Da hatten sich ja Zwei gesucht und gefunden. Von Natsu gab es noch immer keine Spur und allmählich fragte Gray sich ernsthaft, wo sein Cousin abgeblieben war. Nachdem er nun wusste, wie Natsu und Juvia zueinander standen, war ihm auch aufgegangen, wieso Natsu Juvia seinen Platz überlassen hatte – und er musste sich eingestehen, dass er deswegen weder Wut noch Missmut empfand, sondern Dankbarkeit, auch wenn er das gegenüber Anderen sicher nicht einfach so zugeben würde. Aber wo war Natsu? Hatte er in diesem überfüllten Zug tatsächlich noch irgendwo einen Platz ergattern können und langweilte sich dort zu Tode? Natsu konnte es nicht leiden, zu schweigen. Insbesondere an ungemütlichen Orten wie diesen hier lenkte der Pinkhaarige sich am liebsten damit ab, viel über alles und nichts zu reden. Doch alle, die dafür in Frage kämen, von ihm ein Ohr abgekaut zu bekommen, standen nicht zur Verfügung. Beinahe hatte Gray ein schlechtes Gewissen deswegen und er erwog sogar für einen Moment, aufzustehen und nach seinem Cousin zu suchen, aber ein Blick auf Juvias Profil ließ ihn diesen Gedanken doch wieder verwerfen. Wenn er jetzt aufstehen sollte, würde sich jemand anderer einfach zu Juvia setzen und sie beim Stricken stören – und das mit dem Schal schien ihr wirklich wichtig zu sein, so wie ihre Augen jedes Mal funkelten, wenn sie ihre Arbeit betrachtete. Hinzu kam noch, dass Gray sich eingestehen musste, wie sehr ihm der Gedanke zuwider war, ein anderer Mann könnte sich neben Juvia setzen. Also Natsu und Lyon wären in Ordnung, die wollten ja nichts von Juvia, aber sonst… Gray unterdrückte ein Seufzen und den Drang, sich durch die Haare zu streichen. Was war bloß los mit ihm? Gut, Natsu war es gelungen, Grays Interesse für Juvia zu wecken – kaum zu glauben, dass ausgerechnet Natsu Dragneel dabei so gerissen zu Werke gegangen war! –, aber er konnte doch nicht anfangen, Besitzansprüche an Juvia zu stellen. Das war doch albern und voreilig und irgendwie auch ein bisschen machohaft. Dabei fand Gray Machos bescheuert! Aber der Gedanke, jemand könnte Juvia zu nahe kommen, gefiel Gray nicht einfach nur nicht, nein, er weckte eine Bestie in seinem Inneren, von der er vorher nicht einmal etwas geahnt hatte. Beinahe wünschte Gray sich eine Tischplatte herbei, um seinen Kopf so lange darauf schlagen zu können, bis er diese albernen Gedanken endlich los werden konnte. Eine Bewegung zu seiner Rechten riss den Schwarzhaarigen aus seinen kreisenden Gedanken heraus. Juvia hatte ihr Strickzeug sinken gelassen, um eine SMS zu schreiben. Ihre Lippen zierte dabei wieder so ein sanftes Lächeln und schon wieder fiel ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Gray fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, diese seidig glänzende, blaue Haarflut zu streicheln, aber er behielt seine Hände schön bei sich. Nachdem sie die SMS abgeschickt hatte, hatte Juvia noch nicht einmal die Chance, wieder nach ihrer Arbeit zu greifen, weil prompt eine Antwort kam. Als sie sie gelesen hatte, musste sie kichern – und ein weiterer angenehmer Schauder lief Grays Rücken hinab. „Vater“, erklärte sie, als sie Grays Blick bemerkte. „Er will mich nachher vom Bahnhof abholen, deshalb sollte ich ihm schreiben, sobald wir wieder in Fiore sind.“ „Dein Vater kann simsen? Meiner besteht auf Telefonate, selbst wenn es nur um Terminabsprachen geht“, seufzte Gray und verdrehte die Augen. Er hatte ja nichts gegen Telefonate, aber sein Vater war beinahe eine noch schlimmere Quasselstrippe als Natsu. Wenn man mit dem erst einmal telefonierte, musste schon ein Wunder geschehen, damit man das Gespräch nach unter zehn Minuten beenden konnte. Wieder kicherte die Blauhaarige – und Gray kam der Gedanke, dass er sich an dieses Geräusch gewöhnen könnte. „Das passt gut, so hat Juvia ihn sich vorgestellt.“ Überrascht sah Gray sie an. „Du kennst meinen Vater?“ Als hätte er sie bei etwas ertappt, sah Juvia einen Moment lang erschrocken zu ihm hoch, dann wurden ihre Wangen rot und sie senkte den Blick, während sie die Fingerspitzen aneinander stupste. „Juvia hat ihn in den Zuschauerrängen während eurer Basketballspiele gesehen“, gestand sie nuschelnd. Entsetzt stöhnte der Schwarzhaarige auf. Das mit dem Basketball war nur eine kurze Phase von einem Jahr gewesen, weil dann ein neuer Trainer eingesetzt worden war, der schwächere Spieler schikaniert hatte. Für so ein Arschloch hatten Gray und seine Cousins nicht spielen wollen, also waren sie dazu übergegangen, nur noch in ihrer Freizeit einige Körbe zu werfen. Doch in ihrer kurzen Basketballzeit war Grays Vater bei jedem Spiel dabei gewesen. Silver war in seiner Jugend selbst ein formidabler Spieler gewesen und hätte – das betonte er nur zu gerne – das Zeug dafür gehabt, bei den Basket Dragons aufgenommen zu werden. Bei Silver also in Bezug auf Basketball von Besessenheit zu reden, war fast noch untertrieben. Gray war es jedenfalls megapeinlich gewesen, jedes Mal die riesigen Banner seines Vaters auf den Rängen zu sehen. Er musste seinem Vater aber zugute halten, dass dieser Grays Entscheidung, aus dem Team auszusteigen, nie in Frage gestellt hatte. „Ich hatte gehofft, dass keiner von unserer Klassenstufe da war und die Banner gesehen hat“, seufzte Gray und ließ den Kopf hängen. „Juvia fand sie toll… Es waren bei jedem Spiel andere. Dein Vater hat sich wirklich Mühe gegeben!“ Der Schwarzhaarige stutzte. „Du warst bei jedem einzelnen Spiel dabei?“ Und es waren wirklich unterschiedliche Banner gewesen? Das war ihm kaum aufgefallen, weil er immer so vehement versucht hatte, nicht in diese Richtung zu blicken. Dass sein Vater sich so viel Mühe wegen ein paar Schulbasketballspielen geben würde, hätte Gray dann doch nicht gedacht. Auf einmal fühlte er sich beinahe schuldig dafür, dass er ihm die Banner so peinlich waren. Juvias Gesicht nahm einen dunklen Rotton an und sie wedelte wieder mit den Händen, während sie nervös zu plappern begann. „Juvia sieht sich gerne Sportwettbewerbe von euch an! Ihr habt so viel Energie und Spaß und ihr könnt eure Kameraden wirklich toll anspornen! Es ist toll, euch zu beobachten! Und… u-und Juvia wollte euch immer anfeuern…“ Sprachlos starrte Gray die Blauhaarige an. So wie das klang, war Juvia nicht nur bei den Basketballspielen gewesen, sondern auch bei anderen Wettbewerben, an denen er und seine Cousins teilgenommen hatten. Und das auch wirklich ihretwegen und nicht wegen des Sports an und für sich. Wie sie von ihnen redete! Als wären sie Spielfeldhelden oder so was! Und warum hatte er das Gefühl, als würde sie ganz speziell ihn damit meinen und eher weniger Lyon und Natsu? Oder war das nur Wunschdenken? Seine Wangen wurden heiß und sein Mund trocken und in seinem Magen verspürte er ein heftiges Rumoren, das überhaupt nichts mit Hunger zu tun hatte. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was er sagen sollte. Nur vage war er sich bewusst, dass es die Situation nicht besser machte, wenn er Juvia anstarrte, aber er konnte den Blick einfach nicht von ihr abwenden. Wie sie da so saß, mit den Armen wedelte und nervös plapperte, erinnerte sie ihn an die junge Amsel, die er letztes Jahr im Garten gefunden hatte. Die hatte auch so ängstlich gefiept und verzweifelt versucht, mit den Flügeln zu schlagen. Er hatte das Tier damals vorsichtig eingefangen und es zurück ins Nest zu seinen Gelegegeschwistern gesetzt. In den Wochen danach hatte Gray oft unter dem Baum mit dem Nest gesessen und dem Gezwitscher gelauscht, bis die Jungvögel flügge geworden waren. Ein weiterer ruckender Halt des Zugs ließ das Strickzeug von Juvias Schoß rutschen. Gleichzeitig bückten Gray und Juvia sich danach und als Gray dabei Juvias Hand berührte, durchfuhr ihn eine Art elektrischer Schlag. Der Geruch von Juvias Haaren stieg ihm betörend in die Nase. Sie benutzte ein erfrischendes Orangen-Shampoo, nicht so etwas Blumiges wie die meisten anderen Mädchen. Seine Hand noch immer an ihrer und noch immer in gebückter Haltung musste er schielen, um in ihre blauen Augen sehen zu können. Sie sah ihn so komisch an. Als würde sie sich etwas von ihm erhoffen – und irgendwie wünschte er sich, er könnte diese Hoffnungen erfüllen. Juvia hatte wunderschöne Augen. Groß und ausdrucksvoll. Jetzt gerade schienen sie zu glitzern und sie waren so tief, dass Gray das Gefühl hatte, darin zu versinken. Am liebsten hätte Gray nie wieder den Blick von ihnen abgewandt – und er war so gefangen von diesem Gedanken, dass er deswegen nicht einmal in Verlegenheit gestürzt werden konnte. Als der Zug sich wieder mit neuen Passagieren füllte, richteten die Beiden sich gleichzeitig auf. Juvia hielt das eine Ende des Schals mit den Stricknadeln in der Hand, Gray das andere Ende, sowie das deutlich ausgedünnte Wollknäuel. Der Schal war jetzt fast einen dreiviertel Meter lang, aber Gray konnte nicht den geringsten Makel darin entdecken. Die Maschen waren alle vollkommen gleichmäßig und dicht. Beinahe andächtig strich Gray mit dem Daumen über den weichen Stoff. „Wie lange strickst du schon?“, fragte er, um endlich die Stille zu durchbrechen, aber auch, weil ihn das ernsthaft interessierte. Er verspürte den Wunsch, so viel wie irgend möglich über die Blauhaarige an seiner Seite zu erfahren. Nachdem er sie so lange Zeit nicht bemerkt hatte, wollte er jetzt alles nachholen und jede Facette ihres Lebens kennen lernen. Sein Interesse schien Juvia zu freuen, denn ihre blauen Augen begannen zu leuchten. Nur allzu bereitwillig gab sie auf jede seiner Fragen Antwort, während ihre Finger wieder zu tanzen begannen. So erfuhr Gray, dass sie sich das Stricken vor fünf Jahren selbst beigebracht hatte, um ihrem Vater zu Weihnachten eine selbst gestrickte Mütze zu schenken. Damals hatte sie fünf Anläufe gebraucht und das Endergebnis war auch noch sehr schief gewesen, aber ihr Vater hatte sich dennoch so offenkundig über die Geste gefreut, dass es sie angespornt hatte, weiter zu üben. Mit der Zeit hatte sie immer neue Sachen ausprobiert, hatte verschiedene Wolltypen gekauft, hatte Häkeln, Nähen, Knüpfen und Sticken gelernt. Da war einfach immer mehr dazu gekommen. Es war beeindruckend, wie sehr sie sich dabei ins Zeug legte und wie begeistert sie noch immer davon war. Gray war gefesselt von ihrer Erzählung, von ihren großen, leuchtenden Augen, vom Tanz ihrer zarten Finger mit den Stricknadeln, vom Wachsen des Schals und von Juvias Stimme, die ihn an das fröhliche Gezwitscher eines Vogels erinnerte. Und am meisten war er gefesselt von dem stetig pochenden Gedanken, dass er sich hier gerade Hals über Kopf in ein Mädchen verliebte, das er schon so viel früher hätte kennen lernen können, wenn er nur nicht so ein Vollidiot gewesen wäre… Sechstes Gezwitscher – von intensiven Blicken und gelungenen Geschenken Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Juvia konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so viel geredet zu haben. Unablässig klickten ihre Stricknadeln aneinander und die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund. Immer wieder musste sie selbst kichern und lachen, wenn sie Gray von ihren vielen misslungenen Lernversuchen beim Stricken berichtete. Je länger sie sprach, desto aufgekratzter fühlte sie sich, denn Gray hörte einfach nicht auf, zu lächeln. Es war ein Lächeln, wie sie es nie zuvor an ihm gesehen hatte. Feinsinnig, beinahe zärtlich und unglaublich intensiv. Und Juvia war sich jetzt vollkommen sicher, dass dieses Lächeln ganz alleine ihr gehörte. So lange schon beobachtete sie Gray, kannte seine Gesichtsregungen beinahe in- und auswendig, aber dieses Lächeln war etwas Neues. Das war für sie entstanden, da war Juvia sich sicher! Immer neue Fragen stellte er ihr an genau den richtigen Stellen und seine Augen funkelten amüsiert bei jeder Anekdote. Stunden lang schenkte er ihr seine volle Aufmerksamkeit und Juvia aalte sich nach Herzenslust darin. Das hier war um Welten schöner, als sie es sich jemals ausgemalt hatte, wenn sie davon geträumt hatte, wie sie mit Gray ins Gespräch kommen könnte. Sie machten nur eine Pause, wenn Juvia etwas trinken musste. Vom vielen Reden wurde ihr Mund ganz trocken. Als ihre Wasserflasche leer war, bot Gray ihr seine an. Bei der Vorstellung, dass ihre Lippen den Flaschenhals berührten, den schon seine Lippen berührt hatten, wurde sie wieder rot – und sie hätte schwören können, dass auch Grays Wangen ein feiner Rotschimmer zierte, als er die Flasche wieder entgegen nahm. Das Gespräch geriet dadurch für kurze Zeit ins Stocken und verlegen senkte sie ihren Blick wieder auf ihre Strickarbeit. Der Schal war nun anderthalb Meter lang. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so schnell gestrickt hatte. Nicht dass sie sonst langsam wäre, aber irgendwie hatte Grays Aufmerksamkeit sie angespornt. Mit Stolz bemerkte sie, dass es nicht einen einzigen Fehler in den Maschen gab. Alles war vollkommen gleichmäßig. Wahrscheinlich war das trotz seiner Schlichtheit der schönste Schal, den sie jemals gestrickt hatte. Als die Lautsprecherdurchsage als nächsten Halt Crocus verkündete, ließ Juvia ihre Arbeit sinken, um die Hauptstadt von Fiore betrachten zu können. Zwar war die Abenddämmerung schon herein gebrochen, aber dank der vielen Laternen, Scheinwerfer und Leuchtreklamen war doch noch vieles gut zu erkennen. Es war eine riesige Metropole mit einem seltsamen Mix aus Wolkenkratzern und teilweise uralten Gebäuden. Sie erkannte den alten Königspalast, der jetzt der Parlamentssitz war. Er hatte unzählige Türme und Türmchen, die mit grün gewordenen Kupferziegeln bedeckt waren, und die riesigen Tore des Hauptportals waren selbst aus der Entfernung für Juvia gut zu erkennen, da alles mit strategisch gut platzierten Scheinwerfern in Szene gesetzt wurde. „Das ist Domus Flau“, sagte Gray neben ihr aufgeregt, als der Zug nun mit gedrosseltem Tempo an einem großen, kreisrunden Bau vorbei tuckerte. Unterbrochen wurde das Rund von vier Türmen, auf welchen gewaltige Statuen thronten, die wie Wächter über der Arena aufragten. Die vier Götter des Lebens. Halb von Scheinwerfern angestrahlt und halb in den Schatten verborgen, hatten sie mehr denn je etwas Göttliches an sich. Obwohl Fiore seit über hundert Jahren laizistisch war, waren die alten Religionsbauten gut erhalten geblieben und fügten sich geradezu nahtlos ins heutige Alltagsleben ein. Die Kardia Kathedrale in Magnolia, die heutzutage auch für Konzerte verwendet wurde, war auch ein herausragendes Beispiel dafür. Die Fiorianer hielten ihre Vergangenheit und ihre Kultur in Ehren. „Warst du schon mal dort?“, fragte Juvia den Schwarzhaarigen und blickte wieder zu ihm auf. „Nur einmal als kleiner Junge, als die Basket Dragons dort um den Meistertitel gespielt haben. Mein Vater hat mich mitgenommen. Es ist wirklich beeindruckend“, erklärte Gray mit ehrfürchtig leuchtenden Augen. „Juvia würde Domus Flau auch gerne mal vom Nahen sehen“, gestand sie sehnsüchtig. „Die Chancen stehen gut, dass die Dragons dieses Jahr auch wieder dort spielen. Natsu, Lyon und ich wollten es uns ansehen. Du könntest mitkommen. Meredy ist sicher auch dabei“, erklärte Gray und seine Wangen röteten sich schon wieder. Der Gedanke an eine weitere Zugfahrt mit Gray zauberte ein seliges Lächeln auf Juvias Lippen und sie nickte eifrig, was wiederum Gray ein breites Grinsen entlockte, das ihm tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Natsu verlieh. Auch wenn sie so unterschiedlich aussahen, sie waren letztendlich doch miteinander verwandt. Für Juvia war es aufregend, diese Details nun aus nächster Nähe beobachten zu können und sie hoffte, noch viele solcher Gelegenheiten zu bekommen. Ruckend kam der Zug im Hauptbahnhof von Crocus zum Stehen. Er war zur Hälfte ein historisches Gebäude aus Sandstein und zur Hälfte ein schnittiger Neubau, eine interessante Kombination. Und schon wieder riesig. Allein auf ihrer Seite erkannte Juvia zehn Bahnsteige. Fasziniert ließ sie den Blick schweifen. Im Getümmel auf dem Bahnsteig, an dem der Regionalzug gehalten hatte, erkannte Juvia zwei Mädchen in ihrem Alter, die einander fest umarmten. Eines hatte kurze, weiße Haare und einen kleinen Rollkoffer neben sich stehen, das andere hatte lange, blonde Haare, die lustig im leichten Wind herum wirbelten. Anscheinend fiel es ihnen schwer, sich voneinander zu verabschieden. Immer wieder schlossen sie einander in die Arme, redeten aufgeregt miteinander und lachten. Schließlich musste die Weißhaarige in den Zug steigen und die Blonde ging den Zug entlang, um ihre Freundin durch die Fenster weiter beobachten zu können, während die wahrscheinlich auf der Suche nach einem freien Platz war. Die Weißhaarige kam im Zug an Gray und Juvia vorbei und zog ihren Rollkoffer weiter in einen der hinteren Wagen. Für einen Moment erhaschte Juvia einen Blick auf das Gesicht der Blonden. Deren braune Augen waren von Wehmut und Sehnsucht erfüllt, aber gleichzeitig lag in ihnen ein lebendiges, abenteuerlustiges Funkeln, das Juvia irgendwie an Natsu erinnerte. Nur zu gerne hätte Juvia dieses Phänomen weiter ergründet, aber das blonde Mädchen war bereits an ihrem Fenster vorbei gelaufen. „Ist alles in Ordnung?“ Als sie den Blick hob, bedachte Gray sie mit einem verwirrten Stirnrunzeln. Eilig winkte sie ab. „Juvia beobachtet gerne Menschen. Da draußen war ein Mädchen, das sie irgendwie an Natsu erinnert hat.“ Gray schnaubte leise. „Ein Mädchen wie Natsu? Das kann ja nur in einer Katastrophe enden. Einer von der Sorte reicht.“ Trotz der abfälligen Worte erkannte Juvia in Grays dunklen Augen eine gewisse Weichheit. Er gab es wohl nicht gerne zu, aber sein quirliger Cousin bedeutet ihm sehr viel. So war das schon gewesen, seit Juvia die drei Cousins das erste Mal in der Grundschule beobachtet hatte. Sie waren so verschieden wie Tag und Nacht und schienen sich unablässig miteinander zu streiten, aber für Juvia hatten diese Streitereien nie wirklich ernsthaft gewirkt. Die Drei verband etwas, das weit über Blutsverwandtschaft hinaus ging. So gut sich Juvia auch mit ihrem Cousin Rogue verstand, sie wusste genau, dass das bei Gray, Lyon und Natsu etwas Besonderes war. Wieder fuhr der Zug an und die Durchsage ließ verlauten, dass der nächste Halt in anderthalb Stunden in Magnolia sei. Juvia war verblüfft, wie schnell die letzten fast neun Stunden vergangen waren. Sie hatte die Fahrt nicht einmal ansatzweise so langatmig wahrgenommen, wie sie das in Pergrande noch erwartet hätte – doch wie hätte sie auch jemals ahnen können, dass sie auf einmal hier sitzen und mit ihrem heimlichen Schwarm unbeschwert reden würde? Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein! Während der nächsten Stunde unterhielten sie sich weiter. Auf einmal entwickelte sich das Gespräch ganz natürlich. Es gab kein betretenes Schweigen mehr zwischen ihnen. Sie schwiegen höchstens dann, wenn ihre Blicke einander begegneten. Dann wurde Juvia jedes Mal abwechselnd heiß und kalt und sie bekam eine wohlige Gänsehaut. Einmal hatte sie sogar den Eindruck, als würde Gray sich zu ihr hinüber beugen, aber dann brach er den Blickkontakt verlegen wieder ab und stellte ihr noch eine Frage zu ihrer Freundschaft mit Natsu. Schließlich glitt nur noch ein Wollfaden durch Grays Hand und Juvia musste sich darauf konzentrieren, ordentlich abzuketten und für einen schönen Abschluss des Schals zu sorgen. Den kleinen Wollzipfel, der übrig blieb, schnitt sie mit einer Stoffschere aus ihrer Tasche säuberlich ab, dann strich sie zufrieden über den vollkommen ebenmäßigen Schal. „Der ist wirklich toll geworden“, sagte Gray mit gedämpfter Stimme. „Ist der für deinen Vater?“ Für einen Moment zögerte Juvia, unsicher, ob nun der richtige Augenblick war, aber wenn nicht jetzt, wann dann? In nicht einmal zehn Minuten würden sie Magnolia erreichen und dann würde sie Gray das ganze Wochenende über nicht sehen – und in der Schule wollte sie ihm den Schal nicht geben, das wäre ihm wahrscheinlich unangenehm. „Nein…“, begann sie langsam und faltete den Schal sorgsam, bis er ein handliches Bündel war. Ihre Hand zitterte, als sie dieses Bündel Gray hinhielt. „Juvia hat ihn für dich gestrickt.“ Überrascht blickte Gray zwischen dem Schal und ihrem Gesicht hin und her. Er machte Anstalten, die Hand nach dem Geschenk auszustrecken, doch dann zog er sie wieder zurück. Sein Schweigen machte Juvia nervös, weshalb sie ins Plappern geriet. „Juvia weiß, dass du deinen Schal in Pergrande verloren hast, als sie auf dich drauf gefallen ist. Du hast ihr dort geholfen, Juvia wollte sich irgendwie bedanken…“ Grays Berührung, als er vorsichtig den Schal ergriff, ließ sie zusammen erschaudern. Andächtig strich er mit der flachen Hand über den Stoff. „Du hast den von Anfang an für mich gestrickt?“ Als sie zaghaft nickte, röteten sich seine Wangen. „Und deshalb hast du mich auch gefragt, ob ich Blau mag?“ Wieder nickte sie. Und dann entrollte Gray den Schal, um ihn sich um den Hals zu wickeln. Bildete Juvia sich das ein oder schmiegte Gray sein Gesicht in den Stoff und holte dabei besonders tief Luft? Es fiel Juvia mittlerweile wirklich extrem schwer, noch zu glauben, dass das hier wirklich geschah. Gray hatte ihr Geschenk angenommen! Und er schien sich wirklich darüber zu freuen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erklang neben ihnen eine gereizte Stimme. „Redfox, Fullbuster, macht euch fertig, wir kommen in fünf Minuten in Magnolia an.“ Der Lehrer sah übermüdet und mürrisch aus. Hinter ihm stand Natsu und machte eine entschuldigende Geste in ihre Richtung. „Ihr solltet übrigens in der Gruppe bleiben. Dragneel meinte, ihr hättet euch abgesetzt.“ „Ich habe gesagt, dass sie nach freien Plätzen gesucht haben“, knurrte Natsu übellaunig. Er sah ziemlich erschöpft aus. Seine pinken Haare waren noch wirrer als sonst und er schien permanent gegen ein Gähnen ankämpfen zu müssen. „Wir reden noch, Dragneel“, meinte der Lehrer schroff und schob sich an Natsu vorbei, um wieder zurück nach vorn zu gehen. „Sich einfach in den Gang zu legen und da zu schlafen. Das wirft kein gutes Licht auf unsere Schule…!“ „Du hast auf dem Gang geschlafen?!“, rief Juvia und sah vorwurfsvoll zu Natsu auf, der doch immerhin ihretwegen auf den Platz hier verzichtet hatte. „Warum bist du nicht zurück gekommen?“ „Weil ich geschlafen habe“, erwiderte Natsu mit einem schlichten Grinsen und streckte sich, um ihre Koffer und Taschen aus der Gepäckablage zu wuchten. Juvia wollte noch etwas sagen, denn sie hatte jetzt schreckliche Schuldgefühle, weil Natsu, nur um ihr Zeit mit Gray zu ermöglichen, so eine ungemütliche Fahrt gehabt hatte. Doch Grays behutsame Berührung an ihrer Hand ließ sie innehalten. Der Schwarzhaarige schüttelte unmerklich den Kopf und deutete erst auf sich, dann auf Natsu, der mit seiner Reisetasche beschäftigt war und deshalb nichts von den Fingerzeichen mitbekam. Seufzend fügte Juvia sich, packte ihre Stricknadeln ein und stand auf. Obwohl es ein gutes Gefühl war, nach all dem Sitzen wieder zu stehen, fühlte sie doch Bedauern, als sie die Plätze schließlich verließ. Die vergangenen zehn Stunden waren wirklich schön gewesen, aber sie hegte die leise Angst, dass mit dem Verlassen des Zuges alles wieder zum Alten zurückkehren würde… Siebtes Gezwitscher – von ungewöhnlichen Belohnungen und aufregenden Anfängen Unverhofft kommt oft. Gray warf seine Reisetasche auf den Bahnsteig vor Natsus Füße und ergriff dann Juvias Koffer, ehe er aus dem Zug kletterte. Ein eisiger Wind pfiff ihm um die Nase und er war dankbar für Juvias Schal, der sich weich an seinen Hals schmiegte und diesen wunderbar warm hielt. Die Bahnsteigkante war ein Stück niedriger als der Zug, weshalb Gray sich draußen sofort herum drehte, um Juvia die steilen Stufen hinunter zu helfen. Ihre Wangen röteten sich wieder und sie stammelte einen Dank. Länger als nötig hielt Gray ihre zierliche Hand in seiner und drückte sie sanft. Die Gewissheit, dass Natsu, Lyon und Meredy ihn aufmerksam beobachteten, ließ ihn schließlich doch seine Hand senken. Er würde ihnen nicht die Genugtuung geben und jetzt gestehen, dass ihr Plan aufgegangen war! Links von ihnen riefen die beiden Lehrer die Schüler zusammen, um eine abschließende Predigt zu halten. Ausgesprochen sinnvoll auf einem überfüllten Bahnsteig. Die anderen Fahrgäste quetschten sich missmutig an der Schülertraube vorbei. Einige warfen den Pädagogen giftige Blicke zu. Gray und die Anderen blieben am Rand stehen. Nahe genug, damit die Lehrer sich nicht brüskierten, aber weit genug entfernt, dass sie das dumme Gelaber über gutes Betragen, lehrreiche Woche und dergleichen mehr nicht mit anhören mussten. Lyon hatte einen Arm um Meredys Schultern geschlungen und küsste sie immer wieder sachte. So wie er sich aufführte, könnte man meinen, sie Beide würden einander jetzt Ewigkeiten nicht wieder sehen. Dabei ging Gray jede Wette ein, dass sein Cousin dieses Wochenende mindestens ein Date mit Meredy haben würde. Wie konnte man bloß dermaßen verknallt sein? Gähnend saß Natsu auf seiner Reisetasche, das Gesicht in beide Hände gelegt, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. Er sah aus, als würde hier und jetzt einschlafen und Juvia warf ihm immer wieder schuldbewusste Blicke zu. Sie hatte Natsu ihren letzten Müsliriegel zustecken wollen, aber er hatte abgewunken. Das war definitiv ein Grund zur Sorge! Nachdenklich blickte Gray zwischen Natsu und Juvia hin und her. Sein Cousin hatte nicht einfach aus Jux versucht, ihn mit Juvia zu verkuppeln. Ob nun ihm oder Juvia zuliebe, Natsu hatte eine Höllenfahrt auf sich genommen, um ihnen Beiden die Zeit und Gelegenheit zu geben, einander kennen zu lernen. Mit Erfolg. Diese Fahrt hatte Gray die Augen geöffnet. Er hatte nicht vor, das abreißen zu lassen, was da begonnen hatte, auch wenn er noch unsicher war, was er jetzt tun sollte. Was Juvias Gefühle betraf, war er sich zumindest sehr sicher. Es hatte mehr als genug Anzeichen gegeben: Dass sie seine Sportwettbewerbe beobachtet hatte. Was sie vorher schon alles über ihn gewusst hatte. Und der Schal. Dieser wunderbar weiche, herrlich duftende Schal! Grays Herz klopfte heftig, wenn seine Gedanken zu Juvias Geschenk wanderten. Ihre Finger hatten den Stoff um seinen Hals berührt, hatten ihn geduldig und liebevoll in Form gebracht. Ihr Herzblut war in diesen Schal hinein geflossen und das alles nur für ihn… Irgendwie hatte Gray das Gefühl, sowohl Natsu als auch Juvia einen angemessenen Dank schuldig zu sein. Die Lehrer waren endlich fertig mit ihrer Ansprache und die Schülerversammlung löste sich auf. Lyon griff nach der Reisetasche seiner Freundin und nach seiner eigenen, während Meredy ihrem Cousin einen sanften Stoß gab. Der sackte besorgniserregend nach vorn, schreckte auf und strich sich dann gähnend durch die Haare. Als er hilfsbereit nach Juvias Koffer greifen wollte, kam Gray ihm zuvor. „Pass’ lieber auf, dass du nirgendwo gegen läufst“, brummte er. „Juvia kann ihren Koffer auch alleine tragen“, nuschelte die Blauhaarige mit schon wieder geröteten Wangen. „Musst du aber nicht“, erwiderte Gray rigoros. Er würde den Teufel tun, zu zugeben, dass er nach einem Vorwand suchte, vor dem Bahnhofsgebäude weiterhin mit Juvia sprechen zu können. Irgendwie musste er doch eine Möglichkeit finden, sich anständig bei Juvia zu bedanken und den Kontakt zu ihr aufrecht zu erhalten! Durch das Gewühl in der Haupthalle des Bahnhofs kamen sie nur langsam voran. Gray und Natsu liefen links und rechts von Juvia, damit diese nicht herum geschubst wurde. Lyon und Meredy liefen voraus. Ihre natürliche Autorität wirkte wie ein Schiffskiel, der sich durch die Menschenmassen schob. Als sie endlich auf den Platz vor dem imposanten historischen Bahnhofsgebäude hinaus traten, pfiff der Wind noch stärker. Es war schon zappenduster, aber dank der vielen Messinglaternen war dennoch alles gut zu sehen. Die Schüler verteilten sich immer weiter und strebten einzeln oder in Gruppen auf die Wagen ihrer Eltern zu. Gray erkannte Natsus Vater Igneel an den auffälligen Haaren, deren Farbton nur ein wenig dunkler als Natsus war. Der Flugzeugpilot lehnte mit in den Jackentaschen vergrabenen Händen an seinem Kombi und hielt nach seinem Sohn und seinen Neffen Ausschau. Als er die drei Gesuchten erblickte, breitete sich ein jungenhaftes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er hob grüßend die Hand. Suchend sah Juvia sich neben Gray um und hob schließlich lächelnd die Hand, um einem Mann zu zuwinken, der nicht weit von Igneel entfernt neben seinem eigenen Wagen wartete. Er war ein Bär von einem Mann, groß und breitschultrig. Selbst der Wintermantel konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass er muskulös war. Unter einer gestrickten, schwarz-grauen Mütze lugten wilde, dunkelbraune Haare hervor und die Augen waren stechend rot, wie es bei vielen Boscos der Fall war. Juvia schlug anscheinend voll und ganz nach ihrer Mutter. Der Ansatz eines Lächelns huschte über die grimmigen Gesichtszüge, als der Mann seine Tochter in der Menge erspähte, und er stieß sich vom Wagen ab, um den Kofferraum zu öffnen. Meredy verabschiedete sich von Natsu, indem sie ihm aufmunternd die Haare zerzauste, nickte Gray zu und machte sich auf dem Weg zu dem dunkelhaarigen Mann. Wie ein übereifriger Hund trug Lyon ihr die Reisetasche bis zum Auto und lud sie dort im Kofferraum ab, ehe er sich mit einem langen Kuss von Meredy verabschiedete. „A-also… Juvia muss jetzt los…“ Unwillig blickte Gray auf die Blauhaarige hinunter, die wiederum zaghaft zu ihm aufblickte und die Hand nach ihrem Koffer ausstreckte. Ihre Wangen waren wieder leicht gerötet und in ihren Augen lag schon wieder dieser unausgesprochene Wunsch. Am Rande registrierte Gray, wie Natsu einfach zum Wagen seines Vaters schlurfte. Sicher nicht, weil er sich nicht von Juvia verabschieden wollte oder es vergessen hatte. Wann war Natsu nur so verdammt scharfsinnig geworden? Es wurde allerhöchste Zeit, ihm zu zeigen, dass seine Opfer der vergangenen Stunden nicht umsonst gewesen waren! Gray nahm all seinen Mut zusammen und beugte sich hinunter. Ihm klopfte das Herz bis zum Hals, als seine Lippen Juvias kalte Wange berührten. Ihr Geruch machte ihn ganz benommen und seine Lippen begannen intensiv zu prickeln. Für einen winzigen Moment war der Gedanke, Juvia richtig zu küssen, unglaublich verlockend, aber dann erinnerte er sich wieder daran, dass sie hier vor dem Bahnhof standen und zig Leute an ihnen vorbei gingen und ihnen zusahen – ganz zu schweigen von Grays Cousins und Juvias Vater! Seine Wangen waren brennend heiß, als er sich wieder aufrichtete und er rang beinahe verzweifelt um die richtigen Worte, während Juvia ihn mit ihren großen Augen ungläubig ansah. Sie hatte ihre Hand noch immer erhoben, aber sie schien vergessen zu haben, weshalb sie das getan hatte. Beinahe wirkte sie etwas weg getreten. „Ähm… wir sehen uns am Montag…?“, sagte Gray und räusperte sich in einem Versuch, wieder Herr über seine Stimme zu werden. „Darf ich mir von Natsu deine Handynummer besorgen? Damit wir…“ Er brach ab und blickte Hilfe suchend zum dunklen Himmel auf. Wofür wollte er ihre Nummer haben? Was sollte das hier werden? Er hatte nicht den leisesten Schimmer, wie er Juvia erklären sollte, wie viel die Bahnfahrt in ihm verändert hatte. Wie hatte Lyon das damals bei Meredy gemacht? Ratlos fuhr er sich durch die Haare und ließ die Hand dann im Nacken ruhen. Der Schal fühlte sich unter seiner Hand angenehm weich und warm an. „V-vielleicht können wir am Sonntag zu diesem Stoffmarkt gehen, von dem zu erzählt hast?“, schlug er hoffnungsvoll vor. „Juvia würde sich sehr darüber freuen“, hauchte die Blauhaarige atemlos und dann überraschte sie Gray, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und nun ihm einen Kuss auf die Wange gab. Ihre Lippen waren weich und warm und hinterließen ein intensives Prickeln. Grays Knie wurden ganz weich. Als Juvia ihm ihren Koffer abnahm, konnte er keinen Protest mehr erheben. Er sah ihr einfach nur hinterher, wie sie zum Auto ihres Vaters ging. Der Bosco blickte mit verengten Augen abschätzig in Grays Richtung, ehe er seiner Tochter den Koffer abnahm und diesen im Wagen verstaute, während Meredy sich mit einem Fragensturm auf Juvia stürzte. Die Blauhaarige wurde feuerrot im Gesicht, aber als sie einen letzten Blick über ihre Schulter warf, bevor sie ins Auto stieg, war der Blick, mit dem sie Gray bedachte, unglaublich intensiv und auf ihren Lippen lag ein zärtliches Lächeln. Ganz unwillkürlich erwiderte Gray es, auch wenn seine Wangen nun noch mehr brannten. Dann schlug eine Hand hart auf seinen Rücken und er stolperte nach vorn. Als er verärgert aufblickte, erkannte er Natsus und Lyons breit grinsende Gesichter. Auf einmal wirkte Natsu wieder hellwach und ihm stand die Genugtuung ins Gesicht geschrieben. „Wurde ja auch mal Zeit, dass du sie endlich bemerkst!“, lachte der Pinkhaarige vergnügt. Im Stillen gab Gray ihm Recht, aber so viel Belohnung hatte Natsu sich dann doch nicht verdient, dass er das laut zugeben würde. Wahrscheinlich würde er sich auch so für den Rest seines Lebens anhören dürfen, was für eine Heldentat Natsu heute begangen hatte, als er Gray und Juvia miteinander verkuppelt hatte. Mürrisch griff Gray nach seiner Reisetasche und schleppte sie zu Igneels Wagen. Sein Onkel grinste amüsiert, sagte jedoch nichts, dafür lachte Natsu umso ausgelassener und betonte immer wieder, dass er es doch gewusst hätte. „Halt’ endlich die Klappe, Natsu, und gib mir Juvias H-“ Er konnte nicht einmal aussprechen, als Natsu ihm auch schon sein Handy unter die Nase hielt. Auf dem Display stand Juvias Name, darunter ihre Handynummer. Überrascht blickte er auf. Noch immer grinste sein Cousin, aber in den dunklen Augen lag ehrliche Freude. Gray konnte einfach nicht anders, als ebenfalls zu grinsen. Verdammt noch mal, er war ausgerechnet von diesem Spinner verkuppelt worden, aber das war wahrscheinlich das Beste, was ihm jemals passiert war. Er war nervös und aufgeregt und ratlos, aber gleichzeitig freute er sich wie ein kleines Kind darauf, Juvia am Sonntag wieder zu sehen. Und am Montag. Und hoffentlich ab sofort an jedem einzelnen Tag seines ganzen Lebens. Denn eines stand fest: Das heute war nur der Anfang gewesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)