Bin ich wertlos in deinen Augen ...? von North-Blue ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Gedankenverloren ging ich langsam den Gang hinunter in Richtung Deck. Die hellen, warmen Farben der Wände und das grelle Licht der Flurbeleuchtung bildeten einen starken Kontrast zu meiner momentan eher gedrückten Gefühlslage. Wenn man das, was ich fühlte, überhaupt als Gefühle bezeichnen konnte. Es war vielmehr ein Gefühl von innerer Leere. Ich nahm mir aus der Kammer am Ende des Gangs die Utensilien, die ich benötigte, um das Deck zu schrubben, und trat durch die Tür auf das Außendeck. Sofort wehte mir frische Seeluft um die Nase und die Sonne schien mir ins Gesicht. Jeder andere hätte das wahrscheinlich toll gefunden und sich nach dem langen Aufenthalt in dem dunklen U-Boot darauf gefreut, eine Weile auf dem sonnendurchfluteten Deck verweilen zu können, aber ich hasste es. Ich hätte mich viel lieber weiter in meinem dunklen Zimmer verkrochen. Deshalb nahm ich mir vor, die Arbeit hier so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, dann meinen Küchendienst abzuarbeiten und mich schließlich nochmal Schlafen zu legen. Denn trotz dass ich heute sogar verschlafen hatte, fühlte ich mich extrem müde. Dazu kamen noch meine Kopfschmerzen, welche auch die eingenommenen Schmerztabletten nicht vollständig hatten verschwinden lassen können. Ich begann mit dem Schrubben des Decks. Bereits nach kurzer Zeit begann mein Arm zu schmerzen, nach zwei Stunden fühlte er sich an als ob er gleich abfallen würde. Die Sonne schien prall in meinen Nacken, und ich hatte grade erst etwas mehr als die Hälfte geschafft. Frustriert lehnte ich mich an die Reling. »Wenn diese Arbeit doch wenigstens Sinn machen würde, aber es ist doch eh nur eine doofe Beschäftigungsmaßnahme meines Vaters, damit ich merke, wer hier auf dem Schiff das Sagen hat… Aber ganz ehrlich, ich bin nie gefragt worden, ob ich ihn als meinen Captain akzeptiere, also muss ich ihn auch nicht als solchen anerkennen. Und Befehle entgegen nehmen schon mal gar nicht. « Entschlossen legte ich die Bürste neben den Wassereimer auf den Boden, ließ das Deck halbfertig geschrubbt zurück und begab mich in die Kombüse, um meinen Küchendienst abzuarbeiten. Dort angekommen wurde ich vom Koch, einem Typen namens Saburo, angewiesen, Kartoffeln zu schälen und diese anschließend kleinzuschneiden und der Suppe hinzuzugeben. Müde wie ich war, brauchte ich zunächst eine Ewigkeit die Dinger zu schälen, und dann kippte ich aus Versehen fast die Hälfte der Kartoffelschalen mit in die Suppe. Ups. Nun ja, vielleicht war das Law ja eine Lehre, mich nicht mehr zum Küchendienst zu verdonnern. Nachdem ich auf Anweisung des Kochs die Tische im Speiseraum gedeckt und die Suppenkessel auf diesen platziert hatte, legte ich noch jedem Crewmitglied einen Brotkanten neben seinen Teller. Law einen besonders großen, da ich genau wusste, dass er Brot hasst. Der Speiseraum war ein mittelgroßer Raum, in dem circa 30 Personen Platz hatten. Da die Crew mit einschließlich mir aus 21 Mitgliedern bestand, waren noch einige Plätze unbesetzt. Der Raum selber war in demselben hässlichen Gelb wie das U-Boot gestrichen. Nach nur zehn Minuten tauchten bereits die ersten meiner Crewmitglieder auf. Die meisten grüßten mich, manche nickten mir nur zu und für ein oder zwei war ich Luft. Mir war das vollkommen egal. Fast waren mir die, die mich nicht beachteten, lieber als die, die um jeden Preis ein Gespräch mit mir anfangen wollten. Wie zum Beispiel Penguin und Shachi, die beide neben mir saßen und mich mit Fragen wie „Wo warst du heute Morgen?“ oder „Warum isst du nichts?“ löcherten. Da ich mit den beiden ganz sicher nicht über diese Themen reden wollte, gab ich mein Bestes, sie einfach wie Luft zu behandeln. Außerdem war ich mir sicher, dass sie alles brühwarm an Law weitererzählen würden – Wenn Law die beiden nicht sogar extra darauf angesetzt hatte, mich auszufragen. Als Law wenig später den Speiseraum betrat, wurde es still. Alle Augenpaare richteten sich auf ihn. Alle außer meine. Ich fixierte einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Ich hörte Law sich räuspern, bevor er mit seiner üblichen monotonen Stimme zum Reden ansetzte: „Wie ihr bemerkt habt, sind wir seit gestern aufgetaucht. Wir werden morgen Nachmittag die nächste Insel erreichen. Ausgang wird nur begrenzt möglich sein, da sich eine Marinehauptbasis auf der Insel befindet. Wir werden für drei Tage dort vor Anker liegen. Es gilt wie immer: Wer das Boot verlässt, meldet sich ab. Die zu erledigenden Aufgaben werde ich morgen früh verteilen.“ Als sich Law gesetzt hatte, schwoll der Lärmpegel der Gespräche wieder an. »Ausgang, hm?« Ich war schon lange nicht mehr von Bord gegangen, ich hatte in der letzten Zeit einfach nie Lust dazu gehabt. Viel zu sehr hatte ich die Stille in meinem Zimmer genossen, während alle übrigen von Bord gegangen waren. Aber ich nahm mir vor, mich dieses Mal wenigstens kurz auf der Insel umzusehen. Als alle anderen aufgegessen hatten, stand ich auf und wollte gerade den Weg zurück in meine Kombüse antreten, als ich hinter mir ein Räuspern vernahm. Ich drehte mich um, und sah in die sturmgrauen Augen meines Vaters. „Mina“, erklang seine raue Stimme, „Folge mir in mein Arbeitszimmer. Wir haben zu reden.“ Ohne weitere Worte ging er mit mir im Schlepptau den Gang entlang. Er betrat sein Zimmer und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ich blieb in der Tür stehen und betrachtete sein Büro. In der Mitte des Raumes stand sein Schreibtisch. Links und rechts davon waren Bücherregale mit Fachbüchern über alle möglichen medizinischen Bereiche. An der hinteren Wand war ein kleines Fenster, durch welches Sonnenlicht hereinfiel. Dann richtete sich mein Blick auf Law. Er blicke mich ungeduldig und mit einer hochgezogenen Augenbraue an und schien darauf zu warten, dass ich mich setzte. Also setzte ich mich ihm gegenüber und blickte ihn fragend an. „Also Mina“, setzte er an. „Auf einem Schiff ist es wichtig, dass alle verlässlich ihrer Arbeit nachgehen und dieses deshalb jederzeit gegen einen Angriff gewappnet ist. Dafür ist es notwendig, dass der Captain von allen respektiert wird, die Crew diesem loyal ergeben ist und seine Befehle ohne zu zögern ausgeführt werden.“ Law machte eine Pause, bevor er mit erhobener und eisiger Stimme fortfuhr: „Ich verstehe allerdings nicht, wieso du glaubst, dich meinen Befehlen widersetzen zu können, Mina. Nicht nur dass du das Deck nur zur Hälfte geschrubbt hast, du verunstaltest auch noch die Suppe –ja, ich habe es gemerkt dass da Kartoffelschalen drin waren- und gefährdest somit auch noch die Gesundheit deiner Crewmitglieder! Grade als Tochter eines Arztes solltest du wissen was die Glykoalkaloide in Kartoffelschalen für Auswirkungen haben können! Erwarte nicht dass ich du Sonderrechte hast, nur weil du meine Tochter bist, denn-“ „Hör auf!“, brüllte ich ihn an, „Du behandelst mich doch sogar noch schlechter als die anderen! Was habe ich dir getan?! Bin ich dir nicht gut genug?! Ist es dir vielleicht mal in den Sinn gekommen, dass ich es gar nicht schaffen kann, das Deck alleine zu schrubben?! Warum zeugst du überhaupt ein Kind wenn du es dann nicht auf die Kette kriegst, dich darum zu kümmern?!“ Damit hatte ich bei ihm wohl einen Nerv getroffen. Ich sah regelrecht, wie sich seine Miene verfinsterte, ehe er mit leiser Stimme sprach: „Das reicht Mina. Da dir anscheinend immer noch der nötige Respekt vor deinem Captain fehlt, wirst du das Deck ab jetzt jeden Tag schrubben. Einmal morgens und einmal abends. Du wirst die Lager neu sortieren. Den Spüldienst übernehmen. Die Waffen im Waffenraum schärfen. Und die restliche Zeit hast du in deiner Kabine zu bleiben. Haben wir uns da verstanden?“ Ich antwortete ihm nicht. Ich blickte ihn hasserfüllt an und stürmte aus seinem Arbeitszimmer. Lief den Gang entlang in mein Zimmer. Erst als ich mein Zimmer erreicht hatte und die Tür hinter mir verschlossen war, ließ ich meinen Tränen, die ich bis dahin zurückgehalten hatte, freien Lauf. Ich sank auf den Boden und lehnte mich gegen die Tür. Ich fühlte mich einfach nur einsam. Mir fehlte jemand, der mich einfach mal in den Arm nahm und mich tröstete. Aber da ich eine solche Person nicht hatte, saß ich noch stundenlang zusammengekauert auf dem Boden. Erst des Nachts schaffte ich es, aufzustehen und mich in mein Bett zu legen. Es sollte weitere drei Stunden dauern, ehe ich es durch einen gestiegenen Alkoholpegel schaffte, langsam ins Reich der Träume abzutauchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)