Der Palast in den Wolken von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 1: Ein Yōkai in der Nacht --------------------------------- Zehn Jahre. Zehn Jahre lebte Rin nun schon in Inu Yashas Dorf. Anfangs noch unter der Obhut von Kaede, die sich auch um Shippō kümmerte, doch vor zwei Jahren war Kaede nach kurzer Krankheit gestorben. Mit ihrem Tod hatte Rin ihre Aufgaben im Dorf übernommen. Sie heilte Verletzungen und Gebrechen und sie hatte auch gelernt ihre spirituellen Kräfte zu aktivieren und einzusetzen. Anders als Kagome verwendete sie ihre Fähigkeiten allerdings niemals in Verbindung mit einer Waffe, sondern stets zur Verteidigung. Denn obwohl sie bei den Menschen lebte, sah sie in den Yōkai, den Dämonen, keine rein bösen Wesen. Sie alle verfolgten ein Ziel, hatten Pläne und Wünsche. Auch wenn manche diese auf eher brutale Art und Weise umsetzten. Sie wusste, dass sich jeder ändern konnte. Ob Mensch oder Dämon. Das war auch ein Grund, warum sich verletzte, schwächere oder niedere Dämonen am Waldrand um eine verlassene Hütte sammelten. Auch wenn es Inu Yasha nicht gut hieß, betrieb Rin in jener Hütte eine Art Hospital für Dämonen. Die Menschen im Dorf hatten längst gelernt, dass sie vor den Dämonen nichts zu befürchten hatte und Rin machte es für jeden ihrer Patienten zur Bedingung: Wenn sie geheilt werden wollten, durften sie keinem Menschen in der Nähe etwas tun. Diese Vereinbarung funktionierte erstaunlich gut und obwohl Dämonen von selbst heilen konnten, gab es doch viele, die ihre Hilfe annahmen. Das Ganze hatte sie vor drei Jahren angefangen, mit der Unterstützung von Kaede und Kagome und es hatte sich schnell herumgesprochen. Jetzt gab es praktisch jeden Tag etwas Sinnvolles für Rin zu tun. Das brauchte sie auch, denn sobald es still um sie wurde, kamen die Gedanken und die Angst. Natürlich hatte sich die Angst im Lauf der letzten Jahre etwas gelegt, doch sie war nicht so dumm zu glauben, dass ihr nie wieder etwas Schreckliches passieren würde. Für unendliches Glück war diese Welt einfach nicht gemacht. Und wenn es nicht sie war, um die sie sich sorgte, dann gab es noch jemandem, dem all ihre Gedanken galten. „Rin!“ Eine Stimme riss Rin aus ihren Gedanken. Sie war gerade dabei ihre Sachen zusammenzupacken und zurück ins Dorf zu gehen. Heute hatte Sie nur bei ein paar jungen Dachsen Dornen aus den Pfoten entfernen müssen, weil sie beim Spielen nicht aufgepasst hatten. Ansonsten war es ruhig gewesen, weshalb sie frühzeitig zurückgehen wollte. Doch jetzt, als sie gerade die Tür schloss und ihrer Sachen auf Ah-Uhn verstaute, ließ sie diese Stimme inne halten. Rin drehte sich um und schenkte Shippō ein strahlendes Lächeln. „Shippō-chan! Du bist zurück!“, rief sie begeistert und rannte auf den jungen Fuchsdämon zu. Überschwänglich fiel sie ihm um den Hals und drückte ihn an sich. In den letzten Jahren hatte sie den jungen Fuchs viel zu selten gesehen. Immer war er mit seinen Prüfungen beschäftigt und seinen ehrgeizigen Plänen der Beste der Besten zu werden. „Wie geht es dir? Was machen die Prüfungen?“, fragte Rin deshalb sofort, als sie sich wieder von ihm gelöst hatte. „Du bist gewachsen!“, stellte sie dann auch gleich fest, als sie bemerkte, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben zu ihm aufsehen musste. Tatsächlich war Shippō nicht nur gewachsen, sondern er hatte sich fast komplett verändert. Sein schlanker Körper war mit Muskeln überzogen und sein Gesicht war definitiv nicht mehr das eines kleinen Jungen. Die Röte, die sich jetzt auf seine Wangen legte, ließ Rin noch einen kleinen Schritt zurücktreten. „Es ist schön dich zu sehen!“, sagte sie deshalb sanft, noch bevor Shippō überhaupt nur einen Moment Zeit gehabt hätte etwas zu sagen. „Es ist auch schön dich zu sehen Rin! Ich war in den letzten Monaten sehr beschäftigt, aber deinen großen Tag wollte ich auf keinen Fall verpassen!“, erklärte er sich. Jetzt war es an Rin, rot zu werden. Wovon Shippō sprach war ihr 18. Geburtstag. Der Tag an dem sie endlich als erwachsene Frau gelten würde. Ein Tag, an dem sie noch auf einen weiteren Besucher hoffte. „Es freut mich, dass du extra deshalb zurückgekommen bist. Ich war gerade auf dem Weg zurück ins Dorf. Die anderen werden sich sicher sehr freuen dich zu sehen!“, erklärte sich Rin. Sie packte Shippō bei der Hand und zog ihn mit sich zu Ah-Uhn. Vor elf Jahren war dieser als Beschützer an ihre Seite gestellt worden und seitdem hatte der gutherzige Yōkai Rin noch keinen einzigen Moment aus den Augen gelassen. Zu dritt erreichten sie das Dorf, das friedlich im Licht der untergehenden Sonne vor ihnen lag. Rin bewohnte jetzt Kaedes Hütte, in der sie all ihre Utensilien für die Heilung verstaute. Anschließend stellte sie Ah-Uhn einen Eimer voller Äpfel hinter die Hütte, bevor sie zusammen mit Shippō zu Inu Yasha und Kagomes Haus ging. Wie erwartet freuten sich alle den jungen Fuchsdämon zu sehen, weshalb sie gleich ein kleines Festessen zubereiteten. Es war kurz vor Mitternacht, als sich Rin aus Inu Yashas Haus stahl. Sie hatte es genossen Shippōs Geschichten zu lauschen und hatte über die Späße gelacht, die er mit Inu Yasha trieb, doch sie gehörte nicht so sehr zu dieser Gemeinschaft wie Shippō. Auch wenn sich Rin mit allen verstand und sie alle gute Freunde waren, so hatte sie vorher doch ein anders Leben geführt. Sie war nicht von Anfang an mit Inu Yasha und seinen Freunden zusammen gewesen. Das war ein Gedanke, der sie in den ruhigen Minuten umtrieb. Dieses Gefühl nicht dazuzugehören. Auch wenn ihr alle diesen Gedanken ausreden wollten, er kam doch immer wieder hoch. Ein Grund, warum sie oft nachts wach lag oder in den Wäldern umherwanderte. Und als hätte es Ah-Uhn geahnt, empfing er sie an der Ecke des Hauses. „Ah-Uhn!“, sagte Rin sanft und streichelte dem zweiköpfigen Drachen über die Hälse. „Manchmal habe ich das Gefühl du verstehst mich besser als ich mich selbst!“, lächelte sie und ließ sich von ihrem Freund begleiten. Der fast volle Mond stand hell am Himmel und legte seinen silbrigen Schleier auf die Welt. Zudem war es eine sehr milde Nacht. Die perfekten Bedingungen um ein paar Heilpflanzen zu sammeln. Jetzt konnte Rin sowieso noch nicht schlafen. Also holte sie sich einen Korb und ein Messer aus ihrer Hütte und machte sich auf den Weg in den Wald. Auf einer Lichtung, war Rin gerade dabei einige Pflanzen in ihrem Korb zu verstauen, als eine Schar Krähen aufflog und laut krächzend über sie hinweg flog. Ah-Uhn erhob sich aus seiner liegenden Position und schnalzte unruhig mit seinem Schwanz. Rin spürte sofort, dass sich etwas im Wald verändert hatte. Sie war nicht mehr allein hier. Eine starke Energiequelle bewegte sich direkt auf sie zu. Sie griff das kleine Messer in ihrer Hand fester, stand auf und trat neben Ah-Uhn. Sollte sie fliehen müssen, könnte sie auf ihm davonfliegen. Einen langen Augenblick herrschte absolute Stille im Wald und auf der Lichtung. Rin glaubte schon, sich die Energie nur eingebildet zu haben, doch dann brach etwas Großes aus dem Unterholz mitten auf die Lichtung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)