Schuldige Tränen von NovemberGirl ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich rannte. Wie gehetzt rannte ich durch diese Gassen, die noch bis vor kurzem zu meiner Heimat gehörten. Hinter mir hörte ich Schreie von Mensch. Ob vor Schmerz oder Angst konnte ich nicht sagen. Meine Schritte wurden immer schwerer, je mehr ich mich von der Burg im Herzen der Stadt entfernte. Wie als wollte sie sagen „Du darfst nicht entkommen.“ hielt die Erde meine Füße fest. Aber ich musste weiter. Schritt vor Schritt. Mein eigener Herzschlag übertrumpfte jedes andere Geräusch. In der Nähe wieherte ein Pferd. Es klang wie ein Todesschrei. So viele Tote. So viele Menschen waren gefallen. Die Gesichter all meiner Freunde erschienen vor meinen Augen. Sie wollten mir etwas zurufen, aber ich konnte sie nicht verstehen. Ich wollte sie nicht verstehen. Die Tränen traten mir in die Augen. Mit meiner freien Hand wischte ich sie weg, während ich mich weiter vorwärts schleppte. Das Schwert, dass ich immer noch in der rechten Hand hielt, schleifte auf dem Boden. Das kratzende Geräusch hinterließ ein seltsames Gefühl. Metallener Geschmack hing in der Luft. Vermischt mit dem beißenden Geruch von brennendem Holz und Fleisch. „Ritterin! Helft uns, schnell!“ Jemand packte mich am Arm. Es war ein Bauer, gebeugt von der täglichen Arbeit auf dem Feld. „Mein Sohn wurde in unserem Haus verschüttet, als es zusammenbrach. Befreit ihn mit eurem Schwert.“ Ich blickte hinunter auf das Schwert in meinen Händen. Die Klinge war silbern, fast makellos. Doch heute war sie es nicht. Heute war sie rotbraun. Ein bitteres Lächeln vermischt mit Kälte schob sich in mein Gesicht während ich mich dem Griff entwand. „Verschwinde!“, zischte ich. Was er mir hinterher schrie verstand ich nicht mehr, es wurde übertönt von anderen Schreien. Flammen stoben mir entgegen, als ich in eine andere Straße einbiegen wollte. Auch hier her hatte das Feuer es schon geschafft. Es würde nicht mehr lange dauern bis alles vernichtet war. Ich drehte um, rannte in die nächste Straße. Mein Schwert verlor ich irgendwo auf dem Weg. Es war so schwer, ich bemerkte fast nicht wie es mir aus der Hand rutschte. Überall um mich herum lagen Menschen. Manche bewegten sich noch, weinten. Andere schauten mich nur noch mit ihren kalten Augen an, verfolgten mich, bis ich aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Das Stadttor, das normalerweise gut geschützt wurde, stand heute offen. Flammen hatten die mit Eisen verstärkten Tore schon fast verschlungen. Die Menschen hatten schon aufgegeben, sie zu löschen. Die Eimer lagen verstreut im Weg herum. Als ein Balken von einem angrenzenden Haus hinunter fiel, schepperten die Eimer hohl. Fast so als wollten sie lachen. Meine Wangen wurden nass, doch die Tränen verwandelten sich sofort in Flammen, die meine Haut zu versengen drohten. Sie umschlangen meinen Hals und nahmen mir die Luft. Ich rannte. Ich roch meine verbrannte Kleidung, als ich durch die Tore und hinaus rannte. Wie ein gehetztes Tier, verfolgt von den Schreien meiner Freunde und ich blieb erst stehen, als ich von alldem nichts mehr hörte. Das einzige Geräusch war nun mehr mein eigener Atem, der schnell und ungleichmäßig durch meinen Mund entwich. Der selbe Mund mit dem ich vorhin noch lachte. Der selbe Mund mit dem ich ihn küsste, mit dem ich ihm versprach immer bei ihm zu sein. Ich drehte mich um. In der Ferne sah ich die Stadt und auch das Schloss, dessen Kronen fast den Himmel erreichen wollten. Heute taten sie es. Sie streckten ihre flammenden Arme der Sonne entgegen und strahlten mit ihr um die Wette. Eine einzelne Träne verließ mein Auge, als ich langsam auf die Knie sank und mit den Händen den Boden fühlte. Es war für immer vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)