Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 29: Der Friedhof ------------------------ Nach viel zu wenig Schlaf wurde ich von einer Hand geweckt, die mich leicht an der Schulter schüttelte. Das Flugzeug schien sich zum Landen bereit zu machen. Ich streckte mich und sah neidisch auf den schlafenden Hund, welcher eingerollt auf meinen Beinen lag. Ich seufzte schwer und blickte müde in Jacks immer noch versteinertes Gesicht, geschlafen hatte er sicher nicht. Immer noch lag seine Jacke um meinen Schultern während ich blinzelnd zu ihm blickte. Doch sah er immer noch frischer aus wie ich, vermutlich. Das Flugzeug setzte auf den Boden auf während ich mich leicht streckte. Selbst die einfachsten Ferienflieger hatten bequemere Sitze als diese. Keiner der anderen Soldaten sah uns an. Vermutlich hatte Jacks Laune sie eingeschüchtert, denn ein kurzer Blick von ihm genügte und schnell war ihr Blick wieder gen Boden gerichtet. Nachdem der Flieger gelandet war wurde eilig die Tür geöffnet. Die Sonne schien gerade aufgegangen zu sein. Didi gähnte in meinen Armen und schnupperte aufgeregt in der Luft. Ich ließ den Hund ab und nahm die Leine in die Hand. Jack ging an den anderen vorbei. Nach einem kurzen Gespräch mit White Shark verließen Jack und ich das Militärgelände. Vor der Eingangstür winkte Jack tatsächlich ein Taxi zu sich. „Wohin geht es jetzt“, fragte ich. Irgendwie hatte ich mit spannenderem gerechnet, jetzt wo wir in Arlington waren. „Erstmal in ein Hotel und dann muss ich meinen Kontaktmann benachrichtigen“, erklärte er ruhig und sprach nach einem Moment weiter, „nicht so spannend wie man sich das alles vorstellt, oder?“ Ich grinste ihn leicht an und nickte, zuckte jedoch mit den Schultern. „Das ist es sicher häufiger“, sprach ich nach einem Moment. Jack nickte nur während wir in das Taxi stiegen. „Was haben die eigentlich geliefert. Also was sind diese M1“, fragte ich. „Panzer“, meinte Jack ruhig, „Sie tanken hier jetzt voll und dann geht es weiter, nachdem sie noch einige Soldaten hier aufgelesen haben.“ Ich nickte leicht und stieg in das haltende Taxi. Ich seufzte schwer, meine Knochen fühlten sich an wie Blei. Die lange Nacht und die nur zwei Stunden unruhigen Schlafes zollten ihren Tribut. „Müssen wir gleich weiter? Oder haben wir etwas Zeit zum schlafen“, fragte ich müde und rieb mir über die Augen. „Wir schlafen erst einmal. Vor heute Abend wird niemand kommen“, meinte Jack ruhig und ich sah, wie seine Schultern heruntersackten. Und auch er schloss kurz die Augen, während er sich zurück lehnte. Auch an ihm, war diese anstrengende Nacht wohl nicht spurlos vorbeigegangen. Als ich ihn so erschöpft sah entschied ich mich noch nicht zu fragen, was es mit der Geschichte auf sich hatte, welche die Soldaten mir erzählt haben. Wir hielten an einem Hotel in der Innenstadt an. Es war nichts besonderes und auch die Zimmer waren einfach gehalten, doch genau schaute ich mich nicht wirklich um. Ein Doppelbett mit weißen Laken, ein kleiner Schreibtisch und ein Sessel standen herum. An der Wand gegenüber des Bettes war ein Fernseher angebracht worden und durch eine kleine Tür betrat man ein kaum geräumiges Badezimmer. Doch genau achtete ich kaum noch darauf, in Gedanken war ich längst tief und fest am schlafen. Nachdem ich müde aus dem Badezimmer geschlichen kam, ließ ich mich einzig mit Boxershorts in das Laken fallen. Ich spürte, wie Jack ins Bett kam und seinen Arm um mich legte. Seine warme Brust an meinem Rücken spürend schlief ich gleich tief und fest ein, dass Didi zu uns hinauf ins Bett gesprungen kam bemerkte ich nicht. Raue Hände strichen über meinen Bauch und meine Brust. Immer wieder zog mich der Schlaf wieder in seine Fänge, doch ein leichtes Schütteln an meiner Schulter verhinderte dies. Ich streckte mich und drückte meinen Kopf in das Kissen. Jacks raue Hände strichen durch meinen braunen Schopf und ich hörte seine nuschelnde tiefe Stimme: „Steh endlich auf, oder der Hund fällt dich gleich an…“ Ich stöhnte leise auf und öffnete verschlafen meine Augen. Ich blickte müde in sein Gesicht. Immer noch war ich ziemlich müde, hatte ich doch erneut das Gefühl zu wenige Stunden geschlafen zu haben. Ich sah Jack über mir und lächelte leicht. Sein wenig sanfter Versuch mich liebevoll zu wecken amüsierte mich. Ich musste leicht schmunzeln und streckte meine Glieder. „Bin ja schon wach“, murmelte ich und versuchte die letzten Reste des Schlafes abzuschütteln. „Müssen wir etwa schon los“, fragte ich und legte meine Arme auf Jacks kräftigen Rücken. Als ich anfing ihn zu kraulen schloss er kurz genießerisch sein Auge, so als schien er sich diesen kleinen Moment der Ruhe zu gönnen. „Nein. Hab meinem Kontaktmann geschrieben. Er wird morgen erst hier eintreffen. Das bedeutet, heute habe ich nichts zu tun.“ Ich freute mich zu hören, dass wir tatsächlich einen kompletten Tag für uns alleine hatten. Ein Strahlen schlich sich auf meine Züge und ich blickte ihn fröhlich an. Alle Müdigkeit war aus meinen Gliedern gewichen. „Cool! Was machen wir heute“, fragte ich ihn begeistert. Verwunderung war in Jacks Gesicht zu sehen, doch noch bevor er fragen konnte sprach ich: „Zeig mir die Stadt, die kennst du doch.“ Ein leichtes Lächeln hatte sich auf seine Züge geschlichen und freundlich klangen seine Worte, als er sprach: „Na gut Kleiner, dann zieh dich mal an.“ Er setzte sich auf und ich stellte fest, dass er schon angezogen war. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgestanden war. Ich setzte mich auf und stand auf, als ich Jacks kräftige Hand auf meinem Bauch spürte. Ich sah hinunter und bemerkte, dass ich einen großen blauen Fleck dort hatte, wo seine Hand lag. Zögernd, fast vorsichtig strich er darüber. Ich sah, wie sich Falten auf seiner Stirn bildeten als er nachdenklich darüber strich. „Der schlägt ziemlich feste zu“, stellte er einsilbig fest. Es war keine Frage, nur eine reine Feststellung, dennoch nickte ich zögernd. „Du kannst Karate, wieso lässt du dir das gefallen? Schlag zurück, wie ich es dir gesagt habe…“, sagte Jack und blickte mir direkt ins Gesicht. Ich rang mit mir, konnte es kaum erklären, doch nach wenigen Augenblicken sprudelten die Worte aus mir heraus: „Ich weiß es nicht. Ich…wenn es passiert fühle ich mich so gelähmt. Mein Körper hört nicht mehr auf mich…“ „Schockstarre“, nuschelte Jack nachdenklich, „du musst ihn kräftig zurückschlagen. Und dann fragen ob er das toll findet. Wenn er nichts darauf sagt, schlag wieder. Irgendwann lernt er es schon.“ Schwer seufzte ich als ich Jack betrachtete. „Gewalt ist doch keine Lösung… Hat man mir jedenfalls beigebracht…“ Jack schnaubte leicht eher er erwiderte: „Aber er regelt es doch auch mit Gewalt! Er scheint nur so was zu verstehen. Antworte in der Sprache, die er versteht.“ Unsicher nickte ich leicht. Ich konnte mir trotzdem nicht vorstellen einfach so meinen Vater zu schlagen. Während ich mich in meine Kleidung schälte fragte ich ihn beiläufig: „Hast du kaum geschlafen?“ Jetzt wollte ich mal ablenken, wollte ich doch gerne diesen freien Tag weit ab von unserem Alltag genießen. „Doch, bin nur vor einer dreiviertel Stunde aufgestanden. Didi musste raus“, meinte er und sah mir dabei zu, wie ich mich anzog. Er schien die Ablenkung zuzulassen. „Ich hab dir übrigens was zu Essen besorgt“, sagte Jack und deutete auf den kleinen Schreibtisch, auf welchem einige Tüten lagen. Einige lagen schon zusammengeknüllt herum. Auch zwei Becher standen dort. Ich brauchte nicht erst zu fragen ob es Kaffee war. Ich wusste es war Kakao. Ich nahm mir eines der Brötchen und begann zu essen während ich fragte: „Was können wir uns denn anschauen.“ Unschlüssig zuckte Jack mit den Schultern. „Das Pentagon steht hier und na ja, der Friedhof… Washington ist nicht weit weg von hier. Da ist mehr zu sehen.“ Ich nickte leicht, ehe ich antwortete: „Lass uns erstmal hier bleiben. Vielleicht dann auch ins Pentagon und eine Führung machen…“ Jack verzog das Gesicht ehe er fragte: „Wirklich? Eine komische Tourieführung? Die sind langweilig. Die Leute da dürfen eh nichts sagen, was interessant ist.“ Ich blickte ihn unschlüssig an und zuckte mit den Schultern. „Wir können ja auch einfach so durch die Stadt“, meinte ich, nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Jack nickte unschlüssig und nach einigen Augenblicken verließen wir das Hotelzimmer. Mein Handy ließ ich bewusst dort liegen, hatte ich doch keine Lust auf meine Mutter oder meinen Vater. Als ich mich im Aufzug an die Wand lehnte kreisten meine Gedanken erneut um meine Familie. Sollte ich es Jenny sagen? War das überhaupt richtig? Was war in diesem Moment eigentlich richtig und was falsch? Wer bestimmte so etwas? War es richtig meiner Mutter zu sagen, was mein Vater ihr...uns antat? Konnte Dad uns wirklich einfach aus dem Haus schmeißen? Ja, dass konnte er. Amerika war nicht so sozial. Viele Familien waren vor einigen Jahren in die Obdachlosigkeit gerutscht, auch mit Kindern. So etwas interessierte die wenigsten. Wir sind eben kein Sozialstaat. Doch war es meiner Mutter so unfair gegenüber, dass der Gedanke mir weh tat. Doch da war auch die Wut auf sie. Sie, die mich von sich weg stieß, wo ich sie doch so sehr brauchte. Ich verstand meine Gefühle nicht mehr. Ich schüttelte leicht den Kopf und stellte fest, dass Jack mich beobachtet hatte. „Woran denkst du“, fragte er und auch er lehnte sich an die Wand des Aufzuges. Ich atmete schwer durch und wählte meine Worte mit Bedacht: „Ich, weiß einfach nicht… was derzeit richtig ist. Es meiner Mutter zu sagen oder nicht.“ Jack betrachtete mich eingehend und meinte: „Das musst du leider für dich entscheiden. Die Entscheidung kann dir keiner abnehmen. Ich nehme an du wirst selbst wissen was fair ist und was nicht.“ Ich nickte leicht und starrte auf meine Füße. Ja, was richtig war wusste ich, doch ich hatte Sorge was dann geschehen würde. Schweigend traten wir aus dem Hotel und standen in der frühen, etwas kühlen Mittagssonne. Didi lief fröhlich neben Jack her. Ich blickte mich um und stellte fest, dass wir nicht weit weg waren vom Pentagon. Ein Schild, welches in Richtung Friedhof zeigte, ließ erkennen, dass man diesen zu Fuß erreichen konnte. Zögernd flackerten meine Augen zu Jack. Der Friedhof mit seinen Dimensionen lockte viele Touristen an, auch mich. Das Grab des unbekannten Soldaten und auch die ewige Fackel auf Kennedys Grab würde ich schon gerne sehen. Auch das Amphitheater im griechischen Stiel hatte mit Sicherheit etwas! Doch war dort auch das Grab von der Frau, die Jack einst geliebt hatte. Einfach zu fragen ob wir da drauf gehen sollten fand ich taktlos. Doch auch Jacks Blick war in Richtung Friedhof geflackert und ein nachdenklicher melancholischer Ausdruck war in seinem Gesicht zu lesen. Leise traute ich mich zu fragen: „Willst du hin? Also zum Friedhof?“ Stirnrunzelnd sah Jack mir in meine braunen Augen und zögernd stellte er eine Gegenfrage: „Und was willst du dann machen?“ Ich steckte die Hände in die Hosentasche und ging langsam in die Richtung, in welcher das Schild deutete, eher ich beschloss zu antworten: „Kennedys Grab kann man sich doch da anschauen und das Grab des unbekannten Soldaten…“ Schweigend folgte mir Jack, schien nachdenklich in sich gekehrt. Doch ich war mir sicher, dass er sehr gerne an diesen Ort gehen würde. Ich fragte mich, wann er das letzte Mal hier war. Ich hatte das Gefühl mit jedem Schritt, den wir in die Richtung taten, war es nun Jack, der stiller und in sich gekehrter wurde. Als schien er sich auch von mir zu distanzieren. Schweigend betraten wir den Friedhof und auf saftigem Grün stand eine weiß lackierte Tafel. Sie hieß uns willkommen und bat mit Demut und Ehrfurcht diesen Grund zu betreten. Auch erinnerte sie, dass dies ein heiliger Boden sei. Vereinzelte Bäume standen auf der Wiese und dahinter waren Reih um Reih weiße Marmorne Grabsteine zu erkennen. Mein Auge erfasste kein Ende. Alle waren sie gleich groß und in perfekter Symmetrie angebracht. Der Rasen war perfekt gepflegt und als wir über die Wege gingen ließ ich meinen Blick schweifen. An einigen Grabsteinen waren Erinnerungsstücke ihrer Liebsten hinterlassen worden. An einem lag ein kleiner Teddy, an dem anderen war eine kleine amerikanische Flagge in den Boden gesteckt worden. Beklommen sah ich die Grabsteine an. Jeder Stein ein Mensch, hinter jedem Stein eine eigene persönliche Geschichte. Auf diesem Friedhof ruhten nur Streitkräfte Amerikas. Mit wenigen Ausnahmen konnten ihre Frauen oder Kinder hier begraben werden. Fast alle Personen die hier liegen sind gefallen, doch wofür? Ich sah andere Menschen über den Friedhof gehen. Einige sahen kein bisschen betroffen aus. Vermutlich wäre ich auch so unbedacht über diesen Friedhof gelaufen, hätte ich Jack nicht kennen lernen dürfen. An einer Kreuzung blieb Jack stehen und sah mich an. Seine Gesichtszüge waren versteinert, doch in seinem Auge konnte man seine Trauer ablesen. Sie war fast spürbar. Zögernd fragte ich leise: „Muss ich weiter gerade aus?“ Jack nickte stumm. Ob ihm was die Kehle zuschnürte oder nicht, wusste ich nicht. Er spannte seine breiten Schultern, als schien er sich zu wappnen. Ich ging einige Schritte und verstand, dass ich ihn ab hier alleine lassen sollte. Er wandte sich ab und ging, mit Didi an seiner Seite, einen anderen Weg, sagte nichts weiter zu mir. Er ging weiter hinein in den Friedhof, hinter einer Stelle, wo Bäume mir die Sicht nahmen. Zögernd war ich einige Schritte in die Richtung gegangen, in welche ich eigentlich gehen sollte. Doch schmerzlich sah ich dem Mann nach, den ich liebte. Ich wusste es war taktlos und nicht richtig, dennoch wollte ich wissen, wie sehr Jack mich vielleicht brauchte. Wie sehr er hier litt. Also folgte ich ihm langsam und zögernd. Wissend, dass es unethisch war. Und schon nach einigen Metern sah ich ihn. Er stand vor einem großen weißen marmornen Grabstein und blickt starr hinab, wie versteinert. Langsam hob er die Hand und salutierte, blickte starr auf den Grabstein und rührte sich einige Sekunden nicht mehr. Zögernd löste er sich, ließ die Arme und Schulter sinken. Nach wenigen Sekunden hob er langsam die Hand und strich sanft, fast liebevoll Blätter von dem Stein. Vor dem Grabstein waren die Blumen gepflanzt worden, welche auch bei Jack im Garten wuchsen. Ich beobachtete, wie er sich vor das Grab hockte. Seine Lippen bewegten sich, doch der Wind trug die Worte nicht zu mir und wenn ich ehrlich war bin ich froh darüber gewesen. Betroffen sah ich dem Schauspiel zu, welches sich mir bot und dann sah ich etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Jacks Hand glitt zu seinem Auge und es sah aus, als ob er sich Tränen wegwischte, welche drohten ihm über die Wange zu laufen. Wenn ich schon dachte ich hätte Zuhause einst einen gebrochenen Mann gesehen, war das nichts im Vergleich zu jetzt. Es schien, als schaffe er es kaum noch sich auf den Beinen zu halten. Seine Arme zitterten. Ich sah, wie sich seine Schultern zwei drei Mal hoben. Verloren sah er aus. Er verlor sich in der Trauer und ich wünschte, ich hätte zu ihm gehen können. Doch das wäre nicht gut. In diesem Fall könnte ich sogar verstehen, wenn er lange sauer auf mich sein würde. Ich sah erneut wie er sich durch die Augen wischte und wieder schien er leise etwas zu sagen. Didi wedelte nicht mehr mit seinem Schwänzchen. Er schien Jacks Laune zu bemerken und sein Köpfchen drückte sich an sein Bein. Ich sah, wie Jacks Blick zu seinem treuen Gefährten wanderte und er den kleinen Welpen etwas an sich drückte, als wäre dieser seine einzige Stütze in diesem Moment. Ich wandte mich ab. Dieser Moment gehörte Jack, so traurig er auch war. Ich hatte damit nichts zu tun. Ich musste akzeptieren, dass ich kein Teil dieses Lebens von ihm war, kein Teil seiner Vergangenheit. Doch ich wollte endlich wissen, was damals passiert ist und ich würde ihn noch fragen, während wir hier waren! Ich ging schnell in die Richtung, in welche ich eigentlich hätte gehen sollen und als ich oben bei Kennedys Grab stand und die ewige Fackel betrachtete, spürte ich nichts. Die anderen Menschen um mich herum nahm ich nicht wahr. Meine Gedanken kreisten einzig um das, was ich gesehen hatte. Ich durfte mir nichts anmerken lassen! Ich wollte ihn auch nicht darauf ansprechen. Aber ich wollte ihm zeigen, dass ich ihm helfen könnte, dass ich für ihn da sein kann. Dass sein Leben weiter geht und es schön sein kann. Wenn vielleicht auch nicht als sein Geliebter, dann aber als ein Freund an seiner Seite. Ich hörte schwerere Schritte auf mich zukommen und drehte mich um. Jack kam auf mich zu und ich erkannte, dass sein Auge noch leicht gerötet war. Er trat neben mich und sah stumm auf die Fackel. Selbst Didi schien stumm, als sei er wie sein Herrchen tief von Trauer erfüllt. Ich zögerte, atmete schwer durch und vorsichtig griff ich nach seiner Hand. Das noch andere Menschen hier waren und uns so sehen konnte, hemmte mich ein wenig, doch ich wollte Jack spüren. Ich wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine ist, auch wenn dies bedeutet, dass andere sahen, dass ich schwul bin! Ich drückte seine kräftige Hand und merkte, dass sie eiskalt war. Jacks Blick fiel auf unsere Hände und dann in mein Gesicht. Ich zog ihn etwas zu mir und lehnte mich an ihn. Mein Blick huschte zu den Menschen um uns herum. Einige sahen uns verwirrt an und einige Frauen lächelten tatsächlich entzückt und wieder andere schenkten uns gar keine Beachtung. Ich atmete schwer durch, war dieser Schritt für mich ein ziemlich großer, doch tat ich ihn gerne für ihn. Ich legte einen Arm um Jacks Rücken und drückte ihn etwas zu mir. Fragend blickte er mich an und leise meinte ich: „Du siehst irgendwie aus, als ob du das gerade brauchst…“ Der versteinerte Ausdruck in Jacks Auge löste sich und ein sanfter Schimmer erschien, fast schon dankbar. Er erwiderte den Händedruck und Hand in Hand gingen wir weiter über den Friedhof. Fast schon zog ich ihn liebevoll hinter mir her. Ich wollte weg von diesem Ort, der für Jack nur Trauer widerspiegelte. Ich löste meine Hände nicht von ihm, hielt sie weiterhin fest und langsam spürte ich, wie die Wärme wieder zurückkehrte. Ich wollte weit weg von hier. Wir verließen den Friedhof und ich bemerkte, dass Jack mich die ganze Zeit beobachtet hatte. Sein Blick hatte sich verändert, doch da ich mehr nach vorne sah, als zu ihm, konnte ich ihn nicht deuten. Ohne uns abzusprechen machten wir uns auf den Weg zu unserem Hotel. Lust auf das Pentagon hatte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr durch die Stadt gehen. Ebenso wenig wie Jack. Ich wollte alleine sein, alleine mit ihm. Immer noch schweigend gingen wir in unser Zimmer. Didi sprang auf einen kleinen Sessel in der Ecke und kratze sich an seinem Ohr. Erneut begegneten sich unsere Blicke und endlich ließ ich seine Hand los. Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. Liebevoll war meine Stimme, als ich ihm sagte: „Weißt du Jack, ich… ich bin zwar kein Teil deiner Vergangenheit und weiß sicher nicht viel davon, aber trotzdem… das klingt so schwul“, nuschelte ich leise, „… ich will einfach, dass du weißt, dass ich gerne ein Teil deiner Zukunft sein möchte… Ich liebe dich und will für dich so gerne da sein. Egal ob als Freund, oder als dein Freund… Die Zukunft muss nicht so düster sein, wie deine Vergangenheit.“ Jack blickte mich überrascht an, sein Auge weitete sich. Einige Male setzte er an etwas zu sagen, doch kein Wort verließ seine Lippen. Sein Auge fixierte mich, wanderte dann durch das Zimmer. Ich sah, wie er schluckte. Er schloss kurz, fast gequält wirkend, sein Auge und setzte sich auf das Bett und strich sich durch die dunklen Haare. Ich beobachtete ihn bei seinem inneren Kampf und als sein Blick den meinen suchte, sah ich einen fast schon verzweifelten Ausdruck. Er packte ruckartig meine Hand und zog mich zu sich auf das Bett und drückte mich eng an sich, so dass ich kurz nach Luft rang. „Jazz, ach…Ich liebe dich… Aber ich…ich bin sicher nicht gut in Beziehungen… Weißt du ich…ich liebe sie immer noch und hab ein schlechtes Gewissen…“, waren seine leise genuschelten Worte, während er sich fast schon an mich klammerte, als schien er gerade an mir Halt zu suchen. Ich drückte ihn an mich, nicht sicher, wie sehr ich mich freuen sollte oder nicht. Zu hören, dass er noch jemand anderes liebt schmerzte, obwohl ich wusste, dass sie tot war. Doch dass er mich tatsächlich liebte und nicht nur einen Freund in mir sah, erfüllte mich gleichermaßen mit Glücksgefühlen. Während ich mich so an ihn drückte spürte ich, wie schwach er gerade war. Ich löste mich von ihm und nahm sein Gesicht in meine Hände, während ich mit fester Stimme sprach: „Jack, ich liebe dich! Ich möchte dir helfen zu vergessen… Ich… lass es uns versuchen und ich verspreche dir, wir schaffen das irgendwie und du wirst glücklich! Vielleicht war deine Vergangenheit einfach scheiße, aber die Zukunft kann doch besser werden.“ „Ich bin verschroben. Hab so viele Geheimnisse und werde dir nie alles sagen können“, meinte er leise und sah mir ins Gesicht. Er klang so, als wollte er sich absichtlich schlecht machen, doch es war mir gerade alles egal. Ich zuckte mit den Schultern. In diesem Moment war es mir egal, ob er Geheimnisse haben würde oder nicht. An die Zukunft verschwendete ich keinen Gedanken in diesem Moment, es zählte das hier und jetzt. „Dann hast du halt viele… Jack, du hast es nie versucht. Ich hatte auch keine wirkliche Beziehung… Lass es uns doch einfach versuchen… du hast doch nichts zu verlieren.“ Ich sagte es so schnell, dass ich nicht weiter darüber nachdachte was ich sagte. „Ich kann dich verlieren“, sagte Jack leise aber ernst, „es gibt einige Leute, die mich nicht mögen. Ich will nicht wieder jemanden verlieren… Ich will das nicht noch mal durchmachen… Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“ „Willst du denn nicht mit mir zusammen sein“, fragte ich leise und sah ihn enttäuscht an. Jack zuckte mit den Schultern und schüttelte gleich verneinend den Kopf. „Ich weiß es nicht, eigentlich ja und… ich weiß einfach nicht was ich will… Ich merke, dass du mir gut tust.“ „Wenn du sowas doch meinst, wieso hältst du daran dann nicht fest, Jack?“ Ich merkte, wie er mit sich rang und als er sprach waren seine Worte leise, doch verstand ich jedes Wort: „Ich habe ein schlechtes Gewissen… das ich glücklich bin und… Sie nicht da ist.“ Bekümmert blickte ich ihn an und drückte sanft seine Hand. Leise fragte ich ihn: „Hätte sie nicht gewollt, dass du wieder glücklich wirst?“ Ich merkte, dass er meinem Blick auswich. Er zuckte mit den Schultern und antwortete ausweichend: „Vermutlich hätte sie das…“ Als ich sah, wie er um Worte rang, beugte ich mich zu ihm und drückte meine Lippen auf die Seinen. Drückte mich eng an ihn. Ich wollte ihn spüren und nicht mehr reden! Er erwiderte den Kuss und seine Hände krallten sich in meinen Schopf. Mit meinem Gewicht drückte ich ihn auf das Bett. Jacks Hände schoben mich auf sich und er drückte mich an sich. Ich wusste, dass er nicht gut im Sprechen war, also erlöste ich ihn. Ich löste mich von seinen Lippen, biss noch einmal kurz hinein und betrachtete den Mann, den ich liebte unter mir. „Willst du wirklich, dass ich so etwas irgendwann mit jemand anderem mache“, fragte ich direkt und drückte mich eng an ihn. Es schien, als dachte er einen Moment darüber nach und ich erkannte einen leichten feindseligen Ausdruck in seinem Auge. „Nein“, meinte er leise und drückte mich besitzergreifend an sich. „Dann ist die Sache klar, wir sind zusammen“, stellte ich leicht grinsend fest und ergeben nickte Jack und zog mich wieder zu sich hinunter. Unsere Lippen trafen erneut aufeinander und mein Herz raste, als ich ihn seinen Geruch einatmete und ihn schmeckte. Zärtlich biss ich auf seine Lippe und blickte ihn entzückt an. „Ich möchte, dass du glücklich bist“, sagte ich und bevor er irgendwas sagen konnte drückte ich meine Lippen auf die Seinen. Für mich fühlte es sich richtig an und ich hoffte, dass es das für ihn irgendwann auch so sein wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)