Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 27: Vaters Geheimnis ---------------------------- Es hatte nichts gebracht mit Jack zu sprechen. Ich hatte die restliche Woche versucht ihn zu überreden mich mitzunehmen. Er würde morgen ohne mich fliegen. Ich war genervt. Genervt von allem. Wieder war ein Versuch mit meiner Mutter zu sprechen gescheitert und mein Vater hatte mich heute auch noch wegen einer Nichtigkeit angeschrien, bevor er zur Arbeit gefahren war. Man bekam das Gefühl, dass es von Mal zu Mal schlimmer wurde mit ihm. Wohl fühlte ich mich Zuhause kaum noch. Ich wollte einfach nicht, dass Jack geht. Fast hätte ich behauptet, dass ich ohne ihn das Szenario hier nicht aushalten würde. Auch seine Geheimnisse nervten mich! Zurzeit wurde es immer schlimmer. Häufig schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein. Außerdem wurde er regelmäßiger angerufen. Aus den Gesprächsfetzen die ich mit bekam erschloss sich mir, dass er mit einem Miller sprach. Vermutlich war es auch ein Codename. Ich vermutete, dass es mit den Plänen zusammenhing, welche Jack hatte, bezüglich seiner Vorstellung eine Söldnereinheit auf die Beine zu stellen. Doch jedes Mal schwieg er eisern. Auch, wie er das ganze finanzieren wollte gab er nicht Preis. Ich konnte mir vorstellen, dass Söldner nicht gerade billig sind. Und Waffen und Equipment noch viel weniger. So kam es, dass ich an dem Tag, an welchem Jack aufbrechen wollte, von der Schule Heim kam und schon schlechte Laune hatte. Mein Biologielehrer hatte mich genervt und auch Tobey versuchte immer wieder mit mir zu sprechen, ob wohl ich es nicht wollte. Ich fand meine Mutter im Wohnzimmer vor, während sie gerade vor dem Fernseher bügelte. Unsicher sah ich sie an und erkannte, dass sie wieder eine gerötete Wange hatte. Meine schlechte Laune sank langsam und zögernd ging ich auf sie zu, doch als ich sie berührte, wandte sie sich ab von mir. Sah mich nicht an und sprach auch nicht mit mir. Ich zitterte und die Wut kehrte wieder zurück. Ich konnte doch nichts für das, was Dad tat! Ich war doch auf ihrer Seite! Sie schützte mich mit diesem Verhalten doch nicht, sie tat mir einzig weh! Langsam ließ ich die Hand von ihrer Schulter gleiten und streichelte ihr vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Schulter. „Ich habe dich lieb, Mum“, murmelte ich leise, fast verzweifelt. Immer, wenn wir alleine waren und ich nicht bei Jack war, merkte ich wie sehr mir meine Mutter fehlte. Ihr Humor, ihre sanfte Art, auch ihre übertriebene Besorgnis fehlten mir. Sie blickte kurz über die Schulter und sah mir in die Augen. Sie nickte leicht und lächelte, doch erreichte es ihre Augen nicht. Sie wandte ihr Gesicht wieder ab und ich ließ meine Schultern hängen. Die angestaute Wut begann langsam aber sicher in mir zu sieden. Verärgert schnaufte ich auf. Das konnte doch nicht so weitergehen! Wütend fuhr ich mir durch die Haare und sah sie an, während ich sie anfauchte: „Du weiß schon, dass das so auch nichts bringt oder?“ Sie zuckte zusammen, als ob ich sie geschlagen hätte. Sie wandte sich nicht um, sagte nichts mehr und die Wut staute sich immer weiter in mir auf. Ich wollte sie nicht anschreien, dass tat Vater schon zu oft. Wortlos nahm ich meinen Rucksack mit den Schulsachen und verließ das Haus, doch bevor ich das Haus verließ hörte ich wie meine Mutter sagte: „Jasper ich weiß, dass du zu unserem Nachbarn gehst. Und du weißt, dass dein Vater das nicht möchte.“ Ich ging zurück und blieb in der Tür von unserem Wohnzimmer stehen und blickte sie ohne eine Regung meines Gesichtes an. „Das ist meine Sache, Mum“, dass sie wusste wo ich hin ging überraschte mich nicht, aber stören tat es mich auch nicht. Unschlüssig sah sie mich an, wusste wohl nicht, was sie darauf sagen sollte. Ich ging einfach, ließ sie stehen. Ich wollte ihr verletztes Gesicht nicht sehen, die rote Wange, ihren ängstlichen Gesichtsausdruck, mit dem sie mich strafte. Also ging ich zu Jack und immer noch siedete die angestaut Aggressivität in mir, während ich auf ihn wartete. An Schulaufgaben verschwendete ich gar keinen Gedanken. Ich stromerte durch das Haus wie ein Raubtier in seinem Käfig, eher ich mich genervt in seinen roten Sessel fallen ließ. Als Jack mit Didi rein kam, blickte ich ihn fast schon bösartig an. Didi, der mir jetzt knapp über die Knie reichte, sprang an mir herauf. Doch auch der Hund konnte meine Laune nicht bessern. Fragend sah Jack mich an. Ich blickte ihn fast schon zornig an. Wollte ich doch nicht, dass auch er so viel vor mir geheim hielt. Ich wollte, dass er mich mitnahm zu diesem komischen Treffen in Arlington! Meine ganze Wut richtete sich gegen ihn! Denn Jack war nicht so schwach wie meine Mutter! Er konnte sich wehren. Hier konnte ich die Wut rauslassen. „Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst“, fuhr ich ihn an. Jack nickte und blickte mich mit seinem neutralen Ausdruck an. Etwas, was mich gerade wahnsinnig aggressiv machte. „Ich vertraue dir auch“, war Jacks Reaktion, die mich genervt aufseufzten ließ. Die Wut, die ich heute schon fast den ganzen Tag in mir spürte, hatte nun ihren Siedepunkt erreicht und begann endgültig zu kochen. Ich stand genervt von seinem Sessel auf und sah ihn böse an. „Wenn du mir doch so sehr vertraust, wieso kann ich nicht einfach mit“, fragte ich direkt und stand ihm gegenüber. Es war der Punkt erreicht, wo ich meine Wut heraus lassen musste! „Weil es eben Angelegenheiten sind, die dich nichts angehen. Außerdem musst du zur Schule.“ Ich hasste seine vernünftigen Argumente gerade. Natürlich gab es sicher 1000 Gründe warum ich ihn nicht begleiten sollte. Vielleicht waren die Menschen, mit denen er sich traf gefährlich. Vielleicht darf Jack ja auch keine Freunde haben. Und ja, ich musste auch in die verdammte Schule! Es könnte so viel sein, doch ich wollte mich gerade streiten. Ich hatte keine Lust mehr gerade vernünftig zu sein und so brach es aus mir raus: „Die mich nichts angehen?! Dich geht auch so verdammt viel nicht an und trotzdem weißt du alles! Alles was hier in der verdammten Nachbarschaft vor sich geht!“ Ich brüllte ihn an und wusste, es war unfair von mir. Jacks Blick glitt in Richtung seines Arbeitszimmers und langsam verschränkte er die Arme vor der Brust. Er war nicht dumm. Er wusste, dass ich irgendwann in seinem Arbeitszimmer geschnüffelt hatte. Also wieso noch länger so tun, als wüsste ich nichts? „Ja, ich war da drinnen. Schon länger her…“ Jack musterte mich. Er zog die Augenbrauen wütend zusammen, doch als er einmal durchatmete legte sich dieser Gesichtsausdruck wieder. Ruhig, fast bedächtig fragte er mich: „Jazz, was ist los. Was macht dich so wütend?“ Wieder dieser ruhige bedächtige Ton! Ich wollte nicht vernünftig reden. Ich wollte endlich mal laut sein, meine Wut heraus lassen! „Ich habe einfach keinen Bock mehr immer zu hören, geht mich nichts an!“ Wieder blickte Jack mich emotionslos, neutral an und sagte: „Aber so ist es eben manchmal im Leben.“ Ich wollte, dass er darauf einging! Wollte, dass er laut wurde, doch er wurde es nicht! Vor Wut begann ich zu zittern. Wieso konnte dieser verdammte Kerl mir nicht einmal einen Grund zum Streiten liefern? Jack schien meine körperlichen Reaktionen genauestens zu registrieren und runzelte die Stirn. Er schien sich zu fragen, was geschehen war. Seine Stirn runzelte sich und als er den Mund aufmachte um zu fragen, unterbrach ich ihn. „Ach, lass mich einfach“, zischte ich ihm wütend zu und ging an ihm vorbei hinaus aus dem Haus. Ich wusste, dass Jack mich nicht aufhalten würde und er tat es nicht. Ich stand wütend vor der Tür und schaute mich um. Ich wollte einfach endlich mal vergessen! Schnell ging ich zu unserer Garage und holte mein Fahrrad heraus. Das letzte Mal als ich gefahren bin, war ich mit Jenny unterwegs gewesen. Vielleicht konnte ich so meine Wut heraus lassen! Hart trat ich in die Pedale und das Rad brachte die ersehnte Distanz. Ich achtete kaum auf meine Umwelt. Ich fuhr quer durch die Stadt, bis ans andere Ende in einen Park. Ich war ziemlich außer Atem und Schweiß war auf meine Stirn getreten. Ich war sehr unfair zu Jack gewesen, dass wusste ich. Trotzdem wollte ich endlich, dass er mir vertraute, in allem! Bedächtiger fuhr ich durch den Park, wollte ich doch keine Passanten umfahren. In Gedanken versunken war ich, als ich auf einmal meinen Vater erkannte. Er trug keine Uniform, er war ganz normal gekleidet. Verwundert darüber hielt ich an. Er ist doch gerade arbeiten, dachte ich verwirrt. Unschlüssig war ich, ob ich zu ihm fahren sollte oder nicht. Gerade als ich mich dazu entschieden hatte, dass ich ihn fragen wollte weswegen er nicht bei der Arbeit sei, sah ich eine Frau in seine Richtung gehen. Sie war recht hübsch, schien dunkelblonde oder hellbraune Haare zu haben. Sie war recht kurvig und hatte eine etwas breitere Hüfte. Vor sich her schob sie einen Kinderwagen, in dem ein kleines Kind zu schlafen schien. Zielstrebig ging sie auf meinen Vater zu und drückte ihre Lippen auf seine. Vertraut begrüßten sie einander und auch Vater strich ihr kurz über den Rücken. Perplex starrte ich ihn an. Schluckte und versuchte das Geschehen zu begreifen. Langsam aber sicher viel der Groschen. Vater arbeitete nicht mehr, er machte keine Überstunden… er hatte eine Andere! Eine andere Familie! War er deswegen so launisch? Langsam glitt mein Blick zu dem Kind in dem Wagen. Es hatte dunkelbraunes Haar, einen runden Kopf, trug eine Mütze und hatte eine braune Latzhose an. Ich erkannte mich in dem Jungen wieder. Hätte man ein Bild von mir in dem Alter neben ihn gehalten, hätten wir gleich ausgesehen. Mein Vater lebte ein Doppelleben und das seit, so wie es aussah, mehreren Jahren! Ich merkte, wie meine heile Welt immer mehr zerbrach und in Scherben vor mir lag. Bis jetzt kannte ich solche Situationen einzig aus dem Fernseher. Aus schlechten Programmen zur Unterhaltung von bildungsfernen Schichten, doch das hier war real für mich! Es war mein Leben, was gerade so verändert wurde. Welches mir immer mehr entglitt! Wütend trat ich in die Pedale und fuhr zu meinem Vater und der komischen Frau. Wie konnte er das meiner Mutter und unserer Familie antun? Egal wie nett die andere Frau vielleicht auch war, sie war scheiße! Sie würde nie auch nur irgendeine Chance von mir bekommen! Fast schon mit quietschenden Reifen hielt ich vor ihm an und blickte ihn hasserfüllt an. Überrascht schauten seine braunen Augen in die meinen, welche sich jedoch augenblicklich verengten. Noch bevor ich etwas sagen konnte hatte er mich am Arm gepackt und vom Rad gezerrt. Schmerzvoll knallte das Fahrrad gegen meinen Oberschenkel. Er drehte mir mit dem Polizeigriff den Arm auf den Rücken und drückte meinen Oberkörper gen Erde. „Hör mir mal gut zu Bursche“, knurrte er mich böse an, während ich versuchte mich ihm zu entwinden, „wenn du jetzt auf die Idee kommst mich zu erpressen, bist du an der falschen Adresse! Du hältst den Mund, oder ich verspreche dir, du wirst mich kennen lernen… Solltest du auf die Idee kommen deiner Mutter irgendwas davon zu sagen verspreche ich dir, schmeiße ich euch aus dem Haus. Dann kannst du unter einer Brücke pennen!“ Ich verzog schmerzvoll das Gesicht, keuchte auf und kniff die Augen zusammen. Die Zähne aufeinander pressend brachte ich keuchend hervor: „Wie willst du uns aus dem Haus schmeißen…!“ Vater stieß mich von sich und ich taumelte und viel zu Boden. Gerade noch schaffte ich es meinen Sturz abzufangen, doch schlugen meine Knie schmerzvoll auf den Rasen auf. Ich blickte zu ihm hinauf und starrte ihn an. Er stand über mir und blickte kalt zu mir herunter, wieder einmal wirkte er nicht mehr wie mein Vater. „Jasper, das Haus läuft auf meinen Namen. Urkunde und der Kredit… Trenne ich mich von ihr, seid ihr beide obdachlos.“ Ich starrte ihn fassungslos an. Das konnte nicht sein Ernst sein. Ich sah zu der Frau, die mich musterte, als wäre ich ein Monster. Doch das Monster stand über mir! Schnell nahm sie ihren Sohn, meinen Bruder und ging etwas weg von uns. Es schien, als habe ihn die Situation geweckt. Die braunen Augen des kleinen Jungen musterten mich neugierig. Ich fragte mich weswegen diese Frau das mitmachte? Das war doch alles bescheuert?! Wer ließ sich denn so lange auf einen Mann ein, der verheiratet war? Ich sah hinauf in Vaters Gesicht und spuckte ihm fast schon entgegen: „Ich hasse dich! Wie kannst du uns das nur antun?“ Seine Augen strahlten eine Kälte aus, die mich erschaudern ließ. Ich sah, wie er seine Hand zu einer Faust ballte und zu spät hob ich die Arme. Er schlug mir kräftig in den Magen. Fast hätte ich mich übergeben müssen, der Schmerz breitete sich wellenartig in meinem Körper aus. Tränen sammelten sich vor Schmerz in meinen Augen und ich stöhnte qualvoll auf. „Pass auf, was du sagst. Vergiss nicht mit wem du dich anlegst“, knurrte er mich böse an. Ich versuchte mich vom Boden aufzustemmen, doch er schubste mich erneut um. Wieso waren hier gerade keine Passanten, die uns sahen? Immer noch zu ihm aufblickend meinte er: „Ich meine es ernst. Du hältst den Mund oder du landest mit deiner Mutter auf der Straße!“ Erneut blickte ich ihn wütend an, doch noch bevor ich etwas sagen konnte traf mich seine flache Hand im Gesicht und mein Kopf flog zur Seite. „Ich denke, Bursche, wir haben uns verstanden! Oder?!“ Wir sahen einander an und mein Körper fing an zu zittern, als ich ihn betrachtete. Erneut hob er die Hand und fragte, ob ich ihn verstanden habe und aus Angst vor noch mehr Schlägen nickte ich. „Ich warne nur einmal Jasper“, meinte er zornig. Weswegen tat er so etwas? Liebte er mich etwa nicht mehr? War ich jetzt schon nicht mehr sein Sohn? Wer wusste wohl alles schon davon? Jenny sicher nicht…Er drehte sich um und ging zu der anderen Frau. Zu seiner zweiten Familie. Ich stemmte mich auf und ging zu meinem Fahrrad. Wütend war ich nicht mehr. Verzweiflung und Ohnmacht übermannten mich. Mein Körper schmerzte, doch noch mehr schmerzte ein innerer Teil meiner selbst und diesen Schmerz in Worte zu packen, war kaum möglich. Ich blickte ihnen nach und als ich sah, wie er den Arm auf den Rücken der fremden Frau legte, hätte ich mich übergeben können. Meine Gefühle konnte ich nicht beschreiben. Wut, Hass, Verzweiflung vermischten sich gerade und erneut fühlte ich mich machtlos! Ich fühlte mich verraten von ihm und zugleich war da diese Wut auf diesen Menschen, auf die ganze Welt! Wütend auf meinen Vater, der mich zwang das Geheimnis zu bewahren, der mich schlug. Der drohte uns aus dem Haus zu schmeißen. Wütend auf diese verdammte Frau, die für mich der Grund für all den Scheiß war. Wütend auf den kleinen Jungen, dass er überhaupt auf der Welt war. Ich war wütend auf meine Mutter, die gerade nicht an mich dachte, obwohl ich sie doch eigentlich brauchte! Und ich war wütend auf Jack! Er wusste es! Garantiert! Er kannte Vaters Geheimnis und hatte es mir nie gesagt. Ich hätte alles darauf gewettet, dass genau das in dieser Akte stand. Trotz allem was zwischen uns war, hatte er mir das verschwiegen. Ich fuhr mit dem Rad durch die Stadt und immer noch bebte mein Körper. Fast hätte ich einen Unfall gebaut, als ich unachtsam auf die Straße für. Doch selbst das Auto, welches nur knapp vor mir bremste, ließ mich nicht auf andere Gedanken kommen. Ich ließ das Fahrrad neben Jacks Tür liegen und hämmerte kräftig gegen die Tür, dass ich einen Schlüssel hatte, hatte ich völlig vergessen. Als sie geöffnet wurde, schrie ich ihn an und schubste ihn so kräftig ich konnte nach hinten: „Du hast es gewusst! Du Arschloch hast es die ganze Zeit gewusst und hast die Fresse nicht aufgemacht!“ Verwirrt taumelte Jack in sein Haus. Ich war in Rage, schaffte es nicht mehr rational zu denken und schlug tatsächlich gegen seine Brust, kräftig! Entrüstet betrachtete mich Jack. Ließ es zu, dass ich ihn schlug. Mit Wut verzerrtem Gesicht blickte ich ihn an. „Warum hast du das gemacht?! Wieso“, schrie ich ihm entgegen. Doch verständnislos war sein Blick. „Was ist passiert Jasper“, forderte er mich energisch auf und ließ sich von mir weiter in sein Haus drängen. Didi aufgeregtes kläffen ignorierte ich. Ich musste mich erst mal beruhigen. Wütend stapfte ich durch das Haus, vorbei an Didi, vorbei an Jack. Wie ein Tiger im Käfig lief ich in dem Haus herum. Ich spürte Jacks wachsamen Blick auf meinem Rücken. Doch immer noch stand er dort, wo ich ihn hatte stehen lassen. Ich atmete durch, versuche mich zu beruhigen, doch dann fiel mein Blick auf die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Aufgebracht stapfte ich darauf zu und öffnete die Tür. Verwirrt blickte Jack mir nach und folgte mir in den anderen Raum. Er fragte nicht, was ich hier machte, noch was ich suchte. Er beobachtete mich und schien wenig überrascht, als ich ihm die dicke Akte mit meinem Namen vor die Füße warf. Natürlich war er nicht überrascht, hatte ich ihm doch bereits gesagt, dass ich hier drinnen war. Ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte und er blickte von der Akte langsam zu mir auf. Immer noch starrte ich ihn wütend an und fragte erneut zornig klingend: „Und? Weiß du immer noch nicht, weswegen ich so sauer bin? Warum hast du mir nichts gesagt…“ Langsam hob Jack die Akte auf und legte sie auf den Tisch. Er schwieg einen Moment und schien sich eine Antwort zu überlegen. Das machte er immer wenn er versuchte sich heraus zu reden. „Was genau hast du denn herausgefunden“, fragte er, lehnte sich gegen den Tisch und blickte mich an, während er die kräftigen Arme vor der Brust verschränkte. Fragend hoben sich seine Brauen als er mich betrachtete. Ich zitterte vor Wut als ich sah, dass er es nicht mal abstritt, dass er mehr wusste wie ich! Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und zornig fragte ich: „Wie heißt er? Wie heißt mein Bruder…?“ Ich konnte es nicht glauben. Immer noch nicht. Er hatte uns ganz einfach ersetzt, wie es mir vorkam! Jack runzelte die Stirn, schien nachzudenken. Sein Blick glitt über mein wütendes Gesicht als er antwortete: „Irgendwas mit J. Ich glaube Jeremy.“ Jeremy… meine Lippen zitterten kurz und leise murmelte ich: „So sollte ich eigentlich heißen… Mutter wollte es nicht…“ Jack nickte leicht und meinte trocken: „Hätte auch nicht gepasst.“ Ich hätte darüber lachen können, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. „Wieso hast du mir nichts gesagt, Jack“, fragte ich noch mal und meine Stimmte, hatte sich beruhigt, klang eher brüchig. Ich ließ mich auf seinen Stuhl nieder und ließ schwer seufzend meinen Kopf auf die Hände fallen. Ich hatte das Gefühl langsam aber sicher zu ertrinken. Ich hörte Jack ebenfalls schwer seufzten, als er zu mir trat. „Es ist nicht meine Angelegenheit Familien zu zerstören“, sagte er bedächtig, doch ehrlich waren seine Worte. Verzweifelt nickte ich, doch musste ich einfach weiter fragen: „Aber warum nicht dann, als wir uns immer besser verstanden haben?“ Jack betrachtete mein Gesicht eingehend. Ein leichter, fast schon entschuldigender Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Eben weil wir uns so gut verstehen. Ich will nicht die Schuld daran haben, dass deine Familie auseinander bricht. Noch will ich die Schuld tragen, dass du und deine Eltern euch nicht mehr versteht. Jazz, ich bin nicht Teil eures Lebens. Ich bin nur ein stiller Beobachter von außen. Ich behalte mir diese Information nur zur ‚Selbstverteidigung‘, sollte wer auf die Idee kommen, mich zu bedrohen.“ Ich nickte leicht, verstand es, doch fiel es mir so schwer es zu akzeptieren. Meine Hand legte sich auf die schmerzvolle Stelle auf meinen Magen. Meine Knie schmerzten und meine Wange brannte! Ich kauerte mich etwas auf den Stuhl zusammen und konnte nicht verhindern, dass Tränen meine Wange benetzten. Ich bemerkte, wie Jack ansetzte auf mich zuzugehen. Auch, dass seine Arme gezuckt hatten, doch er blieb da wo er war. Rührte sich nicht. Er war zu unsicher ob ich seine Nähe gerade wollte, dass wusste ich. Ich blickte zu ihm auf und streckte ihm meine Hand entgegen. So sauer ich auch auf ihn war, war er mir doch auch eine Stützte, welche ich nicht missen wollte. Jack betrachtete meine Hand und kam mit großen Schritten auf mich zu. Wortlos drückte er mich und wuschelte mir durch die Haare. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust und er strich mir sanft, fast liebevoll durch die Haare. „Ich wollte nicht derjenige sein, der dir weh tut“, vernahm ich Jacks leise, rauchige Stimme über mir. Ich nickte und dennoch flossen einige Tränen. „Hat mein Vater noch mehr Geheimnisse, von denen ich nichts weiß“, fragte ich mit kratziger Stimme. Jack seufzte schwer, ließ mich langsam los und betrachtete mein Gesicht. Er rang mit sich, doch als sich unsere Blicke trafen fing er an zu sprechen: „Ja, hat er.“ Er nuschelte wieder vor sich hin, doch man verstand ihn noch: „Er hat einige Disziplinarverfahren gehabt. Meistens wegen Beleidigung oder unangemessenem Verhalten im Dienst. Und einmal hat er auf einen flüchtenden Schwarzen geschossen, der unbewaffnet war… Er wird von den meisten seiner Kollegen nicht gerne gesehen, darum ist er meistens alleine unterwegs. Aber du weiß am besten wie sich dein Vater so verhält.“ Ich starrte ihn mit großen Augen an. Konnte nicht wirklich glauben, was ich da hörte. Ich traute meinem Vater in diesem Moment einfach alles zu. Mein Vater war für mich immer eine Person, zu der man aufblicken konnte, bis vor einigen Wochen. Doch nun verstand ich ihn immer weniger. Ich wollte nicht mehr nachdenken. Ich wollte vergessen, meine Welt hinter mich lassen. Ich wollte nur noch in seine Welt abtauchen, in Jacks Welt, um meine zu vergessen. Fast schon Hilfe suchend blickte ich ihn an und bettelte: „Bitte Jack, nimm mich mit nach Arlington! Ich will einfach mal vergessen… Ich halte es wirklich Zuhause nicht mehr aus!“ Mir war es egal, dass ich die Schule schwänzte, auch, dass ich das Baseballtraining verpassen würde. Ich dachte nur daran, dass ich es nicht schaffen werde Zuhause weiterhin normal zu leben. Ich konnte nicht so tun als wüsste ich nicht, wo Vater seine Überstunden verbrachte. Ich wollte seine wütenden oder vielleicht auch hasserfüllten Blicke nicht auf mir spüren, ebenso wenig die ängstlichen von meiner Mutter, die sich von mir abwandten. Ich würde wahnsinnig werden. Jacks Auge flackerte zu seinem Schreibtisch, auf denen wohl einige wichtige Dokumente lagen, zu der Akte meiner Familie und blieb an meinen Augen hängen. Wie viel er in meinem Gesicht erkennen konnte, wusste ich nicht, doch kannte ich seine Empathie. Schwer seufzend nickte er schließlich. Ich wusste, ich hatte gewonnen. Doch wieder fühlte sich der Sieg nicht nach einem Sieg an. „Dann muss du mir aber eins versprechen Jazz“, mahnte er mich ernst, „Wenn wir mit anderen unterwegs sind, nennst du mich Snake… Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass Anonymität meine Lebensversicherung ist.“ Ich nickte und blickte in sein ernst schauendes Gesicht. Diese Voraussetzung für mein Mitkommen, war absolut. „Okay“, hauchte ich fast schon monoton. „Alles, was du hören wirst ist und bleibt geheim! Solltest du darüber ein Wort verlieren, wird ein Erschießungskommando, dass netteste sein, was man mir entgegen schicken würde.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hier müsste ich mich eigentlich mal wieder bei meiner Beta-Leserin bedanken^^ Wirklich vielen lieben Dank für die Zeit die du dir nimmst. Sowie bei über deren Komentaren ich mich immer wieder nur freuen kann :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)