Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 21: Der Fremde im Haus ------------------------------ Ich starrte den Fremden nur an. Konnte ihm nicht die Hand reichen. Meine verwirrten Augen glitten zu Jack, der langsam zu uns hinüber kam. Dann sah ich zu dem Fremden, der irgendwas sagte, was ich nicht verstand. Adam schaute mich an und lachte auf. Er ließ die Hand sinken. Fast schon verlegen lächelnd blickte er mich an und kratzte sich am Hinterkopf. Er drehte den Kopf zu Jack und wieder sprachen sie in dieser fremden Sprache. Ich versuchte zu erraten was es war, doch ich kannte sie nicht. Irgendwie machte es mich wütend, sie redeten über mich. Direkt vor mir! Während ich nicht darauf eingehen konnte! Doch schnell sollte ich aufgeklärt werden. Jack trat neben mich und klopfte mir auf die Schulter. Lachend übersetzte er mir die Worte des Fremden. „Er fragte, ob er dir zu große Angst gemacht hat. Ich soll dir sagen, dass er dich nicht erschossen hätte.“ Entsetzt sah ich zu Jack und fragte: „Aber dich oder wie?“ Beruhigend war es nicht wirklich und ich verstand nicht, wieso Jack damit so locker umging, wenn er bei anderen Angelegenheiten so ernst war. Noch vor wenigen Augenblicken habe ich gesehen, wie er als Soldat ist und nun, nahm er es fast als selbstverständlich hin, dass der Mann in das Haus eingebrochen war um uns zu bedrohen. Jack schien sich über meine Reaktion sichtlich zu amüsieren und ich sah mich fast schon erzürnt in der Wohnstube um. „Wo ist eigentlich der Hund“, fragte ich ihn forsch und sah fast schon beleidigt aus. Jack schmunzelte immer noch und meinte: „Oh ja, stimmt.“ Und er fragte Adam vermutlich, wo sich Didi befand, jedoch verstand ich erneut kein Wort. Er nickte zur Gartentür und redete schnell in der anderen Sprache auf ihn ein. Jack schien alles zu verstehen und entsetzt fragte ich ihn: „Was sprecht ihr da?“ Jack sah zu mir und erklärte: „Russisch. Ozelot ist Russe.“ Ich blickte ihn verwirrt an und fragte: „Also warte. Du sprichst Russisch? Hast einen Russen als Freund und…Ozelot?“ Doch bevor Jack antworten konnte kam der Blonde mit lockeren Schritten auf uns zu und meinte: „Ich Ozelot. Ich ähm… Codename. Nicht sprechen gut Englisch. Ich lernen!“ Freundlich lächelte er mich an, es wirkte fast schon brüderlich. Ich nickte ihm leicht zu und war ziemlich verwirrt. Diese ganzen Neuigkeiten überforderten mich. Wie konnte Jack sich als Amerikaner mit einem Russen anfreunden? Sind das nicht Feinde Amerikas? Könnte das auch ein Grund sein, warum er aus der Army austreten will, oder vielleicht auch muss? „Wieso kannst du eigentlich Russisch“, fragte ich ihn und klang schon fast entsetzt dabei, was konnte dieser Mann eigentlich nicht? „Weil ich es gelernt habe“, war sein simpler Kommentar, der mich leider nicht wirklich weiter brachte. Ob er noch andere Sprachen kann? „Ja, aber wieso“, genervt seufzte ich auf und sah ihn auffordernd ins Gesicht. Jack quittierte meine Mimik, in dem sich seine Augenbraue nach oben zog. Er ließ einige Sekunden verstreichen, eher er beschloss, darauf zu antworten. „Es gibt ca. 140 Millionen Russen. Und die Bösen im Film sind auch immer Russen. Ist doch ganz gut, wenn man weiß, was die mit einem vorhaben, oder?“ DAS war seine Antwort? Das war mit Abstand die dämlichste Antwort, die er hätte geben können. Und schon wieder hat er meine Frage eigentlich nicht beantwortet. „Wie habt ihr euch kennengelernt“, wollte ich von Jack wissen. Vielleicht erschloss sich mir dann die Frage, weswegen sie befreundet sind. Adam hatte sich bereits wieder zur Gartentür bewegt und sah hinaus zu Didi, welcher durch den Garten hetzte. Jack lachte amüsiert auf und sah von mir zu seinem Freund. „Bei einem Einsatz vor einiger Zeit. Ich dachte, er wollte mich umbringen. Stellte sich dann aber heraus, dass er eigentlich mein Undercover Kontaktmann war“, erklärte Jack gut gelaunt, als sei dies das normalste der Welt. Ich öffnete den Mund um irgendwas zu sagen, schloss ihn jedoch schnell wieder. Kopfschüttelnd sah ich zu den Männern. An solche komischen Dinge gewöhnt man sich in Jacks Umgebung. Ein russischer Soldat, der sich mit einem amerikanischen Soldaten anfreundet ist, bei dem angespannten Verhältnis zwischen beiden Ländern, fast unvorstellbar. „Wie kann man sich denn so anfreunden“, fragte ich entsetzt. Unverständnis war kaum noch das richtige Wort für diese Absurdität, die man mir gerade versuchte zu erklären. „Ach ja, da waren noch andere Sachen, aber die sind nicht so wichtig“, winkte er schnell ab und redete kurz auf Russisch mit Adam. Doch, genau diese Dinge waren wichtig! Adam schien unser Gespräch nur wenig zu interessieren. Er blickte hinaus zu Didi. Sie redeten etwas und auf einmal präsentierte Adam einen Dietrich. Aus dem Schauspiel vor mir ergab sich daraufhin auch der Gesprächsverlauf der Beiden. Sie schienen darüber zu diskutieren und ich fragte mich, was die Beiden für eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Bei dieser Sprache war ich nicht mal sicher, ob sie grade stritten oder einfach nur redeten. Ich betrachtete den Russen. Er wirkte überhaupt nicht gefährlich. Er war nicht viel breiter wie ich. Hatte ein fröhliches Lachen auf den Lippen, was fast schon frech wirkte. Seine Augen hatten ein ziemliches hellblau. Seine kurzen Haare waren so hell, sie wirkten fast schon weiß. Auch seine Augenbrauen waren recht hell. Er hatte eine entspannte Körperhaltung. Außerdem trug er eine schmal geschnittene dunkle Hose und ein dunkles Oberteil. Er wirkte gerade mal, als sei er neunzehn oder zwanzig. Er trug einen Pistolenhalfter um die Hüfte, in dem zwei Revolver steckten. Vermutlich waren sie auch geladen. Das ausfälligste waren die ledernen roten Handschuhe. Seine Augen sondierten ziemlich wachsam den Raum. Er schien sich zu bewegen wie eine Raubkatze, geschmeidig und grazil. Vermutlich rührte daher auch der Codename Ozelot. Seine Waffen waren das einzige an dem Mann, was irgendwie darauf schließen könnte, dass eine Gefahr von ihm ausging. Noch einmal sah ich zu den Waffen, es waren wirklich keine Pistolen, sondern Revolver. „Wieso hat Didi nicht angeschlagen“, fragte ich nach einem Moment, in dem ich die Beiden beobachtete hatte. Jack freute sich sichtlich seinen Freund zu sehen, seine Augen strahlten förmlich. Er drehte sich zu mir und erklärte: „Er hatte Futter dabei. Didi war zu abgelenkt. Das muss ich ihm schleunigst abtrainieren. Er möchte dabei helfen.“ Ich sah zu Adam, der sich ebenfalls zu mir gedrehte hatte und mich nun eingehend musterte, so wie ich ihn vorhin. Ich bemerkte, dass ich immer noch Jacks Pistole in der Hand hatte und legte sie schnell auf die Kommode, welche wir einst zusammen aufgebaut hatten. „Kann er denn Tiere trainieren“, fragte ich abschweifend und blickte Adam in die blauen Augen, die mich immer noch neugierig betrachteten. „Werde ich sehen“, meinte Jack belustigt und ließ den kleinen Welpen wieder ins Haus. Als Didi hinein lief bemerkte ich, genau wie Jack, dass er mehre Blüten an der Schnauze hatte. Er sah den Hund fast schon böse an, etwas, was er vorher noch nicht getan hatte. Er packte ihn im Nacken und hielt ihn fest. Zog eine weiße Blüte von seinem Maul, hielt sie ihm vor die Nase und sagte streng: „Böser Hund!“ Didi blickte Jack fast schon erschrocken an und winselte leicht. Vermutlich wurde er selten so direkt von seinem Herrchen angemeckert. Ich erkannte, dass es die weißen Blumen waren, die Jack einst gepflanzt hatte. Jack ließ den Hund los, welcher gleich zu mir lief, doch bevor ich ihn beruhigen konnte, sagte Jack streng zu mir: „Nicht streicheln! Er muss lernen, dass er das nicht soll.“ Ich blickte hinab zu Didi, der mich traurig musterte. Der kleine Hund ließ traurig die Ohren hängen. Ich sah schnell weg von ihm, sonst hätte ich Jacks Aufforderung nicht nachkommen können. So fiel mein Blick auf Adam, der einen Stängel der weißen Blumen aufhob und ihn in der Hand drehte. Er blickte hinüber zu Jack und schien ihn kurz nachdenklich zu betrachten, eher anfing mit ihm auf Russisch zu sprechen. Ob er wusste, weswegen Jack die Blumen gepflanzt hatte, konnte ich nicht sagen. Ich war mir jedoch sicher, dass dieser Mann Jack besser kannte als ich. Etwas, was mir gar nicht passte, wenn ich ehrlich zu mir selbst war. Ich schellte mich selbst in Gedanken. Ich sollte mich freuen, dass er endlich Besuch bekam. Nicht mehr einsam war, doch irgendwie… war ich eifersüchtig. Doch hatte ich überhaupt einen Grund? Jacks Vergangenheit kannte ich nicht wirklich. Nur einzelne Teile, die sogar von ihm gekürzt waren. Vermutlich wusste Adam mehr, vielleicht war er auch bei einigen Sachen dabei gewesen, doch sicher war ich mir dessen nicht. Ich atmete durch und beschloss meine Gefühle erstmal zu verdrängen. Freundlich ging ich hinüber zu Adam und Jack. Didi schaute traurig zu uns rüber und ließ das Köpfchen hängen. Adam schien ein Freund zu sein, sonst hätte Jack ihn nicht so fröhlich begrüßt, als sie sich sahen. Ich wollte ein Teil seines Lebens werden, also wollte ich mich auch mit Jacks Freunden verstehen. Oder es jedenfalls versuchen. Als ich zu ihnen trat, hatte jeder der Beiden eine Blume in den Händen. Jack betrachtete die Blume in der Hand seines Freundes und erneut war ein distanzierter Ausdruck auf seinem Gesicht. Als ich zu den beiden Männern trat, blickte Adam freundlich zu mir und langsam und deutlich fragte ich ihn: „Bist du auch ein Soldat?“ Adam schien zu überlegen, schien sich meine Worte zu übersetzen. Zögerlich begann er zu sprechen: „Ja…sowas fast.“ Fragend blickte ich ihn an und sah zu Jack, der kurz auf die Blume geschielt hatte. Als sich unser Blicke trafen, ließ er die Blüte sachte, aber sehr bewusst fallen. Ich hatte den Eindruck, dass er sich kurz sammelte, eher er begann zu sprechen: „Ozelot war in einer Spezialeinheit, die mich finden sollte. Er gehörte zu einer russischen Einheit. Der hat mich Nerven gekostet sag ich dir…“ Verwirrt sah ich Jack an und fragte ihn direkt: „Wieso freundest du dich mit den Feinden Amerikas an, wenn du doch Soldat bist?“ Jack stutze über meine direkte Frage, soweit ich weiß war dass das erste Mal, dass er dies tat. „Nicht alle Russen sind die Feinde Amerikas“, begann er erstaunlich ruhig zu erklären, „Glaubst du auch, dass alle Deutschen Nazis sind?“ Ich sah ihm ins Gesicht und schüttelte leicht den Kopf. „Aber Russen…“, begann ich zögerlich, doch Jack unterbrach mich. „Was hat dir ein Russe denn schon getan?“ Ich blickte ihn verwirrt an und antwortete wahrheitsgemäß: „Nichts.“ Jack lächelte mich fast schon an, ehe er weiter sprach: „Siehst du. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Und die russische Regierung sind nicht alle Russen. Nicht alle Russen hassen Amerika und ihre Bevölkerung.“ Ich nickte und hatte erneut das Gefühl, dass ich nicht verstand, wie die Welt tickte. Vielleicht sollte ich beginnen die Meinungen, die man uns anerzog, zu hinterfragen. Stellten die Medien doch Russland immer als gefährliches Land dar, doch wahrlich, ich hatte nie selbst Erfahrungen mit Russen sammeln können. Doch Jack wertete meine Aussage nicht, machte sie nicht nieder. Er ließ sie mir, fragte einzig nach. Er wollte, dass ich selbst über meine Einstellung nachdachte und eventuell änderte. Wieder eine sehr angenehme Eigenschaft von ihm. Ich schaute zu Adam, der mich weiterhin eigentlich nur freundlich musterte. Dennoch musste ich noch Fragen: „Wieso hat er uns bedroht? War das wirklich nur ein Spaß? Das ist nämlich nicht lustig!“ Jack nickte und Adam schien diesen Satz verstanden zu haben. Er kam auf mich zu, sah mir ehrlich entschuldigend ins Gesicht und meinte: „Ich sorry. Ich nicht weiß das…du hier. Ich nichts hätten getan. Versprochen.“ Erneut hielt er mir die Hand hin und ich sah hinunter auf die roten ledernen Handschuhe, die er trug. Ich gab mir einen Ruck und schlug endlich ein. Adam lächelte mir zu und ich nickte leicht. „Der muss unbedingt Englisch lernen“, hörte ich Jack sagen, bevor er auf Russisch mit seinem Freund sprach. Vermutlich widerholte er den Satz. Denn Adam nickte und verdrehte fast schon genervt wirkend die Augen. Unschlüssig sah ich zu den Beiden und fragte: „Soll ich euch irgendwie…ich weiß auch nicht...alleine lassen?“ Jack zuckte mit den Schultern, blickte mich mit einem offenen und freundlichen Ausdruck an und meinte: „Mir egal. Ihr könnt euch auch etwas kennen lernen.“ Ich blickte Adam an, der zu überlegen schien, was Jack gesagt hatte. Ich runzelte die Stirn. Ich wollte Jack Zeit mit seinem Freund gönnen, doch da war der kleine eifersüchtige Teil in meinem Kopf, der sich weigerte. Hatte ich mir doch gerade erst eingestanden, dass ich mich verliebt hatte. Schwer atmend entschied ich mich die Beiden alleine zu lassen. Jack hatte es verdient sich mal mit einem Freund zusammen zu setzen, vielleicht über alte Zeiten zu plaudern. Ich wusste nicht, ob ich Adam mochte oder nicht. Unser Start war schlichtweg beschissen gewesen. Er war so verdammt freundlich und höflich, doch er kannte Jack so gut! Etwas, was ich auch so gerne wollte. Ich ging ins Schlafzimmer und zog mir schnell die restliche Kleidung an. Didi folgte mir, immer noch etwas leise jammernd, da ihn niemand beachtete. Ich bückte mich und streichelte den Welpen, welcher erstaunlich glücklich darüber wirkte. Jack kam zu mir ins Schlafzimmer und suchte selbst gerade seine Kleidung zusammen. Wir sahen einander kurz in die Augen und etwas schien ihn zu verwirren. „Ist alles okay, Kleiner“, fragte er und runzelte die Stirn. Wieso war dieser Mann so verdammt empathisch? Wieso konnte er mich lesen wie ein verdammtes offenes Buch? „Nein, ist alles klar“, log ich und setzte ein grinsen auf, wie ich es auch häufiger bei meinem Vater tat. Weiterhin blickte er mir ins Gesicht und ein entschuldigender Ausdruck trat auf sein Auge. Er ging zu mir, blieb vor mir stehen und zog mich tatsächlich zu sich heran. Etwas, womit ich gar nicht gerechnet hatte. „Das nächste Mal brechen wir nicht so plötzlich ab, versprochen.“ Ich legte ebenfalls meine Arme um ihn und das schlechte Gefühl, was sich in meiner Brust gestaut hatte, ließ langsam nach. Ehrlich lächelnd sah ich zu ihm und sprach: „Wirklich?“ Jack nickte nur und drückte mir kurz aber bestimmt seine Lippen auf meine. Mein Herz raste bei dieser kurzen Berührung. Er brauchte nichts mehr zu sagen und zufrieden ließen wir uns los. „Was hast du deinem Freund gesagt, wer ich bin“, fragte ich und entschloss mich sein Bett zu machen. Er beobachtete mich dabei und antwortete: „Das du der Nachbarsjunge bist.“ „Will er gar nicht wissen, warum ich bei dir geschlafen habe?“ „Nein, bis jetzt noch nicht“, meinte er und immer noch klang er äußerst zufrieden. Selten hatte ich ihn so locker und entspannt gesehen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm es nicht gönnte, dass sein Freund da war, doch ich schaffte es einfach nicht mich selbst zu belügen. „Haben Russen nicht was gegen Schwule? Ich meine…Vorurteile beruhen doch irgendwie auf Tatsachen…“, meinte ich leise, als befürchtete ich, Adam könne hineinkommen und uns sehen. Stirnrunzelnd sah Jack zu mir, ehe er meinte: „Ich habe ihn nie gefragt, dass kam nie zur Sprache… Über sowas spricht man eher selten auf Einsätzen.“ Erleichtert seufzte ich innerlich auf, hatte ich doch gedacht, dass Adam der Freund war, mit dem er öfter etwas hatte. „Was ist, wenn er was dagegen hat?“ Nachdenklich sah Jack mir ins Gesicht und nickte leicht. „Stimmt…. Das sollte ich ihn mal fragen…“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Mach das…aber erwähn mich nicht… Nachher.“ Doch Jack unterbrach mich: „Er kennt deinen Alten nicht. Aber keine Sorge, ich versuch es nicht zu sagen.“ Er hatte Recht, doch trotzdem war es mir unangenehm. Hier in seinem Haus war es leicht meine Homosexualität auszuleben, hier fühlte ich mich sicher. Doch außerhalb dieser vier Wände war ich dazu noch nicht bereit. „Keine Angst ihn als Freund zu verlieren“, fragte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich“, meinte er und schüttelte sein Kissen auf. Wir sahen einander noch kurz schweigend an. Ich hätte nicht gedacht, dass er so selbstsicher an die Sache herangeht. Ich hoffte, ich könne dies später auch. „Weißt du, ich komme einfach morgen wieder“, meinte ich leicht grinsend und Jack nickte zustimmend. „Danke für den unvergesslichen Tag gestern“, meinte ich zu ihm und die Ehrlichkeit schwang in meiner Stimmte mit. Jack schlug mir fröhlich auf die Schulter während wir das Schlafzimmer verließen und sagte: „Beim nächsten Mal dann Hubschrauber fliegen und Motorrad fahren.“ Ich konnte nicht anders als ihn glücklich anzustrahlen. Ich winkte Adam fröhlich zum Abschied und ging langsam rüber nach Hause. Ich schlief schlecht. Zu sehr war ich abgelenkt, dass bei Jack ein anderer Mann war. Ich wusste, es war nicht der Typ, mit dem er im Bett gelandet war. Doch ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie gut Jack lügen konnte. Vor der Schule traf ich Eric und Zoey, die auf mich zu warten schienen. Eric hatte sein Versprechen gehalten und niemanden berichtet, was ich ihm anvertraut hatte. Doch überrascht hatte es mich nicht wirklich. Auch Zoey, ein Mädchen mit ziemlich gelockten schwarzen Haaren, begrüßte mich und redete schnell auf mich ein: „Morgen Jasper, hast du schon davon gehört? Nein sicher nicht, deine Eltern sind ja auch nicht in der Elternpflegschaft, aber meine! Wir wollen dieses Jahr einen Frühsommerball veranstalten! Klasse oder? Wen willst du denn einladen?“ Fragte sie mich und schien die Ohren zu spitzen. Ich brauchte jedoch erstmal einige Augenblicke, um den Sinn hinter ihren Worten zu verstehen. Ein Frühsommerball? Was für eine dämliche Idee! Ich verdrehte schon fast genervt die Augen, als ich sarkastisch sagte: „Oh…toll…“ Zoey sah mich pikiert an und blickte zu Eric, der unbeeindruckt mit den Schultern zuckte. „Lass uns lieber rein“, meinte ich zu den Beiden. Zoey hing an Erics Arm und redete begeistert weiter, wie sie sich anziehen würde und noch vielen anderen Mädchenkram. Für mich nur weißes Rauschen. Ein Schulball, dass hatte mir noch gefehlt! Wen sollte ich denn dazu einladen? So schwer würde es sicher nicht sein, ein Mädchen hier zu finden. Die Frage war nur, wie würde ich sie dann wieder loswerden? Diese Schulbälle waren reinste Partnerbörsen und viele Gerüchte kochten nach so einer Veranstaltung hoch. Ich setzte mich in den Raum unseres Politiklehrers. Colin, der neben mir saß, verdrehte genervt die Augen. Wir grinsten einander an, war Politik doch ein recht eintöniges Fach. Unser Lehrer Mr. Green hatte im Vietnamkrieg gedient und war sehr stolz darauf, vermutlich hatte er nur die Hälfte von dem, was er erzählte, selbst gesehen. Als er hereinkam hatte er eine Kiste unter den Arm geklemmt und stellte sie vor sich hin. Begeistert über seine neue Idee, strahlte er uns an. „Ich möchte, dass ihr mehr über unsere Nation kennen lernt Leute, also haltet euch fest! Wir werden ein kleines Projekt machen. Das Thema...US-Army!“ Unbeeindruckt zog ich meine Brauen hinauf und nuschelte zu Colin: „Muss ich mich weiterhin festhalten?“ Colin schmunzelte belustigt und wir sahen weiter hinüber zu Mr. Green. Das Thema US-Army war in Politik bei Mr. Green so etwas, wie in Religion immer wieder über Sekten zu sprechen. Einfach nur nervig. Die Neuigkeit begeisterte nur die wenigsten. Aaron, ein etwas schmächtig wirkender Junge, schien sich zu freuen. Ich wusste, dass er später gerne einige Jahre dienen wollte. Dafür müsste er dann jedoch mehr trainieren. „Muss das wirklich sein, Mr. Green“, fragte Zack, unser Pitcher, genervt. Mr. Green strahlte ihn regelrecht an und nickte begeistert. Jeder sollte tatsächlich ein Thema alleine bearbeiten, was die ganze Angelegenheit nur noch langweiliger machte. Mr. Green fing an, die Themen auszuteilen und ich hoffte, ich würde ein interessantes bekommen. Neben den üblichen Themen Kriegsgründe für Afghanistan und dem Irak auszuarbeiten, gab es auch interessantere Themen. Eric durfte zum Beispiel das Thema Spezial und Sondereinheiten der Army bearbeiten. Eigentlich recht interessant. Ich hoffte, dass meins genauso spannend sein würde. Colin bekam das Thema Waffentechnologien. Als ich meinen Zettel bekam, blickte ich fast schon frustriert hinauf. Struktur und Aufbau der Army. Wie langweilig! Colin schielte auf meine Überschrift und lachte etwas hämisch auf. Ich sah ihn genervt an und grinste ironisch. Aufregen wäre eh Sinn frei. Ich wollte mir nicht den ganzen langweiligen Kram durchlesen. Ich hatte besseres zu tun. Plötzlich kam mir Jack in den Sinn. Wenn jemand von so etwas Ahnung hatte, dann er. Nach der Schule saß ich genervt an meinem Schreibtisch. Ich hatte weder die Lust auf dieses Projekt, noch die Muße irgendetwas dafür zu tun. Ich wollte es mir nicht durchlesen und so beschloss ich einfach, das zu machen, was ich mir schon in der Schule gedacht hatte. Ich werde Jack fragen, auch wenn er Besuch hatte. Ich schnappte mir meine Schulsachen und ging hinunter. Mutter wischte gerade die Küche und ich rief ihr zu: „Mum, ich bin drüben bei Jack. Der muss mir mal für die Schule helfen.“ Fast schon erschrocken sah mich meine Mutter an, eher sie nach dem Warum fragte. „In der Schule war Mr. Green mal wieder auf einem komischen Trip. Wir machen jetzt ein Projekt über den Krieg in Afghanistan. Mein Thema ist dabei der Aufbau und die Strukturen in der Army. Total langweilig. Vielleicht kann Jack es mir einfach erklären.“ Nachdenklich nickte meine Mutter und ermahnte mich: „Pass nur auf, dass du da keine Wunden aufreißt. Wer weiß, was er schon alles erlebt hat.“ Die Aussage meiner Mutter überraschte mich doch ziemlich und ich fragte sie zögerlich: „Ich dachte du hast Angst vor Jack.“ Ehrlich antwortete mir meine Mutter darauf: „Hab ich auch ein wenig. Ich kann diesen Mann so schlecht einschätzen… Das macht mir einfach ein wenig Sorge. Es gibt ja so viele, die wirklich nicht mit dem zurechtkommen, was sie gesehen haben. Nachher ist das bei ihm auch so…“ Freundlich lächelte ich meine Mutter an. „Ach Mum, keine Sorge. Jack ist wirklich okay. Glaub mir einfach mal.“ Tatsächlich nickte sie und lächelte besänftigend. „Wir hatten uns schon im Gemeindezentrum über den jungen Mann unterhalten. Vielleicht sollten wir ihn einfach mal in die Kirche einladen aber besser zum Kirchcafé. Da gibt es immer leckeren Kuchen“, erklärte meine Mutter. Augenaufreißend sah ich sie an. Auf die Lippen beißend, um nicht zu lachen, hielt ich mir alle meine Kommentare zurück und meinte nur: „Wenn du meinst, versuch es…“ Mutter lächelte mich fröhlich an. Mich freute es sie so zu sehen. Früher war sie nicht so gläubig und aktiv in der Kirche gewesen. An Gott glaubte sie schon immer. Das gehörte für den guten Amerikaner fast schon zum guten Ton. Erst vor etwa vier Jahren begann sie immer aktiver in der Kirche zu werden. Mich konnte sie damit nur wenig begeistern. Sie hat nie von einem ihrer Kinder verlangt, an Gott zu glauben. Auch an Bibelkreisen oder dergleichen mussten wir nicht teilnehmen. Im Nachhinein fragte ich mich, ob sie wegen dem Verhalten meines Vaters so gläubig geworden war. Doch ich wollte mir nicht vorstellen, dass er schon seit so langer Zeit anders war. „Wenn du willst, dann komm doch später rüber und hol mich ab. Dann kannst du mal mit Jack richtig reden… Dann siehst du auch, dass er nicht nur schlimm ist.“ Zögerlich nickte meine Mutter und ich ging hinüber. Ich freute mich, dass sie Jack versuchte kennen zu lernen. Nicht, dass ich ihr das mit uns sagen wollte, aber so bräuchte ich vielleicht nicht immer eine Ausrede. Jacks Wagen stand in der offenen Garage und ich klopfte an die Tür. Adam öffnete die Tür und blickte mich freundlich an. Er begrüßte mich auf Russisch und ließ mich eintreten. Ich hörte seltsame Geräusche und stellte fest, dass dieser Mann Sporen an den Schuhen trug. Er war wirklich seltsam. Erneut wirkte er sehr gut gelaunt, fröhlich und ziemlich freundlich in seinem Auftreten. „Wo ist Jack“, fragte ich ihn und musste unweigerlich grinsen. „Schlafzimmer“, sagte er mit einem starken Akzent und deutete auf den Raum. Ich nickte, wollte mich gerade dorthin bewegen, als Jack aus der Tür kam. „Hey Jazz, was gibt es“, fragte Jack mich und trank aus einer großen Wasserflasche mehrere Schlucke. „Ich brauch deine Hilfe für die Schule. Wir müssen so ein langweiliges Projekt machen. Ich habe das Thema Aufbau und Strukturen der US-Army bekommen.“ Jack grinste mich schräg an. „Die Regierung setzt echt alles daran, euch in die Army zu kriegen. Es ist nicht immer gut so patriotisch zu sein.“ Ich nickte schnell und fragte fast schon genervt: „Noch mehr schlaue Sprüche oder hilfst du mir jetzt? Ich hab auf den Scheiß auch keinen Bock.“ Eine Augenbraue hochziehend blickte Jack mich an und erst nach einigen Augenblicken nickte er. „Na gut. Kann ja nicht so lange dauern…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)