Zum Inhalt der Seite

Verborgen in Stille

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Von Zigarren, Schrott und Medaillen

Ich stöhnte zufrieden auf als ich in die Pizza biss und gierig aß. Das ich nur eine halbe Schüssel Cornflakes zum Frühstück hatte, zollte nach dem Umzug ihren Tribut. Wie konnte eine Pizza nur so verdammt geil sein?

Ich saß im Schneidersitz auf der Couch während ich aß. Jack hatte netterweise bezahlt. „Danke für das Essen“, meinte ich nachdem mein größter Hunger gestillt war, im Gegensatz zu Jacks Pizza war meine riesig.

„Passt schon“, grummelte er während er aß, wenn auch weniger gierig wie ich die Meine. Ich beobachtete ihn und mir viel erneut auf, dass er mir sehr gut gefiel. Trotz diesem speziellen Aussehen. Ein Soldat… was er wohl alles schon gesehen hat? Sicher ziemlich viel Scheiß. Sein Gesicht sprach schließlich für sich. Und auch was hinter der aufgesetzten Maske war, die er zur Schau trug, weckte mein Interesse.

Als Jack fertig war, kramte er in einer der Kisten. Als er sich aufrichtete, hatte er eine große dunkle Zigarre in der Hand. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinem strengen Mund. Ich habe noch nie jemanden so etwas rauchen sehen. Als er sich setzte bemerkte er meinen Blick. „Schon mal versucht?“ Er zündete sich die Zigarre an.

„Nein, hab noch nie geraucht“, antwortete ich und roch das Aroma, welches von der Zigarre ausging, „ich weiß nur, dass einige echt teuer sein sollen.“

„Ja Kubanische können zum Beispiel recht teuer werden. Willst du mal versuchen“, fragte Jack mich. Er reichte sie mir nachdem er selbst einige Male genüsslich an ihr gezogen hatte, „darfst du nur nicht auf Lunge rauchen.“

„Ich weiß“, sagte ich grinsend und nahm sie entgegen. Neugierig war ich schon und wieso nicht? So nahm ich die Zigarre und atmete erstmal ein wenig von ihrem Duft ein. Einige meiner Klassenkameraden rauchten heimlich Zigaretten, daher war mir das Aroma in meiner Nase nicht ganz unbekannt. Jedoch unterschied sich der Geruch der Zigarre von Zigaretten. Das Aroma war stärker, intensiver und trotzdem nicht so kratzig im Hals. Es war ein Hauch von Vanille darin auszumachen. Ich zog vorsichtig an der Zigarre und achtete penibel darauf nicht zu tief einzuatmen. Ich spürte, wie sich der dichte Rauch in meinem Mund ausbreitete. Es schmeckte bitter auf der Zunge, jedoch nicht so kratzig wie angenommen. Einem Moment lang hielt ich den Rauch inne, bevor ich den Mund öffnete um ihn hinauszulassen. Also ich den Rauch langsam auspustete legte sich der Hauch von Vanille erneut auf meine Geschmacksknospen und ließ den anfänglich bitteren Geschmack fast schon süß werden. Durch die Nase atmete ich jedoch Rauchschwaden ein, die von der glühenden Zigarre in meiner Hand kamen. Beim tiefen Einatmen durch die Nase wurde dieser Rauch äußert bissig und ich hustete, was Jack zum Lachen brachte.

Ich reichte sie ihm wieder. Er steckte sie sich in den Mund während er sich auf dem Sofa zurücklehnte. Er schien mich zu betrachteten. Was er wohl dachte, schoss es mir durch den Kopf. Ich schaute ihm ins Gesicht und wich seinem Blick nicht aus.

„Scheinst eher ein süßer Typ zu sein“, meinte er nach einem kurzen Moment. Nachdem er noch einmal genussvoll an der Zigarre gezogen hatte. Ich blickte ihn skeptisch ins Gesicht, war das ein Scherz von ihm?

„Na ja“, erklärte er und zog erneut an der Zigarre, „Cola mit Bier ist verdammt süß und noch nie geraucht… Magst du wenigstens Kaffee? Oder nur mit Milch und Zucker?“

Ich grinste, lachte leise und schüttelte den Kopf: „Nein…Ich unterstütze deine These…Ich trinke wenn eigentlich nur Kakao oder halt ab und zu Karamellcappuccino. Kaffee so ist mir zu bitter.“ Jack schüttelte nur verständnislos den Kopf über meine Aussage. Er schien sich darüber zu amüsieren.

„Du hast ganz schön Hunger, oder? So wie du die Pizza verschlingst“, meinte er zu mir und ich schaute hinunter auf meine XL Pizza von der nur noch ein Viertel übrig war. „Ich hatte auch nur eine Schüssel Cornflakes zum Frühstück und du hattest nur ´ne Kleine, die ist schneller weg“, verteidigte ich mich und biss einfach in die nächste Ecke des Pizzastückes.

„Und was machst du so“, fragte Jack nach einem kurzen Moment der Stille und betrachtete mich erneut eingehend. „Hm…ich mache viel Sport. Vor allem Baseball, aber auch ab und an noch Karate. Aber mehr Baseball eigentlich“, erklärte ich und leckte mir kurz über die leicht fettigen Finger.

„Welchen Gürtel hast du“, fragte Jack und blickte mich interessiert an.

„Den grünen“, erklärte ich, „Aber zurzeit habe ich kaum noch Zeit zum Trainieren. Bin viel auf dem Baseballplatz…“

„Oh dann solltest du also ein wenig was draufhaben, bei beidem“, stellte Jack grinsend mit seiner tiefen rauchigen Stimme fest und ich grinste leicht zurück.

„Ich würde sagen ja, aber du siehst aus, als ob du mich angespitzt in den Boden rammen könntest“, grinste ich ihm zu und schaute auf seine breiten Oberarme, doch er winkte ab.

„Bestimmt. Aber hab ja keinen Grund dazu. Also, Jazz…Baseball? Welche Mannschaft?“ Ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich begann sofort von den Texas Rangers zu schwärmen. „Die hatten nur Glück bei der Auslosung ihrer Gegner“, meinte Jack nach einem Moment. Ich prustete genervt aus und meinte: „Vielleicht in der Vorrunde, aber danach war es reines Können. Für welche Mannschaft bist du denn gut?“

„Ich mag die Cleaveland Indians. Finde ich besser, spielen besser zusammen. Haben gute Runs und wissen wie man eine Base klaut“, kommentierte Jack und wir fingen an über die letzte Saison zu reden. Lange redeten wir nicht über Baseball, denn irgendwie schweifte das Gespräch ab. Wir redeten über Fernsehshows, dumme Menschen im Fernseher, Autos, die wir gerne haben wollten. In diesem Zusammenhang stellte sich heraus, dass Jack und ich beide auf Geländewagen standen, dass Jack ein Motorrad besaß, auf welches ich ziemlich neidisch war.

Als wir unser Gespräch beendeten dämmerte es bereits draußen. Ich schaute hinaus. Didi hatte sich neben dem Sofa eingerollt und schlief.

Mein Blick viel auf das flauschige Tierchen. Ich fragte ihn: „Wieso hat der eigentlich ein Auge verloren?“

Auch Jack blickte hinunter zu seinem kleinen Gefährten, während er antwortete: „Hatte er schon als ich ihn gefunden habe. War in einer Wüste. Vielleicht war es ein anderes Tier… Ich weiß es nicht. Als ich ihn so fand konnte ich ihn nicht da lassen. Jetzt habe ich was nerviges an mir hängen was die ganze Zeit Aufmerksamkeit will…“, doch hörte ich an seiner Stimmte, dass er es überhaupt nicht nervig fand. „Außerdem“, fuhr er fort, „kann der sich vielleicht mal als nützlich erweisen.“

„Das versteh ich nicht, was soll der denn alles können“, fragte ich und schaute zu dem kleinen Tierchen runter, welches unschuldig und lieb eingerollt da lag und dessen kleine Brust sich schnell hob und senkte.

„Sitz, Platz, Aus, Fass, bring die Zeitung, verjag den Briefträger, tippe die Lottozahlen. Sowas halt“, erklärte er mir, ohne die Miene zu verziehen und nahm die Zigarre wieder in den Mund, aber ich konnte sehen, dass sich seine Mundwinkel leicht gehoben hatten, während er all diese Sachen aufzählte. Ich lachte und meinte: „Wenn du letzteres geschafft hast und er erfolgreich ist bring ihn bitte rüber.“

„Geht klar“, und er hielt mir erneut die Zigarre hin, die ich freundlich ablehnte.

Ich sah auf mein Handy und stellte fest, dass es später war als ich angenommen hatte. So fragte ich ihn: „Wann soll ich morgen eigentlich kommen zum Helfen?“

„Ich bin früh wach“, erklärte mir Jack und ich fragte mich, was bei einem Soldaten früh hieß.

„Ich steh vor neun halb zehn nicht auf“, sagte ich grinsend.

„Echt so lange, dann komm einfach nach dem Frühstück oder so“, sagte Jack und stand auf, woraufhin Didi gleich sein Köpfchen hob und ihn müde gähnend betrachtete.

„Kannst du mir heute noch mit dem Bett helfen, allein krieg ich das zwar auch irgendwie hin, aber so geht es schneller“, fragte Jack mich und ich nickte. Er führte mich Richtung Schafzimmer, in dem die Matratzen an der Wand lehnten und die Bretter des Bettes auf dem Boden lagen. Auch einige Kartons hatten den Weg ins Schlafzimmer gefunden.

„Schau mal in den Kisten dahinten, da muss irgendwo ein Akkuschrauber drinnen sein“, meinte Jack und öffnete selbst eine Kiste.

Ich zog das Klebeband ab und öffnete sie und fand nur Kleidungsstücke alle meistens in grün, braun und beige gehalten. Auch im zweiten Karton fand ich nicht das gesuchte. Mein Blick wurde jedoch von einer großen Holzschatulle angezogen. So etwas Ähnliches besaß meine Mutter auch und ein Grinsen schlich sich auf meine Züge. Ich wurde neugierig, was für Schmuck könnte ein Mann wie Jack besitzen. Er schien weniger der Typ zu sein, der Uhren oder Manschettenknöpfe sammelte. Vielleicht ja auch Familienerbstücke. Ich blickte zu Jack und sah das er über einen anderen Karton hing und herumkramte. Mein Blick richtete sich wieder auf das Kästchen vor mir und neugierig öffnete ich es vorsichtig. Er brauchte ja nicht wissen, dass ich reingeschaut hatte.

Doch was ich sah ließ mich stutzten. Statt Uhren oder Ketten waren in dem Kästchen achtlos Orden reingeschmissen worden- Viele Orden. Doch nur einer schoss mir sofort in die Augen. An einem hellblauen dickeren Band befand sich ein goldenes Abzeichen. Das Band schimmerte leicht im Licht und als ich es anfasste fühlte es sich seidig an. Oben prangte ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Unter dem Adler war ein Balken angebracht auf dem das Wort „Valor“, Heldenmut draufgeprägt war. Ein großer goldener Stern, der von einem Kranz umgeben ist bildete das Zentrum der Medaille. Oberhalb der Medaille waren auf dem blauen Band mehrere Sterne rauf gestickt. Ich kannte diese Medaille. Ich hatte sie nie real gesehen, Geschweige denn in der Hand gehalten. Ehrfürchtig strich ich über den goldenen Stern. Einzig in unserem Unterricht für Sozialkunde hatte ich Bilder von ihr gesehen. Es war die Medal of Honor, die Ehrenmedaille. Sie ist die höchste militärische Auszeichnung der Vereinigten Staaten und einzig der Präsident überreicht sie. Wie um alles in der Welt hatte Jack diese Medaille verdient? Oder war Sie ein Erbstück? Wie hieß es noch mal im Unterricht, dachte ich nach. Sie wurde nur verliehen wenn, auffallende Tapferkeit und Furchtlosigkeit bei Lebensgefahr weit über die Pflichterfüllung hinaus im Gefecht gegen einen Feind der Vereinigten Staaten, bestand.

Ich sah Jacks Rücken und ich sah ihn in einem anderen Licht. Aus dem einfachen Soldaten von dem ich annahm, dass er im Irak oder Afghanistan schwer verwundet wurde, wurde etwas Anderes. Ich konnte nicht Held sagen, denn ich wusste nicht was er getan hatte. Vielleicht stand vor mir ein Elitesoldat, vielleicht ein Navy-Seal oder vielleicht auch ein hochrangiger Offizier? Schnell schloss ich das Kästchen wieder ohne auf die anderen Medaillen zu schauen. Sollte ich ihn darauf ansprechen?

Unsicher wog ich das Kästchen in den Händen, schluckte meine Überraschung herunter und fragte: „Hey Jack, was soll denn hier drinnen sein? Hast du irgendwelche Kettchen oder was?“ Ich hatte meine Stimme im Griff und setzte ein Grinsen auf und präsentierte die Holzschachtel.

Er wandte sich zu mir und schaute von der Kiste zu mir herüber.

Jack winkte ab und erklärte: „Ach da ist nur Schrott drinnen. Bin noch nicht dazu gekommen das weg zu tun.“

„Schrott?“

„Ja“, meinte er. Jack kam mit lockeren Schritten auf mich zu und nahm mir die Schachtel freundlich aus der Hand. Er fixierte mich eingehend, fast prüfend, taxierend.

Auf seiner Stirn bildeten sich Falten und er fragte: „Hast du…den Akkuschrauber gefunden?“

Wieso kam er jetzt auf das Dingen, dachte ich, doch dann klickte es. Er wollte vermutlich fragen ob ich hineingeschaut habe. Ich schüttelte den Kopf. „Ne, dann hätte ich schon geschrien“, sagte ich frech zu ihm und zwinkerte ihm zu.

„Einfach sagen du hast ihn reicht. Der Hund pennt noch“, sprach er und machte die nächste Kiste auf und fand nach kurzem kramen endlich den Bohrer. Das Kästchen stellte er auf die Fensterbank, weg von mir, ob bewusst oder unbewusst konnte ich nicht sagen.
 

Wir begannen das Bett aufzubauen und immer noch schwirrte mir im Kopf die Frage, wieso hatte er diese Medaille bekommen und wieso war sie und die anderen Medaillen für ihn nur „Schrott“? Das Bett war schnell zusammengebaut und gemeinsam legten wir die Lattenroste und Matratzen hinauf. Didi kam ab und zu herüber gelaufen, weil der Lärm ihn geweckt hatte. Als keiner ihm Beachtung schenkte, legte er sich in eine Ecke des Raumes und verfolgte alles wachsam.

„Wenigstens muss ich heut nicht auf der Couch pennen“, meinte Jack und schob das Bett an die richtige Stelle. Er schaute in die offenen Kisten, in der sich saubere Kleidung befand. Sein T-Shirt war immer noch etwas durchgeschwitzt.

Ohne etwas zu sagen, zog er sich sein Shirt aus. Seine Bauchmuskeln bildeten ein deutlich antrainiertes Sixpack Und mir gefiel mir was ich sah. Ich schaute dem Spiel der Muskeln zu, wie sie sich bewegten. Ich leckte mir leicht über die Lippen, die trocken geworden waren. Ja, so etwas gefiel mir wirklich. Fast wollte ich protestieren als er sich ein T-Shirt aus dem Karton fischte und es sich überzog. Ich bemerkte gar nicht wie Jack sich umdrehte und mich betrachtete. Zu spät um es nicht zu merken hob ich meinen Blick. Als meine braunen Augen auf sein blaues traf, schaute er leicht grinsend an sich herunter: „Gefalle ich dir so sehr, dass du die Augen nicht mehr von mir abwenden kannst?“

Klar gefiel es mir, doch ich versuchte abzulenken. Grade im Moment und nachdem was ich über ihn herausgefunden hatte wollte ich nicht zu weit gehen: „Ach quatsch…“

Jack musterte mich noch mal zuckte dann jedoch mit den Schultern: „Sah aus, als ob du wolltest, dass ich mich wieder ausziehe.“

Ich lachte auf und strich mir durch die braunen Haare eher ich ihn frech grinsend fragte: „Sehe ich irgendwie schwul aus?“

„Sieht man es denn allen an“, war Jacks trockene Gegenfrage zu meiner. Er zog ein letztes mal an seiner Zigarre ehe er sie im Aschenbecher ausdrückte.

„…Sicher nicht allen“, meinte ich kleinlauter und kratze mich am Hinterkopf.

„Siehst du. Ist doch nicht schlimm. Gibt schlimmeres, glaub mir“, sagte er ruhig und überraschte mich mit dieser Aussage. Ich sah ihm in das Auge und entdeckte Neugierde in seinem Blick während er mich betrachtete.

„Heißt es nicht, dass alle Soldaten…Na ja was dagegen haben“, fragte ich unsicher. Ich wusste, dass es Vorurteile waren, aber auch in denen steckte ein Fünkchen Wahrheit.

Jack schnaubte und winkte ab: „Wenn es drauf ankommt, ist es dir scheiß egal wer dir den Arsch rettet. Da spielt sowas keine Rolle mehr. Aber es gibt überall Idioten, dass stimmt.“

Ich schaute ihn skeptisch fragend an: „Heißt das du bist…irgendwie schwul?“ Schlussfolgerte ich und mein Puls beschleunigte sich. Denn ich wollte, dass er ja sagt.

„Nein, ich bin Bi. Ich steh auf beides. Und du? Bist du schwul“, fragte er und überraschte mich mit seiner ehrlichen Antwort. Die Medaillen waren wie aus meinen Kopf geblasen. Ich hatte es noch nie ausgesprochen und auch jetzt brachte ich es nicht über die Lippen. Zu viel Angst stigmatisiert zu werden hing an diesem einen Satz.

Also entschloss ich auszuweichen: „Ich hatte eine Freundin, sagt nicht das nicht alles?“ Unbeeindruckt von der Antwort schaute Jack mir ins Gesicht. „Nein. Das sagt eigentlich gar nichts aus.“

Seine unbeeindruckte Art ließ mich für einen kurzen Moment stocken und ich schluckte leicht. Ich wusste nichts zu sagen. Skeptisch schaute ich ihn an und schüttelte nur den Kopf. „Wieso soll das nichts aussagen?“

„Einen festen Partner zu haben, sagt nichts über die eigene Sexualität aus. Sie könnte auch nur ein Alibi gewesen sein. Überleg mal wie viele ihre Partnerin betrügen… auch mit Männern.“

„Nein“, sagte ich entschieden und meinte es auch so, „War sie nicht.“ Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Doch wieso eigentlich, wenn er Bi ist…

„Du solltest das besser nie meinem Dad sagen, wenn du eine ruhige Nachbarschaft willst.“

Jack schaute verwirrt bevor er fragte: „Was nicht sagen?“

„Na ja“, begann ich und steckte meine Hände in die Hosentaschen, „dass du…irgendwie was mit Männern hattest…“

Er schaute mich einen Moment lang trocken an: „Ist dein Vater homophob?“ Ein Kloß bildete sich in meinen Hals und ich schluckte. Kurz zögerte ich und nickte danach.

„Aha“, kam es emotionslos von Jack. Seine Reaktion ließ mich nicht erkennen, ob er mich möglicherweise gerade durschaut hatte. Das machte mir Sorgen. „Weißt du, Jazz“, fing er an zu reden, „eigentlich ist es wichtiger, dass du selbst mit deiner eigenen Sexualität zurechtkommst. Da solltest du wenig auf andere geben.“

Jack ging an mir vorbei und klopfte mir auf die Schulter und nickte in Richtung Wohnzimmer.

Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer und Didi folgte uns fröhlich kläffend. Die kleinen Beinchen des Hundes schienen Didi gerade nicht zu gehorchen. Ich sah den kleinen Welpen über seine eigenen Beinchen stolpern. Er schlug einen Purzelbaum. Setzte sich kurz, schüttelte den Kopf und rannte weiter.

„Dummes Tier. Ich muss gleich noch mit dem raus“, meinte Jack und sah zu dem Fellknäuel was sich gerade aufrappelte und schnell zu Herrchen rannte. Leise begann Didi zu jammern. Er streichelte es kurz und schaute mich dann auffordernd an.

„Ja. Ich geh dann auch mal. War auch schon lange hier… Eigentlich den ganzen Tag“, stellte ich fest und ging mit Jack, der den Welpen gerade auf den Arm genommen hatte Richtung Tür. Nun leicht in Gedanken versunken.

„Ich komme dann morgen so nach dem Aufstehen zu dir“, meinte ich noch freundlich und Jack nickte mir zu. Während er die Leine an dem Halsband des Tieres festmachte.

Ich fragte mich, wie viel ihm dieses kleine Fellknäul wohl bedeutete.

„Bis morgen, Jazz“, meinte Jack und ich ging langsam rüber in mein Haus, während er mit Didi die Straße rauf ging. Ich dachte noch lange an Jack und seine Worte. Ich war mir unschlüssig, ob ich in Jack jemanden gefunden hatte, dem ich endlich meine Fragen würde stellen können. Ich hatte das Gefühl in ihm wahrscheinlich einen kompetenteren Gesprächspartner zu finden als in Tobey. So sympathisch Tobey mir auch geworden war, hatte er doch eine noch sehr unreife Einstellung zu dem Thema. Seiner Meinung nach hatte sowieso jeder etwas gegen Schwule, außer Schwule selbst. Außerdem war er in Gesprächen oft der Meinung, man müsse genauso dazu stehen können, wie er selbst und das konnte ich noch nicht. Die Vorstellung, dass Tobey mich outen könnte, machte mir Angst. Ich wollte nicht, dass Tobey wegen diesem Wissen, Macht über mich hatte. Jack hatte diese Möglichkeit nicht. Er kannte meine Freunde nicht, meine Familie. Er war neutral.

Ich kannte diesem Mann weniger als zehn Stunden, aber trotzdem hatte ich das Gefühl mit ihm reden zu können.

So etwas nach nicht mal einem Tag zu denken fand ich selbst albern. Vielleicht war ich auch noch zu sehr von seinem Aussehen und seiner Art fasziniert.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Adisa
2017-05-04T06:29:08+00:00 04.05.2017 08:29
Es war so schön, das Gespräch zu lesen und zu sehen, wie die beiden sich gut verstehen.


Zurück