Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 3: Unzufrieden stellende Antworten ------------------------------------------ Schon am nächsten Tag sollte ich meine Antwort bekommen. Ich saß neben Eric im Englischunterricht als Mrs. Williams Referate verteilte um denjenigen eine Chance zu geben, die zwischen zwei Noten standen. Mrs Williams war eine strenge, aber gerechte Lehrerin, die in ihrem grauen Rock und weißer Bluse äußerst bieder aussah. Ich schaute hinüber zu Eric, der unsicher auf seinem Stuhl herumrutschte und am Ärmel seiner Sportjacke zupfte. „Sorry, Jazz“, flüsterte mein bester Freund und wirkte zerknirscht, „Ich würde das Referat gerne mit Zoey machen. Will mal schauen was da…na ja…“ Und zum ersten Mal sah ich wie Eric begann leicht rot anlaufen und verlegen grinsen. Mein bester Freund war also verknallt. So hatte ich ihn noch nie gesehen und ich freute mich ziemlich für ihn. Ich grinste breit und schlug ihm freundlich gegen den Arm. „Klar. Mach mal. Wird sicher ein scheiß Referat werden, weil du nicht zum Arbeiten kommst“, lachte ich leise und als Williams zu uns kam, lehnte ich mich entspannt in meinen Stuhl zurück und sagte: „Hab keinen Partner.“ Verwirrt schaute sie zu Eric, der sich zu Zoey gedreht hatte und sah dann mich wieder verständnislos an. „Oh…ja…ähm, wer hat den noch keinen Partner…“, rief sie durch die Klasse und eigentlich wollte ich ihr gerade sagen, dass man diese Arbeit auch aufteilen konnte auf drei Personen, als leise aus einem anderen Teil der Klasse sich Tobey meldete: „Ich…“ Mrs. Williams drehte sich zu ihm und schaute dann mich an. „Dann machst du das mit Tobey.“ Ohne zu protestieren stand ich auf, doch Colin rief laut durch die Klasse: „Mrs. Williams, das können sie Jazz nicht antun… Mit der Schwuchtel. Der kann auch bei uns mitmachen!“ „Colin White! Ich verbitte mir so etwas! Noch einmal und Sie sitzen nach! Haben wir uns verstanden? Jasper, geh rüber und wehe ich höre Beschwerden“, mahnte sie mich böse und ich nahm meine Sachen und ging ohne ein Wort zu Tobey rüber. Ich grinste ihn kurz zu, doch er schaute teilnahmslos in meine Augen und begann den Text zu lesen. Zunächst arbeiteten wir stumm. Ich konnte mich kaum auf den Text konzentrieren. Ich wollte mit ihm sprechen, aber konnte es nicht hier tun. Immer und immer wieder las ich denselben Satz ohne seine Bedeutung zu verstehen. „Brauchst du immer so lange zum Lesen“, kam es leicht genervt von Tobey und ich schaute zu ihm auf. Mit dem Stift trommelte er unruhig auf seinem Block herum und schaute mir gelangweilt zu. „Nein, eigentlich nicht. Bin in Gedanken“, grummelte ich und fühlte mich fast schon ertappt. Erneut versuchte ich den Text zu lesen eher ich aufgab „Hey Tobey… ich kann mich gerade echt schlecht konzentrieren. Was würdest du davon halten heute Nachmittag zu mir zu kommen?“ „Zur dir? Für eine Schularbeit? Wieso?“ „Es ist…“, fing ich an und wusste selbst nicht wie ich den Satz sinnvoll beenden sollte. „Jetzt sag nicht wichtig…“, grinste mich Tobey an und auch ich musste grinsen. „Na ja… wichtig unwichtig…egal. Kommst du oder nicht?“ „Sind die anderen aus dem Team da? Ist das irgendwas…“ „Ich hab sowas nie gemacht und werde sicher jetzt nicht damit anfangen!“ Nach kurzem Zögern und augenscheinlichem Abwägen stimmte er zu. Ich schrieb ihm meine Adresse auf und bat ihm gegen 16 Uhr zu kommen. Zum Glück war niemand Zuhause. Mutter schien weg zu sein für die Kirche etwas zu machen und Vater hatte Dienst. So war ich alleine, als es klingelte. Ich ging runter und öffnete Tobey die Tür. Er schien sich etwas zögerlich umzuschauen. Er trug engere Jeans als in der Schule. Auch an seinem Hemd war ein Knopf zu viel offen. Mir war sofort klar, dass sollte er so zur Schule kommen, er noch mehr Beleidigungen ausgesetzt wäre. Ich war mir auch nicht sicher, aber es sah auch so aus, als wäre er leicht geschminkt. „Keine Sorge, ich bin alleine. Komm rauf“, sagte ich ihm und führte ihn hinauf in mein Zimmer. „Du bist echt allein hier! Ich dachte Eric oder Colin wären hier.“ „Nein. Keine Sorge.“ Ich verdrehte die Augen. „Wie kommst du darauf?“ „Nun ja, nach letztens nach dem Sport… Ich war von meiner Courage überrascht und…Ich weiß nicht. Nachher wolltest du dich rächen?“ Ich stutze. Dass er das wirklich von mir dachte! Zuerst war ich empört, doch dann musste ich Sergio und seine Drohung denken und verstand ihn. Hier in dieser Umgebung schien man besser vorsichtig zu sein. Warum er dann aber in diesem Outfit durch die Gegend lief, war mir schleierhaft. Würde ich auch immer so vorsichtig sein müssen? Aber ich war mir ja nicht mal sicher was ich empfinden sollte… „Nein…sowas mache ich nicht.“ „Das machen leider viele! Ich hab das Gefühl, meistens kommen Schwule nur mit anderen Schwulen dauerhaft zurecht.“ Ich zog skeptisch die Augenbrauen hoch, denn irgendwie klang es recht albern und ich bekam die Befürchtung, dass ich nur wenige meine Fragen ihm würde stellen können… Ich konzentrierte mich also eher auf die Geschehnisse im Schuppen und begann: „Aber… deswegen wollte ich dich sprechen. Wegen letztens. Also…wieso...also wieso hast du das gemacht?“ „Na ja… darum? Ein Anflug des Übermutes…? Weiß auch nicht genau, dachte mir du schlägst nicht gleich…“ Er grinste leicht und kratzte sich nervös am Kopf und schien weitaus weniger Selbstischer als im Schuppen. Ich überging dies und fragte: „Hm… Woher wusstest du eigentlich das du Schwul bist?“ „Weil ich mich in Männer verliebt habe?“ „Hat dir das…ich weiß nicht, Angst gemacht“, fragte ich ihn und setzte mich auf mein Bett und lehnte mich an die Wand und deute ihm an, sich setzen zu können. „Hm… am Anfang. Aber meine Eltern sind da sehr offen. Im Gegensatz zu vielen anderen in Texas sind sie schon im 21.ten Jahrhundert angekommen. Sie haben sich und mir Hilfe gesucht“, erklärte er mir und setzte sich auf den Schreibtischstuhl und drehte sich etwas hin und her und begutachtete mein Zimmer. Sein Blick blieb etwas an den Bildern hängen die auf meinen Schreibtisch lagen. Bilder von mir und meinen Freunden beim Baseball. „Hilfe gesucht“, fragte ich verwirrt und verstand nicht was er meinte. Das einzige was mir einfiel in diesem Zusammenhang war, dass Tobeys Eltern Schwule für ihn gesucht haben. Aber das klang schon in meinen Gedanken so bescheuert, dass ich sie nicht aussprach. „Na ja… du wirst es vielleicht nicht so ganz glauben können, Jazz, aber auch hier in Texas gibt es noch mehr Schwule. Und diese haben auch Plattformen auf denen man sich austauschen kann. Meine Eltern haben mich zu einem Jugendzentrum in Austin gefahren, in dem es viele Homosexuelle gibt. Da hab ich viele Freunde gefunden.“, erklärte er mir und musste über mein verdutztes Gesicht grinsen. Toll, dachte ich… ich konnte nicht mal eben 125 Kilometer fahren und meine Eltern zu bitten kam nicht in Frage… „Jasper… Hat dich mein Kuss so aus der Fassung gebracht? Meinst du jetzt, du bist schwul? Oder hast eventuell Angst, du wirst es jetzt“, fragte er und klang dabei äußert sarkastisch. „So ein Quatsch“, wich ich aus und winkte ab, „ich hätte nur gedacht, dass es mich mehr…na ja das es mir nicht irgendwie gefallen hätte.“ Zum Ende des Satzes wurde ich leiser und schaffte es auch nicht mehr ihn anzuschauen. „Weißt du Jazz, es gibt auch diejenigen die auf Beides stehen… Auf Männer und Frauen, schon mal darauf gekommen?“ „Ja, darüber hatte ich mir schon mal Gedanken gemacht.“ „Wenn du dir Sorgen machst und erstmal nur schauen willst, versuch es doch über das Internet?“ „Ja… das wäre jedenfalls anonym. Aber… stehst du irgendwie auf mich? Oder weswegen das Überfallen?“ „Hm… Joa schon ein wenig. Du gefällst mir gut das kann ich nicht abstreiten. Aber es bricht für mich keine Welt zusammen, wenn du sagst, ich sei nicht dein Typ“, meinte Tobey und wirkte kein bisschen verletzt er schien eher neugierig. Als er weitersprach hörte man einzig den neugierigen Unterton, als er fragte: „Also…gehen wir davon aus, du findest Männer attraktiv… Was wären das denn dann für Männer?“ Ich wollte nicht, dass er davon ausging, dass ich schwul sei. „Ich bin nicht Stockschwul!“ „Oh Mann, Jazz, davon redet keiner! Also?“ Ich grummelte vor mich hin, es fiel mir schwer mit ihm darüber zu reden. Und schwer seufze ich, als ich mir Gedanken dazu machte. Nach kurzem nachdenklichem Zögern begann ich schließlich: „Weiß nicht, wenn muss es schon ein richtiger Kerl sein… Nicht sowas Schwuchteliges… Muskeln finde ich attraktiv und Bart, dass sieht gut aus. Keinen Bierbauch oder Hungerhacken. Ich mag es nicht wenn jemand so ein perfektes Modellgesicht hat. Es muss Kanten und Ecken haben…Aber auch als Heterosexueller kann man Männer attraktiv finden.“ Tobey nickte langsam und nachdenklich eher er dann anfing zu grinsen und feststellte: „Also bin ich überhaupt nicht dein Typ. Ich hab weder Muskeln wirklich noch einen Bart und laut der Definition von anderen bin ich ja das Schwuchteligste unter der Sonne.“ Ich schaute ihm in die hellen Augen und bekam ein schlechtes Gewissen. Jetzt wo man mit ihm sprach, war er mir sympathischer wie ich dachte. „Na ja, tut mir Leid Tobey? War nicht meine Absicht… Aber ne… eigentlich bist du…wirklich nicht so mein Typ. Also wenn ich von Kerlen ausgehen würde…“ „Du brauchst dich nicht entschuldigen Jasper! Ich werde davon nicht umkommen“, grinste er mich an und ich musste ihn einfach fragen: „Wieso nimmst du das so locker?“ „Weißt du, ich habe vielleicht nicht auf der High School viele Freunde aber außerhalb davon… Es gibt Tage, ich bin ehrlich, da ist es schwer, da tun diese Mobbingsachen sehr sehr weh. Aber ich weiß, ich habe Freunde die mir helfen das durchzustehen. Und ich habe mehr Eisen im Feuer als du vielleicht glaubst. Und so wie du mich anschaust hättest du das echt nicht geglaubt.“ Tobey lachte, denn tatsächlich hatte ich ihm, so etwas nie zugetraut und ich stimmte in sein Lachen ein. „Du scheinst schlimmer zu sein, als man im ersten Moment glaubt.“ Er antwortete auf diese Aussage nicht, doch ein anzügliches Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Tobey… es tut mir wirklich leid, dass ich dir nie geholfen habe. Ich schau mal, dass die aus dem Team dich etwas in Ruhe lassen… und auch so. Wegschauen ist… genauso schlimm wie mitmachen. Glaube ich…ja“, meinte ich entschuldigend zu ihm denn es stimmte. Ich habe nie mitgemacht ihn zu mobben, aber ich hielt die anderen auch nicht ab. Tobey wirkte überrascht und ein lächelte mich etwas traurig an. „Das ist wirklich lieb von dir. Du bist der Erste, der sich entschuldigt. Das…bor das tut…“ Und als Tobey wirklich ein zwei Tränen über die Wange liefen wuchs das schlechte Gewissen. Ich kramte nach Taschentüchern und reichte ihm eines. Ich wusste nichts zu sagen, nichts intelligentes, also schwieg ich und ließ ihn sich beruhigen. „Ach komm lass uns jetzt endlich diese beschissenen Schulsachen machen“, meinte ich zu ihm als er sich beruhigt hatte und gemeinsam machten wir endlich unsere Schularbeit. Einige Zeit später, nachdem wir unser Referat beendet hatten, schaute Tobey zu mir und fragte: „Stehst du jetzt dazu, dass du schwul bist?“ Ich starrte ihn mit großen Augen entsetzt an. „Ich habe nie…was?“ Natürlich kam das für mich nicht in Frage! „Tobey, nur weil ich gerade etwas…verwirrt bin…das legt sich sicher wieder! Das ist nur, weil das letztens eben erst passiert ist“, redete ich mir ein. Tobey seufzte genervt und fuhr sich durch die kurzen blonden Haare. „Ich finde es so scheiße, wenn die Leute dazu nicht stehen können. Das ist wirklich irgendwie schade.“ Ich starrte ihn an und schüttelte den Kopf. „Das hat damit nichts zu tun“, ging ich ihn fast schon gereizt an. „Doch genau das hat es. Du konntest mir benennen, was du an Typen toll findest. Hast gesagt, der Kuss habe dir besser gefallen als du dachtest. Wieso kannst du dann nicht einfach sagen. Ich bin schwul?“ Weil ich das erstmal mit mir selbst ausmachen muss, dachte ich missmutig. Ja, es war erstaunlich und…eigentlich gut, wie Tobey dazu stehen konnte, aber das von anderen zu verlangen…Nein das ging nicht. Ich wollte keinen Streit und so lenkte ich nach einem kurzem Moment des Schweigens ein: „Komm, Tobey, wir sollten fertig werden. Lass das andere meine Sache sein.“ Später am frühen Abend brachte ich ihn runter zu Tür just in dem Moment als Vater aus seinem Wagen stieg. Tobey nickte ihm freundlich zu und mit einem „Bis Morgen Jazz“, verschwand er und schlenderte die Straße hinunter. Vater sah ihn skeptisch nach und fixierte mich mit seinen braunen Augen den meinen so ähnlich. „Ist das nicht Tobey Mason?“ Ich nickte und als ich Vaters skeptischen Blick bemerkte wurde ich unruhig. Ich wusste wie gut er sich in der Nachbarschaft auskannte. „Ist das nicht der Sohn von Michael und Susanne Mason?“ Ich kannte die Namen seiner Eltern nicht also zuckte ich mit den Schultern, aber mein Vater kannte diese Nachbarschaft zu gut. Als Sheriff mischte er sich in viele Dinge ein und Mum hörte in der Kirche vieles und gab bei meinem Vater ihren Senf dazu. „Der Junge soll doch vom anderen Ufer sein… Was macht der hier? Und wie sieht der bitte aus?“ Und Vaters Blick durchbohrte mich und eingehend musterte er mich. „Schule. Für Englisch müssen wir ein Referat machen. Die scheint Mrs. Williams sehr ernst zu nehmen. Haben das zu Ende gemacht. Wieso?“ „Ich will nicht, dass du mit so jemandem viel Zeit verbringst. Nachher färbt das noch ab…Oder die Nachbarn denken noch das schlimmste, Junge.“ Er klopfte mir auf die Schulter und ging an mir vorbei ins Haus und ließ die Tür offen stehen. Einen kurzen Moment später folgte ich meinen Vater ins Haus. Ich ging die Treppe hinauf und setzte mich an den Schreibtisch und öffnete den Laptop. Internet, riet mir Tobey. „Warum eigentlich nicht“, sagte ich leise zu mir selbst und suchte eine kostenlose Dating-Seite. Ich hatte nichts zu verlieren und ich wollte Antworten. Nach einer erstaunlich kurzen Suche fand ich tatsächlich eine Seite. Unsicher klickte ich auf der Seite hin und her. Suchte etwas, weswegen ich mich doch nicht anmelden sollte. Doch nachdem ich keine versteckten Kosten gefunden hatte, meldete ich mich an. Ich kramte in meinen Ordnern nach Bildern und fand schließlich zwei. Das eine zeigte mich beim Baseball spielen, dass zweite war von unserem letzten Sommerurlaub in Florida am Strand. Ich lag auf einen Liegestuhl hatte eine Sonnenbrille auf uns grinste in die Kamera. „Schreiben sie etwas über sich“, las ich leise vor und stutze. Was sollte ich über mich schreiben. Sportbegeisterter, junger Mann, der offen ist für neue Bekanntschaften ist, damit konnte man nicht viel falsch machen. Ich setzte mein alter auf 20 und starrte den PC lange an. Erst als Mutter mich und meinen Vater zum Essen rief, klappte ich den Computer zu und ging nach unten. Auch in dieser Nacht lag ich wach und mir wurde immer mehr bewusst, dass das was Tobey in mir geweckt hatte, endlich Erfolg haben wollte. Ich hatte nicht viel Erfahrung was Sex und Lust anbelangt und diese Erfahrungen waren schlecht und nicht befriedigend. Wenn ich ehrlich zur mir selbst war wollte ich endlich genau das Erleben und wenn Tobey viele „Eisen im Feuer hatte“, wie und wen könnte ich dann von mir überzeugen? Warum aber war ich so verdammt zwiegespalten. Auf der einen Seite wünschte ich mir Erfahrungen zu machen, auf der anderen verfluchte ich mich regelrecht dafür. Ich verstand diese Ambivalenz nicht. Doch glaubte ich nicht, dass ich diese mit Tobey aus der Welt schaffen konnte. Natürlich ist er enttäuscht, dass sollte ich schwul sein, noch nicht dazu bereit war, dazu zu stehen. Vielleicht meinte er, er wäre dann nicht alleine? Ich wollte und würde mich jedoch nicht drängen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)