Abenteuer mit dem Navi von Frostkatze ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein markerschütternder Schrei hallt durch das Kaufhaus. Innerlich zuckte ich zusammen, äußerlich tat ich so, als habe ich nichts gehört. Die Kassiererin spielte leider nicht mit. „Was um alles in der Welt...?“ fragte sie leise und beugte sich über die Warentheke um einen Blick in die Richtung zu werfen, aus welcher der Schrei gekommen war. Aufgebrachtes, verwundertes und erschrockenes Gemurmel ertönte. Und es wurde immer lauter, kam näher. „Würden sie dann bitte zu ende kassieren.“ sagte ich mit einem Hauch Ungeduld in der Stimme. Meine Finger trommelten nervös gegen meine Hüfte. Zu meiner Erleichterung nahm sie den letzten Pokeball und zog ihn geistesabwesend über den Scanner. „Das macht dann-“ begann sie ihren Standartspruch, den ich unterbrach indem ich ihr das Geld in die Hand drückte und in windeseile meinen Kassenbon einsackte. In dem Moment erreichten die Stimmen ihre maximale Lautstärke und ein verdrecktes Arkani bahnte sich schwanzwedelnd seinen Weg durch die lange Schlange vor der Kasse. Eine Frau kreischte auf: „Wer hat dieses Pokemon hier hereingelassen!?“ und hielt dem Arkani abwehrend die flachen Hände entgegen. Es blickte suchend über die Gesichter, die es alle anstarrten als käme es aus einer anderen Welt und fand mich schließlich. Hechelnd und noch immer kräftig mit dem Schwanz wedelnd und dabei Matsch und Grasreste durch die Gegend werfend, sah er mich an, erkannte den leichten Anflug von Zorn in meinen Gesichtszügen und flitzte wieder hinaus aus dem Laden. Nicht ohne dabei ein Regal und einen Kunden über den Haufen zu rennen. „Einen schönen Tag noch!“ sagte ich kurz angebunden, krallte mir meinen Einkauf und hastete dem Pokemon hinterher. Sein Name war Navi und er war MEIN Pokemon. Während andere junge Trainer ein Glumanda oder Bisasam ihr eigen nennen durften, konnte ich behaupten, ein anderes Startpokemon erhalten zu haben. Was damit zusammenhängen mochte, dass ich lange Zeit nicht den Wunsch verspürte mich, in begleitung eines Wesens, das ich gerade einmal ein paar Stunden kannte, an die möglicherweise gefährlichsten Orte der Welt zu begeben und dort wilde Pokemon zu jagen, zu bekämpfen und einzufangen. Der Drang zu reisen und die Welt zu erkunden trat bei mir erst mit fünfzehn ein. Damit war ich zu alt um den normalen Weg des Pokemontrainers zu gehen. Anstatt eines blutjungen Schiggi bekam ich ein Arkani aus einer privaten Zucht. Damals war er der kleinste und ruhigste Fukano im Wurf, damals... Ich verließ das Kaufhaus ohne mich noch einmal umzudrehen. Navi saß, noch immer fröhlich mit dem buschigen Schwanz wedelnd und mit heraushängender Zunge, neben der Laterne, an der ich ihn mit seiner Leine angebunden hatte um kurz meinen Einkauf zu tätigen. Sein Halfter lag abgestreift auf dem Boden. Er sah mich mit einer Mischung aus Freude und Furcht an, reckte die Schnauze meiner Hand entgegen und gab ein jämmerliches Fiepsen von sich. „Du Scoppelhirn!“ murrte ich und ging in die Hocke um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. „Ich hab' dir doch gesagt ich bin gleich wieder da! Kannst du denn nicht einmal fünf Minuten vor dem Laden warten?“ Er legte den Kopf schief und die Ohren an. In seinen dunklen Augen, die weit aufgerissen waren und mich flehendlich anblickten, konnte ich mein Spiegelbild sehen. Nicht nachgeben! Mahnte mich meine innere Stimme, Er versucht nur dich zu manipulieren. Das konnte er gut. Und was noch schlimmer war, er wusste, dass er das gut konnte. Einen endlosen Augenblick lang fror die Szene ein. Weder er noch ich rührten uns auch nur einen Millimeter. Es war ein stiller Kampf zwischen ihm und mir. Und er gewann ihn. Mit einem ergebenen Seufzen ließ ich den Kopf hängen. Er begann sofort wieder mit dem Schwanz zu wedeln und drückte sich, so dreckig wie er war, gegen mich. Mein angeekletes Kreischen und Quietschen nahm er als Aufforderung weiter zu machen wahr. Ein eigenes Pokemon zu haben, bedeutet, Verantwortung zu über nehmen. DIESES Pokemon zu haben, bedeutete Ärger. Gewaltigen Ärger. Wenig später wanderte ich entlang einer namenlosen Straße, mein Arkani an meiner Seite. Keine Chance es in seinen Pokeball zu verbannen, eher wird ein Kleinstein fluffig weich. Aus den Augenwinkeln sah ich eine Regung im Gras. Ein kleines Scoppel hoppelte auf den Weg. „Los Navi, Angriff!“ brüllte ich und zeigte mit dem Finger auf das wilde Pokemon. Tatsächlich setzte sich mein Arkani in bewegung. Für einen Augenblick war ich stolz, es begann endlich auf mich zu hören. Zumindest dachte ich das. Wie groß war jedoch mein Entsetzten, als Navi zu mir zurückkehrte und das zitternde Scoppel im Maul hielt. Mit wedelndem Schwanz und einem freudigen Glitzern in den Augen presentierte er mir seine Beute und drückte ein wenig zu, als wolle er mir sagen: „Guck mal Frauchen, wenn ich drücke quietscht das Quietschetier!“ Mein Entsetzen wurde sogleich von Wut abgelöst. „Pfui! Aus!“ fauchte ich Navi an. Er spuckte mir das völlig verängstigte Scoppel vor die Stiefel, welches sich mit einem herzzerreißenden Quietschen aus dem Staub machte. Wenige Sekunden später, während ich meinem Pokemon eine Predigt darüber abhielt, was ich von ihm verlangte, wenn ich „Angriff!“ brüllte, erschien das Scoppel wieder. In Begleitung seiner ganzen Familie. Allesamt stinkwütend. Noch bevor ich mein Pokemon erneut zum Angriff auffordern konnte war es über alle Berge. Lediglich eine Staubwolke zu meinen Füßen blieb übrig und die schwebte langsam zu Boden. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte meinem flüchtigen Pokemon hinterher. Es dauerte eine Weile die wütende Meute scharfzähniger Verfolger abzuhängen. Völlig ausgepowert ließ ich mich mit dem Rücken gegen einen Baum fallen und atmete angestrengt. Ich war entkräftet, müde und mein Magen knurrte laut genug, dass Navi mich mit schiefgelegtem Kopf neugierig ansah. „Du bist Schuld!“ murrte ich. Er legte die Ohren an, drückte seine Schnauze auf die Erde und rieb mit seiner Pfote darüber. „Ja, schäm dich!“ sagte ich, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Navi sah mit einem Auge zu mir empor, ob ich ihm noch böse war und rollte sich dann zufrieden auf den Rücken. Wieder ein lautes Magenknurren. Mein Blick fiel auf einen Garten am Straßenrand. Der Zaun war niedrig und die Beete voller Rüben und Beeren. Ein Sinelbeerbaum spendete den kleinen Pflanzen Schatten und trug reife Früchte. Ich sah mich verstohlen um und trat an den Zaun. Mein Blick wanderte durch den Garten und über die Fenster. Nichts regte sich. Konnte ich es wagen ein paar Rüben und Beeren zu stibitzen? „Hallo...?“ fragte ich vorsichtig. Niemand antwortete. Leise und vorsichtig stieg ich über den Zaun und schlich zum Beet, rupfte eine Rübe heraus, befreite sie vom gröbsten Dreck und verschlang sie. Leider hatte Navi mich genau beobachtet. Was daran so schlimm war? Er sprang in den Garten, riss ALLE Rüben aus der Erde und begann zu fressen. Mein verschrecktes Quieken ignorierte er. Und das wütende Brüllen des Eigentümers ebenfalls. Erst, als dieser, mit einer Harke wedelnd, auf uns zugestürmt kam, regte mein Arkani sich. Er sammelte so viele Rüben mit seinem Maul ein, wie er umfassen konnte und hastete über den Zaun. Ich warf blind mit Entschuldigungen um mich und eilte meinem Pokemon hinterher. Einmal mehr an diesem Tag. Dabei streifte ich eine abgebrochene Zaunlatte, doch ich konnte und wollte nicht anhalten um mich um die blutende Wunde zu kümmern. Es dämmerte bereits, als wir das nächste Dorf erreichten und uns eine Bleibe für die Nacht suchten. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, die dreckigen Klamotten auszuziehen, so müde war ich. Mit einem ergebenen Seufzen ließ ich mich rückwärts aufs Bett fallen. Navi sprang auf die Matraze und kuschelte sich an. Auch er strotzte nur so vor Dreck, aber das fiel auf den versifften Laken nicht weiter auf, für wenig Geld war in dieser Absteige leider auch wenig zu erwarten. Ich sah mein Pokemon an und dachte über den Tag nach. Über den Ärger, den er mir bereitete, seinen Ungehorsam und darüber, dass ich nun schon seit über einer Woche unterwegs war und nicht ein einziges Pokemon gefangen hatte. Vielleicht sollte ich Navi eintauschen? Mein Blick ruhte auf meinem Pokemon, einem hoffnungslosen Chaoten und Scoppelhirn. Ich beschloss eine Nacht darüber zu schlafen... … Jahre später bin ich keinen deut schlauer. Navi sitzt vor mir, mit einem armen Taubsi im Maul und wedelt fröhlich mit seinem Schwanz. Ja, er ist ein Vollidiot, aber er ist mein Vollidiot und den gebe ich für Nichts in der Welt her! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)