Bitte recht freundlich! von Jaywalker (10 Lektionen der Freundlichkeit sind lediglich 10 Schritte bis zur Liebe) ================================================================================ Kapitel 9: Lektion 5: Sei hilfsbereit (Part 1) ---------------------------------------------- Jeden Tag eine gute Tat!   Ein Alpha sollte stets dazu bereit sein auf den Hilferuf eines Rudelmitglieds zu antworten und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er sollte denen, die in Not geraten sind, helfend unter die Arme greifen, ohne dabei an den eigenen Nutzen zu denken, oder eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Anderen zu helfen stärkt nämlich die Gemeinschaft und sorgt so für eine engere Bindung zwischen den einzelnen Rudelmitgliedern!   ~*~ ~*~ ~*~   Stiles konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, während er einige Schritte zurück stolperte. Obwohl alles darauf hin gedeutet hatte, dass er nicht mehr alleine war, so hatte ihn das plötzliche Auftauchen der dunklen Gestalt direkt hinter ihm doch einen gehörigen Schrecken eingejagt. Verzweifelt presste Stiles die rechte Hand auf seinen Oberkörper und versuchte so sein rasendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sein Atem ging stoßweise und schnell, was viel zu laut in seinen eigenen Ohren klang, so dass die restlichen Geräusche um ihn herum langsam aber sicher zu verstummen schienen. Es dauerte ein wenig, ehe Stiles sich so weit beruhigt hatte, dass er sich voll und ganz auf die Gestalt konzentrieren konnte, die auf einmal mitten in der Lichtung vor dem Hale Haus aufgetaucht war. Was zum... Stiles blinzelte ein paar mal, da er seinen Augen nicht so ganz trauen wollte, aber es änderte nichts an dem Anblick. Die dunklen, langen Haare, die leicht im Wind wehten... Das ebenmäßige Gesicht, aus dem Stiles immer noch nicht das Alter ablesen konnte... Die funkelnden Augen, die ihn so starr musterten... Die Frau trug sogar die gleiche Kleidung wie bei ihrer ersten Begegnung... Eine Lederjacke, ein enges Shirt, eine schwarze Hose und nach wie vor... keine Schuhe... Ohne Zweifel... Das war die Alphawölfin, mit der Stiles in der Tankstelle zusammen gestoßen war. Oder mit anderen Worten... Das war Dereks ''Brieffreundin''.   „Na.. na... warum denn so ängstlich?“, unterbrach die Dunkelhaarige schließlich die Stille. Stiles konnte bei diesen Worten nur ein fassungsloses Schnauben von sich gegeben. Hallo? Was zum Henker sollte diese bescheuerte Frage... Es war ja wohl erlaubt sich schier in die Hosen zu machen, wenn man an so einem abgelegenen Ort, an dem man wohlgemerkt alleine sein wollte, plötzlich von hinten mit blöden Sprüchen angemacht wurde. „Pah... von wegen ängstlich. Ich bin-“ Noch ehe Stiles den Satz zu Ende gebrachte hatte, wurde er von einem lauten Knurren unterbrochen. Jede Faser seines Körper spannte sich augenblicklich an, als ihm plötzlich zwei rote Augen entgegen leuchteten.Wie glühende Kohlen loderten sie in dem blassen Gesicht auf, das sich langsam aber sicher zu einer Fratze verzog. Obwohl er wusste dass es keinen Sinn hatte, wich Stiles unwillkürlich einen Schritt zurück, wobei er die dunkelhaarige Alphawölfin nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. Der Angriff, mit dem er gerechnet hatte blieb jedoch aus. Stattdessen hallte ihm nur ein herablassendes Lachen entgegen. „Oh... Bist du dir da ganz sicher? Ich kann deine Angst förmlich riechen!“ Wie zur Bestätigung sog die Frau stark die Luft durch die Nase ein und schnaubte einmal laut. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, weshalb Stiles einen guten Blick auf die langen Reißzähne werfen konnte. Nicht gerade beruhigend! Genauso wenig wie die langen, scharfen Krallen an den Händen und Füßen der Werwölfin. Hatte die gute Frau denn noch nie was von Mani- und Pediküre gehört? Stiles hätte sich am liebsten sofort selbst geohrfeigt. Nur er schaffte es, in so einer heiklen Situation auf solch absurde Gedanken zu kommen... Er musste sich zusammenreißen! Fuck... Denk nach... Denk nach!   Leider gab es nicht sonderlich viele Möglichkeiten für einen Fluchtweg. Hinter Stiles befand sich dichtes Gestrüpp, durch das er sich erst einmal kämpfen müsste, wenn er diesen Weg wählen würde. Selbst wenn er es da hindurch schaffen sollte – angenommen die Alphawölfin hätte ihn nicht eh schon vorher erwischt – dann müsste er zu Fuß weiter durch die Wälder von Beacon Hills flüchten. Das wäre ja schon unter normalen Umständen ein aussichtsloses Unterfangen, wenn einem dabei dann aber auch noch ein Werwolf dicht auf den Fersen war, dann... Nein... Das war definitiv keine Option! Vorsichtig verlagerte Stiles sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, wobei sein Blick einmal über die Schulter der dunkelhaarigen Frau hinweg schweifte. Wenn er es zu seinem Jeep schaffen würde, dann sähen seine Chancen vielleicht nicht mehr ganz so schlecht aus. Der Wagen parkte direkt vor dem Hale Haus, also gute fünfzig Meter von ihnen entfernt, was momentan einer halben Weltreise glich. Verdammt... Stiles würde niemals ungehindert an der Alphawölfin vorbei kommen... Andererseits... vielleicht musste er das ja auch gar nicht. Immerhin war das hier die ''Brieffreundin'' von Derek, was bedeutete, dass sie definitiv nicht wegen Stiles hier war, sondern vielmehr wegen Mr. Grumpy-Cat höchstpersönlich.   „Ähm... Falls Sie Derek suchen, dann muss ich Sie leider enttäuschen ... der ist nicht hier!“ Stiles versuchte seine Stimme so neutral wie möglich zu halten, jedoch konnte er ein leichtes Zittern nicht unterdrücken, was der Dunkelhaarigen bestimmt nicht entgangen war. „Oh... du enttäuschst mich in keinster Weise, Stiles! Ganz im Gegenteil! Ich bin froh, dass wir hier ungestört sind...“, antwortete sie, wobei sie plötzlich einige Schritt auf Stiles zukam. Es geschah so schnell, dass der junge Mann nicht rechtzeitig reagieren konnte. Im ersten Moment stand die Alphawölfin noch mitten auf der Lichtung und im Nächsten war sie Stiles auf einmal so nah, dass nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen ihren Oberkörpern Platz gefunden hätte. Woah... Was sollte das denn bitte werden? Die Werwölfin streckte ihre Hand Stiles entgegen, bis ihre Krallen den Oberkörper des jungen Mannes berührten. „... wir sind ganz alleine...“ Unweigerlich lehnte sich Stiles ein Stück zurück, als die Frau sich weiter zu ihm nach vorne beugte. Langsam tastete Stiles mit seinen Fingern an seiner Jackentasche entlang. Er konnte allzu deutlich sein Handy spüren. Wenn er nur vorsichtig genug wäre, dann könnte er vielleicht unbemerkt Hilfe rufen.   Stiles bemühte sich seinen Blick nicht von den rotglühenden Augen der Alphawölfin abzuwenden, während seine Hand in die Jackentasche glitt und er über das Display hinweg strich. Es war jedoch schwierig sich weiter auf sein Vorhaben zu konzentrieren, wenn einem zeitgleich eine Frau so nah auf die Pelle rückte, dass man das Gefühl hatte nicht einmal mehr atmen zu können. „..nur du... und ich...“, säuselte die Dunkelhaarige ihm schließlich ins Ohre, wobei ihr Atem über seinen Nacken steifte und so für einen unangenehmen Schauer sorgte, der über seinen Rücken hinablief. „...und mein Rudel!“   W.... Was?! Stiles zuckte erschrocken zusammen, als er plötzlich von hinten an den Armen gepackt und grob herumgerissen wurde. Das Handy flog ihm dabei in einem hohen Bogen aus der Hand und landete einige Meter von ihm entfernt im dichten Gestrüpp zwischen den Bäumen. Nein... Nein! Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte Stiles auf den Waldboden, ehe sein Blick weiter nach oben huschte. What the... fuck?! Für einen kurzen Moment dachte er wirklich, plötzlich alles doppelt zu sehen. Er konnte genau in das Gesicht... oder eher in die Gesichter eines jungen Mannes blicken. Erst als Stiles irritiert blinzelte,wurde ihm bewusst, dass er nicht wirklich doppelt sah, sondern dass er tatsächlich von zwei identisch aussehenden Männern festgehalten wurde... Zwillinge?! Das war der einzige Gedanke, den er noch fassen konnte, ehe die Welt um ihn herum plötzlich in Dunkelheit versank...   ~*~   Die Sonne war bereits hinter den Hügeln von Beacon Hills untergegangen, als Derek endlich wieder das Gefühl hatte mehr Mensch als Tier zu sein. Die letzten Stunden waren ein einziges Dilemma gewesen. Der Wolf, der normalerweise in Dereks Inneren schlummerte, hatte die komplette Kontrolle an sich gerissen und machte leider auch keine Anstalten diese neu gewonnene Freiheit so schnell wieder aufzugeben. Dazu war er viel zu angespannt und aufgewühlt. Scheinbar hatte ihn die Realisierung, dass dort draußen ein potentieller Gefährte nur darauf wartete von ihm erwählt zu werden, so sehr aus der Bahn geworfen, dass er schlussendlich die Kontrolle verloren hatte. Erst als Isaac nach Hause gekommen war und ihm Gesellschaft geleistet hatte, schien sich der Wolf langsam aber sicher wieder zu beruhigen. Es war die Nähe zu einem Mitglied des Rudels und die vertraute Wärme die von dem jüngeren Werwolf ausging, die schließlich dafür sorgten, dass Derek wieder Herr über seine Sinne und vor allem über seinen Körper wurde. Die Verwandlung ging langsam von statten. Die Knochen verschoben sich und bahnten sich einen Weg, um an ihren neuen Platz zu gelangen... Alle Muskeln schienen sich auf einmal anzuspannen und Dereks Eingeweide brannten wie Feuer, während sein Körper immer menschlicher wurde. Das dichte, schwarze Fell wurde durch helle, weiche Haut ersetzt, die sich in den ersten Minuten wie viel zu dünnes Papier anfühlte, das kurz davor war zu reißen. Alles in allem war es ein schmerzhafter Prozess, an den sich Derek nur schwer gewöhnen konnte... Vielleicht würde er sich sogar nie ganz daran gewöhnen.   Isaac hatte die Verwandlung mit großem Interesse aus den Augenwinkeln mitverfolgt. Er hatte es nicht gewagt sich voll und ganz zu Derek herum zu drehen. Zum einen hatte er das Gefühl, dass er viel zu sehr in die Privatsphäre des Älteren eindrang, zum anderen saß Derek nun nackt neben ihm auf dem Ledersofa, was die ganze Sache irgendwie noch abstruser machte. Isaac räusperte sich einmal verhalten, während sein Blick penibel auf den Couchtisch gerichtet war. Er hatte eh schon mehr Intimes von seinem Alpha erfahren, als ihm lieb war... Und doch schossen tausend Fragen durch seine Gedanken... Angefangen von 'Was ist passiert?' und 'Wieso warst du in deiner Alphaform?' bis hin zu der momentan prekärsten Frage 'Wieso riechst du so sehr nach Stiles?'   Isaac konnte spüren, wie ihm eine ungewollte Hitze ins Gesicht schoss und seine Wangen einen gesunden Farbton annahmen, als er versuchte sich selbst einen Reim auf all das zu machen. Verdammt... Was hatte er sich auch dabei gedacht hier bei Derek zu bleiben? Er hätte schon längst die Flucht ergreifen sollen! Wobei... Es war vielleicht noch nicht zu spät für einen Rückzug... „Ähm... vielleicht sollte ich nach oben gehen... und dir ein paar... Sachen zum anziehen- “ Isaac ließ den Satz unvollendet, während er wie von der Tarantel gestochen von der Couch aufsprang und einmal mit seinen Armen durch die Luft fuchtelte. Fuck... Er benahm sich ja fast schon wie Stilinski... Das durfte doch echt nicht wahr sein! Er hatte in den letzten Tagen eindeutig zu viel Zeit mit dem größten Chaoten von Beacon Hills verbracht. Das konnte ja nicht gut enden! „Warte!“ Wie angewurzelt blieb der junge Werwolf stehen, als die dunkle Stimme seines Alphas durch das große Loft hallte. In seinem Rücken konnte er ein leises Rascheln hören, was darauf hin deutete, dass Derek sich ebenfalls von dem Ledersofa erhoben hatte und nun direkt hinter dem Jüngeren stand. Isaac biss sich leicht auf die Unterlippe, während er weiter stur geradeaus auf die Wendeltreppe starrte. Verdammt... So nah und doch so fern...   „Isaac... ich... ich...wollte... also... ich...“ Mit einem frustrierten Knurren fuhr sich Derek einmal durch das dichte Haar und vergrub sein Gesicht für kurze Zeit in seinen Händen ehe er tief durchatmete. Er war mindestens genauso überrascht über sein albernes Gestotter wie Isaac. Verblüfft weiteten sich nämlich die Augen des jüngeren Werwolfs, während er sich nun doch wieder umdrehte um seinem Alpha ins Gesicht sehen zu können. Was zum Henker?! Noch nie hatte er Derek Hale so unsicher erlebt. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er deshalb vorsichtig nach, auch wenn er nicht wirklich mit einer Antwort rechnete. Zumindest enttäuschte ihn Derek in dieser Hinsicht nicht, da er die ernstgemeinte Frage einfach überging. Jedoch schaffte es der Alpha ihn dafür mit seinen nächsten Worten komplett vor den Kopf zu stoßen. „Ich... wollte mich nur... bei dir entschuldigen.“ „W... WAS?!“ Isaac konnte diesen verblüfften Ausruf nicht rechtzeitig zurück halten. Ihm waren komplett die Gesichtszüge entgleist, was ihn wahrscheinlich wie einen Vollidioten aussehen ließ, aber hey... Wer konnte ihm das momentan schon verdenken? Er musste sich ja wohl gerade sowas von verhört haben... Derek machte jedoch keine Anstalten sich nochmal zu wiederholen und dieses offensichtliche Missverständnis wieder aus dem Weg zu schaffen, weshalb sich schließlich Isaac dazu gezwungen sah noch einmal nachzuhaken. „Ähm... ich versteh nicht so ganz...“ Derek schnaubte leise, so als könnte er nicht ganz nachvollziehen, was es daran nicht zu verstehen gab. „Ich entschuldige mich bei dir...“, wiederholte er schließlich, wobei ihm deutlich anzumerken war, wie schwer ihm diese Worte über die Lippen kommen wollten. Isaac blinzelte ein paar mal irritiert. Okay... Sich einmal zu verhören war für einen Werwolf ja schon abwegig, aber zweimal? Nein, das war ein Ding der Unmöglichkeit.   „Entschuldigen? Aber... wofür denn?“, fragte Isaac schließlich nach. „Für... mein Verhalten...“ Derek wich dem fragenden Blick, der ihm dafür sofort entgegen gebracht wurde, gekonnt aus. Es war so schon schwer genug sich dem anderen Werwolf gegenüber zu öffnen... da brauchte er sich nicht auch noch diesen treudoofen Augen auszuliefern. „Mir ist klar geworden, dass ich nicht sonderlich fair dir gegenüber war... Ich habe dich aus völlig egoistischen Gründen zu einem Werwolf gemacht... genau wie-“ Auch nach all der Zeit konnte er die Namen der beiden nicht aussprechen, trotzdem schien es so als hätte Derek sie laut in das Loft gebrüllt.   ... Erica... ... Boyd...   Mit einem leisen Seufzen setzte der Alpha schließlich erneut zum Sprechen an. „Ich hab euch dadurch in Gefahr gebracht. Ihr wurdet von mir mit hineingezogen in eine Welt von der ihr nichts wissen konntet, weil ich euch die ganze Zeit über völlig im Dunkeln gelassen habe...“ „Derek... das-“ Isaac hatte empört zu einem Widerspruch angesetzt, jedoch wurde er durch eine einzige Geste sofort wieder zum Schweigen gebracht. Derek wusste, wenn er jetzt aufhörte, dann würde er niemals aussprechen, was ihn schon seit langem bedrückte... Eigentlich hätte er NIE auch nur den Gedanken in Erwägung gezogen, dieses Thema überhaupt anzusprechen, aber das war wohl einzig und alleine der Verdienst von Stiles. Mit seiner bescheuerten Wette, die dafür sorgen sollte, dass Derek endlich ein wenig freundlicher wurde, hatte der junge Mann ihm vielmehr nach und nach all seine Schwächen aufgezeigt, auch wenn er das vielleicht im ersten Moment nicht wahrhaben wollte. Mit einem Seufzen fuhr Derek schließlich fort: „Ich habe euch als Werkzeuge missbraucht um stärker zu werden... Ich war wie geblendet von der neu erlangten Macht und habe dabei das Wichtigste völlig aus den Augen verloren... mein Rudel! Ich hätte mehr für euch da sein müssen... Ich hätte euch ein besserer Alpha sein müssen... vielleicht wären sie dann nicht... weggelaufen und...“   „Das stimmt nicht!“ Isaac schüttelte vehement den Kopf, so dass seine Locken wild hin und her wirbelten. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den Derek so noch nie zuvor bei dem größeren Werwolf gesehen hatte und den er nicht so recht einordnen konnte. Bestürzung, Wut, Trauer, Verständnis... all diese Emotionen schienen für einen Sturm zu sorgen, der in den hellen Augen von Isaac zu toben schien. „Derek... jeder macht einmal Fehler, aber... es war doch nicht alles schlecht, was du getan hast!“ Vorsichtig griff Isaac nach den nackten Schultern des Alphas. „Überleg doch mal... Du hast so viel für mich getan. Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte ich niemals die Kraft dazu gehabt, mich meinem Vater entgegen zu stellen. Du hast mich da raus geholt, Derek, weil du mir den Mut dazu gegeben hast, mich endlich zur Wehr zu setzen... Du hast mich bei dir aufgenommen... Du hast mir ein Dach über dem Kopf gegeben... Du hast mir ein neues Leben geschenkt! Also bitte... Sag jetzt nicht, dass du ein schlechter Alpha bist!“ Isaac übte mit seinen Händen einen sanften Druck auf Dereks Schultern aus, ehe er den Griff wieder löste und sich ein Grinsen auf seinen Lippen breit machte. „Du hast auch deine guten Seiten an dir!“ Es war das erste Mal, dass Isaac den Alpha vollkommen sprachlos sah. Und zwar nicht wie sonst auf eine grummelige Art und Weise, sondern vielmehr, weil der Ältere von Isaacs Ansprache absolut überrumpelt worden war. Es dauerte einen Moment ehe Derek sich wieder so weit gefangen hatte, dass er leicht mit dem Kopf nicken konnte und sich sein Mund zu einem kleinen Lächeln verzog, was wohl so viel wie 'Danke' heißen sollte.   Isaac zog daraufhin die Schultern ein wenig nach oben. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, was er da gerade alles zu Derek... zu seinem Alpha... gesagt hatte. Oh Mann... Sofort schoss ihm die Schamröte ins Gesicht, weshalb er schnell seinen Blick gen Boden senkte, was eine schlechte Idee war... Eine ganz schlechte Idee... Isaac sog scharf die Luft durch die Nase ein, als er plötzlich einen freien Blick auf Dereks nackte Statur hatte. So schnell, dass ihm fast schon schwindelig wurde, hob Isaac seinen Kopf wieder an und stolperte einen Schritt von dem älteren Werwolf zurück. „Ähm... möchtest... möchtest du dir nicht doch... endlich was... was anziehen?“, stotterte er vor sich hin, weshalb Derek nur genervt die Augen verdrehte.   Teenager heutzutage und ihr verdammtes Schamgefühl...   ~*~   Stiles erwachte mit dem Geschmack von Erde im Mund, was er sich im ersten Augenblick partout nicht erklären konnte. Erst als er sich langsam auf den Rücken drehte und unter sich nicht seine weiche Matratze, sondern nur harten Boden spüren konnte, dämmerte es ihm, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Blinzelnd öffnete Stiles vorsichtig die Augen, jedoch änderte das nicht sonderlich viel. Es war verdammt dunkel hier... Es dauerte ein wenig, bis sich Stiles an die schlechten Lichtverhältnisse gewöhnt hatte und er schemenhaft einige Baumkronen über sich erkennen konnte. Der spärliche Mondschein war die einzige Lichtquelle weit und breit. Was zum... Stiles versuchte sich aufzurichten, jedoch protestierte jeder Muskel in seinem Körper mit einem starken Brennen gegen die Bewegungen, weshalb er sich ächzend wieder nach hinten fallen ließ und die Augen zusammen kniff, darauf hoffend, dass die Schmerzen wieder nachlassen würden. Was zur Hölle war nur passiert? Angestrengt versuchte sich Stiles zurück zu erinnern, wie er hier gelandet war – wo auch immer HIER war... er hatte nämlich nicht die leiseste Ahnung, wo er sich gerade befand. Leider blieb ihm nicht die Zeit, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen.   „Endlich aufgewacht?“, erklang wie aus dem Nichts eine Stimme nicht unweit von ihm. Stiles drehte ruckartig den Kopf zur Seite und beobachtete angespannt den Schemen, der sich ihm lautlos aus der Dunkelheit zwischen den Bäumen näherte. Die Blätter unter den nackten Füßen der Frau gaben nicht einmal ein Rascheln von sich, als die Werwölfin schlussendlich direkt neben Stiles zum Stehen kam. Nur schwer konnte er das Gesicht der Dunkelhaarigen erkennen, jedoch reichte es aus um die Verachtung daraus ablesen zu können. „Ich hätte mir ein wenig mehr von dir erwartet!“ Die Frau schnalzte geringschätzig mit der Zunge, während sie mit einer geschmeidigen Bewegung einer Katze gleich in die Knie ging und Stiles eingehend musterte. Sie schien auf irgendetwas zu warten, jedoch hatte der junge Mann nicht die leiseste Ahnung worauf, weshalb er den Blick der Alphawölfin nur mit hochgezogenen Augenbrauen erwiderte. Was zum Henker ging hier nur ab? „Lächerlich...“, knurrte die Dunkelhaarige schließlich, „... du bist nur ein nichtsnutziger Mensch...“. „Das hätte ich Ihnen auch gleich sagen können!“, platzte es aus Stiles heraus. „Und überhaupt... Was zum Henker soll das alles hier? Was wollen Sie von mir? Wieso verfolgen Sie mich die ganze Zeit? Und wo-“ Es war eine verdammt effektive Methode um ihn wieder zum Schweigen zu bringen. Grob hatte ihn die Werwölfin an der Kehle gepackt, so dass sich ihre Krallen in die weiche Haut bohrten und ihm regelrecht die Worte im Hals stecken blieben. Scheiße... Er hatte irgendwie immer gedacht, dass ein ganz anderer Alpha ihm schlussendlich die Kehle heraus reißen würde... aber da hatte er sich wohl geirrt. Mit einem lauten animalischen Brüllen beugte sich die Frau näher zu ihm herunter, so dass ihre Reißzähne nur knapp vor seinem Gesicht zuschnappten.   „Kali!“ Die dunkle Stimme war nur leise, und doch hatte sie den Effekt eines lauten Donnerschlags. Es war wie ein Elektroschock, der durch die Werwölfin hindurch gejagt wurde. Sie ging so plötzlich wieder auf Abstand, als hätte sie sich an Stiles ihre Pfoten verbrannt und ihre bestialischen Gesichtszüge verwandelten sich zurück in das ebenmäßige Antlitz einer Frau. Neben ihr trat ein Mann mittleren Alters aus den Schatten, den Stiles noch nie zuvor in Beacon Hills gesehen hatte. Er trug genau wie Kali dunkle Kleidung und... eine Sonnenbrille, was absolut lächerlich erschien, angesichts der Tatsache, dass die Sonne erst in ein paar Stunden wieder aufgehen würde und es hier eh schon verdammt düster war. Also entweder war dieser Typ echt durchgeknallt, oder aber... Stiles Blick fiel auf den Stock, den der Mann vor sich über den Boden gleiten ließ, während er langsam an Kali vorbei ging. Er setzte dabei mit viel Bedacht einen Fuß vor den anderen, ehe er knapp vor Stiles innehielt und sein Stock direkt neben dem Gesicht des jungen Mannes auf den Boden tippte. Blind... Der Kerl... war blind!   „Ich muss mich für dieses ungehobelte Verhalten entschuldigen...“ Die Stimme klang irgendwie hohl... ohne jegliche Gefühlsregung, weshalb es schwer war herauszuhören, ob die Worte wirklich ernst gemeint, oder nur eine leere Floskel waren. Eigentlich war es vollkommen egal, da Stiles so oder so ein eiskalter Schauer über den Rücken lief, als er zu dem älteren Mann hinauf sah. Irgendetwas stimmte mit dem Kerl ganz und gar nicht... Stiles versuchte unbemerkt ein Stück wegzurutschen, jedoch kam er nicht weit. Der Mann hatte sich plötzlich zu ihm herunter gebeugt und ihn ziemlich zielsicher für einen Blinden genau am Arm gepackt. Mit Schwung wurde Stiles nach oben gezerrt. Ein schmerzerfülltes Zischen kam über seine Lippen, während sein Körper in Flammen aufzugehen schien und vor seinen Augen für einen kurzen Moment alles verschwamm. Sein Kopf fiel nach vorne, so dass sein Kinn auf seiner Brust zum Liegen kam und er atmete ein paar mal heftig ein und wieder aus. Erst als er in einer aufrechten Position saß und er seinen Rücken an den dicken Stamm eines Baumes lehnen konnte, verloren die Schmerzen an Intensität und klangen zu einem stetigen dumpfen Pochen ab. Endlich hatte Stiles seine Sinne wieder so weit unter Kontrolle, dass er die kalte Hand spüren konnte, die ihm sanft über die Wange strich und ihn schließlich dazu zwang seinen Blick wieder geradeaus zu richten, auf den blinden Mann, der genau vor ihm in die Hocke gegangen war.   „Gute Manieren waren noch nie Kalis Stärke... aber... wir arbeiten daran!“ Die Dunkelhaarige war da wohl ganz anderer Meinung, da sie ein missbilligendes Schnauben von sich gab. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt, während sie Stiles unentwegt anstarrte. „Apropos gute Manieren... Ich habe mich noch gar nicht bei dir vorgestellt...“ Auf den Lippen des Mannes breitete sich ein kleines Lächeln aus, das jedoch eher wie eine Grimasse wirkte. „Mein Name ist Deucalion.“ Stiles konnte nur ungläubig blinzeln. Der Typ erwartete jetzt doch nicht allen ernstes, dass sie wie bei einem Sonntagskaffeeklatsch Smalltalk führen würden... Dazu war das hier eindeutig nicht der richtige Ort und vor allem nicht die richtige Stimmung... Zum einen musste er Angst haben, dass Kali ihm jeden Moment nicht doch noch an die Kehle gehen würde und zum anderen schaffte es dieser komische Kerl ihn verdammt nervös zu machen... Und zwar nicht eine vorfreudige Nervosität, sondern eher die ganze schlechte Art von Nervosität!   „Das alles hier ist absolute Zeitverschwendung...“, meldete sich Kali plötzlich wieder zu Wort, „Du hast dich geirrt! Er ist nur ein einfacher Mensch und nicht Dereks-“ Deucalion schlug mit seinem Stock einmal auf den Boden, was dafür sorgte, dass die Werwölfin sofort wieder verstummte. Stiles traute seinen Augen kaum. Wer zum Teufel war dieser Kerl, dass er nur mit einer einzigen Geste einen Alpha zum Schweigen bringen konnte? „ICH IRRE MICH NIE!“ Verschreckt zuckte Stiles zusammen. Hatte die Stimme vorhin noch leer und monoton geklungen, so glich sie jetzt einem gefährlichen Brüllen. Selbst durch die Sonnenbrille hindurch strahlten Stiles zwei blutrote Augen entgegen, ehe sie ihren Glanz wieder verloren. „Ich... irre mich nie...“, sagte Deucalion erneut, wobei er wieder um einiges ruhiger klang. Das Lächeln kehrte langsam auf die schmalen Lippen des älteren Mannes zurück, während sein Gesicht dem von Stiles immer näher kam.   „Er gehört eindeutig zu Hale...“   ~*~   Das Handy vibrierte laut, als es über die glatte Holzoberfläche des Nachtkästchens hinweg rutschte und beinahe zu Boden gefallen wäre, wenn Derek es nicht im letzten Moment aufgefangen hätte. Er konnte schier nichts erkennen, was daran lag, dass ihm der Tiefschlaf, aus dem er gerissen worden war, die klare Sicht nahm. Mit einem unkoordinierten Fingertippen nahm er den Anruf schließlich entgegen und brummte unverständlich vor sich hin, was mit viel Fantasie nach einem 'Hallo?' klang. „Derek... Tut mir Leid, dass ich noch so spät anrufe...“ Irritiert drehte sich der Dunkelhaarige auf den Rücken, wobei er einen kurzen Blick aus dem großen Loftfenster warf. Eine dicke Wolkendecke schob sich gerade vor den Mond und ließ dadurch nur noch die Straßenlaterne als einzige Lichtquelle zurück... Es musste weit nach Mitternacht sein... Der Störenfried sollte also besser einen guten Grund haben, weshalb er sich mitten in der Nacht bei ihm meldete. „Es geht um Stiles...“ Augenblicklich wich sämtliche Trägheit aus den Knochen des Alphas, als er die echte Besorgnis, die in Scott McCalls Stimme mitschwang, durch das Telefon heraus hören konnte. Dereks Herz machte einen Aussetzer, während er sich mit einem Ruck in seinem Bett aufrichtete und die dünne Zudecke zur Seite schlug. „Ich weiß... es ist total bescheuert, dich damit zu nerven und du wirst bestimmt eh gleich wieder auflegen, aber ich-“ Derek stoppte den sinnlosen Redefluss des jungen Mannes mit einem lauten Schnauben. „Komm zum Punkt!“, knurrte er ungeduldig, als er sich von seinem Bett erhob und nach den erstbesten Klamotten griff, die ihm unter die Finger kamen. Irgendetwas stimmt nicht mit Stiles... Irgendetwas stimmt nicht mit Stiles! Das war der einzige klare Gedanke, den Derek gerade fassen konnte.   „Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht weißt... wo... Stiles ist?“, durchbrach Scott schließlich wieder die Stille. Dereks Augenbrauen wanderten ein Stück weit nach oben, was Scott natürlich nicht sehen konnte, jedoch schien er trotzdem genau zu wissen, was sein Alpha von dieser Frage hielt... „Sorry... wie gesagt... es ist total bescheuert und-“ „Wieso sollte ich das wissen?“, unterbrach Derek nun schon zum zweiten mal den Jüngeren, „Ist er denn nicht zu Hause?“ „Nein... sonst würde ich ja nicht fragen!“ Scott klang ein wenig schnippisch, was wohl auch darin begründet lag, dass er sich wahnsinnige Sorgen um seinen besten Freund machte. „Sheriff Stilinski hat bei mir angerufen... Als er von seiner Spätschicht nach Hause kam, war Stiles nicht in seinem Zimmer und sein Jeep stand auch nicht in der Auffahrt, deswegen dachte er, dass Stiles vielleicht bei mir wäre, aber ich habe ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen... Lydia meinte, er wäre heute sogar früher von der Schule abgehauen... Er war nicht einmal beim Lacrosse-Training und er hat den Nachmittagsunterricht geschwänzt... Als Lydia ihn das letzte mal gesehen hat, hatte er irgendetwas von 'jemandem eine Lektion erteilen' gebrabbelt...“ Derek war ganz froh, dass Scott ihn durch das Telefon hindurch nicht sehen konnte. Zum einen waren ihm nämlich bei der letzten Aussage für einen kurzen Moment die Gesichtszüge entgleist und zum anderen versuchte er gerade umständlich seine Jeans anzuziehen, ohne das Handy dabei aus der Hand zu legen. „Ich hab jetzt schon mehrmals versucht ihn anzurufen, aber es geht immer nur seine Mailbox ran... Du kennst Stiles mittlerweile doch auch ganz gut... Was wenn er sich mit jemandem angelegt hat, mit dem er sich besser nicht hätte anlegen sollen?“ Der Alpha hielt mitten in der Bewegung inne. Seine Finger krallten sich in den dicken Stoff seiner Jeans, während vor seinen Augen für kurze Zeit das Bild einer Alphawölfin aufflackerte. Nein... Das durfte nicht wahr sein... Er hatte Stiles doch gesagt, er sollte sich von ihr fern halten!   „Derek... Bist du noch dran?“, fragte Scott schließlich mit zittriger Stimme nach, da der Ältere nun schon über einen längeren Zeitraum keinen Mucks mehr von sich gegeben hatte. Derek murrte leise. „Ja... wo bist du gerade?“ „Ähm... vor Stiles Haus... Ich dachte, vielleicht könnte ich hier eine Spur finden, oder zumindest seine Witterung aufnehmen, aber-“ „Bleib dort! Ich bin gleich bei dir!“ Scott gab nur ein irritiertes „W... was?“ dicht gefolgt von einem „Wozu?“ von sich, weshalb sich Dereks buschige Augenbrauen so weit zusammen zogen, dass sich eine steile Falte auf seiner Stirn bildete. „Ich helfe dir Stiles zu suchen! Deswegen hast du mich doch angerufen, oder?“ „Ja... schon... aber.. ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich...“ Scott schien seine Worte noch einmal zu überdenken, da er ins Stocken geriet, nur um dann noch einmal von vorne zu beginnen. „Okay... ich warte hier...“ „Ich bin in fünf Minuten bei dir...“ Es war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da das Haus der Stilinskis gute zwanzig Minuten von Dereks Loft entfernt war, aber Scott hatte momentan nicht den geringsten Zweifel daran, dass Derek den Weg auch in fünf Minuten schaffen würde.   Der Alpha stürmte regelrecht die enge Wendeltreppe hinunter, wobei er beinahe mit Isaac zusammen gestoßen wäre. Es war keine Seltenheit, dass der Lockenkopf zu so später Stunde noch herumgeisterte. Normalerweise missbilligte Derek das ungesunde Schlafverhalten des jüngeren Werwolfs auch, heute jedoch war er ganz froh darüber. Wenn wirklich diese Alphawölfin hinter Stiles Verschwinden steckte, dann konnten sie jede Unterstützung gebrauchen... 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