This Great And Little Gift von Arianrhod- ([NaLu | Lucy vs. Jude]) ================================================================================ 12. Kapitel, in dem Bewegung in die Sache kommt ----------------------------------------------- Der nächste Tag war ein Freitag und Lucy, beflügelt von frischer Energie und mit einem Schwung, den sie irgendwann verloren hatte, ohne es überhaupt zu merken, machte sich gleich nach dem Frühstück auf den Weg zur Dragon’s Garage. In ihrem Bauch rumorte es wild vor lauter Nervosität, so dass ihr übel war, so dass sie kaum etwas hatte frühstücken können. Sie ließ sich von Glanville in der Stadt absetzen ließ, wo sie kurz beim Bankautomaten vorbeischaute. Den Rest des Weges fuhr sie mit dem Bus, damit Jude nicht aus Versehen hinten herum mitkriegte, dass sie sich wieder mit ihrem Freund traf. Aber das bedeutete natürlich nur ein kleiner Umweg auf ihrer persönlichen Mission, sich wieder mit Natsu zu vertragen. Nichts und niemand würde sie heute aufhalten, das schwor sie sich! Außer natürlich der Tatsache, dass Natsu gar nicht in der Stadt war „Was?“ Mit offenem Mund starrte sie Pantherlily an, einer von Igneels Mitarbeitern, nachdem er ihr mitgeteilt hatte, dass ihr Freund heute mit Abwesenheit glänzte. Der Overall mit dem Logo der Werkstatt spannte sich über seinen breiten Schultern, beeindruckende Muskelberge, die noch zu seiner imponierenden Erscheinung beitrugen. Er schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln, so dass seine Zähne hell in seinem dunklen Gesicht aufblitzten. „Sorry, Lucy. Er ist mit Igneel auf eine Messe in Dawn City gefahren. Sie kommen erst am Sonntag wieder. Warum rufst du nicht einfach an?“ Lucy sackte in sich zusammen. Das zog all ihren Plänen den Boden unter den Füßen weg. „Ich muss das persönlich besprechen. Aber danke für die Info.“ Diese Entschuldigung würde sie sicher nicht über das Telefon abwickeln! Allerdings hieß das, dass sie diese Aufgabe noch ein paar Tage mit sich herumschleppen würde, was ihrem Magen sicher nicht guttun würde. Nun gut, das hatte sie sich letzten Endes doch alles selbst eingebrockt, sie würde das schon durchstehen. Sie winkte Lily noch einmal zu und verließ den Hof wieder, um die Straße hinunter zu bummeln. Leise vor sich hin schimpfend kramte sie ihr Handy aus der Tasche und warf einen vergeblichen Blick darauf. Natsu hatte ihr nicht einmal Bescheid gesagt, dass er über das Wochenende nicht da sein würde. Auf der anderen Seite – er war vermutlich immer noch sauer auf sie, also warum sollte er? Sie seufzte und schob das Gerät wieder in die Tasche zurück. Was sollte sie jetzt tun? Unvermittelter Dinge umkehren? Und dann…? Noch länger in der Villa herumzusitzen würde sie nicht ertragen, dort fiel ihr schon die Decke auf den Kopf. Aber was konnte sie sonst tun? Zum Reitstall fahren? Dann würde man sie aber nur wegen dem Weihnachtsturnier ansprechen und sie hatte keine passende Ausrede parat, warum sie nicht mitmachen konnte. Normalerweise ließ sie sich diesen Spaß nicht nehmen, aber dieses Jahr würde sie um diese Zeit hochschwanger sein. Auf einem Pferd hatte sie dann jedenfalls nichts mehr verloren. Und sowieso, wer wusste überhaupt, wie lange sie überhaupt noch dorthin ging? Sie konnte auch jemand anderen besuchen. Gray war auch noch nicht aus dem Camp zurück, also fiel er weg, aber Erza war vielleicht zuhause. Womöglich besuchte sie gerade einen ihrer vielen Collegevorbereitungskurse, aber nachsehen kostete nichts. Die Rothaarige hatte hochgesteckte Ziele und würde alles dafür tun. Inzwischen hatte sie auch jemanden, der bereit war, sie darin zu unterstützen. Makarov Dreyar war nach einer langen Reihe mehr oder weniger schlechter Pflegeeltern der einzige, bei dem sie sich wohl fühlte. „Was soll’s.“ Lucy grüßte auf dem Rückweg zur Bushaltestelle die alte Dame, die neben den Dragneels wohnte und immer für eine Plauderei zu haben war, und erwischte gerade noch den Bus, der zur Siedlung hinüberfuhr, in der Erza wohnte. Fünfzehn Minuten später klingelte sie an der Haustür, die die Rothaarige einige Minuten später aufriss. Ihr Lächeln wich einem Stirnrunzeln, als sie den Besucher erkannte, und sie stemmte die Fäuste in die Hüften. „Und, hast du dich mit Natsu versöhnt?“, wollte sie statt einer Begrüßung wissen. Lucy schrumpfte unter dem strengen Blick zusammen. Dann straffte sie die Schultern; sie hatte sich jetzt nichts mehr vorzuwerfen. „Nein, ich…“ Erza zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, in der die Werkstatt lag. „Dann tu’s, marsch, marsch.“ Lucy schmunzelte – das war typisch für ihre beste Freundin! Sie würde kein Vielleicht und Aber gelten lassen. Dann wurde sie wieder ernst. „Erza, ich komme gerade von der Werkstatt. Sie sind auf dieser Messe. Ich wollte das mit ihm persönlich klären und nicht übers Telefon, darum gehe ich Montag nochmal hin.“ Die Rothaarige musterte sie einen Moment streng, dann entspannte sie sich und nickte. „Ich bin froh, dass du es endlich erkannt hast.“ Sie lächelte breit und machte eine einladende Geste. „Willst du reinkommen?“ Lucy schüttelte den Kopf. „Ich habe gehofft, dass wir vielleicht in die Stadt gehen könnten oder so. Tee trinken, brunchen, shoppen? Einfach nur spazieren? Ich war in den letzten Tagen nur Zuhause.“ Sie lächelte verlegen. Letzteres war natürlich ihre eigene Schuld, aber sie bemerkte immer mehr, wie sehr sie jetzt einen Ausflug brauchte und Zeit abseits der Villa. „Gute Idee! Ich sag nur schnell Bescheid.“ Erza flitzte wieder nach drinnen und kam kurz darauf wieder heraus, die Handtasche über der Schulter und auf einem Bein hüpfend, während sie versuchte, sich ein Paar Sandalen überzustreifen, ohne stehen zu bleiben. „Du weißt, dass wir genug Zeit haben, ja?“, grinste Lucy sie an. „Oder musst du nachher irgendwohin? Du brauchst dir nicht den Hals zu brechen, während du dir die Schuhe anziehst.“ Die Rothaarige zuckte nur mit den Schultern und zog die Schnallen zu. „Wir nehmen mein Auto.“, bestimmte sie. „Dann kann ich dich nachher auch wieder nach Hause fahren.“ Dazu sagte Lucy natürlich nicht nein und steuerte die uralte Karre an, die am Straßenrand stand. Freitagmorgens war es in der Innenstadt zum Glück relativ ruhig, trotz dass Sommerferien waren. Die Touristen und Schüler würden erst später am Tag darüber herfallen und die meisten Einheimischen arbeiteten noch. Die Morgensonne war warm und eine kühle Brise zog durch die altertümlichen Gassen. „Wo sollen wir zuerst hin?“, fragte Lucy, als sie in die Fußgängerzone abbogen. „Einen Kaffee trinken?“ „Du solltest kein Koffein zu dir nehmen.“, belehrte Erza sie mit einem vielsagenden Blick auf Lucys Bauch, der von einem lockeren T-Shirt gut kaschiert wurde. Lucy winkte ab. „Ich kann auch Tee trinken. Also, Kardia Café? Oder sollen wir erst woanders hingehen? Eigentlich hab ich erst gefrühstückt.“ „Ich auch.“, stimmte Erza zu und deutete die Straße hinunter. „Lass uns erst shoppen gehen. Ich habe letztens so ein niedliches Kleid gesehen, drüben bei G&I, und brauche eine zweite Meinung.“ Damit packte sie ihre Freundin am Handgelenk und zog sie hinter sich her. „Willst du irgendwo bestimmtes hin?“, fragte sie, während sie im Laufschritt durch die Straßen eilte. Lucy musste rennen, um hinterher zu kommen. Wo nahm Erza nur immer diese Energie her und waren sie nicht zum Bummeln hier? Das war ganz sicher kein Bummeln… „Ähm, ich wollte…“ Sie wurde rot und verstummte, so dass sogar Erza langsamer wurde. „Ja?“ „Naja, zum BabyBear.“, gab sie dann kleinlaut zu. Eigentlich hätte ja Natsu der sein sollen, der zuerst von ihrer Entscheidung erfuhr. Aber Erza war auch die, die zuerst überhaupt von der Schwangerschaft erfahren hatte. Und sie wollte jetzt keine Zeit mehr verlieren, davon hatte sie schon genug verplempert. Abrupt blieb die Rothaarige stehen, so dass Lucy ungeschickt in sie hineinlief. Doch Erza kümmerte sich gar nicht darum, sondern packte sie an den Oberarmen und grinste sie mit funkelnden Augen an: „Du hast dich entschieden, es zu behalten?!“ Ihre Stimme war zu laut und sie standen mitten im Weg, also zog die Blonde sie beiseite. „Ja. Einer der Gründe, warum ich mit Natsu sprechen wollte. Ich … kann das nicht allein.“ „Aber er wird für dich da sein.“ Erza nickte und nahm ihre Hände, um sie bestärkend zu drücken. „Und wir auch, mach dir keine Sorgen darum! Ich kann ja wohl kaum mein Patenkind im Stich lassen, noch ehe es geboren ist! Ich bin froh, dass du deine Entscheidung endlich getroffen hast.“ Ein warmes Gefühl stieg in Lucy auf und sie war mit einem Mal so dankbar, ihre Freundin zu haben, dass sie Tränen wegblinzeln musste. Sie erwiderte das breite Lächeln. „Danke.“ Sie schluckte ihre Rührung herunter und fuhr rasch fort, um sie zu überspielen: „Jedenfalls dachte ich, dass ich es ausnutzen muss, solange ich noch Zugriff auf mein Konto habe.“ Sie klopfte auf ihre Tasche. „Ich war schon auf der Bank.“ Die Rothaarige warf die Arme um sie. „Ich freue mich so für dich!“, erklärte sie und Lucy war sich ziemlich sicher, nicht nur zu der Entscheidung beglückwünscht zu werden, sondern auch dazu, mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein, zumindest im Moment. „Okay, lass uns zuerst dorthin gehen.“ So abrupt, wie Erza stehen geblieben war, marschierte sie auch schon wieder los, diesmal in eine andere Richtung. Kurz darauf erreichten sie das große Geschäft für Baby- und Kleinkindersachen, das fast noch größer war als die Hauptfiliale in Crocus. Die Schaufenster waren in blassblau und rosa dekoriert, dazu ein paar Bilder von Säuglingen und ihren glücklichen Müttern. Innen sah es ähnlich niedlich-süßlich aus, mit langen Reihen an Regalen, Wühlkisten und Kleiderständern. In einer Ecke gab es Möbel – Wiegen, Wickeltische, kleine Bettchen, winzige Stühle. Während Lucy sich noch etwas hilflos umsah (wie kam es, dass der letzte Besuch in einem BabyBear ihr so viel leichter gefallen war?), hatte Erza nicht solche Hemmungen. Die Rothaarige ging das Ganze an wie eine Schlacht und marschierte mit stolzgeschwellter Brust wie ein Feldherr voran, so dass ihr jeder erschrocken auswich. „Was brauchen wir zuerst?“ Sie kaperte den letzten Einkaufswagen vor einer jungen, schlanken Frau in hochhackigen Sandalen, die ihr einen bösen Blick hinterher warf, den Erza gar nicht bemerkte. „Eine Wiege, Wickeltisch?“ Lucy warf der Frau einen entschuldigenden Blick zu und schloss eilig zu ihrer Freundin auf. „Lass es uns erstmal klein angehen, ja? Ich weiß gar nicht, wo ich das Zeug alles unterbringen soll, damit Papa es nicht sieht.“ „Kein Problem, du kannst es bei mir zwischenlagern, aber Möbel wären vielleicht doch zu viel des Guten.“, gab Erza zu, aber das nahm ihr nichts von ihrem Enthusiasmus. „Also Kleider und so!“ Sie hätte beinahe einen anderen Wagen gerammt, so begeistert warf sie sich in die Schlacht. Mit einer knappen Entschuldigung an das erschrockene Paar stürmte sie den Flur hinunter. Einige Schritte später hielt sie nochmal an. „Weißt du eigentlich inzwischen, was es wird?“ „Nein. Ich hab meinen nächsten Termin bei Grandine erst nächste Woche und letztes Mal ließ sich das noch nicht feststellen.“ Wie Erza wusste, immerhin war sie dabei gewesen. „Wenn ich Pech habe, werd ich’s erst erfahren, wenn es da ist. Aber ich würde diesmal gerne Natsu mitnehmen. Jetzt müssen wir uns erstmal auf geschlechtsneutrale Sachen einigen.“ Lucy hob die Schultern. Das war ihr eh lieber als kitschiges Zeug in Hellblau oder Rosa. „Also gut.“ Erza ließ sich von dem kleinen Dämpfer kaum beirren und stürmte erneut los. Lucy bedauerte es schon fast, ausgerechnet mit ihr hergekommen zu sein. Aber von ihren anderen Freundinnen wusste noch keine Bescheid, auch wenn das nur eine Frage der Zeit war – früher oder später würde auch das weiteste Kleidungsstück ihren Bauch nicht mehr verbergen. Sie erschauderte jetzt schon an den Gedanken, was ihre Mitschüler dazu zu sagen hatten. Außerdem war es Erza, ihre beste Freundin, ihre Unterstützung, die, die ihr den Kopf geradegerückt hatte, die voll und ganz hinter ihr stand, die sie von Anfang an begleitete. Wer war eine bessere Wahl für sowas? Außerdem würde Erza sie umbringen, wenn sie ohne sie Babykleider kaufen gehen würde. Das zeigte sich schon an dem Enthusiasmus, mit dem sie sich in die Aufgabe stürzte. Mal fischte sie ein winziges Hemdchen aus einem Wühltisch, mal einen Body, mal einen zuckersüßen Strampler. Es war leicht, sich von ihr mitreißen zu lassen und die niedlichsten Dinge im Laden herauszusuchen. Am letzten Abend, nachdem sie sich von Loke verabschiedet hatte, hatte Lucy sich erstmal ihren Laptop geschnappt und sie dankte allen höheren Mächten dafür. Sie hatte bereits während des Gesprächs begonnen, Pläne zu machen, wie es jetzt weitergehen würde, und sofort beschlossen, voll und ganz ihr momentan noch gut gefülltes Bankkonto auszunutzen. Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen, aber sie befürchtete, dass das nicht mehr lange der Fall sein würde. Aber damit sie Natsu und Igneel (von dem sie jetzt einfach mal annahm, dass er mitspielte, auch wenn er natürlich auch noch nicht zugesagt hatte) nicht zu sehr auf der Tasche liegen würde, würde sie jetzt schon kaufen, was sie konnte. Und hilfreiche Listen im Internet halfen ihr, um alles zusammenzusuchen, was sie so brauchen würde, wenn das Baby erstmal da war. Lucy genoss den Shoppingausflug vollen Zügen. Sie fühlte sich frei und leicht und auch wenn sie wusste, dass noch schwere Hürden auf sie zukommen würden und sie sich zudem auch noch mit Natsu aussprechen musste. Aber jetzt, da ihre Entscheidung stand, da sie wusste, was sie wollte, war die Angst verschwunden. Es fühlte sich einfach gut an. Sich auf das Baby freuen, auf Natsus Gesicht, über Erza, die so begeistert an die Sache heranging, und einfach nur die Situation genießen. Das hatte sie sich nach all den emotionalen Strapazen der letzten Wochen verdient. Dieses Gefühl würde auch nicht ewig halten, darum hatte sie vor, es auszunutzen. Noch wusste Jude nichts von ihrem stetig wachsenden Geheimnis. Als sie schließlich mit einem schwer beladenen Einkaufswagen zur Kasse eierten, war die Mittagszeit schon vorbei und ihr Magen knurrte. Sie ging schon die Restaurants durch, in die sie ihre Freundin einladen konnte, der jedoch keinerlei Spuren von Erschöpfung anzusehen waren. Erza bestand auch darauf, einen putzigen Schlafsack mit tanzenden Erdbeeren darauf zu kaufen, auch wenn Lucy protestierte, sie könnte es alles selbst bezahlen. Aber die Rothaarige ließ sich nicht beirren, denn „immerhin darf ich mein Patenkind verwöhnen, wie ich will, oder nicht?“ ~~*~~❀~~*~~ Pünktlich um kurz vor Neun traf Lucy am folgenden Montag wieder in der Werkstatt ein. Igneel sah sie zuerst und über sein Gesicht breitete sich ein freudiges Grinsen aus, das keinen Zweifel daran ließ, woher Natsu sein unwiderstehliches Lächeln hatte. „Lucy! Wie schön, dich wieder mal zu sehen.“ Er zog sie in eine feste Umarmung, die sie freudig erwiderte, und seine tiefblauen Augen funkelten. Wie anders war da ihr Vater! Wie lange hatte sie Jude nicht mehr umarmt? War es seit dem Tod ihrer Mutter? Warum fielen ihr die Dinge jetzt alle nacheinander auf, diese kleinen Dinge, die ihr vor Augen führten, wie sehr sich ihre Beziehung zu ihrem Vater verändert hatte? Als hätte sie früher einfach ihre Augen davor verschlossen… „Ich hoffe, du bist da, um die Sache mit dir und meinem Sohn wieder ins Reine zu bringen.“, erklärte Igneel, als er sie losließ und scharf von oben bis unten musterte. „Er hat jetzt seit fast vier Wochen schlechte Laune und selbst die Woche, die er mit Erza in Hargeon war, hat nicht geholfen.“ Vater und Sohn waren heute beinahe allein, da die Mitarbeiter fast alle im Urlaub waren. Nur Pantherlily schraubte etwas entfernt an einem schicken Mercedes herum; er studierte und arbeitete jetzt in den Semesterferien doppelt so viel wie normal. Außerdem war vermutlich ein Mann für den Abschleppdienst abkommandiert worden und durch die Scheibe konnte sie undeutlich den dunklen Schopf einer Sekretärin erkennen. Aus dem Büro drang das Gedudel des Radios und am anderen Ende der Halle konnte sie Natsu werkeln hören. Lucy lächelte Igneel an. „Ja, das bin ich, keine Sorge. Darf ich ihn entführen?“ „Nimm ihn nur mit.“ Die Erleichterung in Igneels Stimme war nicht zu überhören. „Aber behalt ihn nicht zu lange, ja? Ich muss hier noch was fertigkriegen und außer ihn ist grad nur Lily da.“ „Ich sehe, was ich tun kann.“ Sie winkte ihm zu, als sie sich auf die Suche nach ihrem Freund machte. Sie fand ihn am hintersten Ende der Halle unter einem aufgebockten, rotzgrünen Opel, dem alle Räder fehlten und der hässlicher nicht sein könnte. Nur Natsus Beine, die in einem schwarzen Overall steckten, ragten unter dem alten Auto hervor, und sie beugte sich hinunter, um ihn zu begrüßen. Mit den Kopfhörern seines MP3-Players in den Ohren und auf seine Arbeit konzentriert bemerkte er sie allerdings gar nicht. Nicht einmal, dass sie ihm den Schraubenschlüssel reichte, nach dem er tastete, fiel ihm auf. Erst, als er die Mutter gelöst hatte, starrte er das Werkzeug einen Moment lang verwirrt an und drehte dann den Kopf, während er schon die Ohrenstöpsel abnahm. Laute Rockmusik drang aus den winzigen Lautsprechern, kein Wunder, dass er sie nicht gehört hatte. „Lucy!“ Ein strahlendes Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus und er ließ den Schraubenschlüssel fallen, um sich unter dem Auto hervorzurollen. Noch im Aufstehen riss er sich die Handschuhe von den Händen, um sie anständig begrüßen zu können. Einige Momente genoss sie seinen Kuss und die Umarmung, die sie kräftig erwiderte. Sie presste ihr Gesicht gegen seine Schulter und genoss es einfach, ihm wieder so nah sein zu können. Anspannung, von der sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie da war, fiel von ihr ab und die Sehnsucht nach ihm verflog einfach, als wäre sie nie da gewesen. Nach einigen Augenblicken schob sie ihn mit einem Lächeln von sich. „Ich dachte, du bist sauer auf mich.“ Vielleicht war das kein guter Einstieg, aber es war immerhin einer. Und sie gedachte ja, das Problem sofort aus der Welt zu schaffen. Er stutzte, dann rieb er sich den Hinterkopf. „Eigentlich schon. Aber ich hab dich vermisst, da hab ich das darüber einfach vergessen. Ich kann jetzt wieder sauer sein?“ Da er allerdings nicht klang, als ob er das für eine gute Idee halten würde, lachte sie und knuffte ihm spielerisch in die Seite. „Nein, lieber nicht. Komm, wir müssen reden.“ Er warf einen kurzen Blick nach vorne, wo sein Vater inzwischen halb in einem Pickup steckte, aber Lucy zog ihn am Arm mit sich. „Ich hab schon mit ihm gesprochen, komm jetzt.“ „Also gut, also gut.“ Lachend hob er besiegt die Hände und ließ sich von ihr davonziehen. Sie setzten sich auf die kleine Terrasse mit den gesprungenen Fliesen, die von einem kleinen, komplett verwilderten Garten umgeben war. Weder Natsu noch Igneel hatten das Interesse, das Talent oder die Zeit, sich darum zu kümmern, auch wenn er einmal sehr schön gewesen sein musste, als Natsus verstorbene Mutter sich darum gekümmert hatte. Lucy tat es von Herzen leid und manchmal juckte es sie richtig in den Fingern, ein wenig Ordnung hineinzubringen. Aber das wäre wohl ein Langzeitprojekt. Lucy riss die Gedanken davon los und wandte sich ihrem Freund zu. Sie blickte ihn einen Moment nur an, sein attraktives Gesicht mit dem fragenden Lächeln und den funkelnden, dunklen Augen, in denen sie stets so viel Liebe, Freude und Lebenslust erkennen konnte. Plötzlich war ihr Mund trocken und all die gut überlegten Worte waren wie weggewischt. Das einzige, das ihr durch den Kopf ging, war ich hoffe, unser Kind hat seine Augen. Sie schluckte und gab sich einen Ruck, während sie Natsus Hände nahm. Seine Finger waren schwielig und kräftig, aber er erwiderte den Druck zart, als hätte er Angst, ihr wehzutun. „Es tut mir leid.“, erklärte sie dann. „Ich … ich hätte dich nicht so anschreien dürfen und dir besser zuhören müssen. Es tut mir auch leid, dass ich dich nie meinem Vater gegenüber verteidigt habe, und du bist das Beste, das mir je passiert ist. Mir tut es auch leid, dass diese Situation sich so verfahren hat und ich habe es noch nicht einmal gemerkt und…“ Warme Lippen pressten sich auf ihre und unterbrachen den Redeschwall. Der Kuss dauerte nur einen Moment, dann richtete Natsu sich wieder auf und wischte ihre Worte mit einer Handbewegung beiseite. „Schwamm drüber. Ich hab es nicht so gemeint und wollte dich nicht so unter Druck setzen und…“ „Nein, hör zu.“, fiel sie ihm ins Wort. Es war wichtig, dass er hörte, was sie ihm zu sagen hatte und er hatte verdient, es zu hören. „Es tut mir wirklich leid. Du hast das nicht verdient, aber ich verspreche, mich zu bessern.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Und du hattest recht.“ Verdutzt starrte er sie an, dann hob sich unwillkürlich einer seiner Mundwinkel, obwohl er immer noch verwirrt aussah. „Ehrlich?“ Er klang so erstaunt darüber, dass es beinahe komisch war. Aber Lucy hatte schon immer gewusst, dass er weit klüger war, als alle ihm zutrauten. „Ja.“, sagte sie nachdrücklich. „Es hat eine Weile gedauert und auch ein paar… ähm … unangenehme Gespräche gebraucht, bis ich es erkannt habe, aber es stimmt, was du gesagt hast.“ Sie seufzte und ließ ihn los, um sich gerader hinzusetzen. Ihr Blick rutschte auf den Boden, zu einem Sprung in einer Bodenplatte, aus dem Vergissmeinnicht wuchs. Sie holte tief Luft, ehe sie weitersprach. Es war einfach nicht leicht, darüber zu sprechen, aber wenn nicht mit Natsu, mit wem denn dann? „Mein Vater … ist kein einfacher Mensch und der Tod meiner Mutter hat ihn schwer getroffen. Er ist immer noch nicht darüber hinweg. Aber das ist keine Entschuldigung für sein Verhalten. Und ich kann jetzt nicht nur noch an mich denken.“ Sie blickte auf ihre im Schoß zusammengefalteten Hände. „Erza hat ein ernstes Gespräch mit mir geführt, Gray war vor einiger Zeit bei mir, um mir einige Sachen an den Kopf zu werfen, und vor ein paar Tagen hat mein Vater mir mitgeteilt, dass er mich für das letzte Schuljahr an einem Internat in Crocus angemeldet hat und dann hab ich auch noch mit Loke gesprochen.“ „Was, du gehst weg?!“, rief Natsu entsetzt aus und sprang aufgebracht auf. Warum verwunderte es sie eigentlich, dass dies das einzige war, das er wahrgenommen hatte? „Aber du kannst nicht weg! Was mache ich denn ohne dicht?“ Sie schmunzelte zu ihm hoch und klopfte auf den Stein neben sich, damit er sich wieder setzte. „Dummerchen. Denkst du wirklich, er lässt mich an diese Schule gehen mit einem dicken Babybauch?“ Verdutzt hielt Natsu inne. „Oh.“, machte er dann und kam ihrer Aufforderung nach. „Vermutlich nicht…“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und grinste schief. „Genau.“ Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu und rutschte dann näher an ihn heran. Automatisch schlang er einen Arm um ihre Schultern und seine Wärme drang durch ihre Kleidung, als sie sich an ihn kuschelte. Trotzdem ließ sie sich nicht von dem Thema abbringen. „Wir müssen echt besprechen, wie wir weiter vorgehen. Ich muss es meinem Vater bald beibringen und deinem müssen wir es auch noch sagen. Und die Zeit drängt, ich meine, ewig werde ich das nicht kaschieren können.“ Sie deutete auf ihren Bauch, der sich durch ihre Position deutlich unter ihrem lockeren Sommerkleid abhob. Ehe sie den Stoff etwas wegzupfen konnte, damit es nicht mehr ganz so sichtbar war, legte sich Natsus Hand darüber, zart, aber doch fest, und er küsste ihre Schläfe. „Ich liebe dich.“ Seine Stimme klang belegt. Sie erstarrte. „Wa…was?“ Heftig blinzelnd vertrieb sie die Tränen, die sich so ungebeten in ihre Augen schlichen (warum war sie so emotional? Wenn er fragte, würde sie es auf die Schwangerschaft schieben!), und schaute zu ihm auf. Doch sein Blick ruhte auf ihrem Bauch und seine Augen waren so voller Liebe und Glück, dass sie leuchteten. Dann sah er auf und ein verlegenes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Ich liebe dich.“ Er küsste sie erneut auf die Schläfe. „Ich liebe dich.“ Ein weiterer Kuss, diesmal auf die Stirn. „Ich liebe dich.“ Und noch mehr, überall auf ihr Gesicht verteilt. Kichernd versuchte sie ihn von sich zu schieben, aber er gab erst nach, als sie ihn für einen Moment zu sich zog, um ihn anständig zu küssen, ehe sie ihn etwas bedauernd von sich schob. „Okay, okay, ich habe verstanden!“, gab sie zu und jetzt war es an ihr, sich vorzubeugen und ihn sanft auf die Lippen zu küssen. „Ich liebe dich auch.“, erklärte sie ihm und legte alle Gefühle in die Worte, die sie aufbringen konnte. „Aber jetzt müssen wir wirklich erst einmal klären, was mir mit dem Baby machen wollen, wenn es erst einmal da ist.“ Lucy hatte ihre Entscheidung getroffen und sie bezweifelte, dass seine anders aussah, ja sogar, dass sie jemals anders ausgesehen hatte, aber sie wollte trotzdem sichergehen, dass sie auf der gleichen Linie waren. Und war er sich überhaupt darüber im Klaren, was dies für eine Verantwortung bedeuten würde? „Was meinst du?“ Verwirrt blickte er auf sie hinunter und war ihm noch nicht einmal die Idee gekommen, dass sie noch andere Möglichkeiten hatten als diese eine? „Naja… Weißt du, was das für uns bedeutet, wenn wir es behalten? Ich meine, wir könnten es auch zu Adoption freigeben.“ Dann begann sie, die Dinge aufzuzählen, die auf sie zukommen würden, angefangen damit, dass sie sich jeden Tag, jede Minute darum kümmern mussten, über den ernüchternden Fakt, dass sie noch nicht einmal mit der Schule fertig waren und ihre eigenen Pläne hinten anstellen mussten, bis hin zu der Tatsache, dass ein Kind ein Leben lang viel Geld kostete, nicht nur die ersten paar Jahre. Keiner von ihnen hatte einen richtigen Job und ob Jude sie unterstützen würde, war äußerst fragwürdig. Natsu hörte ihr schweigend zu, sein Gesicht unleserlich und seine Augen unergründlich und dunkel. Als sie zu einem weiteren Punkt ausholte, fing er ihre gestikulierenden Hände ein und erklärte mit ernster Stimme: „Ich weiß das alles. Ich habe mir auch Gedanken gemacht. Es wird nicht leicht werden. Aber ich will es nicht weggeben. Auf keinen Fall. Das ist mein Kind. Unser Kind. Ich werde es auf keinen Fall weggeben. Warum redest du so?“ Er zog die Nase hoch und sein Blick irrte an ihr vorbei, als könnte er sie jetzt nicht direkt ansehen. „Meine … Meine Mutter hat mich verlassen, ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn da jemand sein sollte, der einfach nicht da ist. Ich werde dasselbe niemand anderem antun, schon gar nicht meinem eigenen Kind. Außerdem gehört es zu uns. Ich liebe es schon jetzt und ich habe es noch nicht einmal gesehen, das ist so verrückt!“ Er lachte kurz, als könnte er das Ausmaß seiner eigenen Gefühle nicht verstehen. „Wenn du es nicht willst, dann mache ich das alleine!“ Jetzt sah er sie wieder direkt an und seine Augen waren voller Emotionen – Zorn, Unglaube, Verwirrung, als könnte er nicht ganz verstehen, warum sie ihm diesen Vortrag hielt. Erschrocken starrte sie zurück. „Oh, Natsu.“ Sie drehte ihre Hände, so dass sie ihre Finger mit seinen verschränken konnte. „Ich… So habe ich das nicht gemeint. Ich wollte einfach nur, dass wir beide wissen, worauf wir uns da einlassen. Ich… Ich habe nämlich viel nachgedacht und … und ich sehe das genauso.“ Sie nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn vorsichtig. „Okay?“ Sie schenkte ihm ein wackeliges Lächeln und statt einer Antwort zog er sie an sich, um den Kuss zu vertiefen. Das sagte mehr als tausend Worte und ein Stein fiel von ihrem Herzen. Sie wollte sich schon wieder streiten, nicht, nachdem sie sich erst versöhnt hatten, schon gar nicht über so ein dummes Thema. „Was unsere Väter angeht…“, fuhr sie fort, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. „Da habe ich mir am Wochenende auch schon so meine Gedanken gemacht. Mein Vorschlag wäre, wir weihen Igneel so schnell wie möglich ein. Am besten heute noch. Ich meine, eigentlich sind wir ja richtig spät dran. Normal Eltern wissen schon viel früher, dass sie Großeltern werden.“ Natsu dachte einen Moment nach, dann nickte er. „So machen wir das. Wir machen um vier Schluss, bring einen Kuchen mit, dann können wir ihn gnädiger stimmen.“ „In Ordnung.“ Wenn Jude auch nur so einfach zu bestechen wäre, wäre das toll. Aber er war ein ganz anderes Paar Schuhe. „Und dein Vater?“, fragte Natsu jetzt vorsichtig nach. Natürlich bemerkte auch er diesen riesigen Elefanten, der im Zimmer stand. Der, wegen dem erst alles so ausgeartet war. Sie seufzte. „Das wird schwerer. Aber ich denke, dass ich es auch noch in dieser Woche machen muss. Wenn er von allein drauf kommt, dann wird die ganze Sache nur noch viel schlimmer und die Hausmädchen tratschen schon. Und ich werde das allein machen.“ Das war ein Punkt, bei dem sie nicht mit sich verhandeln lassen würde. „Aber…!“, begann er natürlich sofort seinen Widerspruch, doch sie schnitt ihm das Wort ab. „Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht.“, erklärte sie mit entschlossener Stimme und blickte ihm fest in die Augen: „Glaubst du, das hat irgendeine Chance auf ein gutes Ergebnis, wenn du dabei bist? Nach allem, was vorgefallen ist und wie er dich immer behandelt hat?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss und will das alleine durchziehen. Es geht nicht nur um das Baby oder um dich, es geht in diesem Gespräch vor allem um mich selbst. Um mein Leben. Und dieses eine Mal muss ich mich ihm allein stellen.“ Natsu verzog unwillig den Mund und zog die Augenbrauen zusammen, nickte aber nach einem Moment. Zumindest schien er ihre Gründe einzusehen, auch wenn er nicht erfreut darüber war. Sie fuhr fort, als hätte er gar nicht reagiert: „Keine Sorge, er wird … er wird keine Hand an mich legen. Das verspreche ich dir.“ „Okay. Wenn du meinst…“ Er klang noch nicht ganz überzeugt. „Es gibt zwei mögliche Arten, wie dieses Gespräch ausgehen kann. Erstens, er sieht ein, dass ich nicht von meiner Entscheidung abweichen werde, dass ich hier in Magnolia bleibe und mein Kind behalte und mich auf keinen Fall von dir trenne. Er akzeptiert mich, wie ich bin. Das wäre natürlich das Optimum. Oder zweitens, und das halte ich für wahrscheinlicher.“ Sie holte tief Luft. „Er wird mich rauswerfen.“ Da, sie hatte auch das endlich ausgesprochen. Sie hatte der bitteren Wahrheit ins Gesicht gesehen und es tat nicht einmal so sehr weh, wie sie es gedacht hatte. Vielleicht war der ganze Schmerz schon draußen, weil sie es schon so lange mit sich herumtrug. „Und wenn das passiert, muss ich wissen, wo ich hinkann.“ „Na, du kommst natürlich hierher!“, erklärte Natsu mit der größten Selbstverständlichkeit. „Wir kriegen das schon irgendwie hin.“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Manchmal wünschte sie sich seinen Optimismus. Wenn das Leben doch nur so einfach wäre, wie er es sich machte! „Denkst du nicht, dein Vater könnte etwas dagegen haben?“, wollte sie wissen. Sie konnte es zwar auch nicht glauben, Igneel war einer der besten, großzügigsten und freundlichen Menschen, die sie kannte. Aber dieser spitze Stachel des Zweifels ließ sich einfach nicht abschütteln und er hatte sie sogar so weit gebracht, sich nach Alternativen umzusehen und Möglichkeiten, die ihr offen standen, wenn es zum Schlimmsten kam. „Immerhin ist es seine Wohnung.“ Und sein Geld und seine Zeit und sein Leben. Natsu lachte. Es war nicht gehässig oder gar bösartig, sondern eher erleichtert und voller ehrlicher Freude. Dann stand er auf, zog sie hoch und nahm sie in die Arme. „Denkst du wirklich, er lässt dich einfach auf der Straße sitzen? Oder mich oder sein Enkelkind? Da kennst du ihn aber schlecht!“ Er küsste sie auf sie Schläfe. „Außerdem liebt er dich wie eine Tochter. Mach dir keine Sorgen. Nachher sprechen wir mit ihm und dann kommt schon alles in Ordnung.“ Sie hoffte nur, dass er recht hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)