This Great And Little Gift von Arianrhod- ([NaLu | Lucy vs. Jude]) ================================================================================ 10. Kapitel, in dem Lucy der Wahrheit ins Auge sehen muss --------------------------------------------------------- Natsu lässt übermitteln, dass Igneel anfragt, was du dir zum Geburtstag wünschst, las Grays Nachricht und dahinter waren ein paar Geschenk- und Blumenemojis. Lucy runzelte die Stirn und verzog übellaunig den Mund. Der war ja auch schon in ein paar Wochen! Sie hatte das Ereignis völlig verdrängt und sich entsprechend wenig Gedanken darüber gemacht. Im Moment hatte sie ganz andere Dinge im Kopf! Andere Leute mochten für ihren Geburtstag aufgeregt sein, vor allem wegen dem achtzehnten, der jetzt bei Lucy anstand, doch bei ihr kam nicht so recht Freude auf. Sag ihm, er soll kreativ werden und sich selbst Gedanken machen., antwortete sie missgelaunt und folgte Erza abgelenkt durch die langen Flure des Kunstmuseums, bis sie zum nächsten Ausstellungsraum kamen. Dann schob sie ihr Handy in die Tasche zurück und reagierte auch nicht, als es erneut klingelte und zeigte, dass sie eine Antwort bekommen hatte. Sie hatte jetzt echt keine Lust, sich damit auseinanderzusetzen. Die Rothaarige vor ihr drängte sich währenddessen energisch durch ein paar Leute hindurch, so dass sie sich das nächste Bild ansehen konnten, und Lucy folgte in ihrem Fahrwasser. Manchmal war es ganz praktisch, so eine nachdrückliche, autoritäre Freundin zu haben, der die Menschen automatisch aus dem Weg gingen. „So…“, begann Erza und ließ den Blick beinahe andächtig über das gigantische, wunderschöne und sehr detailreiche Gemälde wandern, vor dem sie inzwischen standen. „Hast du inzwischen mit Natsu geredet?“ Das Bild zeigte eine von einem Sonnenstrahl angeleuchtete Heldin, eine gerüstete Kriegerin inmitten eines Sturms von Schwertern, den sie selbst gegen die am Bildrand angedeuteten Feinde führte. Durch ihre roten Haare, die entschlossene, nach vorne strebende Haltung und den kämpferisch-leidenschaftlichen Blick erinnerte sie Lucy an Erza, die gerade stirnrunzelnd den Kopf neigte, als versuche sie zu erforschen, was ihr so bekannt vorkam an diesem Bild. Natürlich bemerkte sie nicht, dass sie selbst dafür Modell hätte stehen können. Der Paladin stand als Titel auf der kleinen Plakette daneben, erneut ein äußerst treffender Begriff für Erza selbst. „Hey, das könntest d…“, begann sie, um von der Frage abzulenken, aber Erza ließ das nicht gelten. Sie warf Lucy einen strengen Blick zu, die darunter zusammenschrumpfte. „Das geht jetzt schon über eine Woche so!“, fauchte sie etwas zu laut. „Natsu ist unerträglich und du bist auch ungl-“ „Pssscht!“, fauchte eine andere Museumsbesucherin sie an, die ebenfalls den Paladin ansah, gemeinsam mit einer Traube weiterer Menschen, die sich jetzt missbilligend umsahen. Erza warf der Frau einen solch vernichtenden Blick zu, dass diese sich schnell hinter zwei älteren Herren versteckte, die so vertieft in das Bild waren, dass sie die Unruhe um sich herum gar nicht bemerkten. Trotzdem sah die Rothaarige ein, dass es keinen Sinn hatte, sich inmitten einer Gruppe Kunstliebhaber zu unterhalten, also packte sie Lucy am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her. Dieser bliebt nichts anderes übrig, als sie mitschleifen zu lassen, aber sie sah ein, dass sie jetzt wohl nicht mehr darum herum kam. Erza marschierte direkt in den Innenhof, der wunderschön und den Museumsbesuchern geöffnet worden war. Hecken und Natursteinmauern unterteilten ihn in kleinere Bereiche, aus Blauregen und Clematis geschaffene Bogengänge zogen sich an den Längsseiten entlang und meisterhaft angerichtete Beete bildeten eine ganz eigene Kunst. Ein paar andere Leute trieben sich bereits hier herum, doch es waren wenig genug, dass sie leicht eine steinerne Bank vor ein paar Rosenhecken in voller Blüte fanden. Der beinahe zu süße Duft hing schwer in der Luft und Lucy nießte, protestierte aber nicht, als Erza sie auf die Bank drückte und sich neben sie auf den Stein fallen ließ. Das hätte ihr nur noch mehr Ärger eingebracht. Stattdessen überkreuzte sie die Arme vor der Brust und drehte den Kopf weg. Sie war hierher gekommen, um sich etwas von ihren Problemen abzulenken und die neue Ausstellung zu sehen, und nicht, um sich noch mehr Stress zu machen! Warum mischte sich jetzt auch noch Erza ein? „Du musst mit ihm reden!“, bestimmte diese und ihr Ton war energisch. „Das kann so nicht weitergehen!“ „Und was geht dich das an?!“, schnappte Lucy zurück und fuhr herum, um ihre Freundin anzufunkeln. „Ich habe es satt, dass alle versuchen, sich in meine Angelegenheiten einzumischen! Haltet euch da raus!“ Doch Erza wich nicht zurück, sondern zog nur die Augenbrauen zusammen. „Deine Angelegenheiten wirken sich auf alle in deinem Umkreis aus! Vielleicht haben wir es satt, ständig Vermittler für euch zu spielen! Und tu jetzt nicht so, als ob Gray dir nicht gerade eben wieder eine Nachricht von Natsu übermittelt hätte! Außerdem hatten wir Vier so viel geplant für die Ferien und das wird jetzt wohl auch alles ins Wasser fallen, weil ihr so bockig seid! Wenn du und Natsu – aber vor allem du! – euch so verhalten wollt wie kleine Kinder, können wir sicher nicht zusammen nach Hargeon fahren. Nicht, dass dich das stört, du hast dich ja eh schon eine Woche verkrümelt. Wie war Crocus so?“ „Schön!“, fauchte Lucy zurück und drehte sich entschieden wieder weg, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. Der ganze Urlaub in der Hauptstadt war von ihren Problemen und der Großen Katastrophe überschattet gewesen. Außerdem war sowas sowieso nicht zu vergleichen damit, ein Wochenende gemeinsam mit ihren Freunden irgendwo zu verbringen, sei es nun Hargeon, eine Hütte im Wald oder auch nur ein Besuch im Café. Aber das würde sie jetzt ganz sicher nicht zugeben! Trotzdem begann das schlechte Gewissen an ihr zu nagen. Verdarb sie gerade wirklich allen die letzten Sommerferien ihres Lebens? Für einen Moment blieb es neben ihr still. „Okay.“, sagte Erza dann, ihr Tonfall wesentlich ruhiger als vorhin. „Das freut mich für dich. Aber jetzt bist du wieder hier und du kannst nicht so tun, als hätten deine Probleme sich in Luft aufgelöst. Ich verstehe, dass es im Moment ziemlich stressig für dich ist und…“ „Du verstehst es?!“, fuhr Lucy auf und sprang auf die Beine. „Hast du etwa einen Riesenkrach mit deinem Freund? Mischt sich jeder in dein Leben ein? Hast du Angst davor, deinem Vater die Wahrheit zu sagen? Hast du dieses Problem?!“ Bei ihren letzten Worten deutete sie auf ihren Bauch. Ihre geballten Fäuste zitterten und sie wusste nicht, ob sie lieber schreien, sich irgendwo verkriechen oder in Tränen ausbrechen wollte. Erza sah sie einen Moment stumm an, prüfend und taxierend, dann erhob sie sich ebenfalls. Sie legte beide Hände auf Lucys Schultern und schaute ihr mit ernstem Gesichtsausdruck in die Augen. Diese wollte sie wieder abschütteln, doch Erza ließ es nicht zu und zog sie in die Arme. „Es wird alles wieder gut werden.“, tröstete sie und tätschelte Lucys Kopf. Diese wollte sich erst wütend wieder losmachen, doch Erza hielt sie nur fester und es war, als würde aller Ärger aus ihr entweichen. Für den Moment wollte sie einfach nur in die Arme genommen werden, auch wenn sie das nicht verdient hatte. Gemeinsam sanken sie langsam wieder auf die Bank zurück. „Wir sind da für dich. Natsu ist auch da für dich, wenn du ihn nur lassen würdest.“, versicherte Erza ihr mit sanfter Stimme. „Ich weiß, es gab da einige böse Worte zwischen euch, aber sieh das ganze mal von seiner Warte aus. Dein Vater kann ihn nicht leiden und es sieht nicht so aus, als würde Jude jemals seine Meinung über ihn ändern. Ihm wäre es am liebsten, wenn du einfach mit Natsu Schluss machen würdest. Das ging ja noch, als es nur um euch beide ging, aber jetzt ist da noch dieser andere Faktor, den ihr nicht ignorieren könnt und der jeden Tag größer wird. Denk nicht, ich würde das Bäuchlein nicht bemerken, dass du inzwischen mit dir herumschleppst. Und irgendwann wird auch dein Vater davon erfahren, davor kannst du nicht weglaufen. Natsu weiß das auch ganz genau; er macht sich wirklich Sorgen um dich. Und es ist Natsu, über den wir hier sprechen! Er macht sich sonst niemals Sorgen um irgendetwas.“ Lucy stieß ein abgehacktes Lachen aus, das von Erzas T-Shirt gedämpft wurde. Wie recht die Rothaarige damit hatte! Aber mit Natsu zu sprechen würde auch bedeuten, sich noch mit einem ganz anderen Thema auseinanderzusetzen und im Moment wünschte sie sich nur, dass alles nie geschehen war. „Und dann dieser Streit zwischen euch. Er wollte mir nicht einmal sagen, worum es ging!“ Erza klang empört. „Sagte nur etwas darüber, dass Jude ein Arsch ist und dich dein Leben leben lassen soll. Und dann hast auch noch du dich mit ihm gestritten. Er kaut wirklich daran.“ Sie seufzte. „Und du offensichtlich auch.“ Dann schob sie Lucy wieder von sich, die die Nase hochzog und sich abwandte. Sie würde jetzt sicher nicht schon wieder in Tränen ausbrechen! „Ihr müsst wirklich miteinander reden. Das geht nicht einfach weg, nur weil ihr so tut, als wäre es nicht geschehen.“ „Natsu hat sich in meine Angelegenheiten eingemischt.“, brummte Lucy mürrisch, aber sie merkte selbst, wie kleinlaut sie klang und wie dumm diese Ausrede. Erza schlug ihr auf die Schulter, hart genug, dass sie beinahe von der Bank fiel. „Vielleicht, weil es nicht mehr nur deine Angelegenheiten sind. Und wie gesagt, er macht sich Sorgen um dich. Vielleicht solltest du ihn einfach einbeziehen. Das gehört zu einer Beziehung dazu.“ Sie warf einen vielsagenden Blick auf Lucys Bauch. „Das da macht euch zu einer Familie und ich weiß, dass du das auch willst, auch wenn du es selbst noch nicht bemerkt hast. Aber das bedeutet nun mal, dass man Entscheidungen gemeinsam trifft und Angelegenheiten kein Privatbesitz mehr sind. Er will nur helfen. Lass ihn.“ Lucy warf ihr noch einen Seitenblick zu und kramte dann ein Taschentuch aus der Handtasche, nur um sich zu beschäftigen. Sie unterdrückte den Drang, eine trotzige Antwort zu geben, nur um bockig zu sein. „Vielleicht hast du Recht.“, gestand sie und schnäuzte sich kurz. Erza schenkte ihr ein überzeugtes Grinsen. „Natürlich habe ich das!“ Damit stand sie auf und zog Lucy auf die Füße. „Und jetzt lass uns den Rest der Ausstellung sehen. Mir gefällt sie wirklich und ich möchte nichts verpassen!“ Lucy war dankbar, dass sie das Thema fürs erste fallen ließ und gemeinsam bummelten sie über die Plattenwege zurück zu der Tür, durch die sie hinausgetreten waren. Dort hielt Erza noch einen Moment inne, die Hand schon auf der Klinke. „Denk zumindest darüber nach, was ich gesagt habe, okay?“ Lucy nickte. „Versprochen.“ Sie nahm sich fest vor, es auch zu tun. ~~*~~❀~~*~~ „Du siehst aus, als hättest du etwas auf dem Herzen.“, bemerkte Ur und ließ sich auf einen tiefen Gartenstuhl fallen. Er und sein Zwilling standen unter einem Apfelbaum mit weit ausladenden Ästen, dessen Blätter so dicht waren, dass sie den Blick auf den Himmel versperrten. Ganze Büschel von Äpfeln hingen bereits daran, grün und unreif, was sie erneut daran erinnerte, wie schnell die Zeit bereits verging. An Grays Geburtstag – der Tag, an dem sie sich all den Ärger eingebrockt hatte – hatte sie das letzte Mal unter diesem Baum gesessen und er hatte in voller Blüte gestanden. „Ich… ähm…“, begann Lucy und setzte sich auf. Die Stühle waren toll dafür, sich hineinzulümmeln und zurückzulehnen, aber nicht so sehr dafür, wieder aufzustehen oder auch nur, sich aufrecht hinzusetzen. „Ich habe mich mit Natsu gestritten.“, gab sie dann zu. „Und mein Vater will, dass ich Business studiere oder so ein Quark und akzeptiert nicht, dass ich andere Träume habe, und ich habe Angst, was passiert, wenn ich ihm von dem Baby berichte, und ich weiß immer noch nicht, was ich damit tun soll!“ Sie stützte die Arme auf ihre Knie und den Kopf auf ihre Hände. „Klingt nach einer anstrengenden Zeit.“, bemerkte Ur neutral und fügte dann hinzu: „Gray beschwert sich, dass er Bote für Natsu und dich spielen muss, sogar noch mehr als darüber, dass er in dieses Sommercamp muss.“ Jetzt klang sie belustigt und Lucy warf ihr einen Seitenblick zu. „Das ist kindisch von uns, oder?“ Ur lachte, aber Lucy fuhr fort: „Erza hat mir auch schon den Kopf gewaschen deswegen. Du brauchst mir gar nicht zu erzählen, dass wir uns unmöglich verhalten.“ „Hin und wieder darf man kindisch sein.“, beruhigte Ur sie. „Ich hab auch so meine Tage, an denen ich nicht mit Silver sprechen möchte und meinem Mann geht es nicht anders. Manchmal braucht man einfach etwas Abstand.“ Sie lehnte sich zurück in ihren Schult. „Nachdem ich das gesagt habe, muss ich aber noch hinzufügen: man darf es nicht Überhand nehmen lassen.“ „Und wir tun das im Moment?“, wollte Lucy wissen, bereits ein halbes Eingeständnis. Ur neigte nur unbestimmt den Kopf und überließ es ihr selbst, das endgültige Urteil zu fällen. Lucy seufzte. Sie hatten ja alle Recht. Sie musste endlich mit Natsu sprechen, aber im Moment fühlte sie sich noch nicht in der Lage dazu. Außerdem erwartete er sicher eine Entschuldigung und sie… Sie seufzte erneut und beschloss, das Thema zu wechseln. Über dieses hatte sie ja bereits mit Erza gesprochen. „Ich muss es Papa bald sagen, sonst bemerkt er noch etwas.“ Sie blickte auf ihren Bauch hinunter, der inzwischen ziemlich deutlich war. Jude mochte es nicht auffallen, andere Leute denken, sie würde einfach zunehmen, aber sie selbst wusste, was dahintersteckte. Und irgendwann würde selbst ihr Vater mit seinem Tunnelblick auf die richtige Idee kommen. „Aber ich habe einfach Angst davor. Was, wenn er es nicht akzeptiert und mich? Wenn er will, dass ich es weggebe?“ Neben ihr knarrte der Stuhl und dann spürte sie, wie Ur ihr eine warme, starke Hand tröstend auf die Schulter legte. „Hast du dich also dazu entschieden, es zu behalten?“ Lucy seufze und verzog das Gesicht. Sie drehte den Kopf, um die ältere Frau ansehen zu können, die ihren Blick nur fragend erwiderte. „Nein. Ja. Ach, ich weiß immer noch nicht. Aber … ich will, dass es meine Entscheidung ist, verstehst du? Meine und Natsus, nicht die meines Vaters.“ „Das kann ich gut verstehen. Aber was hält dich denn ab, eine Entscheidung zu treffen? Außer natürlich, dass du im Moment nicht mit Natsu sprichst?“ Lucy senkte die Lider und wandte sich wieder nach vorn. „Was, wenn wir es verhauen? Was, wenn wir noch nicht bereit dafür sind?“ Das waren ihre größten Zweifeln, doch nicht die einzigen… „Niemand ist bereit für das erste Kind, oft genug nicht einmal für das zweite und alle, die darauf folgen. Da spreche ich aus Erfahrung. Mir ging es so, als ich schwanger war und als ich mich darauf vorbereitet habe, Lyon zu mir zu holen, und selbst, als ich bei Silver eingezogen bin und dann plötzlich einen zweiten halbwüchsigen Jungen hatte, um den ich mich kümmern musste. Aber ich glaube, in solchen Fällen setzt das eigene Urteilsvermögen schlichtweg aus. Man muss da auf die Stimmen hören, die einen umgeben.“ Lucy konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören, als sie fortfuhr: „Ich kenne dich inzwischen ziemlich gut und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass du eine wundervolle Mutter wärst.“ Ur drückte noch einmal ihre Schulter und zog dann die Hand zurück. Lucy rang sich währenddessen ein bitteres Lächeln ab; sie war sich da nicht so sicher. „Letzte Woche…“, begann sie. „Als ich … als ich in Crocus war, konnte ich nur daran denken, wie es wäre, wenn das alles nicht passiert wäre. Oder wenn ich einfach abgetrieben hätte, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Dann hätte es all den Ärger nie gegeben, oder? Und … dass das Baby … nur ein Problem ist, eine Last, mit der ich mich herumschlagen muss…“ Ihre Stimme wurde immer leiser und sie fragte sich, ob Ur sie überhaupt verstanden hatte. Sie hatte dies noch zu niemandem gesagt, ihr persönliches, dunkles Geheimnis, und sie schämte sich für diese Überlegungen. Doch jetzt war der Damm gebrochen, all diese schändlichen, bösen Gedanken über ein Wesen, das sie bedingungslos lieben sollte – all das brach jetzt einfach aus ihr heraus. „Was, wenn ich es nicht lieben kann, wie es das verdient? Oder wenn ich irgendwann zurückblicke und die Entscheidung bedauere, die ich getroffen habe? Wenn ich anfange, einen Groll zu hegen gegen mein eigenes Kind, weil es mir Chancen versperrt hat? Was, wenn ich anfange, es zu hassen? Was, wenn ich irgendwann aufwache und denke, dass es das nicht wert war?“ Sie hatte es nicht gewagt, Ur während dieses Redeschwalls anzusehen, und auch jetzt starrte sie stur geradeaus, auf das grüne Gras, das den Boden vor ihrem Stuhl bedeckte. Was würde Ur jetzt von ihr denken? Sie hasste sich ja selbst für diese Überlegungen, aber sie gingen einfach nicht weg. Dann hörte sie, wie Ur sich erhob. Doch ehe Lucys Angst, dass die Frau sie jetzt verabscheute, größer werden konnte, legte sich kurz eine Hand auf ihre Schulter. „Warte einen Moment.“ Damit eilte die Künstlerin davon. Lucy konnte hören, wie sie durch das Gras ging, und kurz darauf klappte die Tür zu ihrem Atelier. Ein paar Momente später ging diese erneut und als Lucy aufblickte, kam Ur zurück. Sie schenkt ihr ein knappes Lächeln und hielt etwas in den Händen, das sie an die Brust gedrückt hielt. Als sie bei ihrer jungen Freundin ankam, zögerte sie einen Moment. „Es ist ein wenig eine andere Situation, aber… Hier.“ Es war ein Bilderrahmen, erkannte Lucy, als sie den Gegenstand entgegennahm. Auf dem schon älteren Foto darin war ein Mädchen zu sehen, vielleicht sieben, acht Jahre alt. Sie war ein wenig dürr und trug ein weißes Sommerkleid. Ein Bein hatte sie in die Höhe gestreckt wie eine Ballerina, die Arme über dem Kopf erhoben, und ihre schwarzen Haare waren über ihren Ohren zu zwei Rattenschwänzchen gebunden. Sie lachte über das ganze, hübsche Antlitz, das Ur wie aus dem Gesicht geschnitten war. Diese hatte sich währenddessen wieder in ihrem Stuhl niedergelassen und das Lächeln, das sie Lucy schenkte, als diese fragend aufblickte, war traurig. „Das ist meine Tochter, Urtear.“, erzählte sie. „Ihr Vater war ein Taugenichts, ein Künstlerkollege, mit dem ich an einem Projekt gearbeitet habe. Wir und ein paar Freunde planten, auf eine Weltreise zu gehen und daraus ein großes Kunstprojekt zu machen. Als ich ihm sagte, dass ich schwanger war, hat er erklärt, dass er für eine solche Verantwortung zu jung sei und sich erst selbst finden müsse. Unsere Freunde stimmten ihm zu und erklärten, dass mir die Welt offen stünde, wenn ich mich jetzt nicht ablenken lassen würde. Na gut, hab ich mir gesagt, ihm den Laufpass gegeben, sie alle aus meinem Leben geschmissen und beschlossen, das Kind alleine groß zu ziehen. Wofür brauchte ich einen solchen Nichtsnutz dazu und irgendwelche Freunde, die nicht verstehen können, dass Träume sich ändern können? Ich war freilich etwas älter als du jetzt und meine Werke brachten mir bereits gutes Geld ein und meine Aussichten waren noch besser.“ Lucy nickte, doch das klang für sie, als hätte Ur alles unter Kontrolle gehabt. Nicht vergleichbar mit ihrer eigenen Situation, auch wenn sie die Frau etwas beneidete. Es musste schön sein, alles so klar vor sich zu sehen und kein bisschen für die Meinungen anderer zu geben. Aber was hatte das mit ihr zu tun? „Die nächsten Jahre gehören zu den glücklichsten in meinem Leben. Ganz egal, was danach geschah, ich möchte sie nicht missen und bereue keine einzige Sekunde. Ich könnte dir tagelang von meiner Urtear erzählen, was sie mag, ihre Marotten, die kleinen Dinge, die ich an ihr liebe… Sie wollte Ballerina werden und hat niemals gelbe Gummibärchen gegessen und liebte Rührei. Sie ist meine kleine Hexe.“ Wieder nickte Lucy, auch wenn sie noch immer nicht verstand. Aber Ur hatte offensichtlich ein Ziel und sie konnte noch ein paar Augenblicke warten. Die Frau sah sie dabei nicht an, starrte gerade aus, als müsste sie sich auf einen einzelnen Punkt konzentrieren, um über etwas zu sprechen, das sie offensichtlich viel Kraft kostete. „Urtear hatte eine Freundin, die ganz bei uns in der Nähe lebte, nur die Straße runter. Das waren vielleicht vierhundert Meter in einer Wohnsiedlung, in der jeder jeden kannte. An einem Tag Ende September, kurz nachdem dieses Foto geschossen wurde, ging sie ihre Freundin besuchen. Ich habe sie allein gehen lassen, warum auch nicht? Es war ja nur ein Katzensprung, an einem Sonntag gab es nicht mal richtig Verkehr und sie war ja schon acht.“ Ur atmete tief ein und ihre Stimme zitterte, als sie weitersprach. „Ich habe sie seitdem nie wieder gesehen. Es ist, als hätte sie sich einfach in Luft aufgelöst und sie kam nie bei ihrer Freundin an. Vierhundert Meter und irgendwo dazwischen ist sie einfach verschwunden, ohne Spur, ohne Hinweise, ohne, dass jemand irgendetwas bemerkt hat. Die Polizei hat irgendwann aufgehört, nach ihr zu suchen.“ Entsetzt starrte Lucy das Bild an, das sie noch immer in den Händen hielt – das lachende Gesicht des Mädchens, ihre elegante Haltung, ihre blitzenden dunklen Augen. Ur ließ die Finger darüber gleiten und Lucy reichte ihr das Bild hinüber. Sie griff danach wie nach einem Rettungsanker, doch sie weinte nicht. Vielleicht hatte sie alle Tränen schon vergossen. Das musste der schlimmste Albtraum von Eltern sein, schlimmer noch als der endgültige Verlust – die Ungewissheit, die Frage, ob man das Kind schon verloren hatte oder ob es noch immer da draußen war, ängstlich, vielleicht gequält oder misshandelt. Lucy wollte sich das gar nicht vorstellen und ihre Hand legte sich automatisch beschützend auf ihren Bauch. „Sie lebt noch.“, erklärte Ur voller Überzeugung. „Etwas anderes darf ich nicht glauben. Sie ist noch irgendwo da draußen und… ich weiß nicht, aber ich wünschte, ich könnte sie beschützen, ihr helfen… Irgendwann werde ich sie wiedersehen, das glaube ich ganz fest. Irgendwann…“ Sie räusperte sich. „Aber was ich dir eigentlich damit sagen wollte – ich bereue keine einzige Sekunde, die ich mit ihr verbringen durfte. Jede einzelne war ein Geschenk, an dem ich bis heute festhalte. Auch wenn es mir eine Menge Schmerz erspart hätte, wenn ich damals auf meine Freunde gehört und sie niemals geboren hätte. Aber das kann und will ich mir nicht einmal vorstellen, weil es einen solchen unbezahlbaren Schatz aus meinem Leben entfernen würde. Und auch wenn ich jetzt zwei wundervolle Söhne habe, Urtear ist nicht ersetzbar. Niemals.“ Mit einem weiteren, traurigen, aber gleichzeitig hoffnungsvollen Lächeln fuhr Ur über das Gesicht auf dem Foto. Dann blickte sie wieder auf. „Es wird nicht immer einfach werden. Es gibt immer Streit und Stress und Hürden, die es zu überwinden gilt, aber so ist nun mal das Leben. Die schönen Zeiten werden alles wieder aufwiegen“, erklärte sie. „Darum verspreche ich dir, es wird es immer wert sein!“ ~~*~~❀~~*~~ Zwei Tage nach ihrem Gespräch mit Ur, das ihr noch mehr zu denken gegeben hatte als das mit Erza, stand plötzlich Gray bei ihr auf der Matte und verlangte Hilfe beim Mathestoff. Sie hätte ihm die Ausrede, sich auf das nächste Jahr vorbereiten zu wollen, damit er die Prüfung nicht in den Sand setzte, abgenommen, hätte sie nicht ganz genau gewusst, dass er in dem Fach besser war als sie. Hätte er nicht wenigstens mit einem Thema kommen können, in dem er tatsächlich Schwierigkeiten hatte? So eine unverhohlene Lüge war ihr beinahe peinlich. Doch er hatte sogar seine Unterlagen mitgebracht und zog ein Buch aus seinem Rucksack hervor, noch während sie ihn die Treppe zu ihren Zimmern hochführte. Ein Hausmädchen folgte ihnen bis in Lucys Wohnzimmertisch, wo es fragte, ob es ihnen etwas bringen sollte. Lucy schickte sie verwirrt weg und ließ sich Gray gegenüber in den Sessel fallen. „Was willst du?“, wollte sie misstrauisch wissen. Er warf einen Blick zur Tür hinüber, die die Angestellte gerade hinter sich zuzog. Dann ließ er die Scharade fallen, warf Buch und Rucksack neben den Sessel und erklärte: „Du musst dich mit Natsu versöhnen.“ Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu. „Und mit deinem Vater sprechen.“ Trotzdem sprang sie wütend auf. Dass Natsu sich einmischte war eine Sache, aber Gray ging das überhaupt nichts an! „Wenn du nur deswegen hier bist, kannst du gleich wieder verschwinden!“ Sie deutete so heftig auf die Tür, dass ihr Ellbogen knackte. Gray bewegte sich nicht vom Fleck. „Er ist unerträglich und unglücklich und du bist es offensichtlich auch. Ich weiß, dass Erza mit dir gesprochen hat, aber das hat offensichtlich nicht gewirkt, darum dachte ich, ich versuch es mal.“ Er hob dabei nicht einmal die Stimme an, offensichtlich hatte er sich ganz genau festgelegt, was er sagen wollte. „Warum denkst du, du könntest mehr ausrichten?!“ Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Außerdem geht dich das überhaupt nichts an! Und mein Vater hat dich schon gleich gar nicht zu interessieren!“ „Setz dich hin!“, fauchte er so plötzlich, dass sie verdutzt dem Befehl nachkam. „Erza und ich haben euch lange genug Zeit gelassen, aber da offensichtlich keiner von euch bereit ist, den ersten Schritt zu tun, muss es jemand anderes machen. Darum bin ich hier. Ich hab übrigens auch mit Natsu gesprochen, aber er ist so verbohrt wie du und will dir deinen Platz lassen, was auch immer das bedeuten soll.“ Sie zog einen Flunsch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hat mir bei der Gelegenheit erzählt, was passiert ist.“ „Ach ja?“, antwortete sie schnippisch. „Dann weißt du ja, was er über meinen Vater gesagt hat und wie unverschämt er sich vorher verhalten hat. Oder hat er das etwa ausgelassen?“ Gray ließ sich nicht von ihrem schlechten Benehmen beeindrucken. „Ich kenne Natsu, ich kenne dich und ich kenne auch deinen Vater gut genug, darum kann ich mir in etwa zusammenreimen, was wirklich geschehen ist. Viel kann es übrigens nicht, dass er weggelassen hat. Und auch wenn ich eigentlich in euren Streits keine Partei ergreifen will, muss ich sagen, dass ich denke, dass er recht hat.“ Lucy starrte ihn einen Moment überrascht an, dann wandte sie den Kopf zur Seite und stieß etwas aus, das nach „Hmpf.“ klang. Weder er noch Natsu kannten ihren Vater wirklich und auch nicht das, was sie und Jude gemeinsam durchgemacht hatten. Wie konnten sie es sich erlauben, ein Urteil über ihn zu fällen? Gray ließ sich nicht dazu herab, darauf einzugehen. „Über Natsu will ich jetzt nicht mit dir reden, das hat Erza schon getan und du bist klug genug, um dir zumindest Gedanken darüber zu machen. Aber das wirkliche Problem hier ist nicht Natsu, oder? Es ist dein Vater.“ Lucy funkelte ihn wütend an. Wie konnte er es wagen, so etwas zu sagen?! Jude liebte sie! Sie mochten ihre Meinungsverschiedenheiten haben, aber war das nicht in jeder Familie so? Was würde Gray tun, wenn sie sich in einen Streit zwischen ihm und seinem Vater einmischen würde?! „Schau mich nicht so an.“ Gray erwiderte ihren Blick fest und geradezu gelassen, was sie nur noch mehr aufregte. „Und tu nicht so, als hätte ich nicht Recht. Wenn du offen mit Jude reden könntest, wie das in einer normalen Familie der Fall wäre, dann gäbe es dieses große Problem nicht, das wie ein Elefant hier im Raum steht. Normale Väter akzeptieren übrigens auch wenn sich ihre Tochter verliebt, solange der Kerl nicht gerade ein absoluter Klogriff war – und Natsu ist das trotz aller Schwächen ganz sicher nicht! Stattdessen lässt du dich von deinem Vater herumschubsen, als hättest du keine eigene Meinung, und hast sogar Angst davor, ihm die Wahrheit zu sagen.“ „Ich habe keine Angst vor meinem Vater.“, widersprach sie mit zusammengebissenen Zähnen. Doch gleichzeitig meldete sich eine kleine, zweifelnde Stimme in ihrem Hinterkopf – wenn das die Wahrheit war, warum wusste Jude dann nicht, dass er bald Großvater wurde? Gray schenkte ihr nur ein mitleidiges Lächeln. Manchmal konnte er echt grausam sein, wenn er dachte, dass dies seinen Standpunkt klarmachen würde. „Ach ja? Glaubst du das etwa immer noch selbst?“ Lucy zog die Schultern hoch, weigerte sich aber, einen Schritt zurückzuweichen und zuzugeben, dass er vielleicht recht haben konnte. Was ging ihn das an? Und warum hörte sie sich das immer noch an? Gray legte den Kopf schief und zuckte mit dann mit den Schultern, als sie nicht antwortete. „Lucy, ich bewundere dich. Du bist eine willensstarke, junge Frau, die genau weiß, was sie von ihrem Leben will und auch bereit ist, dafür zu arbeiten. Ich gebe zu, am Anfang hielt ich dich für eine verwöhnte Tusse, die sich von ihrem Herrn Papa verhätscheln lässt und erwartet, dass die Welt ihr alles auf dem Silbertablett reicht. Das stimmt nicht, das habe ich schnell gesehen. Aber genau darum verstehe ich dich manchmal einfach nicht. Warum lässt du das mit dir machen? Warum lässt du dir so viele wichtige Dinge vorschreiben? Warum bist du so anders, wenn es um deinen Vater geht?“ Er verstummte einen Moment, doch sie hatte ihm noch immer nichts zu sagen. Sie wünschte nur, er würde endlich still sein und gehen und sie in Ruhe darüber nachdenken lassen, was er ihr da gerade auftischte. Doch er tat ihr nicht den Gefallen. „Du verletzt Natsu damit, weißt du. Er würde das niemals zugeben und tut immer so, als wäre alles in Ordnung. Aber ich kenne ihn gut, besser als du oder Erza oder irgendwer sonst außer Igneel. Ich kann das sehen. Natsu ist kein unverletzbarer Superman ohne Gefühle, verstehst du. Und dass du dich auf der einen Seite so abkanzeln lässt und auf der anderen Seite zulässt, dass dein Vater ihn so behandelt wie ein Mensch zweiter Klasse… Das tut ihm weh. Ersteres sogar noch weit mehr als alles, was Jude ihm je antun könnte. So ein Mensch ist er und manchmal hab ich meine Zweifel, dass du ihn überhaupt verdienst.“ Sie blinzelte die Tränen weg, die ihr auf einmal in die Augen schossen. So dachte Gray also über sie? Und warum hatte sie plötzlich das Gefühl, dass er Recht hatte mit dieser Meinung? „Ich denke nicht so über Natsu! Ich liebe ihn!“ Gray hob die Hände. „Daran zweifele ich nicht, aber denk mal einen Moment darüber nach, was dein Verhalten ihm sagt. Du lässt es einfach zu, dass Jude über ihn herzieht und selbst, wenn du ihm nicht direkt zustimmst – Schweigen ist Zustimmung genug.“ Lucy senkte den Kopf und konnte sich nicht einmal eine Antwort abringen. Sie fühlte sich elend. „Hey.“ Grays Stimme klang plötzlich viel sanfter und er kam um den Tisch herum, um ihr die Hände auf die Schultern zu legen. „Du bist meine Freundin und ich denke keinen Augenblick, dass du Natsu schaden willst oder ein schlechter Mensch bist. Nur, dass du manchmal nicht nachdenkst und dass dein Vater dein großer blinder Fleck ist. Wir machen uns alle Sorgen um dich, vor allem Natsu. Dass irgendwann einmal der Punkt kommt, an dem dein Vater etwas von dir will, mit dem du nicht leben kannst, aber du ihn trotzdem gewähren lässt, bis es zu spät ist. Bis er dich zu etwas zwingt, das du überhaupt nicht willst und mit dem du bis zum Ende deines Lebens unglücklich sein wirst. Natsu will keinen Keil zwischen dich und deinen Vater treiben. Er will nur, dass du bemerkst, in was für einer ungesunden Beziehung ihr zueinander steht, weil du es von allein anscheinend nicht begreifst. Das ist nicht normal. Das ist… Das ist alles falsch und … und giftig für dich.“ Lucy starrte auf den Boden und atmete tief ein und aus, um sich selbst unter Kontrolle zu halten und nicht einfach in Tränen auszubrechen. Das konnte … wollte sie jetzt nicht, nicht hier, nicht vor Gray, nicht unter seinen Worten. Aber hatte er Recht? Stand es wirklich so um sie? Sah die Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater für Außenstehende tatsächlich so … so … so giftig aus? Ungesund und dysfunktional, wie Gray es sagte? War ihr Vater tatsächlich ein so … schlechter Mensch, dass er das mit ihr tat? „Ich bin kein Experte oder so, aber ich hab ein wenig nachgelesen und das, was Jude mit dir macht, würde ich als emotionalen Missbrauch bezeichnen. Ich glaube nicht, dass es ihm selbst bewusst ist, dass er dich auf diese Art behandelt und was er mit dir tut. Aber er manipuliert dich, wie es ihm gerade passt, verlangt, dass du ohne Widerspruch seinen Anweisungen folgst, setzt dich herab, übergeht deine Wünsche und hätte am liebsten, dass du allen Kontakt zu deinen Freunden abbrichst. Dass du das ohne Widersprüche mit dir tun lässt, obwohl du bei jedem anderen längst explodiert wärst, sagt mehr als alles andere. Das passt überhaupt nicht zu dir. Lucy, ich weiß nicht… ich weiß nicht, ob du das mit deinem Vater ohne professionelle Hilfe reparieren kannst, aber du musst endlich etwas tun. Bitte? Um Natsus Willen und um des Kindes willen? Bitte?“ Endlich blickte sie auf und sie konnte die echte Sorge in seinem Blick lesen, um sie, um Natsu, vielleicht sogar um dieses Kind, das sie trug. Das Kind, von dem sie fürchtete, dass Jude es nicht akzeptieren würde. Wegen dem sie Angst hatte, ihrem Vater die Wahrheit zu sagen. „Denkst du wirklich?“, fragte sie und dachte gleichzeitig, dass Erza, Gray und auch Natsu niemals so lange gezögert hätten. Igneel wusste es nur noch nicht, weil sie selbst sich nicht dazu durchringen konnte. Gray seufzte. „Ja. Ich bin nicht einfach so aus einer Laune heraus hierher gekommen, um dir das aufzutischen und dir weh zu tun. Vielleicht wäre das unter anderen Umständen gut gegangen, bis du ausgezogen wärst. Vielleicht nicht. Das interessiert auch nicht mehr, weil dir etwas anderes dazwischen gekommen ist. Aber glaubst du wirklich immer noch, er lässt dich ohne weiteres Literatur oder Journalismus studieren und nicht das, was auch immer er will? Dass er dich deine Träume leben lässt und dich unterstützt, wie normale Eltern das tun? Mach dir doch nichts vor.“ Sie schniefte. Auch wenn sie das nicht einmal vor Ur ausgesprochen hatte, so wusste sie doch, dass Grays Einschätzung nicht falsch war. Dass Jude niemals daran gedacht hatte, dieses Versprechen, das er ihr im Zoo gegeben hatte, zu halten und über ihre Worte nachzudenken. Für ihn war das alles nur eine Nebensächlichkeit, die er wegwischen konnte, um sich ein weiteres Mal über ihre Wünsche hinwegzusetzen. „Aber jetzt hast du noch eine andere Verantwortung.“ Gray warf einen vielsagenden Blick auf ihren Bauch. „Du stehst vor einer schweren Entscheidung und ich habe gerade den Eindruck, dass du das noch nicht einmal merkst, wie schwer sie eigentlich ist. Vielleicht würde etwas Abstand von Jude dir guttun. Denk darüber mal nach.“ Damit drückte er noch einmal ihre Schultern und wandte sich ab, um seine Sachen wieder zusammenzupacken. Lucy sah ihm schweigend dabei zu und versuchte nicht einmal, ihm zu helfen. Wenn sie jetzt auch nur einen Schritt tun würde, wäre es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei. Nach allem, was sie in dieser Woche zu hören bekommen hatte, war dies das Schlimmste. Er hatte ihr gerade einen harten Brocken zu kauen gegeben und im Moment stand noch zur Frage, ob sie ihn schlucken konnte oder ihn wieder erbrach. „Wie auch immer. Wenn du nichts weiter zu sagen hast, geh ich jetzt.“ Gray stand auf und schwang seinen Rucksack über die Schulter. „Lass es dir einmal durch den Kopf gehen. Ich bin ab morgen für drei Wochen in diesem beschissenen Sommercamp, in dem mein Vater mich als Jugendleiter gemeldet hat, aber du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du mit mir sprechen willst, Ur hat die Nummer. Erza ist auch für dich da, wenn dir das lieber ist, das kann ich verstehen. Und ich kenne Loke zwar nicht so gut, aber er ganz sicher auch.“ Lucy nickte mechanisch und sagte nichts. Gray rang sich noch ein ermutigendes Lächeln ab. „Du kriegst das schon irgendwie hin, ja? Wir sind für dich da.“ Sie nickte erneut stumm. Er schien einen Moment nicht zu wissen, was er tun sollte, aber sie war froh, dass er ohne weitere Worte oder Gesten auf die Tür zuging und sie öffnete. Doch ehe er sie wieder hinter sich schloss, warf er ihr noch einen Blick zu. „Mach’s gut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)