The Golden Road von Writing_League ================================================================================ Kapitel 6: Countin' Highway Signs --------------------------------- „Ihr könnt das auch wieder ausziehen.“ „Akaashiiiii! Aber wir wollten doch weiterfahren…!“ – „Du gehst heute aber ran, Akaashi-Kun~“ Keiji holte betont ruhig Luft, doch er konnte nicht verhindern, dass sein Gesicht seine Genervtheit deutlich widerspiegelte. Bokutos Eulenaugen blickten in erwartungsvoller Verwirrung zu ihm, während Kuroo so breit grinste, dass ganz offensichtlich war, dass er Keiji ganz absichtlich falsch verstanden hatte. Sie hatten ihre seltsamen Wildwestoutfits wieder angezogen. Einmal war es okay, fand Keiji. Aber zweimal musste er das nicht ertragen – zumal sie schon am Vortag die ulkigsten Blicke bekommen hatten. Zwei offensichtliche Japaner, davon einer mit einer Frisur wie ein explodiertes Vogelnest und der andere mit zweierlei grau gefärbten Haaren, beide viel zu laut, in eindeutig touristenködernden Klamotten, war einfach peinlich. „Ihr seht lächerlich aus in dem Aufzug“, informierte er gnadenlos. Kuroos Grinsen wurde breiter, während Bokutos munterer Ausdruck in gnadenloser Enttäuschung einbrach. „Aber Akaashi, sowas trägt man doch hier.“   „Aber Akaashi, man trägt eben Radlerhosen beim Fahrradfahren.“   Das hatte er Bokuto nicht ausreden können. Er hatte einfach kein Argument gegen Radlerhosen gehabt. Aber er hatte Argumente gegen Wildwestklamotten. „Wir sind gleich nicht mehr in Texas, Bokuto-San. In New Mexico trägt man so etwas nicht.“ Das war eine Logik, der ein Bokuto folgen konnte, doch das änderte nichts an seiner Enttäuschung. Er zog eine Schnute, während er begann, sich aus seinen Klamotten zu schälen. Keiji war sehr dankbar darum, dass Kuroo es ihm einfach gleich tat und die beiden nur wenige Minuten später in normalmenschlicher Kleidung vor ihm standen. Weniger froh war er, dass Kuroo Bokuto aufmunternd auf die Schultern klopfte und dann verkündete: „Keine Sorge, Bro! Wir finden neue coole Klamotten!“     Mit Kuroo als Fahrer ging es weiter gen Westen. Es dauerte zehn Minuten, bis Bokuto die Landschaft langweilig wurde. Nach fünfzehn Minuten spielten sie ein simples Assoziationsspiel, damit Kuroo mitspielen konnte, ohne gegen die Autofahrregeln zu verstoßen, die längst etabliert waren. Irgendwie schafften sie es, nach wenigen Assoziationen entweder bei Essen, Volleyball oder nicht mehr jugendfreien Themen zu landen. Keiji wollte gar nicht verstehen, wo diese Männer ihre Assoziationen hernahmen. Leider war er viel zu gut darin, es zu verstehen, und so blieb er von ihrer verdrehten Gedankenwelt kaum verschont und konnte nur wieder und wieder den Kopf schütteln, wenn Bokuto aus einem Sommertag gleich Beachvolleyball machte und Kuroos erste Assoziation zu Halstüchern Fesselspielchen waren.   Immerhin half das Spiel dabei, die Fahrt herumzubringen, ohne, dass Bokuto quengelig wurde. Und es war harmlos. Es könnten schlimmere Dinge passieren. Kuroo und Bokuto könnten Stressballwerfen– Kaum, dass ihm der Gedanke kam, beschloss Keiji, dass er dem dringend vorbeugen musste.   Regel Nr. 9: Es wird im Auto nicht mit Stressbällen geworden.   Die Regel ließ Bokuto sofort erst einmal protestieren, aber das Assoziationsspiel – „Spanner“, kommentierte Kuroo grinsend, nachdem Keiji noch bei Bettlaken gewesen war. Bokutos Antwort, völlig absehbar, war „Konoha!“ – lenkte ihn schnell genug wieder ab, dass er schon beim Aussteigen schließlich wieder vergessen hatte, dass er überhaupt einen Grund zur Empörung gefunden hatte.     Die Stadt, in der sie hielten, hatte den Namen Stadt sogar fast verdient. Im Gegensatz zu den ganzen winzigen Ansammlungen von kleinen Häuschen, die kaum zwei Straßen weit reichten, hatte Keiji hier ernsthaft das Gefühl von einer strukturierten Siedlung. Mit den unzähligen Neonschildern wirkte Tucumcari außerdem größer, als es tatsächlich war. Aber es war reizend, und Keiji hatte viel Freude daran, all die bunten Schilder zu fotografieren, mal mit Kuroo im Bild, mal mit Bokuto. Nach dem fünften Foto begannen die zwei, zu versuchen, Keijis Fotos zu fotobomben, was nur noch schönere Motive zustande brachte. Als er sie an ihre griechischen Freunde weiterschickte, bekam er viel zu schnell eine Antwort von ihnen: Eine ganze Bilderreihe, auf denen sie sich gegenseitig beim Fotografieren sabotierten. Und eine Nachricht in gebrochenem Englisch, dass sie gut zuhause angekommen waren und noch viel Spaß in den USA wünschten. „Wir müssen ihnen ganz Tokyo zeigen, Akaashi!“, rief Bokuto fröhlich aus, als er sich die Nachrichten ansah. Kuroo lachte, „Ich hoffe, im Gegensatz zu gewissen Leuten können sie einen einfachen Sendeturm vom Sky Tree unterscheiden…“ Es war typisch Kuroo – diese Peinlichkeit aus Jugendtagen grub er immer wieder aus, wenn er einen der damaligen Dummköpfe erwischte. Keiji war froh, dass gerade niemand der Beteiligten da war, um sich darüber aufzuregen. Es war immer so anstrengend. Es wurden noch mehr Fotos gemacht, von Schildern über Schildern, und schließlich von einer Skulptur zur Route 66 und von dem quirligen Souvenirladen in einem an Indianer erinnerten Stil, der neben vielen Route-66-Souvenirs auch Dinge führte, die ebenfalls mehr an Ureinwohner erinnerten.   Es war besser als der Laden, der Sombreros verkaufte. „In Mexico trägt man sowas!“, argumentierte Bokuto, als er schon nach einem der peinlichen Hüte griff. Dass New Mexico nicht Mexico war, ging an ihm vollkommen vorbei, obwohl sie erst in dem Souvenirladen von vorhin darüber gesprochen hatten, weil es dort Shirts mit der Aufschrift „New Mexico ist ein Bundesstaat, kein Land!“ gab. „Deine Frisur, Bokuto-San.“ Was bei den Cowboyhüten geholfen hatte, sollte auch hier helfen. Die Erfahrung mit Bokuto zumindest versprach Keiji gute Chancen – und es half. Der Hut landete mit einem schmollenden Blick wieder zurück an seinem Platz und Bokuto ließ unglücklich die Schultern absacken.   Und dann hatte Kuroo die Ponchos entdeckt.   Er kaufte keinen. Stattdessen kaufte er einen Sombrero, ignorierend, dass es seine Nichtfrisur noch mehr ruinieren würde. „So ergänzen wir uns, Bro!“ war genug der Besänftigung, dass Bokuto dem Umstand nicht nachweinte, selbst keinen Hut zu haben, und stattdessen voller Stolz seinen knallbunten Poncho in der Welt spazieren trug. „Akaashi! Du musst ein Foto für Niko und die anderen machen!“   Keiji machte Fotos. Keiji verschickte Fotos. Keiji bekam nach ungefähr zwanzig Minuten ein Foto zurück, das ihre Freunde in etwas zeigte, von dem Keiji vermutete, es seien griechische Trachten. Natürlich wollte Bokuto auch unbedingt eine haben, irgendwann. Bokuto würde auch noch einen Kartoffelsack tragen wollen, wenn andere Leute das taten – spätestens dann, wenn Kuroo sagte, dass es cool war. Kuroos Meinung war schließlich so etwas wie göttlicher Wille in Bokutos Welt.     Neben bunten Souvenirläden und irrsinnig vielen Neonschildern bot Tucumcari auch ein Museum – ein Dinosauriermuseum. Nicht nur Bokuto war sofort Feuer und Flamme. Kuroo gackerte wie ein Irrer, als er das Schild sah, das auf das Museum hinwies. „Tsukki würde es lieben.“ Und weil Tsukishima es lieben würde, und Tsukishima nicht hier war, und Kuroo ein gemeiner Mistkerl war, wenn er wollte, musste er da natürlich rein und es Tsukishima möglichst bunt und farbenfroh geschildert unter die Nase reiben.   (Keiji fragte sich immer wieder, wie Kuroo es schaffte, seine Freundschaften auch nur länger als ein paar Monate zu halten.   Und dann erinnerte er sich daran, dass er Kuroo jetzt auch schon seit über zehn Jahren ertrug, und das schon lange nicht mehr nur, weil er Bokutos bester Freund war.)   Sie verbrachten viel Zeit zwischen Dinosaurierknochen und Skeletten. Kuroo fand zusätzliche Informationen im Internet, wo die Infoplaketten zu den Ausstellungsstücken nicht spannend genug waren, und Bokuto sog jedes Wort wie ein Schwamm in sich auf – nur, damit es am Ende doch wieder herauströpfeln würde. Er war einfach nicht gut darin, Wissen zu behalten, und überhaupt merkte sich Bokuto aus Prinzip sowieso nur die Dinge, die er sich nicht merken sollte.   Zum Beispiel, dass Keiji kitzlig in den Kniekehlen war.   (Jetzt nutzte er es viel zu oft, wenn sie gemeinsam auf dem Sofa saßen. Keiji mochte es, die Beine über Bokutos Schoß zu legen, sich zurückzulehnen und zu lesen, während irgendein explosiver Mumpitz im Fernsehen lief, den Bokuto lauthals kommentierte. Er mochte es zumindest solange, bis Bokutos Finger zu wandern begannen und sich irgendwann in seine Kniekehlen schlichen und ihn so lange kitzelten, bis Keiji lachend mit einem Sofakissen warf, damit es aufhörte. Es hörte auf, aber auch nur, weil Bokuto dann damit beschäftigt war, eine sehr einseitige Kissenschlacht auszutragen, aus der er immer als Sieger hervorging.)     Weil sie in Santa Rosa noch ein Automuseum fanden, das natürlich unbedingt besichtigt werden musste, beschloss Keiji, es würde ihr letzter Stopp für den Tag sein. Womöglich brachte sie das in Verzug, aber letztlich war es nicht schlimm; sie lagen so gut in der Zeit, dass eine Trödelei durchaus noch erlaubt war. Keiji bereute keine Sekunde, hergekommen zu sein. All die Oldtimer waren faszinierend. Jeder, der nicht nur aus Notwendigkeit heraus Auto fuhr, würde hier wohl seine Freude haben mit den Ausstellungsstücken auf dem schachbrettgemusterten Boden. Und im Gegensatz zu kopfstehenden Cadillacs brachten die Wägen hier Bokuto nicht auf dumme Ideen. Kuroo auch nicht. Peinlich genug wurde es dank dem Aufzug der beiden trotzdem. Keiji fand es nicht halb so lustig wie Kuroo, wie oft sich irgendjemand nach ihnen umdrehte, um ihnen entgeistert nachzublicken.   Bokuto störte es nicht; es war Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit war gut, so lief das in der Regel in seiner Welt.   „So einen Oldie zu haben wäre total cool, oder Akaashi?“ – „Dafür kriegst du keine Ersatzteile mehr, Bokuto-San.“ „Aber cool wäre es trotzdem“, beharrte er. „Am besten für die Arbeit. Hey hey hey! Dann wüssten die ganzen Verbrecher immer sofort, dass da der große Bokuto Koutarou kommt, um sie festzunehmen!“ „Das wissen sie auch so, Bokuto-San.“ – „Hey hey hey!!!“ Spätestens, wenn Bokuto aus dem Wagen stieg. Unnötig gewichtig, unnötig laut… Er war eben Bokuto, egal, was er tat. Und damit eben auch im Beruf, so oft das auch einfach nur seltsam und wenig seriös war. Gerade im Umgang mit Zeugen hatte Bokuto aber ein so gutes Händchen, dass inzwischen eigentlich jeder auf der Wache über alle anderen Macken hinwegsehen konnte. Bis der Emo-Modus kam. Dann wurden resignierte Blicke getauscht und Keiji hörte fünf Kollegen gleichzeitig seinen Namen rufen.   Es war vertraut, deshalb störte sich Keiji nie daran.   (Was ihn störte, war, wenn sie mit dem Gericht zu tun hatten. Mit Staatsanwalt Daishou, um genau zu sein. Am Schlimmsten war es, wenn auch noch Rechtsmediziner Kuroo mit von der Partie war. Es hatte einfach Nachteile, Berufe zu haben, die miteinander verwoben waren, vor allem, wenn zwei der Beteiligten einen ewig alten Krieg miteinander führten.)   „Hey, Akaashiiiii! Glaubst du, die vermissen uns auf der Wache?“ Wahrscheinlich waren sie eher dankbar um die Stille. Wobei, wenn Keiji darüber nachdachte… die übereifrigen Neulinge aus dem letzten Jahrgang liebten Bokuto über alles. Sie vergötterten ihn, und jeden Morgen strahlten sie, wenn er mit seinem typischen „Hey hey hey!“ aufmarschierte. Sie hatten es längst übernommen und grüßten selbst schon mit der gleichen Floskel zurück. Sie würden Bokuto unter Garantie vermissen. „Es war viel zu leise ohne euch!“, würden sie vermutlich klagen, sobald sie zurück waren. Keiji mochte sie, weil sie Bokuto mochten. Es war eigentlich immer so simpel, solange es nicht um Kuroo Tetsurou ging, der einfach viel zu anstrengend war, um ihn so einfach zu mögen. „Tun sie, Bokuto-San.“ – „Wir sollten ihnen schreiben, Akaashiiii! Oder Postkarten schicken!“   Also wurden wieder einmal Postkarten gekauft. Irgendwie schafften die Postkarten es sogar noch in einen Briefkasten, ehe der Tag vorbei war und sie in das nächste fremde Bett fielen.     ***     Das Tinkertown Museum war eine Ansammlung von unzähligen Holzfigürchen, die zu liebevollen Szenen aufgestellt worden waren, die jede einzelne für sich eine ganz wunderbare Geschichte erzählte. Keiji fand es faszinierend. Bokuto war begeistert, bis er sich eben wieder langweilte, was schnell genug passierte, und Kuroo schien das Interesse zu verlieren, nachdem er Yaku ein Foto geschickt hatte, zusammen mit der Nachricht Schau mal, ich hab deine Familie gefunden, Yakkun! – er bekam etwas zurück, das ihn gackernd lachen ließ. Als er Bokuto die Antwort zeigte, lachte er ebenfalls laut auf.   Auf das vollgepfropfte kleine Museum hin kauften sie sich in einem kleinen Supermarkt ein paar Kleinigkeiten für ein halbwegs nahrhaftes Picknick zusammen. Irgendwo oben auf den Sandia Mountains waren Picknickplätze, sagte Kuroos Reiseführer, und auch wenn er noch einmal darüber jammerte, dass Wandern nicht sein Ding war, kam er ohne größeren Protest mit. Natürlich kam er mit. Es war wunderschön. Ähnlich wie der Canyon, durch den sie gewandert waren, staubig, eher trocken mit einer dürren Vegetation, die unbeirrbar dem Klima trotzte und teils blasse, teils saftig grüne Farbkleckse auf den felsigen Untergrund malte. Die Sonne malte ein scharfes Spiel aus Licht und Schatten auf all die Furchen im Gestein. Lange Schatten zogen sich über die Ebenen, während andere Ecken in gleißendes Licht getaucht waren. Über ihnen waren nur wenige Wolken, die nicht einmal reichten, um die Sonne kurzzeitig zu verdecken, und eine leichte Brise machte die schwere, heiße Luft um einiges erträglicher. Sie wanderten, bis sie hungrig wurden, nur Pausen machend, um ab und zu ein Foto zu schießen – Bokuto schickte sie seinen neuen Freunden, Kuroo schickte sie an Yaku –, oder um eine besonders schöne Aussicht gebührend zu bewundern. Irgendwann fing Kuroo an, alberne Wanderlieder zu singen. Bokuto sang mit, und ihre Stimmen wurden vom Gebirge um sie herum zurückgeworfen. Es klang auf eine grauenhafte Art liebenswert.     Auf einem kaum bewachsenen Felsplateau nahmen sie schließlich ihr Picknick zu sich. Sie hatten Bokutos Poncho, den er natürlich noch einmal hatte anziehen müssen, immerhin waren sie ja noch in New Mexico, als Picknickdecke auf dem Boden ausgebreitet. So sah der grellbunte Stoff nicht mehr halb so furchtbar aus und Keiji musste von dem Anblick schmunzeln. Bokuto und Kuroo, die bequem auf dem Boden saßen, zwischen ihnen dieser knallige Poncho, auf dem ihr mitgebrachtes Essen lag: Es waren Sandwiches, irgendwelche Cracker und ein paar Kekse, die Kuroo mit einem trägen Grinsen in den Einkaufskorb geworfen hatte. Gegen Süßigkeiten hatte Bokuto auch gar nichts einzuwenden, und Keiji sparte sich den Protest, weil – warum nicht? Er persönlich mochte die sandige Textur der Supermarktcookies nicht, aber wenn es den Jungs schmeckte, sollten sie es doch essen. Bisher hatte noch keiner über Zahnschmerzen geklagt, also waren sie vernünftig genug, sich unnötigen Zucker leisten zu können.   (Wären sie es nicht, Keiji würde den Dienst quittieren. So gerne er Bokuto ab und zu hinterherräumte und ihn bevormundete, er war ein Freund, kein ernsthafter Babysitter, und er wollte seine Freunde ernstnehmen können und sie nicht als kleine Kinder sehen.)   Während des Essens verloren sie sich in Gesprächen über die gute alte Zeit. Schon wieder. Es schien ein Roadtripritual zu werden; die Distanz zum Alltag machte es einfach, sich in Erinnerungen zu verlieren, die man sonst höchstens noch hervorholte, um einmal kurz darüber zu lächeln. Jetzt kamen die ganzen Sachen einfach wieder zurück – die alten Trainingscampgeschichten. Wie man sich kennengelernt hatte. „Bro. Ich fand dich ja zuerst total scheiße.“ – „Brooo???“ – „Und dann hast du den Mund aufgemacht und es war Liebe auf das erste Hey!“ Die meisten Geschichten kannte Keiji. Selbst die, die vor seiner Zeit passiert waren, denn wenn man so viel Zeit miteinander verbrachte, dann hörte man die alten Anekdoten einfach. Einmal. Zweimal. Einige waren so vertraut, als wäre Keiji dabei gewesen.   (Er war sehr froh, nicht dabei gewesen zu sein. Allein die Geschichte, wie Bokuto und Kuroo sich bei ihrem ersten gemeinsamen Trainingscamp in Shinzens Schule in der Gegend verlaufen hatten… In die Horrorgeschichten, die ein paar Senpai erzählt hatten, hineingesteigert, hatten sie geglaubt, von einem wahnsinnigen Axtmörder verfolgt zu werden, der am Ende nur ein netter alter Herr war, der wissen wollte, ob bei den beiden kleinen High-School-Schülern denn alles okay sei, die so spät noch draußen unterwegs waren. Keiji hätte diesen Ausflug vermutlich nicht überlebt, ohne sich mehrfach bei dem armen Mann zu entschuldigen – und für seine Hilfe zu bedanken. Aber gut, Keiji hätte sich auch gar nicht erst verlaufen…)     „Ich glaube ja nicht, dass wir heute allzu weit kommen“, kommentierte Kuroo, als sie sich wieder an den Abstieg machten. „Wir müssen uns eben beeilen, Kuroo-San.“ Das war nur viel einfacher gesagt, als getan.     Es war, als wäre New Mexico mit Museen überflutet – oder vielleicht hatten sie bisher einfach zu viele andere Dinge gefunden, die sie davon abgelenkt hatten, dass überall zahlreiche Museen waren. Aber schon Albuquerque, die nächste Stadt, in der sie hielten, wartete wieder mit zwei Museen auf. Keiji wollte sich das Indian Pueblo Cultural Center ansehen. Kuroo wollte das Klapperschlangenmuseum sehen. „Bist du sicher, dass du das verkraftest, Kuroo?“ Bokutos Augenbrauen hoben sich skeptisch, sein Blick üblich träge und auf Halbmast hängend. „Eh? Ist ja nicht, als würde Daishou da durch die Terrarien schlängeln.“ – „Man weiß ja nie…“ – „Das weiß ich. Der Typ sitzt sicher grad wieder im Gerichtssaal und macht irgendeinem armen Opfer das Leben zur Hölle.“ Bokuto verzog bei den Worten das Gesicht zu einer Grimasse. Wahrscheinlich erinnerte er sich noch genauso lebhaft wie Keiji an ihren letzten Zusammenstoß mit Nohebis ehemaligem Captain. Es war kaum zu glauben, dass Daishou in all den Jahren nur noch unangenehmer geworden war. Vielleicht machte er es auch mit Absicht. Es mochte Einbildung sein, aber Keiji war sich doch relativ sicher, dass Daishou ein unglaublich liebenswürdiger Mensch sein konnte, wenn er es wollte; er hatte ihn zufällig einmal mit seiner Ehefrau in der Stadt gesehen und beinahe nicht wiedererkannt.   „Und wer weiß? Vielleicht finden wir ein paar Schwachstellen von den Viechern. Kann auch nur nützlich sein!“   Was sie fanden, waren Klapperschlangen in allen Größen und Farben und Altersstufen. Kein Daishou, ganz wie zu erwarten gewesen war. Auch sonst keine unangenehmere Überraschung als ja, dass hier eben Schlangen waren. Keine großartigen Schwachstellen, aber viele Erklärungen zu der Lebensweise der Tiere. Sie waren interessant. Keiji hätte trotzdem lieber die indianischen Kulturerben gesehen.   (Wahrscheinlich wäre es für Bokuto aber tödlich langweilig gewesen. Und für Kuroo sowieso.)     Weil es große Umwege gewesen wären und sie wirklich getrödelt hatten, beschlossen sie, einige Ecken auszulassen, die Keijis Reiseplanung vorgeschlagen hatte. Keiji war es nicht unlieb, denn das bedeutete, dass sie an einem Kasino weniger vorbeikommen würden. Und die Kasino-Diskussionen waren Keiji einfach zu anstrengend, vor allem, da er fürchtete, dass es nicht ewig reichen würde, auf Kartenspiele auf dem Hotelzimmer zu vertrösten. Vor allem nicht, wenn der Einsatz zu mau war. Und das würde es Bokuto wohl fast immer sein, wenn es nicht schon fast hanebüchen wurde. Oder Strippoker. Aber Keiji spielte kein Strippoker, auch wenn er sicher nicht verlieren würde – zumindest nicht gegen Bokuto und sein fehlendes Pokerface. Kuroo war da eine andere Geschichte, und der maßgebliche Grund, weshalb Keiji auf das Spiel verzichten konnte, solange es nicht zwingend nötig war.   (Lieber verlor er aber sein letztes Hemd in der halbwegsen Privatsphäre des Hotelzimmers, als zuzusehen, wie Kuroo und Bokuto sich in einem Kasino zum Idioten machten. Ganz von allem mentalen Stress abgesehen würde ihr Reisebudget das auch nicht verkraften.)   Ihr letztes Tagesziel vor einem Bett zum Schlafen wurde so Acoma Pueblo, eine uralte Ureinwohnersiedlung, die heutzutage gar nicht  mehr bewohnt war. Mit einem Touristenführer konnte man sich die Siedlung trotzdem ansehen, wo jetzt noch Mitglieder des einst dort ansässigen Volkes ihre Handwerkswaren verkauften. Es wäre interessanter gewesen, alleine erkunden zu können, und es dauerte gar nicht lange, bis Bokuto unruhig wurde, weil ihn die Gassen zwischen den niedrigen, klotzförmigen Häuschen viel mehr interessierten als die offeneren Wege, auf denen man sie vorantrieb. Ihr Fremdenführer sprach zu schnell, als dass Keiji gut mitkommen würde. Es reichte noch weniger, um zu übersetzen, was er verstand.   Kuroo und sein Handy waren ein besserer Fremdenführer.   „Akaashii… das ist langweilig hier.“ Es war beeindruckend, wenn man zuerst ankam und die fremde Architektur bewunderte. Aber es verlor schnell an Reiz. Selbst Keiji war nicht sonderlich angetan davon, hier zu bleiben, denn die Führung war wirklich nicht spektakulär. Die Gegend reizte so sehr zum Erkunden, dass es nur frustrierend war, auf vorgefertigten Wegen bleiben zu müssen. „Wir können jederzeit gehen, Bokuto-San.“ – „Und dann machen wir etwas spannenderes? Akaashi!“ „Natürlich.“ Keiji hatte keine Ahnung, was. Er wusste nur, das Museum am Rande der Siedlung gehörte sicher nicht zu Bokutos Definition von Spannung, und nach all den Museen, über die sie gestolpert waren, war es selbst Keiji genug, so dass er gar nicht auf die Idee kam, dort einkehren zu wollen.     Etwas Spannenderes fiel Keiji aber auch immer noch nicht ein, als sie schließlich in Grants eine Herberge gefunden hatten und zusammen auf dem Zimmer saßen. Bokuto und Kuroo warfen den Stressball herum, um sich beschäftigt zu halten, während Bokuto unglücklich auf dem Bett herumwobbelte. Er war offensichtlich immer noch gelangweilt. „Akaashiiii…“ Keiji seufzte leise. Sie könnten eine Nachtwanderung durch die Stadt machen. Nicht spannend, und im schlimmsten Fall höchstens kontraproduktiv, weil es in unnötiger Paranoia endete. Zwielichtige Gestalten in der Dunkelheit konnten eben schonmal übermäßig beunruhigend aussehen, und man konnte sich gegenseitig doch so wunderbar hochpeitschen. Das hatten sie doch schon an der albernen Geisterstadt gesehen. Also nichts, das potentiell unheimlich sein konnte. Fernsehgucken war auch nicht möglich, denn das Zimmer hatte keinen Fernseher, und selbst wenn, wahrscheinlich wäre der Empfang schlecht gewesen. Bücherlesen kam bei Bokuto auch nicht infrage. Blieben eigentlich nur noch die Spiele, die sie gekauft hatten. Karten. Worum spielen? Autofahrerlaubnis? Stolz und Ehre?   Oder…   „Spielen wir Karten.“ – „Akaashiiiiiii! Worum spielen wir?“   Keiji grinste. Er ließ sich auf dem Bett nieder und legte den Kartenstapel in die Mitte, nachdem auch Kuroo sich zu ihnen gesellt hatte. Das letzte Kartenspiel war darin geendet, dass Keiji gewonnen hatte. Er hatte keinen Grund, davon auszugehen, dass es dieses Mal anders sein würde, aber dieses Mal war er nicht müde und er hatte eigentlich selbst keine Lust, nur darum zu spielen, ob man nun schlafen ging oder nicht. Eigentlich gab es also nur einen Einsatz, der in Frage kam:   „Wolltet ihr nicht noch Rache für die Sache mit dem Wettrennen?“   Rache bekamen sie nicht unbedingt. Unzufrieden war an diesem Abend trotzdem keiner von ihnen.     ***     Eigentlich hatte Keiji mit den letzten Museumsbesuchen für sich beschlossen, dass er erst einmal genug von Museen hatte. Am New Mexico Mining Museum kamen sie trotzdem nicht vorbei, denn ausgerechnet Bokuto wollte unbedingt dorthin: „Akaashiii!!! Die haben da so richtig eine Mine nachgebaut!!! Wie beim echten Bergbau! Nur ohne dass alles über deinem Kopf zusammenstürzt!“ Weil es interessant klang, und tatsächlich ungefährlicher, als wenn Bokuto irgendwann auf die Idee kam, er wolle eine echte Mine besichtigen – es wäre auch sicher verboten! –, stimmte Keiji sofort zu.   Das Museum befasste sich mit dem Uranbergbau. Im Erdgeschoss war ein ganz gewöhnlicher Ausstellungsbereich, wie man ihn aus Museen eben kannte. Informationsplaketten, Ausstellungsstücke, Werkzeuge… interessant für Keiji, wenig interessant für seine beiden Begleiter, die eher desinteressiert die Ausstellungsstücke begutachteten. Sie verfielen nach wenigen Minuten schon in Diskussionen darüber, wie gut sie sich beim Bergbau machen würden. Gar nicht gut, da war sich Keiji sicher. Kaum ging es ins Untergeschoss allerdings war es vorbei mit der Langeweile und den Diskussionen: Bokuto hatte nicht übertrieben mit der Behauptung, es sei eine Mine nachgebaut worden. In den Stollen waren Karren, wie sie zum Transport in Minen genutzt wurden, die Decken waren zu niedrig für Keijis Wohlbefinden und ihre Stimmen hallten von den Wänden wider. Überall waren Warnschilder, die dem ganzen unangenehm viel Authentizität verliehen. Hier und da waren Informationstafeln, die noch mehr über den Uranbergbau erzählten, der wohl nur für eine kurze Zeit hier in New Mexico geboomt hatte. Es gab sogar eine Untergrund-Mensa, die alles andere als einladend aussah. Trotzdem blieben sie, um den Tisch herum sitzend, die Beine ausgestreckt. „Ich will mir nicht vorstellen, hier länger bleiben zu müssen“, kommentierte Kuroo mit einem ausgesprochen skeptischen Stirnrunzeln. „Aber es wäre sicher cool, den ganzen Tag auf Stein einzuhacken!“ – „Aber auch nur so lange, bis dir das ganze Zeug auf den Kopf fällt, Bro!“ – „Auch wieder wahr… Es gibt ja ganz viele Minenunglücke. Aber dann kann man sich bestimmt noch an die Erdoberfläche graben!“ „Wenn der Schacht einbricht, gräbst du gar nichts mehr, Bokuto-San“, gab Keiji trocken zurück. Bokuto sah ihn unwillig an. „Du bist eine Spaßbremse, Akaashi!“ Das wusste Keiji. Er bekam es immerhin mindestens einmal täglich zu hören aktuell.   Und die meiste Zeit war er es gerne.     Statt schließlich einfach weiter nach Westen zu fahren, steuerten sie in südliche Richtung. Der Umweg würde sie ein paar Stunden insgesamt kosten, aber Keiji befand, dass es sich lohnen würde. Genauso sehr, wie es sich gelohnt hatte, Regel Nr. 9 schon einmal präventiv aufzustellen, denn jetzt, wo Bokuto und Kuroo beide nicht hinterm Steuer saßen, war sie bitterlich nötig. Es dauerte keine zehn Minuten, bis Bokuto den verdammten Stressball in der Hand hatte. „Die Regeln, Bokuto-San.“ Es dauerte weitere fünf Minuten, bis er den Ball unter tragischem Gemecker wieder in sein Handgepäck gestopft hatte, wo er hingehörte. „Sagt mal… was passiert eigentlich, wenn wir die Regeln brechen?“ Kuroo grinste, als Keiji in den Rückspiegel sah. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah unglaublich selbstzufrieden aus. Heute ohne Sombrero, endlich, und auch Bokuto hatte den Poncho im Gepäck gelassen, nachdem der sein Leben als Picknickdecke nicht ganz so gut verkraftet hatte. Es war natürlich unnötig dramatisch gewesen, aber mit ein paar guten Argumenten, die Keijis genervter Kopf sich gar nicht hatte merken können, war die Diskussion auch zu ihrem Ende gekommen und Bokuto und Kuroo sahen wieder so normal aus, wie es für ihre Verhältnisse eben möglich war. Mit einem Seufzen wandte Keiji den Blick vom Rückspiegel ab. „Akaashiiiii! Was ist die Strafe?“   Die Frage war leider ein bisschen zu gut. Keiji hatte keine Antwort, wenn er ehrlich war.   „Situationsbedingt. Wer im Auto mit Stressbällen wirft, kann zu Fuß weitergehen. Wer im Bett die Finger nicht bei sich behält, schläft auf dem Boden.“ Es mochte harsch klingen, aber der einzige Grund, dass Keiji das so formulierte, war, dass er wusste, dass es bei der Drohung bleiben würde. Zumindest, was den Wagen anbelangte. Und es würde ihm nun nicht schmerzen, Bokuto oder Kuroo – oder Beide – auf den Boden zu verbannen, wenn sie sich nicht benahmen. „Du bist ganz schön grausam, Akaashi. Bro, wie hältst du das tagtäglich mit dem aus?“ Keiji musste nicht zur Seite sehen, um zu wissen, dass Bokuto sein Denkergesicht aufgesetzt hatte und sehr, sehr angestrengt darüber nachdachte – vermutlich, weil er sich diese Frage einfach noch nie gestellt hatte.   (Keiji hatte diese Frage auch einmal gehört. „Wie hältst du es täglich mit Bokuto aus?“ Es war Konoha gewesen. Vor drei oder vier Jahren, so genau wusste Keiji es gar nicht. Er hatte überhaupt keine Antwort gehabt. Er hatte Konoha nur angeguckt, und nachdem ihm gar nichts einfiel, zuckte er schließlich nur die Schultern. Obwohl ihm objektiv bewusst war, dass es anstrengend war, und obwohl er selbst schon gezweifelt hatte, dass es gut laufen würde, er hatte nie darüber nachgedacht, wie er das nun eigentlich stemmte, denn es war… selbstverständlich geworden. Alles daran.)   Als er doch zur Seite linste, sah er, wie Bokuto die Schultern zuckte. „Einfach so!“ Kuroo lachte, und Keiji versteckte sein Lächeln hinter einem Blick aus dem Fenster. Er hörte Kuroos übertrieben theatralisches Seufzen, hörte darin das breite Grinsen auf dem Gesicht des anderen. „Das muss wahre Liebe sein.“   (Das waren in etwa auch Konohas Worte gewesen. Nur hatte es bei ihm viel mehr nach Entsetzen geklungen als nach liebevollem Spott.)   „Wohin fahren wir eigentlich, Akaashiii?“ – „Lass dich überraschen, Bokuto-San.“ Keiji war sich sicher, es würde eine positive Überraschung sein. Spätestens der zweite Teil ihres Ziels würde Bokuto begeistern.     Er behielt Recht. Schon das pechschwarze, bröckelige Gestein der Lavafelder von El Malpais war beeindruckend genug, um Bokuto mehr als bei Laune zu halten. Es gab nur einen Pfad, der durch die zerklüftete, karge und leblose Landschaft führte, die völlig tot wirkte. Hier gab es kaum ein Zeichen von Leben und nur an ganz wenigen Ecken wuchsen noch Pflanzen, und die, die wuchsen, sahen ganz eindeutig danach aus, dass sie sich an die viel zu harschen Lebensbedingungen angepasst hatten und stur dem kargen Boden trotzten; es waren keine besonders schönen Pflanzen, aber sie waren stark. Es war ein faszinierender Anblick, wenn auch erschreckend. Was Vulkanausbrüche alles anrichten konnten…   Das Highlight des Auflugs waren aber eindeutig die Eishöhlen, die sich in der Nähe der Lavafelder befanden. Es war mörderisch kalt – es wurde nie wärmer als null Grad Celsius hier unten –, was im ersten Moment zwar eine nette Abwechslung zur Sommerhitze war, im zweiten Augenblick allerdings schon für Gänsehaut und den verzweifelten Wunsch nach Jacken sorgte. Trotzdem blieben sie. Es war ein atemberaubendes Bild, das sich ihnen bot. Das Eis, das es hier unten in Hülle und Fülle gab, leuchtete im teilweise durch die lichte Decke einfallenden Sonnenlicht in allen möglichen Grün– und Blautönen, und obwohl man nicht einmal allzu weit hineinkam, war die ganze Situation faszinierend genug, dass Keiji große Mühe hatte, sich überhaupt noch einmal davon loszureißen. Der ganze Ort wirkte magisch. Selbst Bokuto flüsterte, wenn er sprach.     Am Ende war es die Kälte, die sie doch wieder hinaustrieb, und die warme Nachmittagssonne war eine absolute Wohltat auf der ausgekühlten Haut.  Nach einigen Minuten des Aufwärmens in der Sonne ging es zurück zum Wagen. Die Fahrt würde lang sein. Zu lang, um Bokutos Quengeln ertragen zu wollen. „Bokuto-San. Wenn du ein kleines Fragespiel gewinnst, darfst du weiterfahren.“ Bokutos Augen leuchteten auf von der Herausforderung. Er sah sich schon als Sieger, als er selbstbewusst die Hände in die Hüften stemmte. „Hey hey hey! Natürlich werde ich gewinnen!“ Keiji versuchte gar nicht, ein allzu schweres Spiel zu finden; er wollte, dass Bokuto gewann. „Gut. Du musst mehr als die Hälfte der Fragen richtig beantworten. Kuroo-San wird der Schiedsrichter sein.“ Der im Zweifelsfall vermutlich parteiisch für Bokuto zählen würde. War Keiji auch recht. Er wollte Bokuto bloß nicht ganz ohne Grund belohnen, sonst verwöhnte er  ihn nur.   „Also gut. Wo sind wir hier in den USA zu Beginn unserer Reise gelandet?“ – „Das ist einfach! Das ist Chicago!“ Keiji nickte. Kuroo grinste und hob einen Finger der linken Hand in die Höhe. Bokuto grinste so dermaßen breit und triumphal, als hätte er gerade eine Weltmeisterschaft gewonnen. Aber so war Bokuto einfach: Jeder winzige Erfolg war ein Grund zum Feiern. Das machte es ihm unglaublich einfach, Leute zu motivieren und mitzureißen. Keiji fand es bewundernswert, auch wenn er niemals so sein wollte. „Woher kommen Niko und die Anderen?“ – „Ah! Das ist auch einfach! Aus Feta natürlich!“ Kuroo lachte so laut los, dass Keijis eigenes Schnauben darin zum Glück völlig unterging. Bokuto sah missmutig vom einen zum anderen. Er begriff seinen Fehler nicht. Natürlich nicht. „Bro… Kreta. Nicht Feta… Bwahahaha!!!“   So ging es noch eine Weile weiter. Keiji versuchte, möglichst einfache Fragen zu finden, die mit ihrer Reise zu tun hatten. Wie hieß das Café in der Mitte ihrer Reiseroute? Wie hieß die Straße, auf der sie (zumindest metaphorisch) entlangfuhren? In welchem Bundesstaat waren sie zuletzt gewesen, bevor sie nach New Mexico gekommen waren? Welches typische amerikanische Essen hatten sie in ihrem ersten Diner gegessen (und danach wieder ausgekotzt)? Bokuto schaffte es trotz der Einfachheit der Fragen, ungefähr die Hälfte falsch zu beantworten, aber am Ende gewann er doch noch ganz knapp. Und natürlich fand er sich wieder unglaublich großartig, während er sich auf den Fahrersitz schwang. „Hey hey hey! Ich bin der Beste!!!“   Vom Rücksitz hörte Keiji ein gehustetes Feta, ehe Kuroo erneut in einen Lachkrampf ausbrach.   (Keiji lachte auch. Er bestritt es allerdings, als Kuroo ihn fünf Minuten später damit aufzog.)     Das Fragespiel hatte mehrere Vorteile mit sich gebracht: Bokuto war mit Fahren beschäftigt und deshalb nicht quengelig über die lange Strecke. Kuroo hatte einen neuen Witz gefunden, über den er lachen konnte. Das machte ihn ungefährlicher, weil er weniger Energie in die Planung neuer Untaten steckte. Und Keiji hatte damit eine vergleichsweise friedliche Fahrt mit laufendem Radio, straßenkommentierendem Bokuto und lachendem Kuroo.   Das Geräuschepotpourri ergab insgesamt eine sehr unharmonische, aber trotzdem irgendwie charmante Melodie.     Nach fast zwei Stunden hielten sie das erste Mal wieder. Einmal zum Beinevertreten, außerdem musste Bokuto zur Toilette, und hier befand sich eine weitere Sehenswürdigkeit, die auf Keijis Liste gestanden hatte. Der Inscription Rock war eine riesige Felswand, auf der, warum auch immer, Namen eingraviert waren. Keiji hatte sich die historischen Begebenheiten nicht angesehen. Es bot in jedem Fall einen hübschen Platz zum Spazieren, bevor sie sich wieder für über eine Stunde in den Wagen setzten.   Ihr Tagesziel war Gallup. Keine sehr große Stadt, irgendwie staubig, aber lebhaft mit ihrer Unmenge an Neonschildern, die den dunkler werdenden Abend erleuchteten. Es war interessant genug, dass sie noch über eine Stunde durch die Straßen streiften, ehe sie sich in ihre Herberge zurückzogen. „Eigentlich“, kommentierte Kuroo, während er grinsend auf dem Bett hockte und seine Kissen zurechtknautschte, damit er gleich nur noch mit dem Gesicht voran hineinfallen musste, „müsste Akaashi ja heute auf dem Boden schlafen. Ich meine, gebrochene Regeln und so…“ Bokuto blinzelte dümmlich. Er sah zu Kuroo, dann zu Keiji, dann zu Kuroo, als hätte er ihm gerade die Erleuchtung verschafft. Ein fast träumerischer Ausdruck legte sich auf Bokutos Gesicht. „Bro“, hauchte er, völlig überwältigt. Die Vorstellung, dass Keiji eine Regel gebrochen haben könnte, schien ihn unglaublich zu begeistern. „Wenn dann müssen wir alle auf dem Boden schlafen.“ Keiji sah unbekümmert in die Runde. Kuroo stöhnte theatralisch. Bokuto schloss sich ihm nach einem langen Moment, den er nur eulenhaft blinzelte und nichts verstand, an. „Du bist echt ein Spielverderber, Akaashi.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)