Federfreundschaft von Writing_League ================================================================================ One-Shot -------- „Ich glaube, ihr könntet Freunde werden.“   Der Kommentar kam so unverhofft, dass Ace nichts anderes tun konnte als verwirrt zu blinzeln. Gerade noch hatten sie über den Chocobo gesprochen, dessen Federn Izana mit penibler Sorgfalt vom Schmutz seines letzten Einsatzes befreit hatte, über die Monster, denen das Tier sich schon gestellt hatte, über die Zeit, die Izana mit ihm verbracht hatte, und jetzt das. „Chichiri und ich?“, fragte er in einer Mischung aus Unglaube und Belustigung nach. Izana lachte herzlich. Ace fiel erst jetzt auf, wie ernst er zuvor ausgesehen hatte. Jetzt funkelte Amüsement in seinen Augen. „Seid ihr das nicht schon?“ Während Ace noch damit beschäftigt war, Izanas Logik auszuseufzen – er hatte Chichiri jetzt zweimal den Kopf kraulen dürfen. Seinem Verständnis nach galt das noch nicht als Freundschaft –, kehrte der Blick des Soldaten zur vorherigen Ernsthaftigkeit zurück.   „Ich meine meinen Bruder.“   „Deinen Bruder, mit dem du dich noch immer nicht vertragen hast?“ Izanas Antwort war ein ausweichendes Schnauben. Er senkte den Blick auf Chichiris Gefieder, als wäre es auf einmal das Spannendste der Welt, strich dem großen Vogel behutsam über den Hals. „Es ist nicht so einfach. Geschwister sind das Beste der Welt, aber sie sind auch das Komplizierteste.“ Ace verstand es nicht. Aber er verstand insgesamt nicht, was Izanas Familienphilosophie ihm erzählen wollte; er lebte in einer völlig anderen Welt. Zu erwidern wusste er nichts. Er ließ Izanas Worte unbeantwortet in der Luft schweben, bis sie auseinanderstoben und mit dem Wind verschwanden. Sein Gegenüber stieß hörbar die Luft aus und straffte die Schultern, ehe er kurz lächelte. Es wirkte zumindest ein bisschen angestrengt. „Ihr müsstet in einem Alter sein, du und er. Ihr seid beide Kadetten.“ Inzwischen wurde sein Grinsen ehrlicher. Er zog eine lose Feder aus Chichiris Gefieder und wedelte damit vor Aces Nase herum.   „Und ihr mögt beide Chocobo. Sind doch beste Voraussetzungen.“   Ace sah die Logik dahinter nicht.     ***     „Du wolltest mit mir reden. Also? Ich bin hier.“   Machina gab sich alle Mühe, nicht allzu unzufrieden zu klingen, aber es fiel ihm mehr als schwer. Seit seinem letzten Gespräch mit seinem Bruder war er nicht mehr sonderlich gut auf ihn zu sprechen – kein Wunder –, und eigentlich hatte er gar nicht erst wieder herkommen wollen. Aber Izana hatte ihn belästigt und belästigt und belästigt, hatte sogar die arme Rem mit hineingezogen und ihr aufgetragen, ihn um ein Treffen zu bitten. An dem Punkt war Machina eingeknickt, denn er wusste, wenn Rem von den Familienstreitigkeiten erfuhr, würde sie sich nur wieder unnötige Sorgen machen, und das brauchte sie einfach nicht. Izana nickte, langsam, als wollte er Zeit schinden. Er sah Machina gar nicht an, sondern war völlig auf Chichiri fixiert. Vielleicht glaubte er, dass es die Sache leichter mache. In Machinas Augen war es nichts als ein Zeichen von Schwäche.   „Ich habe bald eine Mission“, erzählte er schließlich. Sein Tonfall versuchte, plaudernd und beiläufig zu sein, stattdessen klang er unterschwellig verbissen und angespannt. „Ah. Was für Monster rottet ihr dieses Mal aus?“ Es war bisher immer das Gleiche gewesen – Izanas Einheit war nicht einmal stark genug, um mehr zu tun als umliegende Monsterbestände zu dezimieren. Izana schüttelte zur Antwort den Kopf und hob endlich den Blick von seinem gefiederten Begleiter. „Gar keine. Es ist ein Kurierauftrag.“ Kurz war Machina versucht, nachzufragen, aber dann sparte er es sich. Militärgeheimnisse, vermutlich, also würde Izana ihm eh keine Antwort geben. (Militärgeheimnisse. Wahrscheinlich eher nur ein Einkauf für den Rat, weil die selbst nicht aus Akademia herauskamen.) Er seufzte leise, wandte seine Aufmerksamkeit lieber Chichiri zu. Die erste sanfte Berührung am Hals entlockte dem Chocobo ein zufriedenes Fiepen. „Und das ist der einzige Grund, dass du mich herzitiert hast?“ – „Nein.“ Wieder eine kurze Pause.   „Ich habe jemanden kennengelernt.“ „…du hast eine Freundin?“ – „Was? Nein!“ Jetzt lachte Izana, laut und herzlich, als wäre die Idee das Verrückteste, das ihm je untergekommen wäre. So viel Zeit, wie er bei den Ställen verbrachte, war es vermutlich wirklich ein dummer Gedanke, stellte Machina bei näherem Nachdenken fest. Jetzt musste er selbst schmunzeln, doch er unterdrückte es verbissen. Izana sah es trotzdem. Machina sah es an der Art, wie er jetzt lächelte. „Was dann?“ „Er ist Kadett. Ungefähr in deinem Alter.“ Izanas Augenbrauen hoben sich, wie eine stumme Aufforderung. Machinas eigene Augenbrauen senkten sich missgelaunt, er warf seinem Bruder einen skeptischen Blick zu. Er ahnte, worauf das hier hinauslaufen würde. „Du hast zu wenige Freunde. Du verbringst deine ganze Zeit nur mit dem Training. Selbst Rem vernachlässigst du. Geh ein bisschen aus dir raus.“ Er kannte die alte Leier. Sie war mit einer der Gründe, weshalb sie stritten.   „Nein.“   Wieder einmal aber gab Izana sich einfach nicht geschlagen. „Versuch es.“ Machina wollte es nicht versuchen. Er schnaubte, verschränkte die Arme vor der Brust.   „Versuche nicht, mir Leute aufzuschwatzen, mit denen du dich nicht selbst abgibst.“     ***     „Ab heute sind wir Freunde.“ – „Bitte?“   Ace war es inzwischen gewöhnt, dass Izana zu eigentümlichen Gedankensprüngen, Assoziationen und Ideen neigte, aber das war sogar noch ungewöhnlicher als sonst. Mit einem Stirnrunzeln stemmte er die Hände in die Hüfte und musterte den jungen Mann skeptisch. „Wir sind jetzt Freunde“, wiederholte er, als sei es das natürlichste der Welt. Chichiri suchte sich genau diesen Moment aus, um laut zu krähen, und Izana lachte. „Siehst du? Chichiri stimmt mir zu!“ „Weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, dein Chocobo ist vernünftiger als du.“ – „Das mag sogar stimmen. Ich bin sicher, Machina würde dir zustimmen.“ „Machina?“ Ace war sich sicher, den Namen noch nicht gehört zu haben. „Mein Bruder. Wegen ihm sind wir jetzt Freunde.“ Es ergab alles keinen Sinn. Trotzdem spürte Ace ein Grinsen an seinen Mundwinkeln zupfen. Er schüttelte den Kopf und wandte sich lieber von Izanas schelmischem Grinsen ab und Chichiri zu. Der Chocobo hatte heute noch nicht genug Streicheleinheiten bekommen. „Wie kommt’s?“ – „Er sagt, er freundet sich nur mit dir an, wenn wir Freunde sind.“   Ace hinterfragte es überhaupt nicht. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass Izanas Bruder vermutlich die gleichen wirren Gedankengänge wie sein Bruder teilte; selbst wenn Izana es ihm nun erklären würde, er würde es auf eine Art tun, die Ace trotzdem nicht verstand. Er stieß langsam die Luft aus, schüttelte noch einmal den Kopf. Ein Freund. „Ich hatte noch nie Freunde.“ „Es ist nicht schwer“, kommentierte Izana sanft. Er trat neben Ace, eine Hand auf seiner Schulter, die andere kraulte Chichiri unterm Schnabel, „Ein Freund zu sein, meine ich. Man ist füreinander da. Hört einander zu. Steht sich gegenseitig bei. Es ist ein bisschen wie Geschwister, aber ohne die Befangenheit und die Unumstößlichkeit. Freundschaft… kann vergehen. Geschwister vergehen nicht, deshalb sind sie besonders.“ „Es klingt nicht einmal besonders reizvoll.“ – „Es ist reizvoll. Glaub’s mir. Das merkst du mit der Zeit.“   „Aber sag mal, Izana… Wie können wir Freunde sein, wenn du nicht einmal meinen Namen kennst?“ – „Haha! Guter Punkt! Wie heißt du?“   „Ace.“     ***     „Wir sind Freunde.“   Machina verzog genervt die Mundwinkel. „Hast du mich jetzt allen Ernstes wieder hier hinauszitiert für… das?“ Izana grinste, und er sah aus, als sei er furchtbar stolz auf sich. Machina wäre am liebsten sofort wieder gegangen, aber Chichiri drückte sich seiner kraulenden Hand entgegen, und der arme Chocobo konnte doch nichts dafür, dass sein Herrchen ein anstrengender, peinlicher Idiot war. Vermutlich schämte Chichiri sich auch für sein Verhalten. „Er mag Chocobo.“ Machina stieß betont ruhig die Luft aus. Er widerstand dem Impuls, seine Hand wegzuziehen, denn es würde Chichiri mehr strafen als Izana. „Das ist kein Argument.“   „Für dich ist gar nichts ein Argument“, gab Izana zurück. Er schaffte es, bei aller Verzweiflung noch liebevoll zu klingen, und in seinen Blick mischte sich Sorge. Machina hasste die alte Leier von Freundschaft, Kameradschaft und all diesem unnützen Ballast. Er hatte Rem. Mehr brauchte er nicht. Die meisten Menschen, die er jetzt kennenlernte – wer wusste schon, wie lange er sie überhaupt kennen würde? Wenn er sie alle vergaß, dann brauchte er nicht mit ihnen befreundet zu sein. „Aber ich finde, du solltest es versuchen.“ – „Es ist nicht einmal gesagt, dass ich ihn jemals kennenlerne.“ Und ehrlich, Machina wollte es auch gar nicht. Jemand, der sich mit Izana anfreundete… klang schon einfach pauschal nach einer anstrengenden Persönlichkeit. „Sein Name ist Ace. Er trägt einen roten Mantel, davon sollte es nicht so viele geben.“   Es gab gar keinen. Machina schüttelte einfach nur den Kopf.   „Behalt deinen imaginären Freund für dich, Izana.“         ***         Er fühlte sich ihnen nicht sonderlich verbunden. Eigentlich hielt Machina überhaupt nicht viel von den Kadetten, die die legendäre Klasse 0 ausmachten. Sie waren beeindruckend, was ihre Kampfkraft anbelangte. Aber ihre Persönlichkeiten waren weit entfernt von dem, was er sich unter der Elite der Elite vorgestellt hatte. Er fand keinen Zugang zu ihnen, anders als Rem, die nicht lange brauchte, bis sie Klatschgeschichten mit den anderen Mädchen austauschte. Irgendwie war es schnell zur Selbstverständlichkeit geworden, dass er sich stattdessen auf der Chocobo-Ranch einfand, wenn er Freizeit hatte, die er nicht in sein Training stecken wollte.   „Du magst Chocobos, huh?“   Mit einem Stirnrunzeln wandte Machina sich um. Er hatte nicht gemerkt, dass jemand herangekommen war. Ace stand vor ihm, den Blick auf einen Chocobo gerichtet, der neugierig den Kopf aus seiner Box streckte. „Und? Ist das ein Problem?“ Er schüttelte den Kopf, trat einen Schritt näher zu dem fremden Chocobo hin. Er streckte ruhig die Hand aus und ließ das Tier daran schnuppern. „Nein. Ich mag sie auch.“ Machina zuckte die Schultern, unwohl. Es war ihm, als hätte er dieses Gespräch schon einmal geführt. Die ganze Situation – auf der Ranch zu sein, mehr mit einem Chocobo beschäftigt als mit seinem Gesprächspartner, sich unterhaltend – kam ihm seltsam vertraut vor. Obwohl es komisch war, war es angenehm, machte es ihm leichter, sich zu entspannen. Es war besser als die Fremdheit, die Klasse 0 als Gesamtes immer noch ausstrahlte. „Bist du öfter hier?“, fragte er nach einer Weile, die er nur beobachtet hatte, wie Ace schließlich begann, den Chocobo zu kraulen. „Manchmal“, war die Antwort, halb gedankenverloren, halb nachdenklich, „Ich mag die Ranch. Sie ist vertraut. Du?“ „Öfter.“ Machina zuckte die Schultern. Er tat es Ace gleich und reckte eine Hand nach dem Chocobo, der sich ihr gleich neugierig entgegenstreckte.   „Als ich klein war, wollte ich auch einen Chocobo haben. Ich würde ihn Chichiri taufen.“ Ace lachte leise. Machina hob unwillig die Augenbrauen, begegnete missmutig Aces amüsiert funkelnden blauen Augen. „Es klingt wie aus dem Hut gezaubert.“ Er grinste. Machina erwiderte sein Grinsen mehr unabsichtlich. „Du bist nur neidisch.“     ***     Es wurde ein Standardritual. Zuerst unabsichtlich, aber irgendwann war Ace sich sicher, dass er nicht der Einzige war, der die Ranch aufsuchte in der sicheren Erwartung, dass der Andere bereits dort sein würde – oder kurz nach ihm auftauchte. Es war jedes Mal so; entweder, Machina war längst schon da, als er die Ranch erreichte und war entweder damit beschäftigt, einen Chocobo zu kraulen, oder mit den Küken zu spielen, oder er kam, kaum nachdem Ace sich eine Beschäftigung gesucht hatte.   Dieses Mal war keine Ausnahme. Machina kam an, als der kleine Babychocobo, mit dem Ace gespielt hatte, gerade auf seinem Schoß eingeschlafen war. Der Anblick ließ ihn lachen. „Du bist der einzige Elitekadett, den ich kenne, der sich freiwillig einfach auf den Boden schmeißt, um mit einem Vogelbaby zu spielen.“ Ace hob die Augenbrauen. „Du meinst, außer dir?“ – „Außer mir, ja.“ Machina ließ sich neben ihn fallen und streckte entspannt die Beine aus. Eine Weile saßen sie einfach so beieinander, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Ace mochte diese Momente der Stille, in denen aller Krieg und alle schweren Gedanken einfach mal Pause hatten.   „Ich hätte nicht gedacht, dass wir Freunde werden“, erklärte Machina irgendwann völlig aus dem Blauen heraus. Sie waren vertraut geworden, die unzusammenhängenden Gedankensprünge.   „Mh.“ Ace auch nicht. „Aber“, fügte Machina amüsiert hintenan, „Es ergibt Sinn!“ Jetzt hob Ace skeptisch die Augenbraue. Irgendwo hatte Machina eine Chocobofeder aufgelesen, mit der er nun grinsend vor seinem Gesicht herumwedelte.   „Wir mögen beide Chocobo.“   Ace lachte. Es war wirklich reizend, einen Freund zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)