Forever Love von _hide_ (Ich werde immer bei dir sein) ================================================================================ Kapitel 1: Forever Love ----------------------- Forever Love -Ich werde immer bei dir sein- Fassungslos starrte ich auf das Bett, vor dem ich stand, auf den Mann, der darin lag, auf den Mann, der nicht mehr aussah wie der Mann, den ich liebte. Langsam öffnete ich meine Lippen, doch kein Ton kam über sie, streckte meine Hand leicht aus, doch ließ sie wieder sinken. Zu viel Angst hatte ich davor, ihn zu verletzen, ihm weh zu tun. Er sah aus, als hätte er Schmerzen. Wieso? Zögerlich setzte ich mich auf die Kante des Krankenhausbettes, erfasste seine Hand und konnte die stummen Tränen nicht länger zurück halten. Kalt. Seine Hand war so kalt. Reita hatte keine kalten Hände, nicht mal im Winter, obwohl er nie Handschuhe trug. Er hatte immer warme Hände gehabt, hatte meine kleinen, kalten Hände in seine genommen um mich zu wärmen. Seine Hand um meine bedeutete für mich schon immer Liebe und Schutz. Warum? Warum nur? Wir hatten doch gerade erst angefangen unser gemeinsames Leben zu leben, hatten uns letzten Monat in einer kleinen, privaten Zeremonie unsere ewige Liebe und Treue geschworen, Ringe getauscht, uns nach 13 Jahren wilder Ehe das Ja-Wort gegeben, nachdem dies in Ni-chōme auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich war. “Ich muss seine Familie anrufen.”, hauchte ich leise und legte meine freie Hand zögerlich an seine Wange. Sie war aufgeschürft, die gerissene Haut unter meinen Fingern fühlte sich so merkwürdig an. Wunden sollten heiß sein und pulsieren, seine Wange sollte sich eigentlich jetzt leicht verziehen, weil er immer zu lächeln anfing wenn ich meine Hand an seine Wange legte. Er lächelte nicht. Er würde nie wieder für mich lächeln. Für niemanden. “Ruki. Ich... wir machen das schon.” Kais Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, seine Hand an meiner Schulter klamm und kalt und ich musste gar nicht aufsehen um zu wissen, dass er weinte, obwohl er sich alle Mühe gab für uns stark zu sein. Wir alle weinten. “Ich will etwas mit ihm alleine sein.”, hauchte ich und ließ mich langsam neben ihn auf das Bett sinken, kuschelte mich an ihn und hauchte einen Kuss auf seine Hand. Ich schloss meine Augen, lauschte in die Stille des Zimmers, doch der einzige Herzschlag, den ich hören konnte, war mein eigener. Warum? “Ich liebe dich, Akira.” Vor 13 Jahren hatte ich diese Worte das erste Mal zu ihm gesagt. Es war genau wie damals. Unser Tourvan hatte plötzlich bremsen müssen und eine schwere Kiste war ihm auf den Kopf gefallen. Er hatte ins Krankenhaus gemusst, nur um sicher zu gehen, dass er keine Gehirnerschütterung hatte oder ein Schleudertrauma. Ich hatte mich zu ihm ins Bett gelegt, nachdem er eingeschlafen war, hatte mich eng an ihn gekuschelt und ihm endlich meine Liebe gestanden, die ich schon seit zwei Jahren vor ihm verbarg. Er hatte gar nicht geschlafen. Zum Glück nicht, denn ich hätte mich nie getraut es ihm zu sagen, zu viel Angst hätte ich vor seiner Ablehnung gehabt. “Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst vorsichtig fahren?” Ich liebte und hasste es, wenn er Motorrad fuhr. Er sah so cool aus in seinen Bikerklamotten und früher war ich wirklich gerne als Sozius mit ihm mit gefahren, doch in den letzten Jahren nicht mehr. Ich bevorzugte mittlerweile einen ruhigen Tag in unserem kleinen Garten oder auf dem Sofa. Unser Job war doch aufregend und anstrengend genug, doch Akira war anders, er brauchte das Adrenalin und er liebte das schnelle Fahren viel zu sehr. Aber ich hatte mir nie Sorgen um ihn gemacht, denn auch wenn er gerne schnell fuhr, er war ein vorsichtiger Fahrer gewesen. Im Gegensatz zu dem Kerl, der ihm die Vorfahrt genommen, der ihn bei voller Fahrt gerammt, der ihn umgebracht hatte. Meine Trauer entlud sich in einem lauten Schluchzen und meine Hand schloss sich fester um die meines Ehemannes. Zu früh... viel zu früh... “Akira... Akira... bitte komm zurück.” Ich wusste, wie lächerlich es war. Er war tot. Seit Minuten schon war er tot, war auf dem OP-Tisch verstorben. Er würde nie wieder kommen, doch ich wollte es nicht wahr haben, wollte es nicht akzeptieren. Wir hatten doch gerade erst angefangen unser gemeinsames Leben zu planen, hatten eine Familie gründen wollen, hatten uns eine Leihmutter gesucht. Wir wollten ein Kind, vielleicht zwei. Heute Morgen hatte uns die Klinik angerufen, die Frau, für die wir uns entschieden hatten, hatte zugesagt, wollte unser Baby für uns austragen, man wollte die erste künstliche Befruchtung in Angriff nehmen. Wir sollten uns nicht zu früh freuen, es klappte selten beim ersten Mal, doch wir waren trotzdem völlig aus dem Häuschen gewesen, hatten rumgesponnen, uns Namen überlegt. So albern. Er hatte sich so gefreut, hatte mich überschwänglich geküsst, mich herum gewirbelt und ich hatte so gelacht, mich so mit ihm gefreut. Heute Abend hatten wir uns mit ihr treffen wollen, um alles mit ihr zu besprechen. Es würde ihr drittes Baby werden und unser erstes, wir tappten da völlig im Dunkeln. Akira wäre ein toller Vater gewesen. Er hatte sich immer Kinder gewünscht, schon seit Jahren. Er hatte mich dazu überredet dieses Wagnis einzugehen. Warum hatte ich nicht schon früher ja dazu gesagt? Sicher hätte Akira das Motorradfahren aufgegeben, hätte heute mit unserem Kind im Garten gespielt, statt eine Tour zu fahren. Dann würde er noch leben! Hätte ich doch nur früher schon ja gesagt. War es meine Schuld? Gott... ich musste noch seine Eltern anrufen... ich musste ihnen sagen, dass ihr Sohn einen Unfall gehabt hatte, dass er tot war. “Ruki... ich weiß es ist schwer für dich, aber wir müssen jetzt gehen.” Ich schüttelte unwillig den Kopf als ich Kais Stimme hörte, hatte keine Ahnung, wie lange ich schon hier lag, doch bestimmt eine Weile. Kai würde mir so viel Zeit geben, wie er konnte, doch ich wollte nicht. Ich wollte seine Hand nicht los lassen, wollte nicht von seiner Seite weichen. Ich konnte ihn doch nicht alleine lassen. “Ich kann ihn nicht alleine lassen.”, hauchte ich leise, doch wehrte mich auch nicht, als Kai mich sanft hoch zog, mich vorsichtig vom Bett hob. Meine Beine waren so weich, dass ich bezweifelte, dass sie mich würden tragen können, doch Kais Arme hielten mich mich fest, stützten mich, gaben mir Trost, als zwei Pfleger herein kamen, das Bett hinaus schoben, Akira hinaus schoben. Die Tränen ließen mein Blickfeld verschwimmen, ließen Akira vor meinen Augen verschwimmen und als die Tür sich hinter den Pflegern schloss und er endgültig und für immer aus meinem Leben verschwand, ließ ich meiner Verzweiflung freien Lauf, schrie sie heraus und sackte in Kais Armen zusammen, als hätte man mir gerade mein Leben ausgesaugt. Ich fühlte mich so leer und verloren. ~*~*~*~*~ “Wenn du was brauchst Ru... wir sind alle für dich da.” “Danke Kai.”, nuschelte ich leise, meine Stimme rau und kratzig und meine Finger schlossen sich fester um die kleine Holzkiste, die sie hielten. Das war alles, was von ihm noch übrig war, alles, was von mir noch übrig war. Nicht mehr als eine kleine Holzkiste voller Asche. Ohne eine Verabschiedung von Kai betrat ich mein Haus. Unser Haus. Es war viel zu groß für mich allein, viel zu überladen mit glücklichen Erinnerungen und doch weigerte ich mich zu gehen. Die Jungs hatten mir mehr als einmal angeboten für ein paar Tage oder Wochen bei ihnen zu wohnen. Mit sicheren Schritten durchquerte ich das dunkle Wohnzimmer, hatte seit dem schrecklichsten Tag in meinem bisherigen Leben die Gardinen nicht mehr auf gezogen. Ich trauerte in Dunkelheit und Stille. “Willkommen zu Hause.”, hauchte ich, meine Stimme brach und Tränen rannten über meine Wange, als ich die kleine Kiste auf den Kaminsims stellte, neben unser Hochzeitsfoto. Ich hatte noch keinen Hausaltar. Meine Stirn sank langsam gegen den kühlen Stein, heiße Tränen brannten auf meinen Wangen und gequälte Laute fielen haltlos von meinen Lippen. Würde ich je wieder glücklich werden? Würde es je wieder einen lichten Moment in meinem Leben geben? Was für eine dumme Frage. Wie könnte ich je wieder ohne ihn glücklich werden. Ich wollte nicht mehr leben. “Akira... warum? Ich vermisse dich so sehr. Ich will wieder bei dir sein.” Warum hatte er mich nur allein gelassen? Warum hatte er sterben müssen? Warum er? “Warum?” Noch einmal strich ich über das glatte Holz der kleinen Kiste, bevor ich rüber zu dem Sofa ging, mich in die kleine Ecke knautschte, in der er sonst immer gesessen hatte. Seine Ecke. Wie oft hatten wir zusammen hier gesessen, wie oft hatte er mich in seine Arme gezogen, mich fest gehalten und mir die süßesten Worte ins Ohr geflüstert. Ich lachte leise auf, traurig, und wischte mir über die Augen, legte meine Hand auf das Leder, lehnte meinen Kopf gegen das Polster, als wäre er es, an den ich mich schmiegte. Ich wollte nie wieder aufstehen, nie wieder diese Wohnung verlassen. Das hier... hier war Akira noch bei mir. Hier roch es nach ihm, hier konnte ich ihn spüren, hier war er noch bei mir und ich wollte mich an die Erinnerungen krallen, sie festhalten. Vielleicht sollte ich ihm einfach folgen? Ich hatte nichts mehr, was mich hier hielt. Gazette war mit Akira gestorben. Meine Stimme war mit ihm gestorben. Ich würde nie wieder singen. Welchen Sinn hatte dieses Leben noch? Mein Blick wanderte zu dem kleinen Tisch neben mir, zu der Weinflasche und den Schlaftabletten. Plätschernt fielen die kleinen Tabletten aus meiner Hand in das halb volle Weinglas, lösten sich sprudelnd auf und ich drehte das Glas kurz in meinen Händen. Ein Abschiedsbrief war wohl nicht von Nöten, allen dürfte mehr als klar sein, warum ich das hier tat, warum ich den Freitod jahrelanger Trauer vorzog. “Wenn du willst, dass ich weiter lebe Aki... aus welchem Grund auch immer... dann ist das hier deine letzte Chance mir ein Zeichen zu geben Schatz.” Ich blickte rüber zu der kleinen Kiste auf dem Kaminsims, lächelte leicht. Gleich würde ich wieder bei ihm sein. “Ich liebe dich Akira.”, hauchte ich und führte das Glas zu meinen Lippen. ~*~*~*~*~ “Ist es wirklich schon fünf Jahre her?” Wir hatten uns alle an unserem üblichen Treffpunkt versammelt. Jedes Jahr am selben Tag, ein Tag, der viel zu schnell wieder in unser Leben trat. Ich schaute in die Gesichter meiner zwei besten Freunde, die noch immer von der tiefen Trauer über unseren Verlust gezeichnet waren. Seit einem Jahr hatte ich Aoi und Uruha nicht mehr gesehen, unsere Wege hatten sich getrennt, was irgendwie nicht verwunderlich war, aber es war schade. Ich vermisste meine Freunde, unsere Band, unser altes Leben. Wenigstens hatten wir diesen Tag. Ein trauriger Tag, an dem wir jedes Jahr aufs Neue Abschied nahmen, uns aber auch jedes Jahr aufs Neue wieder trafen. “Na komm Kai, lass uns zu den beiden.” Ich nickte auf Aois Worte hin, atmete einmal tief durch. Ich hasse es auf den Friedhof zu gehen. “Hey ihr zwei.” ~*~*~*~*~ “Oh... hey ihr. Da seid ihr ja.” Ich stand langsam auf, umarmte Kai, Uruha und Aoi, als sie auftauchten. “Danke, dass ihr hier seid.” “Das ist doch selbstverständlich, Ruki. Reita war unser bester Freund.” Ich erwiderte Kais Lächeln schwach, konnte nicht anders, als schon wieder zu weinen. Auch noch fünf Jahre nach seinem Tod war die Trauer um ihn so unermesslich. “Ich vermisse ihn so sehr, Kai.”, hauchte ich und lachte leise auf, als meine drei besten Freunde mich tröstend in ihre Arme schlossen. “Wir vermissen ihn auch immer noch Ruki, aber wir haben uns ein Versprechen gegeben, erinnerst du dich?” Er strich mir die Tränen von den Wangen und ich nickte. “Ja, natürlich.” Einmal im Jahr trafen wir uns an Akiras Grab, erzählten den anderen, und Aki, was seit dem letzten Jahr in unserem Leben passiert war. Heulen war nicht erlaubt. Wir wollten Akira ehren, der sein Leben so sehr geliebt hatte. Er würde nicht wollen, dass wir nur heulten. “Hey Reila, sag Onkel Kai und den anderen beiden Hallo.” Ich drehte mich zu meiner Tochter um, lächelte, als ich das kleine Mädchen sah, das ihrem Vater so unendlich ähnlich sah, das mich am Leben hielt und mir jeden Tag einen Grund gab auf zu stehen und weiter zu machen. Er hatte mir ein Zeichen geschickt. Gerade als ich das Weinglas an meine Lippen geführt hatte, hatte das Telefon geklingelt. Ich war nicht dran gegangen, doch hatte auch nichts von der giftigen Flüssigkeit in meinem Glas getrunken. Seine Stimme, als der AB ansprang, hatte mir fast das Herz zerrissen und als ich die Nachricht hörte, die darauf gesprochen wurde, fiel das Glas klirrend auf den Boden. Es war die Klinik, man hatte heute einen Test bei der Frau gemacht. Sie war schwanger, die erste, kritischste Phase, in der ihr Körper den Embryo abstoßen würde, war überstanden. Sie war schwanger mit Akiras Baby. Er hatte mir ein Zeichen geschickt. Er würde weiter leben, in seinem Kind. Ich nahm meine kleine Tochter auf den Arm, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und drückte sie fest an mich, lächelte zärtlich zu dem Grabstein rüber, der die letzte Ruhestätte meines Mannes markierte und hauchte ein tonloses ‘Danke.’ an ihn. Noch immer hielt er seine schützenden Hände über mich, hielt mich fest und gab mir Halt, wenn ich ins Straucheln geriet. Kapitel 2: Reila - Tomorrow, you'll surely come home right?- ------------------------------------------------------------ Ungläubig und von unzähligen Gefühlen überwältigt, stand ich neben dem kleinen Bettchen, starrte auf das kleine Knäuel Mensch, das da vor mir lag. Ich war wie gelähmt. “Wollen Sie sie mal auf den Arm nehmen?” Mein Kopf fuhr zu der Krankenschwester herum, die mir im nächsten Moment auch schon das kleine Bündel in den Arm legte. Meine Beine wurden ganz weich und ich verkrampfte mich, wusste nichts mit mir anzufangen, war völlig überfordert und überaus dankbar, als sie meine Arme so drapierte, dass ich das Baby sicher hielt. “Sie ist wirklich süß. Sie haben eine wunderschöne Tochter. Wie heißt sie denn?”, fragte sie lächelnd und griff nach dem kleinen Klemmbrett, kritzelte etwas darauf rum. “Reila.”, hauchte ich fast tonlos. Sie war wirklich süß und wunderschön. Sie sah aus, wie ihr Vater. Ich presste schnell meine Lippen aufeinander, blinzelte die heißen Tränen weg. Vorsichtig legte ich meine Finger an ihre kleine Wange, stieß meinen Atem zitternd aus als ich die warme, weiche Haut unter meinen Fingern spürte, das erste Mal seit diesem verhängnisvollen Tag die Haut eines anderen Menschen berührte und ich legte sie schnell wieder in das kleine Bettchen, vertraute meinen Armen nicht, die gerade so sehr zitterten. “Reila ist ein ungewöhnlicher Name, aber sehr hübsch. Wenn sie noch etwas brauchen oder eine Frage haben, die Schwesternstation ist am Ende des Ganges.” Ich erwiderte ihr Lächeln knapp, bedankte mich für ihre Hilfe und zog den Stuhl heran, setzte mich langsam, ohne meinen Blick von diesem kleinen Bündel Glück zu nehmen. “Willkommen im Leben, Reila.” Wieder legte ich meine Finger an ihre Wange, hatte schon fast vergessen, wie gut es sich anfühlte einen anderen Menschen zu berühren und mein Herz geriet ins Stolpern als ihre kleinen Fingerchen meinen Daumen griffen, ihn fester hielten als man einem so kleinen Wesen zutrauen würde und Glück und Liebe fluteten jeden Millimeter meines Körpers. “Ich werde dich für immer lieben und beschützen. Das verspreche ich dir.”, flüsterte ich sanft, lachte auf, als sie ein süßes kleines Quietschen von sich gab. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich je wieder so viel empfinden würde, dass ich je wieder so lieben würde. Es war eine andere Liebe, als ich sie für Akira empfunden hatte, natürlich war sie das, aber sie war nicht weniger intensiv. “Ruki?” Ich schaute hoch, lächelte, als ich Kai und Aoi erblickte, die besorgt und verwirrt ihre Köpfe ins Zimmer steckten, langsam eintraten. Wie lange hatte ich meine Freunde schon nicht mehr gesehen. Ihre Leben waren weiter gegangen, natürlich waren sie das. Das Leben ging nun mal weiter und ich wünschte, ich wäre stark genug, um ebenfalls weiter zu machen, doch ich trauerte noch immer so unermesslich. Kai hatte seine Drumsticks an den Nagel gehangen und arbeitete jetzt als Manager für unsere alte Plattenfirma. Es war natürlich schade, dass er nicht mehr aktiv Musik machte, aber er war ein guter Manager und jede Band, die unter seine Fittiche kam, durfte sich glücklich schätzen, denn Kai war streng, aber fair, und überaus fähig... na ja... wenn er nicht gerade ein wichtiges Dokument irgendwo vergaß. Ich musste leicht schmunzeln. Gott wie hatte sich Akira immer über diese Macke von Kai aufgeregt und ihm das Leben daraufhin schwer gemacht. Aoi hatte sich ein eigenes Label aufgebaut, produzierte und komponierte jetzt, nur noch Uruha stand noch aktiv auf der Bühne. Er hatte eine neue Band auf die Beine gestellt, fing noch einmal von ganz unten an und arbeitete nebenbei als Model. Ja, das passte zu ihm. Sie alle drei hatten neue Jobs gefunden, die sehr gut zu ihnen passten. Und ich? Noch lebte ich zurückgezogen in meinem Haus, doch das konnte ich nicht ewig machen. Na ja, eigentlich schon. Ich hatte genug Geld gespart, genug Geld, das noch rein kam, doch ich wollte meiner Tochter ein gutes Vorbild sein und das konnte ich nicht, wenn ich den ganzen Tag wie ein Geist durch das Haus schlich oder weinend auf dem Sofa kauerte. Musik würde ich nie wieder machen. Ich hatte versucht Lyrics zu schreiben um meine Emotionen raus zu lassen, wie ich es früher immer gemacht hatte, doch es klappte nicht mehr. Die Worte wollten einfach nicht mehr, meine Stimme wollte einfach nicht mehr. Aber die Musik war ja nicht alles, was ich hatte. Zur Zeit tendierte ich dazu mich voll und ganz auf mein Modelabel zu konzentrieren, sobald mein Leben wieder etwas geregelter lief. Vielleicht sollte ich Uruha dann mal als Model buchen? “Hey.”, erwiderte ich mit einem sanften Lächeln. Kein Wunder, dass sie verwirrt waren. Ich hatte am Telefon nur gesagt, sie sollten ins Krankenhaus kommen, sobald sie Zeit hatten. Sie wussten nichts davon, dass Akira und ich ein Kind haben wollten. Wir hatten es erst mal geheim halten wollen, bis alles in trockenen Tüchern war, damit sich niemand vergeblich für uns freute, falls es dann doch nicht klappen sollte. Es war ein kleines Wunder, dass es so schnell und gleich beim ersten Versuch geklappt hatte, das hatte der Arzt immer wieder gesagt. “Uhm... Ru... eine Erklärung wäre jetzt nett.” Kai klang verunsichert und beunruhigt. Vielleicht glaubte er, dass ich durchgedreht war und die Kleine entführt hatte? Er war schon eine kleine Dramaqueen manchmal, malte sich immer gleich das Schlimmste aus. “Wisst ihr, wann Uruha kommt? Ich will es euch allen gleichzeitig erklären.”, meinte ich ruhig und stellte das Fläschchen auf den kleinen Tisch, legte mir meine Tochter an die Schulter, so, wie die Schwester es mir gezeigt hatte und pattete sanft ihren Rücken, bis sie brav ihr Bäuerchen machte. Klappte doch gut mit uns beiden. “Ich freu mich so, euch wieder zu sehen.”, hauchte ich und schaute meine Freunde an, fühlte mich so schuldig, da ich es war, der sich in den letzten neun Monaten völlig von der Welt abgekapselt hatte. Ich hatte das Haus nur verlassen, wenn die Leihmutter Arzttermine hatte, oder wenn Akiras Mutter mich besucht hatte. Sie hatte mir wirklich sehr geholfen in letzter Zeit. Sie war die einzige, die von der Schwangerschaft wusste. Ich wollte ihr einfach etwas geben, woran sie sich festhalten konnte, wollte ihr Hoffnung geben und sie half mir mich auf meine neue Aufgabe vorzubereiten, gab mir Bücher zu lesen, kaufte mit mir Möbel, Erstausstattung, half mir das Zimmer für die Kleine einzurichten. Sie würde in ein paar Tagen kommen um ihre Enkelin zu besuchen. Uruha kam auch bald zu uns gestoßen, wirkte nicht minder verwirrt als die anderen beiden, als er das Zimmer betrat. “Ich möchte euch jemanden vorstellen. Das ist Reila. Sie ist Akiras und meine Tochter.” Verwirrung wich Erstaunen und Freude und die drei umkreisten uns, stellten Fragen, wollten sie auch einmal halten und beglückwünschten mich, freuten sich ehrlich für mich und waren wahrscheinlich auch ein wenig beruhigt und erleichtert darüber, dass ich jetzt etwas hatte, das mir Halt im Leben gab. ~*~*~*~*~ “PAPAAAAAAAAAA~” Murrend drehte ich mich auf die Seite, zog die Decke über meinen Kopf, während der kleine Wirbelwind neben mir auf der Matratze rumhüpfte, sich schließlich auf mich fallen ließ und sie lachte vergnügt, als ich nur noch mehr murrte und brummte. Gott warum nur kam sie so sehr nach ihrem Vater? Das war der einzige Punkt, den ich immer an Akira verflucht hatte. Dass er so ein verdammter Frühaufsteher war und Reila war da keinen Deut besser. “Lass mich schlafen.”, murrte ich unwillig in mein Kopfkissen, öffnete ein Auge leicht, als sie die Decke von meinem Gesicht zog und mir einen Kuss auf die Wange drückte. “Ich hab Hunger, Papa.”, jammerte sie gar kläglich und ich lachte leise auf, drehte mich auf den Rücken und gab ihr ein kleines guten Morgen Küsschen. “Ganz dolle Hunger?”, erkundigte ich mich fürsorglich und sie nickte enthusiastisch, schaute mich mit ihren großen, braunen Augen an. Augen, denen ich wohl nie einen Wunsch würde abschlagen können. “Du siehst deinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher.” Ich hob meine Decke etwas an und sie schlüpfte darunter, kuschelte sich an mich und ich legte meine Arme um sie, hauchte einen Kuss auf ihr Haar. “Noch fünf Minuten Kuscheln, ja? Dann mach ich uns Frühstück.” “Okay Papa.” Ich hielt sie noch ein wenig fester, ließ den beiden Tränen freien Lauf, die sich in meinen Augenwinkeln gesammelt hatten und strich ihr vorsichtig ihren Pony aus der Stirn. Waren wirklich schon vier Jahre um? Gott wie schnell die Zeit doch verging. Bald würde sie eingeschult werden und dann ein Teenie werden... Grundgütiger, ich war noch lange nicht bereit mich mit einer pubertären Göre rum zu plagen... Die fünf Minuten hatten wir bestimmt schon lange überschritten, als ich schließlich doch die Decke zurück schlug und den Morgen damit offiziell einleitete, doch Reila war wieder eingeschlafen und ich wäre ja schön blöd, wenn ich sie dann weckte, bevor ich seelisch dazu bereit war auch tatsächlich aufzustehen. Ich trug meine kleine Maus in die Küche, machte ihr Frühstück und mir Kaffee, aß selbst nur eine Kleinigkeit, während ich meine Mails durch ging, mich auf meinen Arbeitstag vorbereitete. “Satt?” “Ja!” Reila nickte, schob mir ihren Teller zu und rutschte vom Stuhl. “Ich geh spielen.” Ich nickte nur, fragte mich, woher das Kind nur all die Energie hatte und aß den Rest ihres Frühstücks auf. “Was willst du anziehen? Das hier?” “Nein das da!” “Das ist ein Kigurumi.” Ich zog eine meiner Augenbrauen zweifelnd in die Höhe, als sie das Stitch Kigurumi in die Höhe hielt. “Wirklich?” Die Kleine nickte nur eindringlich und ich war hin und her gerissen dazwischen, meiner kleinen Prinzessin jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, und sie vernünftig an zu ziehen wenn wir raus gingen. Auf der anderen Seite... sie war erst vier. Und ich sowieso chancenlos gegen sie. “Aber du ziehst ein T-Shirt und ne Leggings drunter, falls dir das Kigurumi zu warm wird.”, bestimmte ich, suchte alles zusammen, half ihr beim umziehen und frisierte ihre Haare, machte mich selbst auch fertig. “Uruha!” Ich ging rüber zu meinem Freund, der bereits frisiert und geschminkt war, umarmte ihn leicht, doch seine Aufmerksamkeit galt eh nur Reila, kaum hatte er mich begrüßt. Es war immer dasselbe, wenn ich dann doch mal einen meiner Freunde wieder sah. Na ja, war ja auch irgendwie kein Wunder, sie war halt doch schon süßer als ich. “Ich bin echt gespannt auf deine neue Kollektion Ru. Danke, dass du mich als Model gebucht hast.” Er lachte und knuddelte die kleine Maus. “Ich fühl mich halt ab und an etwas nostalgisch. Passt du kurz auf Reirei auf? Ich muss ein paar Sachen mit dem Fotografen abklären.”, bat ich, ermahnte meine Tochter lieb zu sein und ging alles für das heutige Fotoshooting besprechen. “Endlich zu Hause.” Erschöpft lehnte ich mich gegen die Haustür, schloss kurz meine Augen und zog Reila etwas fester in meine Arme, als sie runter zu rutschen drohte. “Bist ein braves Mädchen.”, hauchte ich leise, betrachtete ihr schlafendes Gesicht und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. Heute hatte es länger gedauert als geplant, sicher war ihr oft langweilig gewesen und ich fragte mich immer wieder, ob ich nicht ein Kindermädchen anstellen sollte, doch ich wollte nicht, dass jemand anderes sich um Reila kümmerte, wollte sie nicht abgeben, wollte nicht, dass sie das Gefühl bekam, dass ich sie nicht liebte. “Shhh... schlaf weiter kleine Maus.”, hauchte ich leise, als sie aufzuwachen drohte, stieß mich von der Tür ab und trug sie in ihr Zimmer. Vorsichtig legte ich sie ins Bett, zog ihr ihren Schlafanzug an und deckte sie zu. Ich blieb noch etwas bei ihr sitzen, beobachtete sie, wie sie schlief. “Ich hab dich so lieb, Kleines.” hauchte ich leise und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich ihr Zimmer verließ. “Hey Akira.” Langsam setzte ich mich vor den kleinen Hausaltar, zündete ein Räucherstäbchen an, betete kurz. Jeden Abend setzte ich mich hier hin, erzählte ihm von meinem Tag, erzählte ihm, wie sehr ich ihn liebte und ihn vermisste und mit jedem Tag wurde es mehr. Erzählte ihm aber auch, was für ein gutes Kind Reila war, wie sie wuchs, von Tag zu Tag hübscher wurde, wie sie ihm immer ähnlicher sah und ich flehte ihn an sie zu beschützen und über sie zu wachen. “Gute Nacht Akira. Ich liebe dich.” Ich rollte mich vor dem Altar zusammen und schloss meine Augen, würde wie jeden Abend ein paar Stunden hier bei ihm schlafen, bevor ich hoch ins Schlafzimmer ging, mich in unser altes Bett legte. Hier unten konnte ich ihm noch etwas nahe sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)