Den Himmel erstürmen von Rowanna ================================================================================ Kapitel 1: Den Himmel erstürmen ------------------------------- Der Saal erglänzte in dem Licht abertausender von Kerzen. Zwischen Säulen aus Stuck und Marmor schwebten Paare auf spiegelnden Böden über die Tanzfläche. Inmitten von Licht und Musik erschienen die letzten Wochen wie ein dunkler Traum, der endlich ein Ende gefunden hatte. Die Zukunft Tellius war zum Greifen nah und sie war in glänzendes Licht getaucht.. Wie ein Sinnbild der Hoffnung saß Königin Micaiah auf ihrem Thron. Die Art, wie ihr Gemahl Sothe ihre Hand hielt, zeigte, dass er ihr auch in Zukunft eine Stütze sein würde. Nach dem Sieg über Ashera schauten Beorc und Laguz voll Dankbarkeit auf die Krieger, die ihnen das Geschenk eines neuen Anfangs gebracht hatten. In dichten Trauben und mit einem Leuchten in den den Augen, das nicht von den Kerzen stammte, sondern tiefer ging, umringten sie jene, die sich einstmals Greils Söldner genannt hatten. Ike, ihr Anführer, hatte für sie alle ein Wort und ein Lächeln übrig. Aber Soren sah die Fahrigkeit, mit der er sich die glänzenden blauen Strähnen aus der Stirn strich und er sah die Müdigkeit in seinen Augen. Dies hier war nicht Ikes Welt. Er mochte sich in ihr zurecht finden, aber glücklich würde er nicht werden. Hatte er es bereits bemerkt? Oder würde er diese Erkenntnis noch machen müssen.? „Na, wenn das nicht mein Lieblings-Stratege ist!“ Von der dröhnenden Stimme aus seinen Gedanken gerissen, warf Soren einen unwilligen Blick zur Seite. Skrimir, der kürzlich ernannte König der Laguz, hatte sich ungefragt neben ihn gesetzt. Früher wäre Soren einfach aufgestanden und davon gegangen. Aber Ike war nicht der einzige, der etwas aus den fortwährenden Kämpfen gelernt hatte. Und er wollte sich dem Namen und Ruf seines Commanders als würdig erweisen. „Was kann ich für Euch tun, Eure Majestät?“, fragte er sachlich. Skrimir legte ihm eine gewaltige Pranke auf die Schulter. „Soren! Immer so distanziert! Immer so verbissen! Kannst du dich nicht freuen, dass wir den ganzen Dreck hinter uns haben?!“ Soren taxierte die Hand auf seiner Schulter. Als das Schweigen andauerte, nahm der König der Laguz seine Pranke brummend zurück. Unmerklich atmete der Magier auf. Es war eines, sich mit dem Laguz zu unterhalten. Aber ihn zu berühren, hatte er ihm nicht gestattet. Er nahm das Gespräch auf, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben. „Es gibt viel Aufbauarbeit zu leisten. Es ist zu früh, um sich auszuruhen.“ „Gut gesprochen!“ Der König machte Anstalten, erneut seine Schulter zu klopfen, aber ein Blick Sorens hielt ihn davon ab. „Alle Länder haben viel zu tun! Daein genauso wie Crimea und Gallia! Und wir alle suchen nach guten Leuten, die uns dabei unterstützen!“ „Dann wünsche ich Euch viel Erfolg bei der Suche, Euer Majestät.“ Kurzzeitig aus dem Konzept gebracht runzelte der König die Stirn. Dann hellte sich seine Miene auf. „Weißt du, Soren, ich mag die Art, wie du denkst. Jemanden wie dich könnte ich brauchen. Was hältst du davon, wenn du mich als Stratege unterstützt?“ Sorens Blick löste sich von dem König und glitt zu Ike hinüber. Sein Commander löste sich mit einem entschuldigenden Lächeln aus einer Gruppe Bewunderer und schickte sich an, den Saal zu verlassen. Sein rechtes Auge zuckte leicht. Es war schlimmer, als Soren gedacht hatte. „Tut mir leid, Eurer Majestät. Ich habe bereits jemanden, dem ich folge. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet?“ Ohne Skrimir noch eines Blickes zu würdigen, erhob sich der Magier, um das zu tun, was er seit Jahren getan hatte: Er folgte Ikes Schritten, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er fand seinen Commander am Geländer eines Balkones stehen. Ein leichter Wind zerrte an Ikes Haar und brachte seinen Umhang zum wehen. Vor ihm lag der Schlosspark in nächtlichen Schatten ausgebreitet, doch er achtete nicht darauf. Die blauen Augen waren sehnsuchtsvoll auf den Sternenhimmel gerichtet. „Ich habe das Gefühl, ich vergesse immer mehr, wie weit der Himmel ist.“ Soren stellte sich neben ihn, betrachtete wie sein Commander, wie Wolkenfetzen über den nächtlichen Himmel jagten. „Manchen genügt es, den Himmel durch die Sicherheit einer Schlossmauer zu erahnen. Aber du bist anders, Ike. Du versteckst dich nicht vor der Weite des Himmels. Du willst sie erjagen und erkämpfen “ Ein überraschter Ausdruck huschte über Ikes Gesicht. „Soren...“ Zwischen nachtumschatteten Lauben suchte Soren nach den richtigen Worten. „Ich will nicht poetisch klingen. Aber das ist doch, wie es ist. Wenn ich ehrlich bin, frage ich mich, warum du nicht schon längst aufgebrochen bist.“ Einen Atemzug verfing sich Ikes Blick in Sorens Augen. Dann seufzte er tief und wandte den Blick ab. „Stimmt schon. Als wir noch auf dem Schlachtfeld standen, habe ich keinen Gedanken daran verschwendet. Aber jetzt...die ganzen Schmeichler und Speichellecker um mich herum... und jeder will mich mehr für sich einnehmen, als die anderen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es mich innerlich zerreißt.“ Soren lächelte fast.“Politik ist nichts für dich.“ Ike musterte ihn genau. „Das stimmt, aber du bist anders, Soren. Du würdest erkennen, wer es ernst mit dir meint. Du wärest ein brillanter Berater. Jeder König könnte sich glücklich schätzen, dich an seiner Seite zu haben.“ „König Skrimir hat mir gerade angeboten, sein Stratege zu werden“, sagte Soren frostig. „Ich habe abgelehnt.“ „Du hast abgelehnt?! Warum das?!“ Dafür das er rote Augen hatte, konnte sein Stratege erstaunlich kalt schauen. „Weil...mein Platz an deiner Seite ist.“ Ike packte die Schultern seines Freundes, begann sie zu rütteln. „Sei nicht dumm, Soren! Hier könntest du in Frieden leben! Du würdest berühmt werden! Du bist es jetzt schon! Ich hingegen ziehe ins Ungewisse.“ Mit ruhiger Entschlossenheit erwiderte Soren Ikes feurigen Blick. „Zwing mich nicht, mich zu wiederholen.“ Ikes Haltung entspannte sich. Locker lagen seine Hände nun auf Sorens Schultern. „Dass ich noch nicht aufgebrochen bin...die Wahrheit ist...ich konnte dich nicht einfach zurücklassen.“ Rote Augen weiteten sich in Überraschung. Ike fuhr fort, der Griff um Sorens Schultern verstärkte sich. „Ich werde dumm sein und Fehler machen. Und es kann sein, dass ich niemals nach Tellius zurückkehre. Ich frage dich dennoch: Wenn ich versuche den Himmel zu stürmen, wirst du mit mir kommen?“ Nachtblaue und feuerrote Augen trafen sich. In dem Blick eines jeden spiegelten sich all die Gefahren, all die Kämpfe, die sie Seite an Seite bestanden hatten. Soren nickte. „Lass uns gemeinsam die Wolken jagen.“ Auf ein stilles Zeichen schauten sie gemeinsam in den Himmel, wo erstes bleiches Licht den baldigen Morgen ankündigte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)