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Konvergenzstreben

von

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#17 - Von Gemeinsamkeit

Zu behaupten, dass er seine letzte Nachricht bereute, wäre gelogen, und dennoch wusste Keiji nicht, was er davon halten sollte, darauf keine Antwort mehr bekommen zu haben. Es passte nicht zu Bokuto, ernsthaft über etwas nachzudenken, statt sich aufzuplustern und Selbstlob zu verbreiten. Zumal Keijis Nachricht die perfekte Grundlage dafür gewesen wäre.

Er hatte mit allem gerechnet. Von Ungläubigkeit - „Sehr witzig, Akaashi!! Hahaha!“ - über Selbstüberzeugung - „Natürlich hast du das!! Jeder würde mich vermissen, hey, hey, hey!“ - bis hin zu Zustimmung - „Ich vermisse dich auch, Kumpel!!“.

Das Einzige, was er absolut nicht erwartet hatte, war dieses...Nichts, was es ihm gerade unmöglich machte, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Sicherlich gab es Erklärungen dafür. Vielleicht hatte Bokuto sein Handy wieder in seinem Chaos-Zimmer verloren, was ihm schon früher gern passiert war. Oder er glaubte, eine Sprachnachricht abgeschickt zu haben, hatte aber vergessen, den Knopf zu drücken – auch das war schon häufiger passiert, insbesondere, wenn sie sich irgendwo hatten treffen wollen.

Das änderte aber nichts daran, dass der Zeitpunkt für so etwas fürchterlich schlecht war. Es war schon so weit, dass mehrere Leute Keiji gefragt hatten, ob alles in Ordnung sei – und sein abschließendes Nicken wohl nicht für voll nahmen.

„Mir geht’s gut“, erklärte er ein weiteres Mal, als er den Klassenraum verließ, froh, dass der Schultag doch noch ein Ende gefunden hatte. Nun musste er nur noch das Training überstehen und zuhause würde er sich überlegen, ob es vielleicht klüger wäre, Bokuto einfach darauf anzusprechen, dass er nicht geantwortet hatte.

Es war nicht so, als wäre es ein Problem oder gar ein Streitpunkt, den er aus dem Weg haben musste – zumal er nicht wüsste, worüber sie diesbezüglich streiten sollten – aber es gefiel ihm nicht, die Sache so stehenzulassen. Dann wiederum fiel ihm ein, dass sie sich ohnehin am Wochenende sehen wollten, er ergo auch bis Freitag warten konnte, statt Bokuto zu einer Antwort zu drängen. Mit dem Gedanken fiel es ihm gleich viel leichter, das Training zu überstehen, doch als er danach beiläufig auf sein Handy sah, erwartete ihn der versinnbildlichte Horror.

 

Akaashi...tut mir echt leid, man!

 

Es gab ganz genau drei Lebenssituationen, in denen Kuroo Tetsurou sich bei Keiji meldete. Erstens: Wenn er und Bokuto sich irgendwie in Schwierigkeiten manövriert hatten und jemanden brauchten, der ihre nutzlosen Hintern rettete. Zweitens: Sobald Bokuto sich länger als fünf Minuten nicht auf eine total wichtige! Nachricht meldete, welche wohlgemerkt meist so wichtig war wie die Frage, welche Sockenfarbe man in kniehohen Stiefeln tragen sollte. Und drittens: Wenn er Bokuto auf eine furchtbar schlechte Idee gebracht hatte, die für Keiji zumeist Ärger bedeutete. Zögerlich wagte er es, das Übel einzugrenzen.

 

Was ist passiert, Kuroo-san?“

 

Ich hab ihm gesagt, es ist 'ne echt schlechte Idee!

 

Das ist keine Antwort.

 

Und es folgte auch keine, was Keiji seufzend den Kopf senken ließ. Was auch immer passiert war, es schien sich um Fall drei zu handeln. Auch wenn Kuroo behauptete, Bokuto gesagt zu haben, dass es eine schlechte Idee sei, änderte das nichts daran, dass die Idee wohl nichtsdestotrotz von ihm gekommen war.

Halbherzig hörte er seinen Teamkameraden bei ihren überschwänglichen Gesprächen zu, während sie sich umzogen. Die nationalen Meisterschaften waren zwar noch eine Weile hin, aber das schien sie nicht davon abzuhalten, bereits grenzenlos davon zu schwärmen.

„Stellt euch nur vor, wie das wäre! Wir wären auf den ganz großen Leinwänden!“

„Jeder würde uns kennen! Ich wette, wir könnten uns vor schwärmenden Fans gar nicht mehr retten!!“

Sie waren übermütig, aber irgendwie war Keiji froh darüber. Bokuto war eine derart energiegeladene Entität gewesen, dass es dem Team nicht gut getan hätte, gäbe es nicht wenigstens eine Hand voll Spieler, die eine ähnliche Begeisterung verbreiteten.

Andererseits bedeutete das auch, dass die andere Seite der Medaille – nämlich die, wenn man ein wichtiges Spiel verlor – sie auch ähnlich verletzen würde wie Bokuto. Das waren zumeist seine unerträglichsten Phasen gewesen, und Keiji grauste es schon jetzt davor, das in mehrfacher Ausführung erleben zu müssen.

Bokuto war einfach gewesen, traf ihn plötzlich die Erkenntnis. Fürchterlich anstrengend und stimmungstechnisch unberechenbar, aber für Keiji war es im Grunde ein Leichtes gewesen, die Situation zu analysieren und genau das Richtige zu sagen. Aber das lag daran, dass Bokuto im Kopf und im Herzen manchmal ein kleines Kind war, und Kinder waren nervig, aber simpel gestrickt. Keiji glaubte aber nicht, dass seine rationale Listung von Schwächen und geeigneten Gegenmitteln bei irgendjemandem so gut funktionieren würden wie bei Bokuto.

„Es ist bei Weitem nicht so einfach, wie ihr es darstellt“, stellte er deswegen monoton, aber nicht herablassend, klar, bevor er sie alle eindringlich anblickte.

„Aber ich habe Vertrauen in uns.“

Für einen Moment herrschte verwirrtes Schweigen, weil es eher selten war, dass man solche Dinge von ihm hörte. Und da sie noch keine wichtigen offiziellen Spiele zusammen gespielt hatten, war es auch noch nicht ernsthaft nötig gewesen, ihnen inspirierende oder motivierende Ansprachen zu halten.

Dann jedoch bildete sich auf allen Gesichtern ein breites Strahlen und sie jubelten weiter drauf los.

„Das ist richtig motivierend!“

„Wir werden das Team nicht enttäuschen!“

„Manchmal bist du so cool, Akaashi-san!“

Verwirrt legte er den Kopf schief, sah es aber einfach als Kompliment. Vielleicht war es gut, dass er so selten lobende Worte sprach – so hatten sie gleich viel mehr Nachdruck, wenn er es einmal tat.

„Ich gebe mir Mühe“, erklärte er schlussendlich, als sie den Clubraum verließen und sich auf ihre Heimwege machten. Immer noch ließen ihm die eigenartigen Nachrichten von Kuroo keine Ruhe, und er hatte auch immer noch keine Erklärung erhalten, was nun die dumme Idee war, die Bokuto wahrscheinlich gerade umsetzte. Mit viel Glück war es nur eine ihrer üblichen Blödeleien, auch wenn Keiji nicht ganz verstand, inwiefern das ihn noch in Schwierigkeiten bringen konnte, schließlich war er nicht in der Nähe Bokutos, um dafür belangt werden zu können.

Eine weitere Nachricht gab ihm jedoch genügend Aufschluss darüber, was ihn erwartete.

 

Hey, ich meine. Am besten nimmst du's einfach als Kompliment! Also, sobald es soweit ist…

 

Sag mir nicht

 

„Akaashi!!“

Er kam nicht dazu, die Nachricht fertig zu tippen, aber das erübrigte sich auch dadurch, dass sie sich just in diesem Moment bereits beantwortet hatte. Im gefühlt allerletzten Moment drehte Keiji sich um und wurde von der Kraft, die gegen ihn raste, nur deswegen nicht zu Boden gerissen, weil sie ihn gleichzeitig festhielt.

„Bokuto-san?“

Auch wenn es wie eine Frage klang, war es viel mehr eine Feststellung. Es gab nichts Geeignetes, was er hätte sagen können, also schwieg Keiji und erwiderte etwas zögerlich die knochenbrechende Umarmung, in die er gezogen worden war.

Von Bokuto kam kein weiterer Ton, was in sich schon ein Paradoxon war. Sein warmer Atem in Keijis Nacken war das Einzige, was man als Lebenszeichen deuten könnte.

Sie standen eine Weile nur so da, und wahrscheinlich hätte die Szenerie auf einen Außenstehenden gewirkt als würden sie sich gerade regungslos zeichnen lassen. Aber es war nicht unangenehm. Dann, als Keiji etwas sagen wollte:

„Ich vermisse dich auch, man!“

„Bokuto-san, bitte schrei nicht in mein Ohr.“

„Ahh! Tut mir leid!“

Schweigen – mit viel Fantasie könnte man nun wahrscheinlich die Grillen zirpen hören. Es war unangenehm, also beschloss er, ihre Umarmung zögerlich zu lösen.

„Was tust du hier?“

„Was für eine Frage! Dich sehen natürlich, hey, hey, hey!“

„Es ist Dienstag, Bokuto-san.“

Bokuto grinste treudoof und nickte, ein eindeutiges Indiz dafür, dass er absolut keine Ahnung hatte, worauf Keiji hinauswollte.

„Nein, ich meine...es ist Dienstag. Mitten in der Woche. Hast du deine Vorlesungen geschwänzt?“

„Ahhhh, Akaashi!! Schwänzen ist so ein starkes Wort! Kuroo meinte-“

„Bitte verschone mich.“

„-dass man das so nicht sehen solle! Es war schließlich für einen guten Zweck.“

Wenn es einen Menschen gab, der in Keijis Augen das sinnbildliche Antonym eines guten Zweckes darstellte, dann war das zweifelsohne Kuroo. In Anbetracht der Umstände, dass es ihm allerdings schwer fiel, böse darüber zu sein, dass Bokuto die Vorlesungen seinetwegen nicht besucht hatte, sagte er das lieber nicht laut. Auch wenn seine Theorie, dass Kuroo hinter der Sache steckte - obwohl er behauptet hatte, Bokuto gesagt zu haben, es sei eine schlechte Idee - damit als bestätigt erachtet werden konnte.

„Wir wollten uns ohnehin am Wochenende sehen. Du hättest für mich keinen Unterrichtsstoff verpassen müssen.“

„Akaashi!! Für wen denn sonst?!“

Das traf ihn wie ein Schlag und er spürte, wie seine Nasenspitze rosa wurde – er hasste es, wenn das passierte. Wieso machte er auch immer wieder den Fehler, sich Bokuto gegenüber nicht deutlich auszudrücken?

„Das meinte ich nicht. Aber wenn du jetzt ohnehin hier bist, sollten wir nicht wie festgewachsen auf der Straße stehen.“

„Ich verhungere, Akaashi! Lass uns was zu Essen finden!“

„Sicher. Wieso hast du auf dem Weg nichts gegessen?“

„Hab ich! Und es war echt gut, und irgendwie hab ich deswegen vergessen, auszusteigen, und dann bin ich dann am falschen Ende der Stadt gelandet und dann...“

Mit einem schmalen, kaum erkennbaren Schmunzeln auf den Lippen lauschte Keiji Bokutos in dessen Augen wohl spannender Erzählung seines großen Abenteuers auf dem Weg in die Heimat, und wunderte sich kein Stück darüber, dass eine Reise von nicht mal ein paar Stunden in eine Pilgerfahrt ins Nirgendwo ausgeartet war, die den gesamten Tag gedauert hatte.

„Aber du hast den Weg zurückgefunden. Beeindruckend.“

„Tja, haha! Ich bin schließlich auch der große Bokuto!“

 

Es war gruselig, wie normal und gewohnt es sich anfühlte, als sie, ohne irgendetwas abzusprechen, den Weg zu Bokutos Lieblings-Imbiss entlangliefen, und an dem Springbrunnen vorbeikamen, über den sie vor ein paar Tagen gesprochen hatten.

„Hey, Akaashi!! Der Springbrunnen ist repariert! Ich hab dir doch gesagt, das könne nicht mehr lange dauern!“

„Bokuto-san...“

Kopfschüttelnd gab Keiji nach. Nichts von all dem, was er diesbezüglich hätte sagen können, wäre die Mühe wert gewesen. Egal, ob die Tatsache, dass sie darüber bereits gesprochen hatten, oder der Fakt, dass Bokuto derjenige gewesen war, der nicht geglaubt hatte, dass der Springbrunnen jemals repariert sein würde...die Liste war ebenso endlos wie das Universum und Bokutos Dummheit, also sparte er sich den Atem.

„Yooo, Koutarou, mein Bester!! Was treibt dich denn ins Land! Und Keiji-kun auch, ist ja wie ein Sechser im Lotto! Hahahaha!!“

Der Hauptgrund, dass der Besitzer des Imbisses Bokuto so gut leiden konnte, war wahrscheinlich der, dass auch er nicht sonderlich mit Intelligenz gesegnet worden war und sie sich daher einfach auf einer Wellenlänge befanden. Keiji war dabei eher ein Anhängsel, eine Art Deko, aber es störte ihn nicht wirklich.

„Ich konnte es Akaashi einfach nicht antun, noch einen Tag ohne seinen Helden ertragen zu müssen, hey, hey, hey!!“

Und irgendwie war er sich sicher, dass das erst der Anfang einer langatmigen, von Übertreibungen und gedehnter Wahrheit erfüllten Episode aus dem Leben des Bokuto Koutarou sein würde.

Aber als sie so da saßen und Keiji wie ein stummer Beobachter die Begeisterung in Bokutos Augen noch einmal aufflammen sehen durfte, seine sich überschlagende Stimme hörte und an all die Dinge zurückdachte, die sie zusammen erlebt hatten, hätte er nichts benennen können, was ihn glücklicher gemacht hätte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Pooof. ;~: Das wars. Ich tu mir immer so schwer, mich von Geschichten zu trennen, aber ich glaube, es ist hier einfach angebracht.
Ich danke jedem, der die Geschichte bis hierhin gelesen hat und hoffe, sie hat dem einen oder anderen gefallen.
Bis zum nächsten Mal! ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Puppenspieler
2016-08-02T07:25:34+00:00 02.08.2016 09:25
Ach ja ;_; Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn's am Schönsten ist, aber es ist immer ein stranges Gefühl, ne Geschichte beendet zu haben, huh?

Aber ich muss dir echt mein Lob aussprechen! Das ging so flüssig und schnell! ;_; Mega krass! Und Dialoge!*~* Awww, du bist so cool!

Irgendwie war ja klar, dass es am Ende genau so endet, wie Akaashi es gefürchtet hat - mit an den Haaren herbeigezogenen Selbstbeweihräucherungen von Bokuto. *prust* Drauf gekommen wäre ich trotzdem nicht. XDD Oh, das ist herrlich.
Und natürlich ist Kuroo Schuld... Wieso er Akaashi nicht wenigstens klar gewarnt hat, ist mir aber schleierhaft! Dieser Arsch! D:<

Ein Yay für Statisten!*-*

Hach. Ich mag. ♥ Es ist ein schönes Ende, das die Geschichte wirklich toll abrundet. :3 Und den Schluss hast du wunderbar geschrieben!
Antwort von:  Valenfield
02.08.2016 22:23
Normalerweise nach Kapitelenden denkt man eben "soo, und wie fange ich das Nächste an?!", aber wenn dieses Nächste nicht kommt....ja, es ist strange. ;~:

Die Selbstlobüberschüttungen kamen ehrlich gesagt wie von selbst, als ich am Schreiben war, damit hab ich auch nicht gerechnet, haha. Aber irgendwie hat es sich dann ergeben.
Ach, wenn Kuroo etwas verraten hätte, wäre das ja langweilig geworden. Er hätte sich darauf einstellen können und so. Das wäre nicht cool!

Danke, danke. ICH BIN FROH, DASS DU ES MOCHTEST! ♥


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