Konvergenzstreben von Valenfield ================================================================================ Kapitel 4: #16 - Vom Alleinsein ------------------------------- Das gesamte Wochenende über hatte Keiji sein Handy keines Blickes gewürdigt. Am Samstag hatte er es sich für abends vorgenommen, war dann aber völlig übermüdet ins Bett gefallen, und als er am Sonntag endlich auf sein Handy gesehen hatte, war da irgendetwas in ihm gewesen, was sich geweigert hatte, die Nachricht von Freitagabend abzuhören – als müsse er sie sich aufbewahren. Dann jedoch, am Montagmorgen auf dem Weg zur Schule, wurde er von einer weiteren Nachricht überrascht und beschloss, nun einfach beide abzuhören – vielleicht bewegte sich das alles ja doch in die richtige Richtung.   „Du solltest es besser bald wissen, Akaashi!“ „Hey, hey, hey!! Ich bin eben einfach der Beste!!“   Sicher, Bokuto-san, aber wie kommst du da plötzlich drauf?   Die Antwort war zur Abwechslung keine Sprachnachricht, sondern ein Bild. Es dauerte einen Moment, bis es geladen hatte, bevor Keiji eine Art Zwischenprüfung erkannte. Eine seiner Augenbrauen wanderte zögerlich nach oben, als er die Punktzahl erblickte.   Du hast gerade so bestanden, Bokuto-san.   „Lass es doch nicht immer so negativ klingen, Akaashi!“   Als gäbe es daran irgendetwas, was man positiv klingen lassen könnte. Er beschloss, dass es besser war, Bokutos Ego nicht zu extrem anzugreifen, bevor er sich entweder beleidigt weigerte, zu antworten, oder ernsthaft in seinen Emo-Modus verfiel. Nun, da er darüber nachdachte, hatte Keiji noch nie versucht, Bokuto aus diesem unkontrollierbaren Zustand via Handy herauszubekommen...und ehrlicherweise war es nichts, was er jemals ausprobieren wollte.   Gefällt es dir denn, zu studieren?   „Volleyball gefällt mir viel besser!“   Daran hätte Keiji niemals gezweifelt. Wahrscheinlich dachte Bokuto schon während der Vorlesungen an nichts anderes als daran, gleich hinterher in die Sporthalle zu rennen. Ob seine Teammitglieder da wohl mithalten konnten?   Ich denke, wir werden wieder zu den nationalen Meisterschaften gehen.   Ursprünglich hatte Keiji nicht so recht gewusst, ob er Bokuto davon erzählen wollte. Es könnte sein Ego ankratzen, es klingen zu lassen, als kämen sie auch ohne ihn problemlos zurecht – was anmaßend wäre, denn trotz seines instabilen Gemüts war er ein wahnsinnig guter Spieler. Andererseits wollte er aber sicherlich wissen, wie es seinen ehemaligen Kameraden erging und ob sie immer noch ein gutes Team waren.   „Die meisten von euch durften ja auch vom großen Bokuto lernen, hey, hey, hey!!“   Selbstverständlich würde er sofort einen Weg finden, es klingen zu lassen, als sei es nur ihm zu verdanken, dass ihr Team immer noch so gut war. Das war diese typisch abstrakte, dumm-clevere Logik, von der Konoha gesprochen hatte. Dann jedoch folgte noch eine Nachricht, und die traf Keiji völlig unerwartet.   „Unser Steller erinnert mich an dich, Akaashi...oh, aber er trainiert freiwillig mit mir, hahaha!!“   Wie an Ort und Stelle festgefroren hielt er inne und starrte ungläubig auf seinen Bildschirm, obwohl dort natürlich kein Text stand. Erinnert mich an dich. War es das? Eigentlich klang es wie eine völlig banale, simple Stichelei – allem voran, weil Bokuto wusste, dass Keiji ebenfalls freiwillig mit ihm trainiert hatte. Egal ob nach der Schule, an den Wochenenden oder während Trainingscamps. Davon ganz abgesehen konnte er nicht so recht glauben, dass dieser Steller so gut mit Bokutos Gefühlsausbrüchen klarkam. Nein, er wollte es nicht glauben. Keiji war immer derjenige gewesen, der Bokuto las wie ein Buch, immer wusste, was man tun musste, um ihn aus seinem Tief zu holen. Diesen Platz für irgendeinen Fremden abtreten zu müssen, kam wie aus dem Nichts und war etwas, was er nicht akzeptieren konnte.   Verstehe.   Er bereute es schon, überhaupt geantwortet zu haben, als sein Handy die Nachricht noch nicht ganz abgeschickt hatte, aber seis drum. Es war nicht zu ändern und nicht sonderlich dramatisch. Wochenlang hatte er sich gefragt, was Bokuto dazu gebracht hatte, ihm nicht mehr täglich zu schreiben. Früher hatte er das auch an den Wochenenden und in den Ferien gemacht, aber wenn es nun jemand anders gab, mit dem er den ganzen Tag verbrachte, war es natürlich völlig logisch, dass er nicht mehr so viel Zeit hatte. Aber je mehr Mühe Keiji sich gab, es als selbstverständlich hinzunehmen, desto mehr ärgerte er sich darüber, wie fürchterlich es ihm gegen den Strich ging. Als hätte man ihn abserviert. Erst, als sein Handy eine weitere Sprachnachricht ankündigte, erwachte er aus seiner Starre, steckte es ohne weitere Beachtung weg und beeilte sich, zur Schule zu kommen. Vielleicht würde ihn der Unterricht von seinen völlig irrationalen Gedanken ablenken. Vielleicht musste er eine Nacht darüber schlafen, um verstehen zu können, dass seine Bemühungen von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen waren, und das nicht an Bokutos Naivität lag, sondern an seiner eigenen. Aber der Unterricht half nicht. Keiji wollte jemanden anschreien, seinen Missmut an irgendetwas entladen, um sich wieder besser zu fühlen. Beinahe wütend hörte er sich nach Unterrichtsschluss die zwei Nachrichten an, die er bekommen hatte.   „Was verstehst du, Akaashi?“ „Akaashi!!“   Vergiss es.   „Du bist heute eigenartig drauf! Was ist los?“   Er verkniff es sich gerade so, bissig zu erwidern, dass es auch durchaus eigenartig war, wenn Bokuto nahezu besorgt um jemanden klang und sich nicht wie ein viel zu schwer erziehbares Kind erhielt. Unzufrieden mit sich selbst schüttelte er den Kopf. Wenn es eines gab, was er nicht wollte, dann war es genau dieser Konflikt. Er wusste, dass es völlig in Ordnung war, dass Bokuto auch ohne ihn genauso viel, wenn nicht sogar mehr Spaß am Volleyball hatte wie noch letztes Jahr, und dass er kein Recht dazu hatte, sich biestig zu verhalten. Und dennoch war das Einzige, was seine Gedanken beherrschte, beißende Eifersucht. Obwohl Volleyball das Letzte war, worauf er jetzt ernsthaft Lust hatte, nutzte er das Training, um nicht an diese Sache denken zu müssen. Und auch wenn er für einige Stunden beschäftigt war, fühlte er sich deswegen auf dem Heimweg doppelt so schlecht. Selbst die Tatsache, dass mehrere Nachrichten auf ihn warteten, war nur milde besänftigend.   „Bist du sauer auf mich?“ „Ich schwöre, ich wars nicht!“ „Akaashi...“   Es war völlig lächerlich. Sein Kopf sagte ihm, dass er sich über die Tatsache, dass Bokuto sich ernsthaft Mühe gab, mit ihm zu kommunizieren, freuen sollte. Offen gesagt war es sogar beachtlich, dass die wenigen, und dann auch noch nur geschriebenen, Worte gereicht hatten, damit er erkannte, dass etwas nicht stimmte, statt es auf Keijis übliche monotone Art zu schieben. Und dennoch unterdrückte das unerträgliche Gefühl, ersetzt worden zu sein, all diese Logik. Eventuell war es nur eine Frage der Zeit? Gewohnheitssache? Er sollte darüber schlafen und morgen würde die Welt möglicherweise schon anders aussehen. Aber gerade, als er sich ins Bett legte, folgte noch eine Nachricht.   „Akaashi!! ...Bist du wirklich sauer deswegen? Ich mache doch nur Spaß! Du weißt, dass du mein Lieblingssteller bist, hey, hey, hey!!“   Und wenige Sekunden später, in einer derart ernsten Stimmlage, dass er kurz nicht glauben konnte, dass es von Bokuto kam:   „Das weißt du doch, oder?“   Die Ehrlichkeit in seiner Stimme erschlug Keiji beinahe. Keine Blödeleien, kein Lachen, nichts. Bokuto wusste, dass etwas nicht stimmte, und bemühte sich, klarzustellen, dass es ihm nicht egal war. Das war höchstwahrscheinlich ein Privileg. Und am Ende war es auch das, was Keiji dazu brachte, ehrlicher und emotionsgeladener zu antworten, als er je geglaubt hätte, dass er es einmal tun würde.   Ich vermisse dich so sehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)