Runes von Yumiko_Youku ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- 01. Prolog So genau hatte man mich nie über meine Herkunft aufgeklärt. Vielleicht war ich ein Halbling. Ein halber Dämon, ein halber Gott, oder ein halber Mensch. Oder vielleicht war ich der Erzeugnis eines Blitzes, eines Lauffeuers, eines Flusses, oder ich war einfach unter einem Fels hervor gekrochen. Hier war alles möglich. Ich meine, schließlich erzählte man sich die ersten Riesen seien aus dem Schweiß eines Urwesens hervor gegangen und der Himmel sei ein Stück Schädeldecke und Wolken Hirn. Und so weiter. Aber eine Abstammung aus dem Chaos erschien mir am wahrscheinlichsten, da mich die meisten der Asen bei meiner Ankunft mit vielsagenden Seitenblicken bedachten. Odin, der Allvater, der Anführer der Asen trat vor, und verkündetet, dass ich nun eine von ihnen sei. Asgard war gewaltig, deshalb blieb ich zunächst, für meine Natur, ungewöhnlich wortkarg. Deshalb hob ich nur meine rechte Hand, als Odin mich vorstellte und zeigte ihnen das Runenmal auf meinem Handrücken. Es sah im Augenblick aus, wie eine frische Wunde, vermutlich weil es beinahe nichts anderes war. Der Schmerz war immer noch nicht ganz abgeebbt. Ich war ja Recht gut im Ausblenden von Schmerzen, doch als Odin mir die Rune eingebrannt hatte, hatte ich mir einen Schmerzenslaut nicht verkneifen können. ᛞ Dagaz, so hieß die Rune, auch Daeg genannt. Die Rune stand für den Tag und zugleich der Sonnenuntergang, dem die Nacht folgte. Ich persönlich fand ihre Form nicht sonderlich ästhetisch, aber darüber lies es sich ja bekanntlich streiten. Außerdem hatte mich ja keiner gefragt. Als ich den Kopf hob, standen alle zwölf Asen vor mit, mir Ausnahme natürlich Odin, welcher immer noch neben mir stand, seine schwere Hand auf meiner Schulter. Hinter ihnen erstreckte sich Asgard. Ich kannte ja nur die Geschichten. Ich meine, wer außer den Göttern konnte behaupten er sei schon einmal auf der Himmelsfeste gewesen? Auf jeden Fall konnte ich die zwölf Hallen der Götter, ja jeder Gott hatte eine Halle für sich, sehen. Plus die anderen fünf mehr oder wichtigen Gebäude hier. Die Bifröst, die Regenbogenbrücke lag hinter mir, wie sonst wären Odin und ich auch nach Asgard gelangt? Soweit erstmal zum ersten Eindruck. Viele Eindrücke konnte ich ja nicht sammeln, als ich dort von den Götter umringt stand. „Ihr Name ist Liv.“, lies Odin seine Mitgötter wissen, „Ich hoffe ihr werdet sie freundlich in unserer Mitte aufnehmen.“ Heimdall beäugte mich kritisch. Er war der Wächter der Asen und Bewacher der Regenbogenbrücke. Also dass er mich so anstarrte konnte bestimmt nicht daran liegen, dass er ein Problem mit seinen Augen hatte, sonst würde man ihn sicher seines Amtes entheben. „Sie trägt das Chaos in sich. Das kann ich von hier aus sehen.“ Keine Glanzleistung wenn man nur etwa einen Meter entfernt stand. „Warum hast du sie hier her gebracht, Odin?“ Der Göttervater blieb gelassen und antwortete ruhig, während er mit seinem verbliebenen Auge die anderen fixierte: „Wir leben in schweren Zeiten und unsere Feinde werden immer zahlreicher. Ihr könnt mir glauben, ich habe mit Bedacht und überlegt gehandelt. Ihre Fähigkeiten werden uns zu Pass kommen.“ Odin hatte, als er mich aufgespürt hatte, im Ansatz wissen lassen, was er von mir erwartete, also grinste ich die Anwesenden an. „Ich werde mein Bestes geben.“, meinte ich zuckersüß und Heimdall knirschte mit den Goldzähnen, doch ein gut platzierter und bestimmender Blick von Odin brachte ihn zum Schweigen. Ich bezog also ein Zimmer Fensal, dem Palast von Frigg, Odins Gemahlin. Eine andere Halle wäre wohl unschicklich gewesen. Außerdem konnte man weibliches Personal nie genug haben, denn trotz Runenmal und allem, war ich ihnen, Himmel bewahre, nicht gleich gestellt. Ich warf mich auf das Bett und starrte an die Decke, während ich mein Runenmal an meiner Hand betrachtete. Ab und zu leuchtete es schwach rot auf und brannte ein wenig, so als hatte ich vor einer Weile etwas heißes angefasst. Nicht besonders unangenehm, aber etwas prickelnd. Das war also meine erste Begegnung mit den Asen. Naja, sie hatten mich eben nicht überfordern wollen. Das zeugte von einem gewissen Anstand und Besorgnis, also das sagte ich mir selbst. Ich selbst konnte mir nur wenig vorstellen, was mich hier noch erwarten würde, aber langweilig würde es hoffentlich nicht. Mir blieb nur eine kleine Fantasiereise um mir das ganze auszumalen und abwarten, ob es denn so kommen würde. Kapitel 1: Asgard ----------------- 1. Kapitel – Asgard So wachte ich also an meinem ersten Morgen in Asgard auf. Möglichst leise, schlich ich durch Fensal und wenn ich beabsichtigte unsichtbar und unhörbar zu sein, dann konnte man sich sicher sein, dass ich genau das war. Ungesehen gelangte ich also nach draußen und lies mir alle Zeit der Welten um Asgard zu erkunden. Ich vermisste irgendwie die Wälder aus der Mittelwelt. Ich war mir sicher Idun hatte unzählige Gärten mit kleinen und großen Tieren in ihrer Halle und auch einige Bäume, aber es gab nichts über richtige, dichte, grüne Wälder mit Laubbäumen. So etwas lud mich immer zum Erkunden ein. Ich liebte es wilde Tiere zu beobachten und auf Bäume zu klettern. Nicht selten hatte ich vom letzteren unzählige Verletzungen davon gezogen, obwohl mich meine Pflegeeltern oft genug gewarnt hatten. Einige Narben waren bis heute nicht verschwunden. Ich war wohl eher das, was man einen Wildfang nannte. Und deshalb vielleicht wollte ich nicht den ganzen Tag in Asgard verbringen. Es war ja schön und alles, aber etwas fehlte. Ich vermisste die Mittelwelt. Die Menschen darin weniger, aber die Flora und Fauna. Die einzigen Menschen, die es mit mir ausgehalten hatten, waren meine Pflegeeltern gewesen, die mich aus reiner Nächstenliebe, oder vielleicht auch nur aus Pflichtbewusstsein aufgenommen und großgezogen hatten, nachdem sie mich als Baby, wie sie mir einmal erzählt hatten, im Wald gefunden hatten. Niemand wusste, wie ich dorthin gekommen war und wer mich dort hingelegt hatte. Ich hatte einmal nur ruhig im Wald gelegen, nur mit einer Decke umwickelt und auf das wartend, was noch folgen möge. Und jetzt war ich hier, in Asgard. In der Himmelsfeste der Götter. Nachdenklich saß ich auf dem Dach von Odins Halle und überblickte Asgard. Gerne wäre ich auf den Hindarfjall geklettert, doch dies war jedem, außer dem Allvater selbst, strengstens untersagt. Nun gut, solche Verbote schien es manchmal nur zu geben, um gebrochen zu werden, doch ich beschloss, es mir nicht gleich am ersten Tag mit allen, und vor allem nicht mit dem Allvater, zu verscherzen. Auf Dächer klettern, wenn es schon keine Bäume gab, hatte mir –noch- niemand verboten. Für mich gab es nichts schöneres, wenn der Wind durch mein Haar strich und meine Beine in der Luft baumelten, während ich meinen Gedanken nachhing. Ich dachte über alles und nichts nach, philosophierte, analysierte und dachte noch mehr nach. Ich bin mir sicher besonders Thor konnte dies nicht nachvollziehen. Für ihn gab es eh nichts schöneres, als Riesen verdreschen. Ich war ja nicht so für Gewalt. Schon möglich, dass sie manchmal nötig war, aber ich ging Streitereien lieber aus dem Weg. Lustigerweise fanden sie mich dennoch. Irgendwie war niemand besonders angetan von meinen objektiven, logischen Analysen und Schlussfolgerungen und das ganze endete nicht selten beinahe in einem Handgemenge, welchem man nur entging, wenn man schnell genug auf den höchsten Baum kam. So war das jedenfalls in der Mittelwelt und mit den Dorfjungen gewesen. Hier... Nun das würde ich noch früh genug herausfinden. Ich fuhr mir mit der Hand durch mein widerspenstiges Haar. Es hatte einen seltsamen, ungewöhnlichen Rotstrich und erinnerte so beinahe ein reines Bronze und meine Augen hatten diesen Grünton, der viele an das frische Gras im Frühling erinnerte. Mein Mund umspielte meistens ein schiefes, keckes Grinsen und überhaupt war meine Art für ein Mädchen unangebracht. Es ziemt sich nicht in Hosen und Hemd herumzulaufen. Es ziemt sich nicht mit den Jungs einen Streit anzuzetteln und den Erwachsenen zu widersprechen. Es ziemt sich nicht ungekämmt und ungewaschen alleine durch den Wald zu streifen. Es ziemt sich nicht neugierige Fragen zu stellen. Dies und Ähnliches hatte ich mir immer von den älteren Dorfbewohnern anhören müssen. Und ich hatte all das immer für Unsinn abgetan. Kleider und Röcke waren furchtbar unpraktisch. Und wer zog diesen ganzen Schmuck an? Ballast? Wunderte mich, dass Freya noch gerade stehen konnte, mit all dem Gehänge. Ich mochte es praktisch. Aber leider hatten die Götter, oder wer auch immer das Zimmer und besonders den Schrank ausgestattet hatte, nicht bedacht. Natürlich fand ich nur Kleider, Röcke und Blusen vor. Ich hatte mich heutigen morgen für das kleinere Übel entschieden. Einen braunen, relativ schlichten Rock, den man notfalls hochkrempeln konnte und eine Bluse, bei der ich die Ärmel hochkrempeln konnte, sodass ich die Hände frei hatte. »Sie trägt das Chaos in sich. Das kann ich von hier aus sehen.«, hatte Heimdall gesagt und somit meine Vermutungen bestätigt. Ich trug also tatsächlich Dämonenblut in mir. Gerne hätte ich mehr über meine Herkunft gewusst, aber ich bezweifelte, dass Odin mir alles bereitwillig erzählen würde. Im Grunde genommen kannte ich ihn erst seit wenigen Jahren. Er war eines Tages im Dorf aufgetaucht. Einige hatten ihn zunächst für einen älteren Mann gehalten. Ein Mann, mit einer Augenklappe und einem Schlapphut. Er hatte ausgesehen wie ein gewöhnlicher Wandersmann. Doch ich hatte, kaum, dass ich ihn erblickt hatte, gespürt, dass an seiner Erscheinung noch mehr dahinter steckte, als es zunächst den Anschein hatte. Jedenfalls stellte sich der alte Mann uns als Gagnard, oder auch einfach nur Einauge, vor und kehrte für einige Male in unserem Haus ein. Bald wurde es zum Ritual, dass er sich alle Monate bei uns blicken lies. Und er nahm sich bei jedem Besuch Zeit für mich. Er erklärte mir viele Dinge, befriedigte meine Neugier und brachte mir einiges bei. Und als meine Eltern schließlich starben, hatte er mich hierher mitgenommen. Vielleicht hätte all das mich früher stutzig machen sollen, aber egal. Jedenfalls schien es im Augenblick das Beste zu sein, was mir hätte passieren können. Ich wohnte in Asgard, hatte ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen. Wer weiss, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte mich Odin nicht zu sich und seinesgleichen geholt. „Liv, Liebes.“, rief mich eine sanfte Frauenstimme von unten. Ich sah zu Boden und sah, wie Idun dort unten stand und mir zuwinkte. Mit wenigen Sprüngen, landete ich vor ihr. „Ja?“ „Liebes, du solltest aufpassen. Es ist gefährlich für ein kleines Mädchen wie dich, dort oben zu spielen.“, ermahnte sie mich, einen Finger tadelnd erhoben. „Ich pass schon auf.“, meinte ich und grinste. Idun lächelte nur sanft. „Aber nun komm, du hast sicher Hunger.“ Allerdings. Sie legte einen Arm um mich und führte mich mit sanfter Gewalt über Idafeld und zur Halle, in der die Götter speisten. Dort erwartete mich, neben einem reichlich gedeckten Tisch, alle Asen und Vanen. Odin saß selbstverständlich am Kopfende der Tafel und begrüßte mich höflich und wies mir einen Platz zu. So kam ich neben dem Goldjungen Balder, der mir zugleich höflich etwas zu Trinken einschenkte und Heimdall zum Sitzen. Letzterer war darüber wohl alles andere als erfreut. Während dem Mahl kam ich nicht umher beinahe die gesamte Zeit über auf mein Runenmal zu starren. Es hatte inzwischen völlig aufgehört zu schmerzen und hatte nun eine rötliche Farbe angenommen und erinnerte mich an den Abendhimmel, kurz vor Sonnenuntergang. Dagaz ᛞVor lauter Faszination hatte ich völlig vergessen, alte Gewohnheit, an meinem Getränk zu schnuppern und nahm einen Schluck, nur um mich zu verschlucken und den Rest der Flüssigkeit auszuspucken. „Alles in Ordnung?“, fragte Balder besorgt. „Ja.“, meinte ich gedehnt und wischte mir mit den Handrücken über den Mund. Wein? Wirklich? Ich sah, dass Heimdall, welcher einiges abgekommen hatte, mich wütend an funkelte. Ich grinste ihn entschuldigend an. Hilfe würde er ohnehin nicht annehmen, also war Idun bereits dabei in guter alter Mutter Manier den Wein von seinem Gesicht und seinem Wams zu entfernen. Thor stieß ein ohrenbetäubendes, rumpelndes Lachen aus und erntete einige unbegeisterte Blicke. Odin nahm das Ganze stirnrunzelnd hin, doch sein warnender Blick blieb mir nicht verborgen. „Ist mir dir alles in Ordnung, Liebes?“, fragte Idun, nachdem es Heimdall gelungen war, sie abzuschütteln. Ich nickte. „Könnte ich etwas anderes zu Trinken bekommen? Wein ist nicht so...meins.“ „Aber selbstverständlich, Liebes.“, antwortete die Göttin mit einem sonnigen Lächeln und schenkte mir aus einem Krug Wasser ein. „Es tut mir Leid.“, kam es von Balder, „Ich dachte...“ „Schon gut.“, unterbrach ich ihn und trank einen Schluck Wasser, um den Weingeschmack los zu werden. Ich war alt genug, um alkoholische Getränke ganz offiziell genießen zu dürfen, doch ich tat es nicht. Wem´s schmeckte, okay! Ich fand das Zeug widerlich. So ging das Mahl ohne weitere, besondere Vorkommnisse zu ende, sodass die meisten Götter die Halle verliesen und ich schloss mich diesen an. Es hielt mich selten lange in geschlossenen Räumen. Smalltalk war auch nicht so mein Ding und unproduktive Langeweile erst recht nicht. Also wanderte ich zunächst scheinbar ziellos in Asgard umher, nahm eine Halle nach der anderen in Augenschein, ehe ich Richtung Regenbogenbrücke wanderte. Ich wollte der Mittelwelt einen kleinen Besuch abstatten. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne den Wärter Bifrost gemacht. Heimdall Habichtauge stand wachsam an seinem Posten und beäugte jeden, der sich auch nur näherte. Na super. Es war ja nicht so, als hatte ich etwas höchst illegales vor. Ich hatte nur keinen Nerv um Erlaubnis zu fragen. Das war den Zeitaufwand nicht wert. Ich wollte ja nicht lange bleiben. Die anderen würden meine Abwesenheit gar nicht bemerken. Also galt es Heimdall nur für wenige Sekunden abzulenken. Ich besah mein Runenmal. Mit ein wenig Magie sollte es klappen. Ich wirkte die Rune ᛞ (Dagaz) und feuerte sie Richtung ein gutes dutzend aufeinander gestapelte Weinfässer. Die Rune schlug ein, wie ein Knallkörper. Ich versteckte mich, als Heimdall alarmiert an mir vorbei stapfte, um zu sehen, was geschehen war. Hastig und dennoch leise, sprintete ich los. „Trautes Heim.“, murmelte ich, als ich mitten in einem Wald in der Mittelwelt angekommen war. Mit ᛒ (Bjarkan), der Rune für Hellsicht, die ich mit der linken Hand wirkte, konnte ich sehen, dass keine Menschenseele anwesend war. Dafür aber nicht gerade wenige Tiere. Ich hockte mich hin und wartete geduldig. „Kommt nur her. Ich tue euch nichts.“ Es dauerte eine Weile, bis sich die Waldbewohner tatsächlich näher trauten. Ich weiss nicht, ob ich unterbewusst irgendwelche Magie einsetzte, oder ob ich eine seltsame Anziehungskraft auf Tiere ausübte, aber ich hatte schon immer eine gewisse Bindung zu diesen. Während sie bei den andere Menschen das Heil in der Flucht suchten, hatten sie stets die Nähe zu mir gesucht. Etwas Geduld hatte natürlich immer dazu gehört. Lächelnd streckte ich dem Hirsch die Hand hin, dieser beschnupperte diese und ich begann ihn unterm Kinn zu kraulen. Ein kleines Eichhörnchen setzte sich auf meine Schulter und andere wilde Tierchen scharrten sich um mich. Ich musste wohl etwas ein gedöst sein, denn ich öffnete blinzelnd die Augen, als eines der Eichhörnchen begann an meinen Haaren zu ziehen, sodass es allmählich unangenehm wurde. „Ohje.“ Ich spuckte den Grashalm, den ich im Mundwinkel gehabt hatte, in hohem Bogen aus und erhob mich. „Sorry. Ich muss los.“, lies ich die Waldbewohner wissen. Diese schauten mich beinahe flehend an. „Ich komme bald wieder. Versprochen.“ Mit diesen Worten machte ich mich auf den Rückweg. „Wo bist du gewesen?“, fragte Heimdall harsch, der natürlich wieder an der Bifrost Wache stand. „In der Mittelwelt.“, antwortete ich gelassen und wahrheitsgemäß. Ich konnte erkennen wie es begann im Inneren des Wächters zu brodeln. Seltsam. Irgendwie war nie jemand für meine pragmatischen Argumente offen und die Diskussionen die ich führte, endeten immer damit, dass mein Gegenüber mich anschrie oder wütend davon stapfte. Dabei brachte ich immer logische Argumente mit und blieb selbst gelassen und ruhig. Irgendwie schien das viele aufzuregen. „Sorry. Ich hätte um Erlaubnis fragen sollen.“ Ich grinste ihn versöhnlich an. „Allerdings.“, presste Habichtauge zwischen den Goldzähnen hindurch. „Wird nicht wieder vorkommen.“ „Besser wäre es.“ Goldie´s stechender Blick folgte mir bis ich Fensal erreichte. Kapitel 2: Loki --------------- 2. Kapitel – Loki „Lass das, Ratatöskr.“, mahnte ich das Eichhörnchen, welches wieder begann an meinem Ohr zu nagen. Dieses Tier war wohl immer auf Streit aus. Den lieben langen Tag tat es fast nicht anderes, als den Stamm Yddrasils auf und ab zu klettern, um den Adler, der über der Krone der Esche kreiste und die Weltenschlange gegeneinander aufzuspielen. Der Adler lies sich auf meiner anderen Schulter nieder, schlug kreischend mit den Flügeln und regte sich offenbar über Jormungand auf. Vedrfölnier, der Habicht, der des Adlers ständige Begleitung war, setzte sich auf meinen Kopf. Jetzt fühlte ich mich dezent beladen. Ich sah an meinen in der Luft baumelnden Füßen vorbei und konnte am Stamm Yddrasils Dain, Dwalin, Duneyr und Durathror, die vier Hirsche erkennen. Ich winkte ihnen grinsend zu, ehe ich die Krallen des Habichts von meiner schmerzenden Kopfhaut löste und ihn auf meinem Handgelenk sitzten lies. Das schien ihm nicht zu gefallen und er sprang auf meine Knie und wanderte unruhig auf meinen Obeschenkeln auf und ab. Plötzlich begannen die Vögel mit den Flügeln zu schlagen und das Eichhörnchen keckerte. Ihre Blicke waren gen Himmel gerichtet und ich folgte ihnen. Zwei Raben näherten sich krächzend. Sie blieben vor mir in der Luft mit den Flügeln schlagend hängen und wurden immer lauter. Langsam könnte man den Eindruck bekommen, sie wollten mir etwas mitteilen. Ich grinste sie an. „Sorry. Mein Krähisch ist nicht so gut.“ „Krah. Okrahdikra.“, kam es einstimmig. Ich setzte Vedrfölnier auf den Ast, auf dem ich saß, neben mich, löste auch Ratatöskr von meiner Schulter und verseuchte den Adler auf freundliche Weise. „Odin sucht mich richtig?“ „Krah.“ „Ich nehme an, das heißt ja.“ „Krah.“ „Das vermutlich auch. Schon gut.“ Ich erhob mich vorsichtig und folgte den beiden in meiner eigenen geflügelten Gestalt. Es war nicht das erste Mal, dass Hugin und Mugin mich irgendwo aufspürten und auf Befehl von Odin zurück nach Asgard geleiteten. Das war in den letzten Monaten einige Male vorgekommen. „Da bist du ja.“ Ungeduldig trommelte Heimdall mit seinen Fingern auf seinen Oberarm. Er und alle anderen 23 Götter hatten sich in der Halle des Allvaters versammelt, gemeinsam mit einem rothaarigen, grünäugigen jungen Mann, der neben Einauge stand. Odin schenkte mir einen unbegeisterten Blick. „Liv, wie oft habe ich dir gesagt...“ „Ja, ja. Ich weiss.“, kam ich ihm zuvor, „Schon gut. Sorry. Okay?“ „Liebes, was ist denn mit deinen Händen passiert?“ Ihr Blick war auf meine blutigen und zerschrammten Handflächen gerichtet. „Möchtest du einen Apfel?“, fragte sie fürsorglich. „Nah.“ Ich winkte locker ab. Das würde auch so heilen. Die paar Schrammen. Freya und Frigg schien mein verschmutztes und geschundenes Kleidung nicht zu gefallen. Besonders Freya rümpfte die Nase über mein unschickliches Auftreten. Odin seufzte nur und schüttelte unmerklich den Kopf. Dann straffte er sich. „Das ist Loki.“, stellte er den Neuankömmling vor „Er wird ab sofort zur Familie gehören, also lasst ihn uns willkommen heißen und ihn nicht wegen seiner... bedauerlichen Herkunft verurteilen.“ „Welche bedauerliche Herkunft?“, wollte Frey, Anführer der Vanen wissen. Der junge Mann, der uns als Loki vorgestellt wurde, winkte frech grinsend und lies uns wissen, dass er aus dem Chaos stammte. Es dauerte keine Sekunde, da lag Loki flach auf dem Rücken und jeder der Asen und Vanen, ausgenommen der weiblichen Riege und Odin, hielt eine Waffe auf den Rothaarigen gerichtet. „Du hast einen Dämon mit nach Asgard gebracht?“, fragte Tyr unseren General, „Bist du verrückt geworden? Er ist ein Spion. Vielleicht sogar ein Attentäter. Ich sage, wir sollten der kleinen Ratte die Kehle aufschlitzen.“ Das war so typisch Tyr. Erst drauf hauen, dann noch mehr drauf hauen. Sogar Thor war in dieser Hinsicht nicht so schlimm. Obgleich der Gute seinen Kopf eher selten einschaltete, war sein Motto war zumindest: Erst schlagen, dann die Fragen stellen. „Lass ihn los, Hauptmann.“ Odin sah Typ mit einschüchterndem Blick an. „Du machst Witze.“, begann der Kriegsgott. „Ich sagte, lass ihn los.“, wiederholte der General, „Er steht unter meinem Schutz.“ Grummelnd wurden die Waffen zurückgezogen und Loki setzte sich auf und schenkte der Menge ein strahlendes Lächeln, welches niemand der anderen Götter erwiderte. „Äh, hi.“, begann er, während er aufstand, „Ich weiss, für euch mag es komisch erscheinen, dass jemand wie ich mit Leuten wie euch abhängen möchte. Aber gebt mir eine Chance und ich werde euch beweisen, dass ich kein Spion bin. Ich schwöre es. Ich habe alle Brücken abgebrochen, als ich hierher kam. Für meine Leute bin ich ein Verräter. Schickt mich zurück und sie töten mich – oder Schlimmeres.“ Heimdall schien das wenig so interessieren. „Und? Wir brauchen die Hilfe eines Verräters nicht. Verrat ist eine krumme Rune, die niemals gerade aus fliegt und niemals ihr Ziel trifft.“ Das schien Loki auf eine Idee zu bringen, denn seine grünen Augen funkelten plötzlich. „Manchmal ist krumm besser als gerade.“ „Glaubst du, ja?“, erwiderte der Wächter in seiner goldenen Rüstung. „Lass es uns versuchen.“, meinte der Rothaarige, „Meine Rune gegen deine. Und Odin bestimmt den Gewinner.“ Ich horchte interessiert auf. Das versprach ja spannend zu werden. Heimdall wähnte sich schon als Sieger, aber ich war mir sicher, dass der Neue ein Ass im Ärmel hatte. Jedenfalls verriet das sein siegessicheres, schiefes Grinsen. Also begaben wir uns alle zusammen nach draußen. Dort gab es eine Zielscheibe, auf welche Loki mit den Kinn nickend deutete. „Na los, Goldie. Oder überlegst du es dir anders?“ „Eins muss ich dir lassen. Reden kannst du.“ Stampfend trat Heimdall vor. „Aber jetzt lass uns sehen, was du drauf hast.“ Odin, der als letzter die Halle verlassen hatte, warnte seinen Blutsbruder: „Heimdall ist der beste Schütze in Asgard. Die Vanen nennen ihn Habichtauge.“ Unbekümmert zuckte Loki mit den Schultern. „Das heißt?“, fragte er gelassen. „Das heißt du solltest besser gut sein.“, erwiderte der Allvater. Der Jüngling grinste. „Ich bin Loki. Gut passt da nicht rein.“ „Also wie weit?“, sagte Heimdall in einem siegessicheren Tonfall, „Hundert Schritt? Oder mehr?“ Erneut zuckte Loki mit den Schultern. „Such du aus. Mir ist das völlig egal. Ich werde dich sowieso schlagen.“ Einige der Götter raunten erstaunt auf. Doch Heimdall lächelte nur. Er lies sich von zwei Dienern die Zielscheibe bis ans Ende der Regenbogenbrücke tragen. Diese Zeit nutzte Loki, um sich ins Gras zu legen und ein kleines Mittagsschläfchen zu halten. Die Ruhe hatte er jedenfalls weg. Vielleicht wäre er tatsächlich eingeschlafen, hätte Bragi nicht angefangen, eine Siegeshymne für Heimdall zu dichten. Als die Diener endlich am Zielort angekommen waren, meinte Loki zu Heimdall: „Fang du an. Was immer du tust, ich verspreche ich werde es besser tun.“ Heimdall bleckte die Goldzähne und beschwor seine eigenen Rune ᛉ (Madr) und feuerte. Niemand außer dem Wächter selbst, konnte genau sehen, wie gut er getroffen hatte, doch sein Grinsen verriet, dass es ziemlich gut gewesen sein musste. Loki tat unbekümmert und streckte sich gelangweilt. „Du bist dran, Verräter.“, forderte Goldie Loki auf. „Sicher, aber bring das Ziel näher.“ „Was meinst du damit?“, fragte Heimdall, etwas verwirrt. „Ich sagte, bring das Ziel näher. Ich kann es von hier aus kaum sehen. Drei dutzend Fuß sollten genügen.“ Nun schien der Wächter völlig verwirrt. „Du meinst, du gewinnst gegen mich, indem man das Ziel näher bringt?“ „Weck mich auf, wenn es soweit ist.“, meinte Loki und legte sich wieder ins Gras. Erneut dauerte es einige Minuten, bis die Diener die Zielscheibe heran getragen hatten. Nun konnte es jeder sehen. Heimdalls Rune steckte genau in der Mitte der Zielscheibe. Alle applaudierten. Sogar ich schlug meine Hände höflich einige Male ineinander. „Habichtauge Heimdall gewinnt.“, verkündete Frey. Ich hob eine Augenbraue. Was an, Odin bestimmt den Sieger, hatte er nicht verstanden? Zudem war der Fremde noch nicht zum Zug gekommen. Dennoch schienen ihm die anderen zuzustimmen. „Also?“, wandte sich Odin an seinen Blutsbruder. „Nicht schlecht, Spatzenhirn. Aber ich kann ihn schlagen.“ „Habichtauge.“, korrigierte ihn Goldie Zähne knirschend, „Und wenn du glaubst zu gewinnen, wenn du genau neben dem Ziel stehst dann...“ „Und jetzt drehen wir es herum.“, sagte Loki gelassen. „Aber das würde ja...“, Erneut war Heimdall völlig verwirrt. Das wurde ja bald Normalzustand. „Ja. Genau.“, meinte der Rothaarige nur. Die beiden Diener gehorchten und Loki machte eine einladende Geste. „Versuche jetzt die Mitte zu treffen.“, forderte er Heimdall auf. „Das ist unmöglich.“ „Also sagst du, du könntest es nicht?“ „Das könnte niemand.“ Loki grinste und beschwor seine eigene Rune ᚴ (Kaen). Doch statt direkt auf das Ziel zu feuern, schnippte er die Rune in einem großen Bogen daran vorbei, ehe sie zurück geflogen kam und mit einem violetten Funkenfeuer die Rune ᛉ (Madr) traf und diese zugleich auslöschte. Jetzt staunten alle anwesenden Götter. „Nun?“, fragte Loki den General. „Ein wahrlich unglaublicher Schuss.“, musste dieser zugeben und lachte. „Ein Trick.“, knurrte Heimdall, welcher sich jetzt sicher in seiner Ehre getroffen fühlte. „Dennoch hat Loki gewonnen.“, beschloss der Allvater und alle stimmten ihm zu. Anerkennend schlug erst Odin, dann Thor auf Lokis Rücken. Zweiterer so fest, dass der Grünäugige beinahe nach vorne umkippte. Balder gab ihm einen Becher Wein und die Götter feierten ihren Neuzugang. Nur Heimdall war nicht in Feierlaune. Konnte er das ganze nicht sportlich nehmen?, dachte ich mir, als ich zu dem Wächter herüber blickte als ich an meinem Wasser nippte. Loki war definitiv der Held des heutigen Tages. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)