Shinri - Another Story von Yumiko_Youku ================================================================================ Kapitel 5: Füntes Kapitel ------------------------- 5. Die Hitze der Flammen. Die schmerzhaften Gesteinsbrocken. Die eiskalten, spitzen Geschosse. All diese Bändigerattacken schienen gleichzeitig von allen Seiten zu kommen. Für die beiden Mädchen gab es keinen Ausweg. Kein Entrinnen. Hektisch sah sich Shinri nach Nori um, welche noch tapfer kämpfte und Feuerstoß um Feuerstoß bändigte und versuchte einen aus der Bande zu erwischen. Sie selbst konnte nur die Arme schützend vor den Körper halten und hoffen, dass es bald vorbei war. Plötzlich schlängelte sich das wabernde Wasser um ihre Knöchel, ihre Knie hinauf, bis zu ihren Becken und hoch zu ihren Schultern, ehe es eiskalt gefror und das braunhaarige Mädchen nicht mehr in der Lage war sich zu bewegen. Hilflos musste sie dabei zusehen, wie Nori zu Boden gestoßen wurde und ihrem unausweichlichen Schicksal in die Augen sah. „Nori!“ Ein verzweifelter Schrei löste sich aus Shinri´s Kehle. Das Mädchen schreckte schwer atmend hoch. Sofort wanderte ihr Blick zu Nori, welche noch zu schlafen schien. Erleichtert atmete Shinri aus und kraulte Raku um die durch ihr plötzliches Erwachen alarmierte Wolfskatze zu beruhigen. Es war nur ein Traum gewesen. Es war alles in Ordnung. „Guten Morgen.“ Nori sah Shinri mit schief gelegtem Kopf an, als diese aufwachte und schon etwas zum Frühstück hergerichtet vorfand. „Morgen.“ Prüfend wanderte der Blick der Feuerbändigerin über das Gesicht ihrer Freundin. „Alles in Ordnung? Du siehst ziemlich müde aus.“ Die Braunhaarige winkte locker ab. „Geht schon. Habe nur etwas schlecht geschlafen.“ Nori erlaubte sich ein keckes Grinsen. „Nichts für ungut, aber das sieht man.“ „Wäre erstaunlich wenn nicht.“, erwiderte Shinri grinsend. So saßen die beiden Mädchen und sahen sich über das Feuer an, welches Nori auf einem kleinen Haufen Äste und Zweige, die Shinri gesammelt hatte, entzündet hatte. „Also was tun wir?“, fragte Nori nach einer Weile. Shinri schwieg lange. Ihre Meinung war unverändert und der Alptraum lies sie nicht los. Unterbewusst schlang sie die Arme etwas fester um ihren eigenen Körper. Sie wollte Nori nicht verlieren. Sie betrachtete das Gesicht des Mädchens, als sah sie dieses zum ersten Mal. Ihr tiefschwarzes Haar glänzte im Feuerschein und ihre smaragdgrünen Augen funkelten voller Selbstvertrauen. Ihre vollen Lippen waren grübelnd verzogen und auch ihre Augenbrauen zogen ihre Stirn in Falten. Nach einer Weile, die der Feuerbändigerin wie eine Ewigkeit vorkommen musste, zuckte Shinri mit den Schultern. „Ich... habe keine Ahnung....“, antwortete sie schleppend, „Ich will Yugo und den anderen genauso gerne helfen, wie du. Ich will der Triade zeigen, dass sie nicht machen können, was sie wollen aber...“ Ich habe Angst um dich. Diese Worte brachte sie nicht über die Lippen. Stattdessen schwieg sie. Nori erwiderte ihr Schweigen lange, ehe sie nickte. „Ich verstehe. Ich weiss wie du dich fühlst.“, sagte sie, „Mir ist auch nicht ganz wohl dabei aber... Ich glaube man muss etwas gegen das Unrecht in der Welt tun, sonst ändert sich nichts.“ Shinri sah sie lange an. Sie hatte Recht. Das wusste sie. Aber dennoch war die Realität grausam. Die Taten einzelner bewirkten beinahe nichts. Man konnte die Welt nicht von heute auf morgen ändern. Man konnte höchstens auf seine nähere Umgebung Einfluss nehmen, aber nicht alles Böse auf der Welt im Alleingang vernichten. Zerstreut nickte die Erdbändigerin. Die Feuerbändiger würde sich nicht aufhalten lassen. Das konnte sie in ihrem Blick sehen und spüren. „Es ist egal, was ich sage...“, begann Shinri, „Du wirst ja doch gehen, oder?“ Nori lächelte. Eine Mischung zwischen Schalk und Trauer zierte ihren Blick. Shinri schüttelte langsam den Kopf, dann grinste sie. „Naja, dann bleibt mir nichts übrig auf dich aufzupassen, nicht wahr?“ Mit diesen Worten erhob sie sich schwerfällig. Unerwartet schlang Nori die Arme um ihre Freundin, ehe sie einen Schritt zurück trat und deren Hände umfasste. „Wir schaffen das.“ Ihr Blick war entschlossen und ihren Worten nach zu schließen glaubte sie fest daran. Shinri nickte. „Machen wir sie fertig.“, bestätigte sie. Ob Nori spürte, dass sie selbst daran Zweifel hegte? Wenn, lies sie es sich nicht anmerken, denn sie nickte lächelnd, ehe sich die beiden Mädchen auf den Weg machen. Raku sah ihnen lange nach. „Einen wunderschönen Morgen, die Damen.“ Der Anführer der Triade der Dreifachgefahr lächelte sie spöttisch an. Er und seine Kumpanen hatten bereits auf die Beiden gewartet. „Habt ihr euch unser großzügiges Angebot noch einmal durch die hübschen Köpfe gehen lassen?“, fragte er und löste sich von dem Satomobil, gegen das er sich gelehnt hatte und kam auf sie zu. Er mochte ja schöne Worte verwenden, aber der Hohn und Spott passte den beiden Mädchen gar nicht. Dennoch antwortete ihm Nori: „Das haben wir.“ „Und?“, fragte der Mann und kam einige Schritte näher. Seine Kumpanen taten es ihm gleich. „Wir haben beschlossen, dass wir Ihr...“ Sie verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln, „...Großzügiges Angebot leider ausschlagen müssen.“ „So.“, meinte der Anführer der Bande knapp und es war kaum zu übersehen, dass ihn diese Antwort ärgerte, „Ich hatte euch für klüger gehalten.“ Er lächelte herablassen und wedelte mit der rechten in der Luft, als wollte er eine lästige Bienenfliege verscheuchen. „Aber ich gebe euch noch eine sportliche Chance. Haut ab, lasst euch hier nicht mehr blicken und wir ziehen in Erwägung euch ungeschoren davon kommen zu lassen.“ Die beiden anderen Männer knackten bedrohlich mit den Fingerknöchel. Nori erwiderte trotzig den Blick des Anführers und ballte die Fäuste. „Wir lassen uns nicht vertreiben und werden auch nicht zulassen, dass ihr die Bürger dieses Viertels unterdrückt.“ Shinri trat an die Seite ihrer Freundin. „Kampflos werden wir nicht aufgeben.“ „So ist das also.“ Der Mann in Blau lüftete etwas seinen Hut und sein spöttisches Lächeln wurde noch breiter. „Nun gut.“ Er setzte seine Kopfbedeckung wieder auf und schob die Hände in seine Hosentaschen. „Ihr hab es nicht anders gewollt.“ Mit einer plötzlichen Bewegung schnellten seine Hände nach vorne und zwei Wasserschwälle schossen auf die Mädchen zu. Beide rollten sich zur Seite und erwiderten die Attacke mit Feuer- und Gesteinssalven. Nun schritten auch der Erd- und der Feuerbändiger der Triade ein und attackierten die Mädchen. Erschrocken hatten die Bewohner in ihren Häusern Schutz gesucht und beobachten das Schauspiel mit wachsender Angst. Die Elemente prallten aufeinander und die Straße hüllte sich in einen gefährlich wirkenden Dunst. Yugo lugte voller Sorge durch seinen Vorhang und sah besorgt auf die beiden Mädchen herab, die tapfer ihren Stand verteidigen. „Passt auf euch auf und viel Glück, Mädchen.“, murmelte er leise. Weder Nori noch Shinri waren ungeübte Bändiger. Beide wussten ihr Element geschickt anzuwenden und sowohl im Angriff, als auch in der Verteidigung wussten sie sich zu behaupten. Allerdings spürten sie schnell, wie der Kampf an ihren Kräften zerrte. Ob es an ihrer mangelnden Erfahrung im Kampf gegen starke Bändiger lag, oder an ihrer geringen Ausdauer, herbeigeführt durch schlaflose Nächte und Nahrungsmangel der letzten Monate. Shinri warf Nori einen Seitenblick zu, als die beiden Mädchen hinter der von ihr geschaffenen Gesteinsmauer hockten und warteten, bis die Attacken der Gegner erstarben. Die schwarzen Strähnen klebten ihr an der vom Schweiß getränkten Stirn und ihr Atem hatte sich beschleunigt. Doch sie erwiderte selbstsicher den Blick ihrer Freundin und nickte entschlossen. Dann sprangen beide Mädchen synchron auf und erwiderten artig das Feuer auf die Gegner. Getroffen taumelten der Erd- und der Feuerbändiger zu Boden, doch der Wasserbändiger nutzte seine Chance und wischte Nori mit einem gezielten Wasserschwall von den Füßen. Wütend lies Shinri mehrere Gesteinsbrocken auf den Anführer sausen, deren Deckung sie nutzte, um ihrer Freundin zur Hilfe zu eilen. Sie half ihr beim Aufstehen und schaffte es gerade noch, sich selbst und Nori aus der Schussbahn des Feuerbändigers zu bringen. Sie spürten die Hitze der Flammen, die über ihren Kopf hinweg fegten. Shinri schluckte trocken hinter ihrer schützenden Mauer. Die Kerle waren echt hartnäckig. Plötzlich traf etwas den Gesteinswall. Ein schwerer Angriff lies den Schutz zerbersten und die Mädchen wurden zu Boden geschleudert und rutschten einige Meter weit über den Teer. Als sich Shinri erhob trafen sie mehrere Attacken des Erdbändigers. Ehe Shinri angemessen reagieren konnte, wurde sie erneut zu Boden geschleudert. Ein durchdringender Schrei drang zu ihr durch. Shinri blieb keine Zeit nach ihrer Freundin zu schauen, denn in diesem Augenblick kam der Erdbändiger auf die zu gesprungen und drohte mit einem gewaltigen Faustschlag, welcher die gesamte Straße in Mitleidenschaft zog. Ihr gelang es gerade mal, dem Angriff durch eine ungeschickte Rolle zu entgehen, doch das Beben verhinderte, dass sie gerade stehen konnte. Sie schwankte, da traf sie der Wasserbändiger. Er schickte wütend Salve, um Salve, ehe er grausam langsam das Wasser ihren Körper hinauf bändigte. Wie eine kalte Schlange schlängelte sich die Flüssigkeit zunächst um ihre Fußgelenke, dann um ihre Knie, Oberschenkel, Hüfte, Arme und Bauch, beinahe bis zu ihrem Kinn hinauf, ehe es gefror. Es war als wurde das Mädchen von mehreren Messerstichen gequält. Keuchend versuchte sie sich aus ihrem eisigen Gefängnis zu befreien und sie wand verzweifelt den Kopf mal auf die eine, dann auf die andere Seite. „Pech, Kleine.“, meinte der Wasserbändiger grinsend. Sein Kopf fuhr herum, als in diesem Augenblick die ohrenbetäubende Sirene des Zeppelins der Metallbändiger Polizei ertönte. Auch die Blicke seiner Kumpanen wanderten zum Himmel hinauf, wo das Gefährt schwebte. „Hier spricht die Polizei von Republica. Bleiben Sie stehen. Sie sind verhaftet.“ „Verflucht.“, fluchte der Anführer der Triade, erteilte seinen Kumpanen einen hastigen Wink, ehe er zu seinem Satomobil stürzte und mit seiner Bande davon brauste. Shinri war es in der Zwischenzeit gelungen sich zu befreien und sie taumelte einige Schritte voran. Die Straße hatte sich mit Schaulustigen gefüllt. Die meisten Menschen standen im Kreis. Um was? Im plötzlichen Begreifen stürzte Shinri voran, stieß mehrere Leute aus dem Weg, bis sie zu Nori kam, welche schwer atmend auf dem Boden lag. Ihre Augenlider flackerten, ihr Blick wanderte ziellos umher und ihre rechte Hand lag auf ihrer Brust, die sich mühsam hob und senkte. „Nori. Nori!“ Verzweifelt rief Shinri nach ihrer Freundin, während sie deren freie Hand ergriff. Die Lippen der Feuerbändigerin teilten sich zu einem leichten Lächeln. „Shinri...“, hauchte sie und ihr Blick versuchte das braunhaarige Mädchen zu fixieren. „Es... tut mir... Leid...“, murmelte die Schwarzhaarige, „Ich war...überzeugt... wir schaffen das...aber...“ Sie unterbrach sich, als sie von einem Hustenkrampf geschüttelt wurde. „Nori!“ Shinri nahm die Menschen um sich herum war nicht mehr wahr. Mittlerweile mochten auch die Polizisten eingetroffen sein, aber das war ihr egal. Sie blendete alles aus. Ihre Aufmerksamkeit galt einzig und allein ihrer Freundin. „Spar dir deine Kräfte. Ein Heiler....“, versuchte sie, doch die Feuerbändiger schüttelte den Kopf. „Du brauchst... nicht zu... lügen...“, meinte sie lächelnd, als etwas Blut aus ihrem Mundwinkel floss, „Ich... werde es nicht schaffen.“ Tränen brannten in den Augen des braunhaarigen Mädchens. „Nein.“ Es war mehr wie ein verzweifeltes Kreischen. „Du... wirst nicht... Du darfst nicht... Ich...“, stammelte sie. Ihr Hirn war nicht in der Lage die Situation zu verarbeiten. „Ist schon gut...“, sanft strich Nori´s Hand ihre Tränen nasse Wange. „Weist du....“ Ihr Blick flog über den blauen Himmel. „Die Zeit mit dir... war... die aller...schönste in meinem ganzen Leben...“ Auch in ihren smaragdgrünen Augen sammelten sich Tränen, „... Wünschte...länger... mit dir... Entschuldige...“ Die Worte kamen immer schleppender über ihre Lippen und es wurde immer schwerer deren Bedeutung zu erfassen. Verzweifelt legte Shinri die Arme um den Oberkörper ihrer Freundin und drückte sie an sich. „Nein. Nein....“, schluchzte sie, „Nori... Du... Ich...“ Sie hatte das Gefühl ihrer Freundin noch so viel sagen zu müssen, doch ihr fiel nicht das Richtige ein. Ihre Worte fühlten sich leer und verschwendet an. „Bitte, weine...nicht...um mich...“, bat Nori und ihr Blick klärte sich etwas, als sie das weinende Mädchen ansah, „Du bist...ein wunderbares...einzigartiges Mädchen... Ich ... wünschte...wir hätten noch mehr....Zeit... Es.. tut...“ „Hör auf dich ständig zu entschuldigen.“ Shinri packte die Hand ihrer Freundin noch fester. Durch ihren Tränen verschleierten Blick konnte sie das andere Mädchen kaum noch wahrnehmen. Ihre Lippen bebten und sie zitterte am gesamten Körper. Plötzlich war es ihr, als strömte ein wohliger Schauer durch ihren Körper. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie begriff, was diese Empfindung in ihr auslöste. Nori hatte ihre Lippen aus Shinri´s Lippen gelegt und küsste sie sanft. Als sich die beiden wieder voneinander lösten, teilten sich Nori´s Lippen zu einem schelmischen Lächeln. „Das...wollte...ich schon... eine ganze Weile....tun....“ Shinri schluchzte verzweifelt auf. Ihr Herz quoll über vor Zärtlichkeit und unendlicher Trauer, als sie Nori dabei zusah, wie diese ihren letzten Atemzug tat. Dann erschlaffte der Körper des Mädchens und ihr Kopf fiel zur Seite. Raku sah sie fragend an, als sie zurück kam. Das Mädchen schüttelte nur den Kopf. Es war aus. Vorbei. Nori war von ihnen gegangen und sie würde nie wieder zurück kehren. Sie nahm die Wolfskatze in ihre Arme und verlies das Gebäude. Wohin war ihr egal. Sie wollte nur fort. Den Erinnerungen entfliehen. Wie viel Zeit war wohl vergangen, seit... diesem Vorfall? Shinri saß auf dem schmutzigen Boden in einer dunklen Seitengasse. Regentropfen prasselten vom grauen Himmel und hinterließen ihre dunklen Spuren. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Der Regen fiel auf ihr Gesicht und vermischte sich mit ihren Tränen. Vielleicht war das ein Traum. Ja genau. Das ganze war nur ein wahnsinniger Alptraum. Sie musste nur aufwachen. Nori konnte nicht... Sie konnte doch nicht einfach fort sein. Tot. Sie schreckte vor diesem Wort zurück. Nein... nein. Nein! Ihre Fingernägel hinterließen blutige Krater auf ihren Oberarmen. Raku sah seine Herrin traurig an und er maunzte, doch seine Stimme vermochte das Mädchen nicht zu erreichen, welche ihren Kopf auf ihre Oberarme gelegt hatte und sich völlig ihrer Verzweiflung ergab. Als der Regen sich gelegt hatte, schien die Sonne am Himmel. Shinri bemerkte dies kaum. Für sie war die Welt nach wie vor grau und leer. Eine Welt ohne Nori war keine Welt in der sie leben wollte. Ein Schatten legte sich über sie und sie sah ohne jedes Interesse auf. Vor ihr stand ein hochgewachsener Mann. Seine dunkle Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Darum war die weiße Maske, die er trug kaum zu erkennen. Es dauerte eine Weile, die der Fremde dazu genutzt hatte das Mädchen lange schweigend zu betrachten, ehe er die Stimme erhob, sich etwas zu dem schmutzigen kleinen Mädchen herab beugte und fragte: „Willst du mir nicht helfen, eine gerechte Welt zu erschaffen, in der alle in völliger Gleichheit leben?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)