Last Golden Summer von Aphrodi (Tanabata-Aktion 2016) ================================================================================ The First Hurdle: Kôfu ---------------------- Zu Akaashis Glück verstummte das Jammern bald, denn Bokutos Aufmerksamkeit wurde von anderen Dingen auf sich gezogen. Besonders gute Arbeit machte der Fujiyama, dem sie sich immer mehr näherten. Doch leider kamen mit ihm auch die schlechten Ideen zurück, die er mit seinem Handyverbot eigentlich hatte vermeiden wollen.   „Akaaashiii! Der Fujiyama ist riesig! Fahren wir zu dem Selbstmörderwald? Der ist doch ganz in der Nähe vom Berg, hab ich gehört!“   „Nein, Bokuto-san.“   „Aber Akaashi! Das ist doch eine Sehenswürdigkeit! Wenn man Urlaub macht, dann sieht man sich auch Sehenswürdigkeiten an.“   „Diesem Wald sollten wir uns niemals nähern“, merkte Akaashi tonlos an, die Augen auf die Fahrbahn gerichtet und Bokuto damit ignorierend. Es führte lediglich dazu, dass der mit seinem Fahrrad näher kam und schon eine Hand heben wollte, um ihm auf die Schulter zu klopfen – was in seinem Fall eher ein kräftiger Schlag wäre.   „Bokuto-san. Die Hände bleiben am Lenker.“   Ertappt hielt er in der Bewegung inne, rollte ein Stück mit einer Hand am Lenkrad und einer durch die Luft gleitend, bis sie wortlos wieder Kontakt mit dem Lenker fand. Es dauerte einen langen Moment, der doch viel zu kurz war für Akaashis Nerven, dann fand Bokuto seine Sprache wieder.   „Ich hab gehört, der Wald soll die Leute in den Selbstmord treiben. Irgendwelche Stoffe im Boden oder so ähnlich, die sie in eine Stimmung versetzen, in der sie sich wertlos fühlen.“   Akaashi drehte den Kopf entgeistert zu Bokuto, als er das hörte. Dann wäre sein Freund definitiv ein zu leichtes Opfer für diese Stoffe. Und wieder bestätigte es ihn, dass sie nicht zu diesem Wald fahren würden – niemals. Nicht einmal, um nur zu gucken. „Nein, Bokuto-san“, sagte er noch einmal ausdrücklich. Das musste reichen und tatsächlich war es wieder still. Kein Wort folgte, stattdessen konnte Akaashi sehen, wie Bokutos Mundwinkel ihm förmlich in den Kniekehlen hingen, aber das war egal. Er hatte lieber einen enttäuschten Bokuto als gar keinen. Lange würde dieser Zustand sowieso nicht anhalten.       Es mochte ein Rätsel bleiben, wie sie es beide lebend zu ihrer ersten Station schafften, aber tatsächlich kamen sie nach ein paar Stunden Radfahrt mit eingebauter Essens- und Toilettenpause in Kofu an. Bokuto war froh, als er endlich vom Fahrrad steigen konnte und war schon ganz heiß darauf, etwas zu unternehmen. Etwas Richtiges, so ganz ohne Fahrrad. Er war gestärkt und hatte noch genug Kraft übrig, was man bei seinem Gejammer zuvor kaum geglaubt hätte.   „Akaashiii!“, brüllte er und stemmte die Hände in die Hüfte. Sein Blick glitt über die seltsamen Bäume und die großen, gläsernen Halbkugeln, die aus dem Boden ragten. „Was ist das hier?“   „Ein Obstpark“, kam es trocken von Akaashi, der sein Fahrrad ebenfalls abstellte und es mit Bokutos zusammenschloss. Es war einfach sicherer, wenn er den Schlüssel für beide Fahrräder bei sich trug. Die Antwort schien Bokuto mehr zu verwirren als dass sie Erklärung war. Sein Autoblick sprach dafür und imaginär schwebten längst ein paar Fragezeichen über seinem Kopf, die das nur bekräftigten.   „Es ist ein Park voll mit Bäumen heimischer Obstsorten. Außerdem gibt es in einer der Kuppeln auch tropische Obstsorten zu bestaunen sowie ein Museum in der anderen“, erklärte Akaashi die örtlichen Gegebenheiten. Die Region war bekannt für ihren Obstanbau und so war es nur logisch, dass sie eine Sehenswürdigkeit daraus machten. Für Bokuto war das allerdings in etwa so interessant wie eine alte Frau, die die Straße überquerte.   „Akaashi...“   „Bokuto-san.“   „Wo ist die Action? Wie soll ich Kuroo was Cooles erzählen, wenn wir uns Erdbeeren angucken?“   „Erdbeeren wachsen nicht auf Bäumen, Bokuto-san.“   Stille. Es war, als hätte Akaashi etwas gesagt, das sein Weltbild zerstörte und schon fühlte er sich bestätigt darin, hier zu sein. Ohne einen Funken Emotionen auszustrahlen ging er an Bokuto vorbei zum Eingang und verließ sich darauf, dass dieser ihm hinterher trottete – natürlich tat er es. Ohne sich zu ihm umzudrehen sprach Akaashi weiter: „Wenn dieses Schuljahr um ist, bist du auf dich allein gestellt, Bokuto-san. Dann musst du dich vernünftig ernähren können. Es wird dir nicht schaden, etwas über Obst zu lernen.“   „Ahhh, ich weiß sehr viel über Obst, schließlich bin ich der Beste! Ich kenne sicher mehr Obst als Kuroo oder sonst irgendwer aus dem Team!“   „Das bezweifle ich.“   Sie hatten gerade den Eingang passiert, da nahm Bokuto schon völlig begeistert Reißaus. Leider – wie Akaashi feststellen musste – lag das aber nicht an den prächtigen Obstbäumen. Der Besuchertransport hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und längst alles Obst um ihn herum vergessen gemacht.   „Akaashi, guck! Das ist ein Zug! Auf Rädern!“   Akaashi war für einen Moment sprachlos nebst dem Maß an kindlicher Begeisterung, das ziemlich viel von dem toppte, was Bokuto bisher gebracht hatte. Und leider begann sein Freund auch schon zu rennen. Schnell hatte er zu dem Zug aufgeschlossen, er legte eine Hand an den Waggon und machte drei gezielte Schritte, die in ihrer Schrittfolge äquivalent waren zu jenen, welche Bokuto sonst als Anlauf für einen Schmetterball nutzte. Dann sprang er. Zu Akaashis Entsetzen landete er tatsächlich in einem der Waggons und fuhr unter einem gebrüllten „Akaashi! Hast du das gesehen?!“ davon.   Es hatte keinen halben Tag gedauert bis Bokuto zum ersten Mal verloren gegangen war.       Der Versuch, Bokuto auf seinem Handy zu erreichen, scheiterte kläglich und in diesem Moment bereute Akaashi Regel Nr. 1 und die Tatsache, dass sich der andere ausgerechnet jetzt einmal an eine der Regeln hielt. Offenbar gab es im Park aufgrund seiner verhältnismäßig geringen Größe nur einen Zug – die Information hatte Akaashi sich höflich am Eingang abgeholt. Das machte die Sache immerhin einfacher. Er beschloss, sich an der nächsten offiziellen Haltestelle hinzustellen und darauf zu warten, dass der Zug seine Runde durch den Park beendete. Es war schließlich nur logisch, dass Bokuto dann ganz automatisch wieder bei ihm ankommen würde.   Es war logisch – deshalb klappte der Plan auch nicht. Als der Zug ankam, war von Bokuto nichts zu sehen. Er stieg weder aus, noch saß er in einem der Waggons, was Akaashi resignierend aufseufzen ließ. Offensichtlich hatte er die Variable Bokuto nicht genug in seine Überlegung mit einberechnet und so gab es jetzt drei Möglichkeiten, was passiert sein konnte – teilweise Aufschluss gebend, wo er sich gerade befand.   In Möglichkeit A war Bokuto während der Fahrt, hibbelig wie er war, aus dem Zug gefallen. Ein sehr schlechtes Szenario, denn es grenzte nicht ein und so hätte Akaashi den kompletten Park nach ihm absuchen müssen. In Möglichkeit B hatte Bokuto irgendetwas Spannendes entdeckt, was ihn hatte aussteigen lassen – eventuell auch abspringen, aber das tat nichts zur Sache. In einem Obstpark konnte es davon nicht viel geben und Akaashi hätte leichtes Spiel. Eigentlich. Und im unwahrscheinlichsten Fall hatte Bokuto möglicherweise gemerkt, dass sich Akaashi nicht mehr bei ihm befand und war deshalb irgendwo ausgestiegen, um auf ihn zu warten. Wirklich dran glauben tat er selbst nicht.   Akaashi bevorzugte es, eine Lösung zu finden, die bestenfalls alle Möglichkeiten abdeckte, auch wenn B am wahrscheinlichsten schien. Also stieg er ebenfalls in den Zug und ließ sich die Strecke abfahren. So würde er entweder Bokuto finden oder zumindest ebenfalls sehen, was für eine Attraktion ihn vermutlich hat aussteigen lassen. Wenn Akaashi so oder so den Park danach ablaufen musste, war es doch angenehmer seine Kräfte zu schonen, fand er – die würde er noch brauchen.   Die Rundfahrt durch den Park bot Akaashi eine wundervolle Aussicht auf die üppig bewachsenen Obstbäume, Beete voller farbenfroher Blumen und verspielten Wasseranlagen. Allgemein hatte der sehr hoch gelegene Park einen beeindruckenden Ausblick auf das bebaute Tal und die Bergkette im Hintergrund, hinter der wie ein König der Fujiyama mit seinem weißen Gipfel hervorragte. Richtig genießen konnte Akaashi davon nichts, weil sein Blick immer wieder suchend und genervt umherschweifen musste. Bis hier hin hatte er weder Bokuto noch etwas Anderes gefunden, was interessant genug wäre, um vom Zug zu springen.       Akaashi hörte Bokutos lautes Organ schon von weitem – endlich – und so nutzte er die Gelegenheit aus dem fahrenden Zug zu springen. Als er den Blick nach der eleganten Landung wieder hob, zuckten seine Mundwinkel nach unten. Um Bokuto hatte sich eine Traube aus Kindern gebildet, wobei ein paar Jungs versuchten, ihn niederzuringen, indem sie sich an seine Oberarme hängten. Ein lautes Lachen hallte ihm entgegen.   „Hey hey hey, ich bin einfach der Beste! Wenn ihr mal gewachsen seid, habt ihr vielleicht eine Chance!“   „Bokuto-san“, machte sich Akaashi bemerkbar und erntete sofort Bokutos Aufmerksamkeit. Die strahlenden Augen und das breite Lächeln ließen ihn äußerlich kalt, aber innerlich sah es ganz anders aus. Auch die Blicke der Kinder gingen teilweise wenig beeindruckt, teilweise fragend zu ihm hoch und einer der Jungs ließ sich von Bokutos Bizeps plumpsen, wodurch der kurz aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und strauchelte.   „Akaaashiii!“   „Bokuto-san, die Leute gucken schon.“   „Weil ich der Beste bin! Ich hab den Parcours so schnell geschafft wie keiner hier! Und ich bin nicht einmal ins Wasser gefallen!“   Letzteres konnte Akaashi bestätigen, schließlich war Bokuto nicht nass, abgesehen von dem Schweiß, der auf seiner Stirn stand. Sein Blick schweifte über den sogenannten Parcours, der wohl eher eine Kinderattraktion war. Er hatte ein paar Kletterelemente und als Highlight ein großes Becken, auf dem eine Kette aus Matten trieb, über denen man auf die andere Seite laufen musste, ohne zu fallen. Jetzt erst fiel Akaashi bewusst auf, dass viele der Kinder klitschnass waren. Ihre Eltern hatten damit offenbar keine Probleme und trotzdem wurden sie angestarrt – genauer gesagt Bokuto. Kein Wunder. Er war laut, hatte grau gefärbte Haare, leistete sich einen Wettstreit mit kleinen Kindern und trug eine hautenge schwarze Radlerhose bis zu den Knien. Weil Fahrradfahrer die tragen, hatte er sich tatsächlich noch mit solchen Hosen ausgestattet, extra für ihren Trip. Ein Schamgefühl dabei so herumzulaufen hatte er nicht, er trug seine Sporthosen sowieso immer etwas fragwürdig und brachte damit nicht nur Akaashi dazu, zweimal hinzusehen.   „Bokuto-san, wir müssen jetzt weiter“, betonte Akaashi und wollte damit ganz gerne den Trubel um sie herum ein wenig auflösen. Er war nicht blöd und wusste, dass Bokuto – vor allem in diesem Aufzug – wo er ging die Blicke auf sich zog, aber hier war es ihm zu voll.   „Ihr habt es gehört“, sagte Bokuto zu den Kindern gerichtet und grinste breit. „Vergesst nie, dass Bokuto Koutarou – einer der Top 5 Volleyballer in Japan euch hier und heute besiegt hat! Hey hey hey!“   Unter vielen langen Gesichtern gingen sie davon, Bokuto voller Stolz und Akaashi mehrfach um Verzeihung bittend, bis alle Eltern sich persönlich angesprochen fühlen konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)