Schwarz wie dunkelste Seide von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Obsidian ------------------- Temeraires Flügel ließen Wellen aus Wind über das Gras laufen, als er vor dem Kastanienhain landete. Wolken verbargen die Mondsichel, doch nicht den Nachthimmel, unter dem der Drache sich seinen Weg zwischen den uralten Baumstämmen suchte. Mit jedem Aufsetzten einer Klaue legte Temeraire seine Halskrause mehr an und zögerte schließlich, weiter zu gehen. Er sah zwischen den Blättern hindurch zum Polarstern, der wie an einem Spinnenfaden in der dunklen Leere hing. Äste strichen über den Rücken des Himmelsdrachen und die angelegten Flügel; das Schwarz seiner Schuppen ließ ihn mit den Schatten verschmelzen. Dann ging er weiter durch den Wald und schnitt mit den tiefblauen Augen durch die Finsternis. Temeraire blieb neben der größten Kastanie stehen, zu deren Wurzeln dunkelgrünes Gras wuchs, und richtete seinen Blick auf einen verwitterten Grabstein, vor dem ein Degen lag. „Hallo Laurence; ich bin wieder da. Gestern gab es eine Schlacht in Dover, bei der Nitidus gestorben ist. Er verfolgte einen Poux de Ciel und kam in die Reichweite der Kanonen. Lily und ich haben ihn später beerdigt; Maximus neuer Kapitän wollte nämlich nicht und die anderen sind ja auch schon tot. Ich bin übrigens der neue Ausbilder und musste deshalb keinen neuen Kapitän annehmen. Ist das nicht schön?“ Temeraires Worte verklangen und wurden mit Stille beantwortet. Laurence würde ihm nie wieder antworten. Blätter schwebten auf seinen Rücken und Wind wehte sie wieder weg; die Wolken zogen weiter. „Einige der Neuen können schon wirklich gut fliegen, besonders Ventus, ein Schwenkflügler. Er muss zwar noch die Formationsflüge lernen, aber er wird bestimmt ein guter Leitdrache. Hoffe ich.“ Temeraire sah den Grabstein an, der im Mondlicht weißlich schimmerte. Seine Halskrause lag eng auf den Schuppen des Himmelsdrachen. „Ich wünschte, du wärst wieder bei mir, Laurence.“ Er scharrte mit seinen Krallen und blickte zu Boden. „Sehr sogar.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Temeraire hob seinen Kopf und sah hoch zu den Sternen; die Flügel hatte er an seinen Körper gepresst. „Wieso konnte ich dich nicht retten? Ob du jetzt böse auch mich bist? Weil ich dir nicht helfen konnte?“ Die Stille schien ihn nieder zu drücken. Der Drache blickte wieder zu dem Grab und seufzte. „Bis bald, Laurence.“ Er drehte sich um, seine Flügelspitzen streiften den kalten Stein, und verschwand in den Schatten zwischen den Bäumen. Was er nicht bemerkte, war die geisterhafte Gestalt, die ihm nachblickte und dann langsam verblasste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)