Storyline von Puppenspieler (Frühjahrswichteln '16) ================================================================================ Kapitel 1: Setup ---------------- Fukuroudanis Sportangebot war weit größer als das, das Keiji von seiner Mittelschule gewöhnt war. Nicht nur, was die einzelnen Sportarten anbelangte, sondern auch die Trainingseinrichtungen waren in größerer Zahl und größerer Fläche vorhanden, und unter dem neutralen Blick war Keiji nervös, als er vor der Sporthalle zum Stehen kam, die zum Volleyballclub gehörte.   Den Infozettel hatte die Managerin ihm gegeben, ein Mädchen mit Grinsemund und trägen Augen, das ihn sofort, als er Interesse gezeigt hatte, in ein Gespräch verwickelt hatte – „Auf welcher Position spielst du? Wie lange spielst du schon? Bist du gut?“ Keiji hatte einsilbig geantwortet, ihr seine Position genannt und die vielen Jahre, die er schon auf dem Volleyballfeld verbracht hatte. Einen langen Moment hatte sie ihn nur angegrinst, etwas in ihren Augen, das Keiji nicht hatte lesen können, dann hatte sie ihm den Infozettel endlich gereicht. „Willkommen bei uns! Lass dir ein paar Tipps mit auf den Weg geben: Erstens, hör nicht auf alles, was deine Senpais dir sagen. Zweitens, sei nett zu deinen Teamkollegen. Drittens, lass dich auf verrückte Sachen ein.“ Keiji hatte keine Ahnung, was genau sie eigentlich von ihm gewollt hatte, doch es war ihm auch nicht wichtig genug gewesen, nachzuhaken und das seltsame Gespräch damit noch mehr in die Länge zu ziehen, also hatte er nur schweigend genickt und sie zurückgelassen.   Als Keiji die Sporthalle betrat, war bereits eine große Anzahl an Schülern dort zum Training versammelt. Fukuroudani war bekannt für sein Volleyballteam, das es oft genug innerhalb von Tokyo auf die höchsten Plätze schaffte, nur geschlagen von Schulen, die teilweise so hoch gehandelt wurden, dass man sie schon als international spielfähig ansah. Obwohl er leise war, kündete die beim Aufschieben laute Tür von seinem Eintreten und eine bunte Mischung aus Gesichtern wandte sich ihm zu. „Noch ein Neuling!“ Die erste Stimme, die Keiji bemerkte, gehörte zu einem kräftigen, muskulösen Jungen mit wildem, in verschiedenen Grautönen gefärbtem Haar. Ehe Keiji irgendetwas hätte erwidern können, hatte er einen Arm um die Schultern liegen und der hochgewachsene Kerl grinste ihn breit und blendend an, große Augen blickten eulenhaft und neugierig auf Keiji hinunter. „Hey, Neuling-Kun! Was spielst du für eine Position? Bist du gut? Wie lange spielst du schon? Auf welcher Schule warst du? Wieso haben wir uns noch nie gesehen?“ Keiji blinzelte, und während er in erster Linie noch überrumpelt war, fühlte er irgendwo in seiner Schläfe den aufkeimenden Beginn von Genervtheit pochen. Noch versucht höflich wand er sich aus dem Griff des Fremden. „Mein Name ist Akaashi. Sehr erfreut. Ich bin Zuspieler.“ Die Vorstellung ging einher mit einer Verbeugung, die sein Gegenüber zu ignorieren schien, denn als Keiji den Blick wieder hob, hatte der Andere sich ab- und dem Team zugewandt. „Hey hey hey!!! Wir haben einen neuen Zuspieler!!!“, brüllte er quer durch die Halle. Seine laute Stimme ließ so manchen zusammenzucken, und irgendjemand ließ einen Volleyball fallen. Seine Verkündung gemacht, schien die Welt wieder uninteressant zu werden, und der Junge wirbelte erneut herum, zu Keiji zurück, noch breiter grinsend als vorher und mit einem Funkeln in den Augen, von dem Keiji jetzt schon erkannte, dass es Ärger bedeutete, ohne dass er den Fremden dafür kennen musste. „Ich bin Bokuto! Und ich bin der Beste überhaupt, hey hey hey!!!“   Für einen kurzen Moment fragte Keiji sich, ob das wohl unter hör nicht auf deine Senpais fiel. Ein paar Minuten später nahm der Vize-Captain und aktuelle Zuspieler der Startaufstellung, ein verhältnismäßig kleiner, freundlich aussehender Junge mit dunkelbraunem Haar und einem leichten Akneproblem, ihn beiseite. Er lächelte schief und sah aus, als wäre ihm die gesamte Situation unglaublich unangenehm und peinlich. „Entschuldige das Theater bitte. Ich fürchte, du wirst Bokuto jetzt eine ganze Weile nicht mehr loswerden. Am besten ignorierst du ihn, dann geht es am Schnellsten vorbei.“ Die Worte ließen Keiji begreifen, dass es nicht einmal die Situation direkt war, die dem Vize-Captain peinlich war – es war einfach nur dieser wilde, laute Junge mit dem ungestümen Lachen.   Er beschloss, dass der Tipp der Managerin für diesen Senpai wohl besser aufgehoben war.     Der Tumult um die Neulinge hielt sich noch eine ganze Weile. Keiji lernte so viele Gesichter und Namen kennen, dass er sie sich nicht alle merken konnte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie mit dem Training begannen, und danach war für Keiji ohnehin erst einmal alles Zwischenmenschliche egal. Er beobachtete seine neuen Teamkameraden, aber er beobachtete lediglich, wie sie auf dem Spielfeld funktionierten.   Das erste, das er lernte, war die Tatsache, dass Fukuroudani unglaublich gut war, alles in allem. Gerade die Drittklässler waren hervorragende Spieler, und es wunderte Keiji überhaupt nicht mehr, dass der einzige Nicht-Drittklässler in der Startaufstellung der Libero war, den sie eben anderweitig hatten besetzen müssen. Mittelblocker, Außenangreifer, Zuspieler – alles andere waren Drittklässler, die ihren Job hervorragend machten. Aber auch die Zweitklässler zeigten streckenweise großes Potential. Ein blonder Spieler, der eigentlich dauergenervt dreinsah, war ein unglaubliches Allround-Talent, auch wenn es in jeder einzelnen Disziplin Spieler gab, die ihn übertrumpften. Der Libero war wirklich gut. Von Bokuto sah Keiji überhaupt nichts, das auf gutes Spiel schließen ließ. Seine Annahmen waren schlecht. Unkontrolliert, unpräzise, sie landeten überall, aber nicht beim Zuspieler, wie sie es eigentlich sollten. Keiji vermutete, dass es um seine Schmetterbälle nicht besser stand, und als es schließlich daran ging, den Ball übers Netz zu befördern, sah er sich in seiner Annahme bestätigt, denn der Ball war auch hier zu kraftvoll, zu unkontrolliert, und andererseits – war es nicht auch die Schuld des Zuspielers? Rein vom Beobachten her war Keiji sich sicher, mit anders gearteten Würfen wären diese unkontrolliert-kraftvollen Bälle viel besser kontrollierbar und eine echte Waffe.   Bis das Training vorbei war, hatte er noch etwas gelernt: Bokuto war ausgesprochen sensibel. Die Misserfolge des Trainings hatten ihn deprimiert, so sehr, dass er schon das letzte Trainingsdrittel nur noch mit ausdruckslosem Blick und apathischem Gebaren auf dem Spielfeld gestanden hatte, ohne wirklich Motivation zu zeigen, auch nur aus eigenem Antrieb heraus zu atmen. (Sehr zu Keijis Erleichterung tat er das aber immerhin trotzdem.) „Er ist immer so“, verkündete der Libero, Komi, wenn Keiji sich richtig erinnerte, in einer Mischung aus Amüsement und Mitleid, als er Keijis Blick in die Richtung des unglücklichen Spielers bemerkte, „Man gewöhnt sich dran. Es ist eine Schande, wenn er wirklich in Form ist, kann er verdammt gut sein, aber ne? Ne tickende Zeitbombe auf dem Feld zu haben will eigentlich keiner riskieren. Und nichtmal Shirofuku hat ihn unter Kontrolle.“ Keijis verwirrter Blick ließ Komi lachen. „Unsere Managerin. Sie ist fest davon überzeugt, dass Bokuto eigentlich der Star des Teams sein müsste, aber sie kriegt’s genauso wenig wie jeder andere hier auf die Reihe, seine Stimmungsschwankungen aufzufangen. Wobei sie immerhin ein bisschen sowas wie Erfolg hat. Na ja – grübel nicht zu viel, das gibt Falten.“ Komi verabschiedete sich mit einem blöden Grinsen und einem kumpelhaften Schulterklopfen, das Keiji langsam den Eindruck gab, dass Fukuroudanis Volleyballteam allgemein ein Problem mit höflichkeitsbedingter Privatsphäre hatte. Drittens, lass dich auf verrückte Sachen ein.     „Bokuto-San. Würdest du ein paar Bälle für mich schmettern?“     ***     Innerhalb der nächsten Wochen lernte Keiji mehrere Dinge:   Erstens, Bokuto war ein unglaublich guter Spieler. Man musste nur wissen, wie man ihn einsetzte, und das war etwas, von dem Keiji überzeugt war, dass er es lernen konnte. Und er wollte es – seit er in einem teaminternen Trainingsspiel Bokutos Schmetterbälle gesehen hatte, wie sie mit voller Kraft übers Netz und auf die andere Spielfeldseite schossen, gab es für ihn keinen Zweifel mehr, dass genau dieser Spieler eigentlich Fukuroudanis Ass sein müsste.   Zweitens, Bokuto hatte einen unglaublich schlechten Stand in der Mannschaft. Objektiv gesehen konnte Keiji es sogar verstehen, denn er war anstrengend, laut, schwieriger zu händeln als ein riesiges Feld voller Tretminen im zwanzig-Zentimeter-Abstand, zusätzlich noch ein bisschen schwer von Begriff, was das Arbeiten mit ihm nicht leichter machte, und es wirkte schnell so, als wäre er den ganzen Aufwand nicht wert. Subjektiv gesehen konnte Keiji nicht verstehen, wieso alle Drittklässler so völlig dagegen waren, das immense Potential zu nutzen, das da vor ihren Augen war. (Die Zweitklässler bewegten sich in einer neutralen Position, und es dauerte keinen Monat, bis Komi nach dem Training Keiji zur Seite nahm und ihm verschwörerisch einen Arm um die Schultern legte, als er ihm erklärte, die Zweitklässler seien sich alle einig darin, dass Keiji seine Bokuto-Händel-Techniken mit ihnen teilen musste, immerhin waren sie spätestens nächstes Jahr auf den verrückten Kerl angewiesen.)   Drittens, Bokuto war der anstrengendste, seltsamste Mensch, den Keiji je gesehen hatte – und der faszinierendste. Er hatte so viele Macken, dass Keiji nach schon drei Wochen den Überblick darüber verlor, und nach eineinhalb Monaten beschloss er, Buch zu führen, weil er sich einfach nicht alles merken konnte, es sich aber merken wollte, denn ihm war selbst bewusst, dass er es brauchen würde, wenn er das volle Potential von Bokuto ausschöpfen wollte.     Also begann er zu schreiben.   Ein bisschen fühlte Keiji sich dumm, als er zuhause an seinem penibel aufgeräumten Schreibtisch saß, ein kleines, unscheinbares Notizbuch mit schwarzem Einband vor sich, einen Kugelschreiber in der Hand, und auf das Buch hinuntersah, ohne einen rechten Anfang zu finden. Es dauerte, mehrere Minuten, bis er sich dazu durchringen konnte, wirklich den Stift aufs Papier zu setzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)