Corpse Battle von UrrSharrador (Ein Shikamaru Nara-Krimi (zum Miträtseln)) ================================================================================ Kapitel 7: Solidarity/Solution ------------------------------ Der endgültige Schiedsspruch sollte in der Arena erfolgen. Abgesehen davon, dass der Ort für die Chunin-Prüfung eine besondere Bedeutung hatte, war Rokken immer noch dort gefangen. Konoe schien ein wenig ihm geplaudert zu haben, denn er wirkte aufgeregt, als nach und nach alle Ninjas, die zurzeit im Turm waren, eintrudelten. Rokken der Felsenschieber hatte seine Furcht und Resignation abgelegt. „Wir sind alle hier“, stellte Gaara überflüssigerweise fest, als sie sich im Kreis um den Sandkäfig aufstellten. „Was gibt es Neues? Temari sagte, ihr hättet den Mörder gefunden.“ „Der Mörder sitzt doch da drin“, meinte Takki verblüfft. „Rokken ist nicht der Mörder. So viel sollte sogar dir mittlerweile klar sein“, erwiderte Iwamoto-sensei unwirsch. „Temari und ich haben das Rätsel gelöst – oder eher, die diversen Rätsel, die Manjos Tod und das Verschwinden seiner Leiche umgeben“, sagte Shikamaru. „Die ganze Geschichte ist extrem lästig, also lass ich sie erzählen.“ „Warum habe ich das nur erwartet?“, schnaubte Temari. „Also, wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie jemand anders als Rokken Manjos Leiche aus dem versiegelten Raum hätte schaffen können. Es ist eine sehr knifflige Methode, aber gerade deswegen vermuten wir, dass die Täter diesen Plan ausgearbeitet haben – um Rokken, der es viel offensichtlicher gekonnt hätte, anzuprangern.“ „Wieso sollte das Offensichtliche nicht wahr sein?“, fragte Sasaro, das Genie, und schob sich einen Streifen Kaugummi in den Mund. „Weil es keinen Zweck hatte, die Leiche zu verstecken“, sagte Temari. „Wir haben sie geborgen und Konoe hat nichts festgestellt, das auf den Mörder hindeutet.“ Einige verblüffte Geräusche wurden laut. „Wo war die Leiche denn?“, fragte Drescher-Takki und blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Dazu kommen wir gleich.“ „Es, es kann doch sein, dass Konoe-san einfach die, die passende Ausrüstung für eine umfangreiche Untersuchung gefehlt hat“, warf Nigishima-sensei ein. „Das stimmt, aber das ist nicht der Punkt“, sagte Temari. „Weitere medizinische Ausrüstung hätten wir spätestens nach dem Sturm herschaffen können. Bis dahin hätten wir vielleicht auch so gründlich nach der Leiche gesucht und sie gefunden.“ „Wobei es natürlich auch sein kann, dass der Sturm Spuren zerstört hat“, fühlte sich Shikamaru verpflichtet zu sagen. „Aber wir haben den Gedanken verfolgt und sind auf eine Theorie gestoßen, für die vieles spricht.“ „Der Sturm?“, fragte Sasaro. „Was meinen Sie damit?“ „Später“, winkte Shikamaru ab. „Fahr bitte fort, Temari.“ „Zwei der hier Anwesenden haben zusammengearbeitet, um Manjo verschwinden zu lassen“, sagte Temari. „Es war unmöglich, die Leiche aus dem Raum zu schaffen und dabei die Tür zu benutzen. Es gab auch kein Fenster. Logischerweise waren Jutsus im Spiel. Ich könnte euch alle nun raten lassen, welche, aber das wäre gemein.“ Dabei funkelte sie Shikamaru bezeichnend an. „Dann rückt mit der Sprache raus“, forderte Iwamoto-sensei. „Kazekage-sama, da eine Theorie für Rokkens Unschuld aufgetaucht ist, bitte ich Sie, meinen Schüler freizulassen.“ „Erst hören wir uns diese Theorie an“, bestimmte Gaara. „Denken wir an Nigishima-senseis Tauschjutsu“, begann Temari und behielt den zappeligen Blitz-Ninja dabei genau im Auge. „Der Weiße Blitz aus Kumogakure. Er und seine Schüler haben uns davon erzählt. Er hat sein Jutsu selbst entwickelt und kann auch leblose Dinge damit tauschen, vorausgesetzt, er hat sie vorher mit seinem Chakra bestrichen. Wir haben ehrlich gesagt schon von Anfang an vermutet, dass er damit Manjos Leiche markiert hat, als er geholfen hat, sie in die Kammer zu tragen.“ „Aber, aber …“, begann Nigishima, doch Temari redete einfach weiter. „Auch nachdem der Raum versiegelt wurde, konnte er ganz einfach die Leiche mit einem x-beliebigen Objekt tauschen, das er vorher ebenfalls berührt hatte. Und schon ist Manjos Körper aus der Kammer verschwunden.“ „In dem Fall hätte aber etwas in dem Raum liegen müssen“, wandte Gaara ein. „Nämlich das Objekt, gegen das er die Leiche getauscht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Luft oder etwas anderes Flüchtiges als Tauschobjekt funktioniert.“ „Richtig. Es lag auch für einige Zeit etwas anderes in der Kammer. Überlegen wir, was es sein könnte … Vielleicht das Thermometer aus der Eingangshalle?“, sagte Temari. Für einen Moment war es still in der weitläufigen Arena. Shikamaru meinte, die Zahnräder in den Köpfen der Versammelten rattern zu hören. Temari schien den Moment auskosten zu wollen, aber da er selbst die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, fuhr er fort: „Igawa-kun der Quecksilberninja war bei uns, als wir das Verschwinden der Leiche entdeckten. Genau genommen war er derjenige, der als Erstes durch den Türspalt geschaut hat, gerade, als das Licht ausging. Es war alles genau geplant. Nigishima-sensei hat uns übrigens erzählt, dass er einen Spezial-Shuriken vermisst, den Manjo gestohlen haben könnte. Konoe-san, hast du so etwas zufällig bei der Leiche entdeckt, als du sie erneut untersucht hast?“ „Was?“ Die rothaarige Kunoichi sah überrascht auf. „Äh, nein. Ich habe alle seine Taschen nach dem Schlüssel durchsucht. Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Ich meine, er hatte seinen Beutel mit den Kunai und seinen eigenen Shuriken. Wie sollte dieser Spezial-Shuriken ausgesehen haben?“ Nigishima wollte etwas, sagen, aber Shikamaru unterbrach ihn. „Bemühen Sie sich nicht. Es gibt diesen Shuriken gar nicht. Nigishima-sensei wollte nur, dass wir den versiegelten Raum öffnen. Anders hätten wir das Verschwinden der Leiche nicht bemerkt. Er konnte nicht wissen, dass wir Manjo ohnehin nochmal wegen dem Schlüssel untersuchen wollten.“ „Der Reihe nach“, sagte Temari. „Was ist also alles geschehen? Wir bringen Manjos Leiche in die Kammer. Zu dem Zeitpunkt hat Nigishima-sensei bereits beschlossen, dass sie von dort wieder verschwinden soll. Er trägt sein Chakra auf Manjos Körper auf, als er ihn in die Kammer trägt. Wir legen Manjo noch ein Tuch aufs Gesicht und versiegeln den Raum. Nigishima-sensei geht zu dem Thermometer und berührt es mit seinem Chakra. Dann wirft er es einfach aus einem der Fenster im Eingangsbereich des Turms und führt sein Tauschjutsu aus – dort draußen haben wir Manjo nämlich gefunden, unweit von der Turmmauer, halb vom Sand begraben.“ „Es war echt furchtbar, ihn da raus zu zerren“, murmelte Shikamaru, der immer noch das Prasseln der Sandkörner auf der Haut und das Brennen und Jucken in Nase, Augen und Ohren spürte. „Wir schätzen, dass Nigishima-sensei sich erst danach mit Igawa-kun abgesprochen hat. Der hat ihm dann nämlich assistiert. Er hat uns gesagt, dass er gerne mitermitteln wolle, und hatte somit eine Ausrede, mit uns zur Leichenkammer zu gehen. Igawa hat sogar im Flur, der zur Kammer führt, auf uns gewartet, damit er den richtigen Zeitpunkt nicht verpasst. Indessen hat sich Nigishima-sensei an dem Generator zu schaffen gemacht. Er hat sein Chakra diesmal auf das Verbindungskabel aufgetragen und uns dann, wieder im zweiten Stockwerk, beobachtet, wie wir die versiegelte Tür zur Leichenkammer aufmachen wollen. Genau im richtigen Zeitpunkt wirkt er sein Tauschjutsu erneut und tauscht das Kabel gegen irgendwas anderes, das er später ohne Mühe aus dem Generatorraum bergen kann. Der Strom fällt also aus, gerade als wir die Tür einen Spalt öffnen. Und hinter der Tür lagen zu diesem Zeitpunkt das Tuch und daneben das Thermometer! Und Igawa war derjenige, der genau vor dem Spalt stand. Es wurde finster, ehe wir nach drinnen sehen konnten, aber er wusste, was er zu tun hatte.“ „Igawa der Quecksilberninja“, murmelte Iwamoto-sensei düster. „Ich verstehe.“ „Das Thermometer beim Eingang ist ein altes Ding“, sagte Shikamaru und bohrte unbewusst mit dem Finger im Ohr. „Mit einer Quecksilbersäule. Eigentlich ist es zum Schreien einfach. Als Temari und ich heute Nachmittag mit Reis-An… ich meine, mit Anji-kun im Eingangsbereich nochmal über seinen heutigen Schlafplatz geredet haben, hat mich irgendetwas an der Halle gestört. Ich habe aber einige Zeit gebraucht, um rauszufinden, was. Das Thermometer war fort. Es lag bereits in der Kammer mit der Leiche.“ „Und als der Strom ausfiel, musste Igawa-kun einfach nur das Quecksilber in dem Ding manipulieren, um es zu sich zu ziehen. Nigishima-sensei selbst hat uns erzählt, dass er das Metall kontrollieren kann wie ein Wasserninja Wasser. Während es noch finster war, hatte er die Hand durch den Türspalt gestreckt und das Thermometer aufgefangen und eingesteckt. Wir anderen machten Licht und fanden die Kammer leer vor“, erklärte Temari den Trick zu Ende. „Und schon sieht es so aus, als wäre die Leiche auf mysteriöse Weise verschwunden. Oder als wäre Rokken der Schuldige.“ Totenstille, als hätte eine Explosion ihre Ohren mit Watte gefüllt. „Das ist nicht wahr! Dafür gibt es keine Beweise!“, rief Igawa aufgeregt. „Doch, gibt es“, widersprach Shikamaru. „Nachdem wir uns von Iwamoto-sensei den Generator haben zeigen lassen, ist mir aufgefallen, dass das Thermometer nicht mehr funktionierte. Es war wieder an seinem Platz, aber die Quecksilbersäule ist nicht mehr in die Höhe geklettert. Und warum? Weil, wie wir wissen, alles Quecksilber, das Igawa-kun manipuliert, hinterher verpufft. Das Thermometer war wieder da, das Quecksilber darin ist verschwunden. Es passt alles zusammen.“ „Das, das ist doch hirnrissig!“, stammelte Nigishima-sensei. „Angenommen, wir hätten so etwas in der Art geplant! Dann hätte ich doch niemandem von, von meinem Tausch-Jutsu erzählt! Und ich hätte, hätte meinen Schülern verboten, darüber zu, zu sprechen!“ Der Weiße Blitz fuhr sich mit schweißnassen Händen immer wieder durchs Haar. Er fühlte sich eindeutig schon überführt. „Als Sie uns davon erzählt haben, wussten Sie selbst noch nicht, dass Sie die Leiche verschwinden lassen würden“, sagte Temari. „Den Entschluss fassten Sie erst später.“ Mit einem leisen Rieseln fiel Gaaras Sandkäfig in sich zusammen. Rokken der Felsenschieber sah sich vorsichtig um, als erwartete er immer noch, bestraft zu werden. Dann trat er mit unsicheren Schritten aus dem Sandhaufen. Iwamoto-sensei stand sofort beschützend an seiner Seite. „Okay“, murmelte Sasaro unbeeindruckt. „Heißt das jetzt, dass dieser Blitz-Heini und Igawa-kun die Mörder sind?“ „Nein“, sagte Shikamaru. „Die beiden haben nur die Leiche verschwinden lassen. Mit dem Mord haben sie nichts zu tun. Zumindest nicht direkt.“ „Ge…, genau!“ „Jetzt bin ich vollständig verwirrt“, gab Konoe zu. „Warum sollten sie die Leiche denn verstecken, wenn sie unschuldig sind?“ „Sie haben Manjo nicht zum Verschwinden gebracht, weil noch irgendwelche Spuren an der Leiche zu finden waren. Er verschwand einfach um des Verschwindens willen“, sagte Shikamaru. „Nigishima-sensei und Igawa-kun wollten Rokken den Mord in die Schuhe schieben. Ganz einfach, weil es sich anbot. Nigishima-sensei muss auf die Idee gekommen sein, als er hörte, dass wir die Leiche wegsperren wollten.“ Ratlose Gesichter. „Zäumen wir das Pferd von hinten auf“, seufzte Shikamaru. „Nur Nigishima-sensei und Igawa-kun könnten außer Rokken die Leiche fortschaffen. Wie haben sie es getan? Das haben wir geklärt. Warum haben sie es getan? Weil sie Rokken die Tat in die Schuhe schieben wollten. Somit wäre er auch als Mörder verdächtig geworden. Und warum sollten sie so eine riskante Aktion wagen? Weil sie ihn nicht mochten? Das reicht als Motiv kaum aus. Aber ich denke, sie werden es uns bereitwillig sagen, weil wir ihnen garantieren, dass sie nicht wegen Mordes beschuldigt werden.“ Er sah die beiden erwartungsvoll an. „Ist es nicht so?“ Nigishima stieß die Luft aus. „Ja. Ja, ich gestehe. Es war meine Idee, bitte lasst also meinen, meinen Schüler davonkommen.“ Nun war es raus. Der zappelige Sensei wurde schlagartig ruhig. Igawa senkte betreten den Blick. „Und Ihr Motiv?“, fragte Gaara. „Ich hatte den Verdacht, dass jemand Igawa-kun den, den Mord anhängen will. Deswegen, deswegen haben wir die Schuld quasi … weitergeschoben.“ „Ich kapier kein Wort“, murmelte Drescher-Takki. „Iga-chan, stimmt das? Ihr habt die Leiche mit dem Thermometer und dann … Woah.“ Ihr Teamkollege nickte peinlich berührt. „Ich verstehe auch nicht, was das bedeuten soll“, sagte Iwamoto-sensei kühl. „Andere Länder, andere Bräuche, oder wie?“ Shikamaru seufzte einmal mehr. „Womit wir es hier zu tun haben, ist eine einzige Schlacht darum, wer wem die Leiche zuschanzen kann. Der Mörder hat gemordet, um den Mord Igawa-kun in die Schuhe zu schieben. Und Igawa-kun und sein Sensei haben die Leiche zum Verschwinden gebracht, damit stattdessen Rokken verdächtigt wird.“ „Manjo wurde getötet, damit wir einen Genin verdächtigen?“, fragte Konoe verwirrt. Noch schien bei niemandem der Groschen ganz gefallen zu sein. „Es gibt zwar auch andere Motive, aber die sind eher unwahrscheinlich. Rache wegen Manjos Taten im Land der Reisfelder, zum Beispiel. Anji kann jedoch nicht der Täter sein. Er hat zur Todeszeit im Arztzimmer geschlafen, und das war bis nach Manjos Tod verschlossen.“ „Oh“, machte Drescher-Takki, die begriff, warum ihr Scherz mit dem Kissen nicht funktioniert hatte. „Liebe als zweites Motiv. Beziehungsweise alles, was damit verbunden ist“, ergänzte Temari. „Da Shikamaru auf so etwas nie kommen würde, hab ich mir das überlegt. Manjo war ein berüchtigter Frauenheld. Wir wissen allerdings von keinen Streitigkeiten mit irgendeinem der hier Anwesenden; nur, dass er Iwamoto-sensei nachts belästigt hat. Aber er ist dann vor ihrer Tür gestorben und hat sie mit seinem Körper blockiert. Iwamoto-sensei kann also nicht die Mörderin sein. Konoe-san war es auch nicht. Sie hat die Leiche untersucht und hätte in dem Fall zum Beispiel einfach eine falsche Diagnose stellen müssen. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass sie die Täterin war.“ „Könnten nicht trotzdem Igawa-kun und Nigishima-san die Mörder sein?“, fragte Iwamoto. Ihr strenger Blick schien nun ausnahmslos jeden vernichten zu wollen, der zugelassen hatte, dass ihr Schüler eingesperrt worden war. „Sie können sich ihr Alibi für die Tatzeit nur gegenseitig zusichern.“ „Genau“, kaute Sasaro. „Vielleicht hatte dieser Manjo was mit Takki-chan am Laufen.“ „So ungern ich es zugebe, daran habe ich auch schon gedacht“, sagte Temari. „Aber Takki hätte nach eigener Aussage nicht mal was dagegen gehabt. Wenn da etwas gewesen wäre, hätte sie es uns gesagt, denke ich. Damit wir den Mörder ihres Liebsten finden.“ „Krass, ihn mir als meinen Liebsten vorzustellen“, murmelte die Haudraufmaschine aus dem Reich der Blitze belustigt. „Abgesehen davon haben die Blitzninjas alle kein Tatmotiv“, nahm Shikamaru den Faden wieder auf. „Es ist also zwangsläufig, wie schon festgestellt: Jemand hat Manjo umgebracht, und Igawa-kun hat angenommen, dass man ihm den Mord in die Schuhe schieben will. Warum, was glaubt ihr? Wie kommen er und sein Sensei zu der Annahme, dass sie selbst das wahre Ziel des Mörders sind? Oder eher – warum glauben sie, dass wir irgendwann annehmen könnten, Igawa wäre der Mörder? Denn dass sie das tun, hat Nigishima-sensei uns eben gestanden.“ Immer noch schien keiner von sich aus zu einer Antwort zu kommen. Vielleicht waren sie einfach überfordert. „Wir haben im Laufe unserer Ermittlungen ein wenig vergessen, wo wir hier sind“, sagte Temari. „Das hier ist auf der einen Seite die Chunin-Prüfung. Wer hierherkommt, will die Kämpfe gewinnen und die Prüfung bestehen. Und auf der anderen Seite ist es kein Geheimnis, das es ein heikles, internationales Treffen ist. Und dass sich bei solchen Gelegenheiten relativ einfach Ninjas als Genin einschleusen lassen, die in Wahrheit schon, sagen wir, Jonin sind. Warum tut man so etwas? Natürlich weil man irgendeine Art von Konspiration plant.“ „Damals in Konohagakure hat sich ein Ninja unter die Genin gemischt, der Orochimarus rechte Hand war“, sagte Shikamaru. „Das ist ebenfalls kein Geheimnis. Nun erinnert euch daran, was hier geschehen ist. Einer der Prüfer stirbt plötzlich durch eine Jonin-Level-Technik. Ganz, wie der Mörder es wollte, stellen wir die Theorie auf, dass einer der Genin in Wahrheit schon ein Jonin sein könnte. Ein junges Ausnahmetalent vielleicht, oder er hat sich einfach ein gutes Verwandlungsjutsu auferlegt. Der Finalkampf steht noch aus. Igawa-kun hat kein Quecksilber mehr, und das weiß dank seiner fröhlich schwatzenden Teamkollegin schon so gut wie jeder. Dennoch fühlt er sich durch einen plötzlichen Mord, ausgeführt von einer Jonin-Hand, bedroht, beziehungsweise sein Sensei ahnt, dass man ihm den Mord anhängen will, und schmiedet einen Plan, das Ganze stattdessen Rokken in die Schuhe zu schieben. Warum wohl?“ „Weil er selbst der Mörder ist?“, fragte Konoe stirnrunzelnd. „Nein, dann würde er ja nicht … Mir schwirrt der Kopf.“ „Mach’s nicht so kompliziert, Shikamaru“, sagte Temari trocken. „Die simple Wahrheit ist: Igawa-kun hat noch mehr drauf, außer seinem Quecksilber-Kekkei-Genkai. Er hat sich sein bestes Jutsu einfach bis ganz zum Schluss aufgehoben, wie es jeder vernünftige Genin in der Chunin-Prüfung tun würde. Nur bekommt die Sache jetzt plötzlich einen anderen Touch, wenn er sich damit als Shinobi von viel höherem Niveau outet.“ „Während der zweiten Prüfung, als die Teams in der Wüste waren, sind unsere Kameras ausgefallen“, sagte Shikamaru. „Dort ist etwas geschehen, von dem wir keine Ahnung haben. Igawa-kun hat nichts davon erzählt, weil er nicht verdächtig wirken wollte. Takki-san hat nichts gesagt, weil sie nicht genau zugesehen hat und Igawas Fähigkeiten schon kennt. Und die anderen, die es sonst noch gesehen haben, schweigen, weil sie ihm damit etwas anhängen wollen.“ „Die was gesehen haben?“, fragte Gaara. „Igawa-kuns geheimes Jutsu. Wir vermuten, er beherrscht das Feuerelement und kann noch so einiges damit bewirken, selbst ohne Quecksilber.“ Auf diese Eröffnung hin herrschte erneut Schweigen. Fast war es Shikamaru schon gewohnt. Er nutzte die Zeit, um sich zu räuspern. Die Luft hier war unangenehm staubig. „Wie wir auf Feuer kommen, sagen wir euch gleich“, führte Temari die Erläuterungen fort. „Fest steht eines: Igawa-kun ist ein Ausnahmetalent. Ein Ninja, dessen Fähigkeiten ihn schon fast auf Jonin-Niveau befördern.“ „Um so etwas wird übrigens immer ein viel zu großes Aufhebens gemacht“, fügte Shikamaru hinzu. „Ein gewisser blonder Chaot aus meinem Dorf ist auch schon besser als die meisten Jonin, obwohl er selbst noch ein Genin ist.“ „Gut möglich, aber sobald ein Mord wie der an Manjo passiert, schrillen bei uns allen natürlich die Alarmglocken“, sagte Temari. „Wenn Igawa-kun im Endkampf seine unglaublichen Fähigkeiten auspackt – und wir waren ja schon von seiner Quecksilbermanipulation beeindruckt –, wird er natürlich sofort der Konspiration verdächtigt. Als Jonin, der sich nur als Genin tarnt, um irgendein Attentat zu begehen. Es bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten: Entweder, er findet eine kreative Möglichkeit, den Mord wiederum jemand anderem zuzuschanzen, was er letztendlich auch mithilfe seines Senseis getan hat. Oder er setzt seine Fähigkeit im Finale einfach nicht ein. In dem Fall wird er aber vielleicht nicht Chunin, obwohl er es verdient hätte. Wir haben gehört, dass das Reich der Blitze da ziemlich Druck macht. Natürlich könnte er uns auch einfach erzählen, dass er noch ein Ass im Ärmel hat, und schwören, Manjo nicht getötet zu haben. Die Frage wäre nur, ob wir ihm glauben würden. Offenbar hielten unsere Gäste aus dem Reich der Blitze uns für wenig vertrauenswürdig. Und offenbar hat der wahre Mörder gehofft, Igawa würde die zweite Möglichkeit vorziehen: einfach seine beste Fähigkeit nicht einzusetzen und das Finale zu verlieren.“ „Und nun müssen wir nur noch überlegen, wer davon profitieren würde, wenn Igawa-kun im Finalkampf ohne einen Klecks Quecksilber unterliegt. Natürlich sein Gegner. Sasaro, das Genie aus dem Reich des Wasserfalls. Der ebenfalls um jeden Preis Chunin werden will. Den Ehrgeiz der jungen Leute heutzutage werd‘ ich wohl nie verstehen“, murmelte Shikamaru verdrossen, während sich bereits aller Blicke auf Sasaro richteten. Dessen Kiefer hielt plötzlich in seinen Kaubewegungen inne. „Hä?“, war das Einzige, was er hervorbrachte. „Sasaro-kun ist ein ausgezeichneter Ninja, aber seine Fähigkeiten liegen im mittleren Chunin-Bereich. Wenn Igawa-kun es nicht wagen würde, seine geheime Trumpfkarte auszuspielen, würde Sasaro ihn ohne Probleme besiegen und das Turnier gewinnen“, fasste Temari noch einmal zusammen. „Dann haben wir ja unseren Schuldigen“, meinte Iwamoto-sensei finster. „Ich wusste, dass es einer von denen ist. Kazekage-sama, sperren Sie diesen Jungen ein, so wie Sie es mit Rokken getan haben.“ „Sachte, sachte.“ Sasaro hob abwehrend die Hände. „Ich war’s nicht, ich schwör’s.“ Ein neuer Seufzer ließ die anderen wieder zu Shikamaru sehen. Es war lästig, ihre Aufmerksamkeit mit jedem noch so kleinen Laut an sich zu ziehen, aber manchmal unheimlich praktisch. „Er sagt die Wahrheit. Sasaro-kun hat Manjo-san nicht getötet.“ „Aber …“ Iwamoto-sensei war verblüfft. „Denken Sie logisch darüber nach. Temari hat es doch eben gesagt. Der Täter beherrscht Jonin-Level-Techniken. Das steht außer Frage. Wäre es Sasaro-kun, müsste er gar keinen Mord begehen, um Igawa-kun zu schwächen. Er könnte ihn ganz einfach im Endkampf besiegen – zum Beispiel mit dem Chakraspeer, der Manjo das Leben gekostet hat. Ohne einen Mordfall ist es nicht gefährlich, mit seinen Fähigkeiten anzugeben. Und wir hätten ein ziemliches Spektakel erlebt. Aber was, wenn da noch jemand ist, der Sasaro-kun unbedingt als Sieger in diesem Turnier sehen will?“ Wieder diese schwindelerregenden Blicksprünge der anderen. Sie schienen endlich zu verstehen. Neun Augenpaare starrten die schweigsame Kyoko, Sasaros Teamkollegin, an. „Bingo“, sagte Shikamaru.   Eine Weile war es wieder totenstill in der Arena. Man blickte fassungslos, verwirrt, ernüchtert. Kyoko selbst starrte ebenfalls nur, doch sie wirkte nicht aus dem Konzept gebracht. „Wenn du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen hast oder ich mich schlicht geirrt haben sollte, kannst du mich natürlich gern vom Gegenteil überzeugen, Kyoko-san“, meinte Shikamaru und wich ihrem Blick aus. Die hohe Steindecke zu begutachten war angenehmer, als im Brennpunkt des Interesses einer Mörderin ins Gesicht zu sehen. „Schon gut“, murmelte das Mädchen. „Ich weiß, wann ich verloren habe.“ Sie führte ihre Finger vor ihr Gesicht – und war plötzlich kein Mädchen mehr. Vor ihnen stand eine erwachsene Frau, die Kyokos Mutter hätte sein können. Sie trug unscheinbare Ninjakleidung; ihr orangerotes Haar fiel ihr nun ungebändigt über die Schultern. Einige der Versammelten schnappten nach Luft. Sie hatte ein fortgeschrittenes Verwandlungsjutsu benutzt und es für zwei Tage aufrechterhalten, ohne dass jemand etwas mitbekommen hatte. Shikamaru hatte sich so etwas schon gedacht. Von Izumo und Kotetsu, Konohas Torwächtern, wusste er, dass auch sie regelmäßig mit solchen Tricks die Anwärter der Chunin-Prüfungen foppten. „Du gibst also zu, Manjo-san ermordet zu haben?“, fragte Gaara ruhig. Kyoko nickte. In diesen Klamotten war nicht länger ihr halbes Gesicht verdeckt. Ihre schmalen Lippen waren zu einer blutleeren Linie zusammengepresst; das einzige Zugeständnis an ihren Frust, enttarnt worden zu sein. „Ich gestehe, dass ich diesen Sand-Ninja getötet habe, um Sasaro-kuns Gegner vom Finale zu disqualifizieren. Ich fürchtete, Sasaro-kun könnte letzten Endes seine eigenen Fähigkeiten überschätzen und gegen Igawa-kun verlieren. Ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen.“ „Das solltest du auch besser“, sagte Iwamoto-sensei kalt. „Wie dürfen wir Sie denn eigentlich ansprechen? Kyoko-sensei? Oder ganz anders?“, fragte Shikamaru und merkte, dass er viel zu höflich mit ihr umsprang. Aber dass sie äußerlich so ruhig blieb, imponierte ihm. Wenn er jemals in einem solchen Schlamassel steckte wie sie gerade eben, wollte er auch so ruhig und unbeteiligt bleiben – das schonte garantiert die Nerven. „Mein Name ist wirklich Kyoko. Ich bin nicht Sasaro-kuns Sensei, aber eine gute Freundin von ihr. Es gab, sie eingeschlossen, etliche unter den Ranghöchsten im Reich des Wasserfalls, die für den Plan gestimmt haben, einen Jonin bei den Chunin-Prüfungen einzuschleusen. Sasaro, das größte Talent der letzten Dekade, sollte um jeden Preis Sieger werden und großen Ruhm bei den anderen Nationen einheimsen.“ „Und wegen Ruhm und einem nichtssagenden Empfehlungsschreiben musste Manjo-san sterben“, sagte Konoe anklagend. „Für ein kleines Reich wie das unsere ist es schwer, sich seinen Platz in der Welt zu erkämpfen und ernstgenommen zu werden. Der Sieger einer Chunin-Auswahlprüfung bleibt länger in aller Munde als ein Ninja, der das Finale verliert und nur als Chunin vorgeschlagen wird. Als Kunoichi kann ich meine Taten durchaus mit meinem Gewissen vereinbaren. Eines möchte ich Sie aber bitten, Kazekage-sama.“ Der ruhige Blick der Täterin fixierte Gaara. „Sasaro wusste von meiner Scharade. Ihm und seinen wirklichen Teamkameraden wurde eingeschärft, nichts zu sagen. Er hatte jedoch keine Ahnung, dass ich auch jemanden für meine Ziele töten würde. Ich bitte Sie, ihn nicht vom Turnier zu disqualifizieren. Er soll eine Chance im Finale haben.“ „Kazekage-sama, das steht doch wohl außer Frage“, sagte Iwamoto sofort. „Er ist Teil dieses Komplotts und sollte bestraft werden. Diesen Wasserfall-Ninjas kann man nicht trauen.“ „Ich entscheide, wem vertraut und wer bestraft wird“, sagte Gaara. „Und ich fälle meine Entscheidung, sobald wir die ganze Wahrheit hinter alledem wissen.“ „Ich danke Ihnen.“ Kyoko blickte nun wieder Shikamaru an. „Ich verfasse nur ungern mein eigenes Urteil. Du scheinst die richtigen Schlüsse bereits gezogen zu haben. Sei so gut und erspare mir die weitere Schande.“ Als auch noch die anderen erwartungsvoll schwiegen, seufzte Shikamaru tief. Ihm blieb auch wirklich gar nichts erspart. „Also schön. Wir wissen jetzt, dass Kyoko-san einen von Sasaro-kuns Teamkollegen ersetzt hat und sie gemeinsam zur Prüfung angetreten sind. Der Grundstein für den Mord wurde quasi schon während der zweiten Prüfung gelegt – oder sagen wir, freigeschaufelt. Da traf nämlich Sasaro-kuns und Kyoko-sans Team auf das Team aus dem Reich der Blitze, und wir wissen, dass sie gekämpft haben.“ Temari war sogar so nett, ihn bei den Ausführungen zu unterstützen. „Unsere Kameras waren durch den Sandsturm lahmgelegt, aber es lässt sich vermuten, was geschehen ist, und Kyoko-san wird es uns sicher bestätigen. Als sie, Sasaro-kun und ihre Teamkollegin gegen Igawa-kun, Takki-san und – wie hieß er noch, irgendwas mit Ta-chan – gekämpft haben, haben sie bemerkt, dass Igawa außer seinem Quecksilber noch ein Ass im Ärmel hat. Er hat ein Jutsu benutzt, das sie alle überrascht hat. Der Kampf wurde dann nicht beendet, weil der Sturm stärker wurde und die Teams schließlich in verschiedene Richtungen gelaufen sind.“ „Es war übrigens ein Feuer-Jutsu, das Igawa-kun eingesetzt hat“, merkte Shikamaru an. „Igawa beherrscht, wie gesagt, das Feuer-Element.“ „Und wie kommt ihr darauf?“, fragte Gaara. Selbst der Genin, um den es ging, sah die beiden verwundert an. „Dazu komme ich sofort. Jedenfalls lassen Kyoko-san und Sasaro-kun ihre verletzte Teamkameradin zurück, und ihr Sensei kümmert sich um sie – ist das soweit richtig?“ Kyoko nickte. Temari fuhr fort. „Kyoko-san kommt zu dem Schluss, dass Igawa der Quecksilberninja eine Gefahr für Sasaro-kun darstellt. Aber erst mal kommen die Teams hier im Turm an, und die Finalkämpfe beginnen. Sasaro-kun kommt wie geplant ins Finale, aber dann stellt sich heraus, dass Igawa-kun tatsächlich sein Gegner wird. Nachdem nur mehr das Finale aussteht, fasst Kyoko-san den Entschluss, jemanden zu töten. Igawa-kun selbst kann sie nicht ermorden; der Verdacht würde sofort auf seinen Finalgegner fallen. Also will sie einen Mord auf Jonin-Art begehen. Wenn nun Igawa-kun im Finale eine Technik auspackt, von der wir denken könnten, nur ein Jonin würde sie beherrschen, würden wir ihn vielleicht wegen eines Komplotts gegen den Kazekage verdächtigen – solche Dinge kommen schließlich immer wieder vor.“ „Kyoko-san sucht sich in der Nacht also ein Opfer. Es muss einer der Jonin sein. Manjo-san kommt ihr gerade recht: Er klopft gegen Iwamoto-senseis Tür im Flur und wendet Kyoko-san wahrscheinlich den Rücken zu. Er bemerkt sie zwar und dreht sich zu ihr um, aber es ist zu spät. Sie tötet ihn mit einem Jutsu, das hohe Chakrakontrolle benötigt. Dann verfeinert sie ihren Plan noch: Sie klaut Manjos Schlüssel zum Arztzimmer. Als sie nach der zweiten Prüfung dort behandelt wurde, hat sie gesehen, welche Desinfektionslösungen Sunagakure hier benutzt. Sie schließt nun also die Tür auf und stiehlt alle Flaschen, lässt die Tür dann sogar offen, sodass wir schnell merken, dass das Desinfektionsmittel fehlt. Den schlafenden Anji-kun, der sich ebenfalls dort befindet, bemerkt sie entweder nicht oder sie lässt ihn einfach in Ruhe. “ „Und warum das Ganze?“, fragte Iwamoto stirnrunzelnd. „Was hat das Desinfektionsmittel mit dem Mord zu tun?“ „Der Mord war nur Mittel zum Zweck“, erklärte Temari. „Der Diebstahl genauso. Die Desinfektionslösung kann man als Brandbeschleuniger missbrauchen. Wenn man ein wenig darüber weiß, kommt man zu diesem Schluss: Es war ein weiterer Versuch, den Mord Igawa-kun anzulasten. Nur Manjos Mörder hätte das Mittel stehlen können, und in Igawa-kuns Händen wäre es zur Waffe geworden. Sobald wir bemerkt hätten, dass er ein Feuer-Jutsu beherrscht, könnten wir annehmen, dass er das Desinfektionsmittel ganz gut gebrauchen kann.“ „Ich verstehe. Darum habt ihr auch erkannt, dass ich ein Feuer-Jutsu kann“, murmelte Igawa. „Das war eigentlich mega-geheim!“, rief Drescher-Takki aus. „So geheim, dass nicht einmal du es ausgeplaudert hast“, sagte Temari. „Du hast nur Anji-kun gegenüber fallen lassen, dass Igawa-kun mehr drauf hätte, als er sich vorstellen könne.“ „Und Igawa-kun hatte nach seinem Kampf gegen Rokken den Felsenschieber kein Quecksilber mehr“, ergänzte Shikamaru. „Er war praktisch gezwungen, sein Feuer-Jutsu zu benutzen. Vermutlich hätte er es gegen ein Genie wie Sasaro-kun sowieso einsetzen müssen, aber so war es unvermeidlich, sich zu outen. Bei der Besprechung nach dem Fund der Leiche kam dann mehr oder minder heraus, dass ein Genin mit überraschend weit entwickelten Jutsus der Mörder sein könnte, und dass ein solcher automatisch verdächtig wäre. Nigishima-sensei hat erkannt, dass die momentane Beweislage Igawa-kun in Gefahr bringt. Als sich die Gelegenheit ergab, hat er deshalb beschlossen, die Leiche zum Verschwinden zu bringen und somit stattdessen Rokken-kun anzuprangern.“ „Haben Sie eigentlich gewusst, dass jemand Igawa-kun absichtlich eine Falle stellen wollte?“, fragte Temari den Weißen Blitz. „Ich, ich, naja …“ Nigishima-sensei rieb sich verlegen die Hände. „Vielleicht hatte ich einen kleinen Verdacht, aber nichts Stichhaltiges und, und ich wollte auf Nummer sicher gehen.“ „Sie wollten, dass Rokken-kun wegen Mordes verurteilt wird. Wenn wir einen Mörder gehabt hätten, hätte Igawa-kun sein Jutsu ohne Probleme einsetzen können – das haben Sie zumindest angenommen. Wer, wenn nicht der Mörder, hätte Interesse daran, dass die Leiche verschwindet? Mit dieser Logik hätten wir Rokken-kun verdächtigt, und Igawa-kun, der ja sogar ein kleines, wackeliges Alibi hatte, wäre aus dem Schneider gewesen.“ Die anderen sahen Shikamaru an, als würden sie noch auf etwas warten. „Das war’s“, sagte er. „Den Trick, wie die beiden die Leiche versteckt haben, haben wir schon erklärt. Das Motiv ist jetzt klar, und die Täterin hat schon gestanden. Habe ich irgendetwas falsch interpretiert?“ Kyoko schüttelte den Kopf. „Alles richtig.“ „Ihr wolltet Rokken tatsächlich so etwas Ungeheuerliches wie einen Mord aufbürden?“, fragte Iwamoto-sensei mit schneidender Stimme. Sie schien Nigishima und Igawa ihre Tat übler zu nehmen als den Mord selbst. „Zum, zum Wohle meines Schülers“, verteidigte Nigishima sich. „Das verstehen Sie sicher, Iwamoto-sensei!“ Sie presste die Lippen aufeinander, sagte jedoch nichts. Shikamaru seufzte. „Da haben wir’s mal wieder. Allzu viel Ehrgeiz bringt nichts. Jeder hier war so versessen darauf, das Finale zu gewinnen, dass die Leiche eines unschuldigen Ninjas wie ein Spielzeug herumjongliert wurde. Dabei kann man sogar Chunin werden, wenn man nur die erste Runde besteht.“ „Shikamaru ist das beste Beispiel dafür, dass man unter Umständen kaum etwas für seine Lorbeeren tun muss“, sagte Temari hämisch grinsend. „Selbst so einer wird Chunin. Nehmt euch alle ein Beispiel daran.“ „Du hast damals gegen mich verloren“, erinnerte sie Shikamaru nüchtern. „Und heute bist du Jonin. Was sagt das jetzt über dich aus?“ Temaris Mund klappte auf, aber ausnahmsweise schien ihr keine Erwiderung einzufallen. Shikamaru glaubte es kaum – er hatte einen Punkt in ihren immerwährenden Sticheleien erzielt! Schließlich grinste sie. „Manchmal übertriffst du dich selbst.“ Ob sie nun seinen Seitenhieb meinte oder den eben gelösten Mordfall, blieb ungeklärt.   Danach war natürlich die Hölle los, und Shikamaru war heilfroh, dass seine Rolle vorbei war. Kyoko hatte sich widerstandslos in Gewahrsam nehmen und in einen Sandkäfig stecken lassen. Iwamoto-sensei hatte wiederholt gefordert, dass alle, die ihren armen Rokken verdächtigt hatten, sich bei ihm entschuldigten. Das hatten sie getan. Dann wollte sie noch, dass man beide Finalisten wegen ihrer jeweiligen Scharade disqualifizierte. Das hatten sie nicht getan, weswegen eine laute Debatte losgebrochen war, bei der Shikamaru die vier Suna-nin allein gelassen hatte. Nigishima-sensei hatte sich bald darauf bei ihm bedankt, dass er seinen Schüler rausgehauen hatte. Shikamaru hatte abgewinkt, weil er schließlich nur die Wahrheit und nichts sonst hatte herausfinden wollen. Igawa hatte sich für seine Taten entschuldigt, und Takki überraschte Shikamaru, indem sie gestand, seine Kombinationsgabe „total cool“ zu finden. Reis-Anji drückte ihm ebenfalls seine Anerkennung aus. „Ich hoffe, die nächste Chunin-Prüfung verläuft etwas reibungsloser. Sonst hänge ich, glaube ich, das Ninjadasein an den Nagel“, sagte der Junge trocken. „Weißt du, ein paar meiner Freunde würden dir jetzt raten, wegen so etwas nicht einfach aufzugeben, aber ich kann dir lediglich den Rat geben: Sei nur ein Ninja, wenn dir der ganze Stress nichts ausmacht“, sagte Shikamaru. Anji lachte. Letzten Endes wurde Kyoko allein für schuldig befunden. Eine Nachricht würde ins Reich des Wasserfalls geschickt und es aufgefordert werden, zu ihrer Tat Stellung zu nehmen. Je nachdem, wie die Antwort ausfiel, würde es ein großes oder ein eher kleines Debakel werden, und Kyoko würde ihrem Heimatdorf ausgeliefert oder nach Suna-Recht verurteilt werden. Nur gut, dass Shikamaru zu der Zeit schon wieder in Konoha sein und den Ausgang der Sache erst im Nachhinein erfahren würde. Ein wenig später fand man auch die Flaschen mit dem Desinfektionsmittel – oder eher, die Reste davon. Ihr Inhalt war wohl aus einem Fenster in den Wüstensand geleert, die Flaschen zerschlagen und ihre Scherben unbemerkte in den Abfallcontainer in der Kantine geworfen worden. Das Finale fand am nächsten Morgen statt, als sich der Sandsturm langsam legte. Igawa bekam keinen Nachschub an Quecksilber, aber er gewann trotzdem, wenn auch knapp. Nachdem der talentierte Sasaro ihn ordentlich aus der Reserve gelockt hatte, packte Igawa ein spektakuläres Feuer-Jutsu aus, das sicher Unmengen an Chakra fraß und die halbe Arena in Brand setzte. Schließlich wurde der Quecksilber-Ninja ganz ohne sein Quecksilber zum Sieger gekrönt. Er bekam ein Empfehlungsschreiben vom Kazekage persönlich. Für Sasaro gab es kein solches Schreiben. Es wurde vermerkt, dass er bis ins Finale gekommen war und gut gekämpft hatte, aber Gaara schrieb, aufgrund der Geschehnisse wäre ihm ein unparteiisches Urteil nicht mehr möglich, und das Reich des Wasserfalls solle selbst entscheiden, ob er einer Chunin-Ernennung würdig war oder nicht. Somit waren Kyokos Anstrengungen, mit einem Sieg und einem hochoffiziellen Empfehlungsschreiben Eindruck bei den großen Ländern zu schinden, für die Katz gewesen. Shikamaru hoffte, dass das diesen Ehrgeizlern eine Lehre war. Reis-Anji war letztendlich der Zweite, der eine Empfehlung bekam. „Aber … wieso ich?“, fragte er verblüfft. „Ich hab’s den anderen Prüfern vorgeschlagen“, sagte Shikamaru. „Ich denke, dass du was im Kopf hast, und mir hat mal jemand gesagt, das sei für einen Chunin wichtiger als starke Techniken.“ Anji war perplex, dann schloss sich seine Hand fest um das Schreiben und er verbeugte sich. „Vielen Dank, Shikamaru-san.“ „Keine Ursache. Denk einfach an mich und mach dem nächsten Ermittelnden, der dich befragt, nicht unnötig das Leben schwer.“   Adler wurden geschickt, als der Sturm nachgelassen hatte. Das Mittagessen wurde noch in der Kantine abgehalten, dann traf Verstärkung aus Sunagakure ein, die die Bewachung von Kyoko übernahm. Alle, die seit über zwei Tagen im Wüstenturm festsaßen, kamen endlich wieder in den Genuss der stechend heißen Sonne, und sie konnten sich auf den Rückweg machen. Zurück in Sunagakure würde Shikamaru erst mal ein ausgiebiges Bad nehmen. Ob heiß oder kalt, würde er sich noch überlegen müssen, aber das war nach all dem Stress endlich wieder eine Entscheidung, die nicht ganz so schwerwiegende Reaktionen nach sich zog. Als sich die hohen Felsen zeigten, die Sunagakure umrahmten, fragte Temari ihn: „Du hast nicht zufällig die Absicht, noch ein paar Tage länger im Dorf zu bleiben?“ „So gern ich das täte, Tsunade hat mich wahrscheinlich schon gestern zurückerwartet“, meinte er. „Berichte und Papierkram, du weißt schon. Lauter Dinge, die ich eigentlich nicht ausstehen kann.“ „Und ich dachte immer, dir wäre Schreibtischarbeit lieber als Missionen?“ „Es ist beides lästig“, brummte er. „Und Ermittlungsarbeit?“ „Noch lästiger als alles andere zusammen“, sagte er unglücklich. „Dir kann man es einfach nicht recht machen.“ Sie schlug ihn zwischen die Schulterblätter. „Aber weißt du, was? Ich finde es ganz praktisch so. Wenn du immer mit Feuereifer bei der Sache wärst, hätte ich doch gar nichts zu tun.“ Shikamaru sah sie lange nachdenklich an und hoffte, dass sie beide so bald nichts mehr zu tun hatten, bei dem sein oder ihr Feuereifer gefragt wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)