The Vermilion Bird von Lianait (The Four Chrysalian Symbols) ================================================================================ Kapitel 2: Nothing really romantic ---------------------------------- Layla war recht froh über die Tatsache, dass sie auf ihr Handy eine Folie geklebt hatte, die verhinderte, dass andere von der Seite etwas auf ihrem Display erkennen konnten. Die Straßenbahn war mal wieder brechend voll und sie hielt sich mit einer Hand an einem der Haltegurte fest, während sie in der anderen ihr Handy hielt. Sie war nicht wirklich klein für ein Mädchen, aber auch nicht groß und der Junge, der neben ihr stand, versuchte die ganze Zeit auf ihr Handy zu sehen. Tatsächlich war er leider größer als sie. Aus dem Augenwinkel musterte sie ihn kurz. Schwarze Hose, schwarzer Blazer und eine graue Weste – der Uniform nach musste er ein Lincoln-Schüler sein. Nicht verwunderlich, denn Lincolns Haltestelle war nicht allzu weit entfernt und Layla musste noch etwas weiter fahren, eh sie an ihrer eigenen Schule, Skellkard, aussteigen konnte. Demnach war die Bahn auch zu dem Stoßzeiten immer mit den Schülern beider Schulen gefüllt, allerdings kam der Junge ihr sonst nicht bekannt vor und sie beschloss, ihn zu ignorieren. Stattdessen sah sie wieder auf ihr Display hinunter. Seit etwas mehr als zwei Jahren war sie Moderator auf dem Internetforum 3rd channel und sie hatte sich angewöhnt, morgens in der Bahn immer über die Threads schauen, die ihrer Obhut unterstanden. Es gab nicht viele Regeln auf 3rd channel; jeder konnte anonym posten, wenn er wollte, doch sollte ein Post doch eben gegen eine dieser Regeln verstoßen, sperrte Layla ihn. Und obwohl die meisten von der Möglichkeit, anonym zu posten Gebrauch machten, hatte Layla doch einige Leute kennengelernt, deren Bekanntschaft sie heute nicht mehr missen mochte. Allen voran ein User, der sich meist Müsliriegel nannte. Ihr Bestreben, die Plattform als Moderater zu unterstützen, war nicht gänzlich altruistisch, sondern hatte noch einen weiteren Hintergrund, doch von dem konnte sie wohl kaum jemandem erzählen. Noch nicht einmal Müsliriegel. Glücklicherweise hatte niemand etwas zu Anstößiges gepostet, sodass sie sich nicht einloggen und ihres Amtes walten musste und auch in Thread 23, dem Mystery-Thread, hatte niemand etwas Auffälliges gepostet und das war letztendlich das Wichtigste. Allerdings bemerkte Layla, dass der Junge sie immer noch anstarrte. Einige Leute waren ausgestiegen und es wurde etwas leerer in der Bahn, sodass dieses Starren nun doch ein wenig unangenehm auffällig wurde. Kurzerhand entschloss sie sich, aufzusehen und zurückzustarren. „Willst du ein Passfoto oder hab ich was im Gesicht?“, fragte sie gerade heraus. „Eins von beidem muss es wohl sein.“ Normalerweise sahen die meisten weg, wenn man sie so konfrontierte, doch nicht so der Junge. Er lächelte stattdessen und trat einen Schritt auf sie zu. Eigentlich genau das Gegenteil von dem, was sie hatte erreichen wollen. „Hi, ich bin Oliver“, stellte er sich vor. „Ich nicht“, entgegnete Layla lediglich. Sie hatte nicht wirklich einen 'Typ Jungen', den sie besonders attraktiv fand und der Junge sah nicht ungepflegt aus, seine blonden Haare waren sogar sorgsam gestylt, doch sie fand es immer suspekt, wenn fremde Personen quasi aus dem Nichts auf sie zu kamen und sie ansprachen. Das Lächeln des Jungen bröckelte nicht einmal. „So, Nicht-Oliver, auf welche Schule gehst du?“ Layla sah ihn mit einem kühlen Blick an und dann an sich herunter. Dann deutete sie auf das deutlich sichtbare Schulwappen auf ihrer Uniform. Auf dem der Name ihrer Schule stand. In Großbuchstaben. „Offensichtlicherweise auf die einzige andere Schule in der Nähe.“ Oliver machte einen weiteren Schritt auf sie zu und Layla konnte sich nicht helfen, sie trat einen zurück. Oliver hingegen nickte verstehend. „Also wegen des Passfotos...“ Dieses Mal konnte Layla ein leises, unterdrücktes Räuspern vernehmen, doch es kam nicht von Oliver vor ihr. Dessen Lächeln schwand nun langsam doch, als Layla sich nach dem Ursprung des Geräusches umsah. Ein dunkelhaariger Junge, ebenfalls in Lincoln-Uniform, saß auf einem der mittlerweile freien Sitzplätze hatte das Gesicht zur Seite gewandt in einem offensichtlich fehlgeschlagenen Versuch, sein Amüsement zu verstecken. „Oh, halt einfach die Klappe, Culgaris!“, murrte Oliver. Der Junge, offenbar 'Culgaris', sah zu ihnen hinüber. Seltsamerweise kam er Layla allerdings bekannt vor; er hatte dunkle, braune Haare, eisblaue Augen und trug eine Brille. Sie konnte nur nicht sagen, ob sie ihm schon einmal hier in der Bahn begegnet war, oder woanders. Er sah nicht unfreundlich aus, als er antwortete, er hatte sogar noch den Hauch seines Lächelns auf dem Gesicht, doch sein Blick war sehr direkt. „Sie ist offensichtlicherweise nicht an einem Gespräch mit dir interessiert.“ Selbst seine Stimme klang vertraut, aber wo sollte sie einen fremden Jungen von einer anderen Schule schon einmal sprechen gehört haben? Zeitgleich hatte sie seltsamerweise das Gefühl, ihn das erste Mal in natura zu sehen. Weird. „Ach, was weißt du schon?“, fragte Oliver, doch schien nicht wirklich eine Antwort darauf zu wollen. Culgaris zog eine Augenbraue in die Höhe und verschränkte, die Arme vor der Brust. „Genug. Es hilft niemandem weiter, wenn du sie wegen Hellen mit Fragen bedrängst, deren Antwort du eigentlich kennst. Es gibt keinen Grund die Angelegenheit zu hetzen, Oliver“, sagte er vollkommen ruhig, nicht als würde er sich über ihn lustig machen. Oliver schnaubte jedoch und rauschte an Layla vorbei in den hinteren Teil des Wagons. Scheinbar wollte er lieber dort aussteigen, statt an der Tür, bei der sich Layla und Culgaris befanden. Dabei rempelte er sie an, allerdings glaubte sie nicht, dass er es absichtlich getan hatte. Dennoch fiel Laylas Handy aus ihrer Hand und rutschte über den Boden. Culgaris war schneller als Layla und hob ihr Smartphone auf. Mit einem entschuldigenden Ausdruck auf dem Gesicht reichte er es ihr. „Tut mir leid deswegen. Oliver ist kein schlechter Kerl“, erklärte er, „nur seit dem Ende mit seiner letzten Freundin ein wenig... unbeholfen.“ Layla nickte. „Okay.“ Sie wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte; es war nicht so, als würde es sie sonderlich interessieren, aber Culgaris schien ein freundlicher Kerl zu sein. Auch wenn es sie wurmte, nicht zu wissen, wo sie in schon einmal gesehen hatte. Unverhofft bremste die Straßenbahn plötzlich scharf, noch bevor sie in seine Haltestelle einfuhren, und sie verloren beide, wie auch alle anderen stehenden Fahrgäste, das Gleichgewicht. Er fiel gegen sie, doch machte augenblicklich einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sie beide zu bringen. Er hielt noch immer ihr Telefon in der Hand. „Sorry. Ich habe eine Freundin, die es auch nicht mag, wenn man ihr einfach zu nah kommt“, sagte er rasch, als die Bahn mit einem Ruck weiterfuhr. Er wirkte tatsächlich so, als würde er sich Gedanken darum machen und nicht als würde er versuchen, sie nun anzugraben, nachdem sein Freund vorher versagt hatte. „Ah, schon okay, das war ja nicht deine Schuld und es stört mich eigentlich nicht so sehr, wie es vielleicht gerade den Anschein gemacht hat“, erklärte sie, während die Bahn nun langsam in die Haltestelle einfuhr. „Nur bei Leuten, die den Wink mit dem Zaunpfahl auch beim dritten Mal nicht verstehen.“ Er reichte ihr ihr Telefon ein weiteres Mal. „Vielleicht sehen wir uns ja mal unter angenehmeren Umständen in der Bahn wieder.“ „Vielleicht“, bestätigte sie und nahm ihr Handy mit einem schmalen Lächeln entgegen. Trotz seiner kalten Augenfarbe, wirkte sein Lächeln warm und es stand ihm. Jedoch musste er sich umdrehen, um aus der noch geöffneten Tür zu hasten, ehe sie sich wieder schloss und er drohte seinen Halt zu verpassen. Als ihre Finger sich bei der Übergabe unabsichtlich berührten, geschah jedoch etwas seltsames, das Laylas Aufmerksamkeit vollends auf sich zog: ein kühles Kribbeln breitete sich in ihrer Hand aus. Es war keineswegs dieses oh-mein-Gott-ein-gutaussehender-Kerl-hat-meine-Hand-berührt-jetzt-kann-ich-sie-niemals-nicht-wieder-waschen!-Kribbeln, das so oft in diversen Romanzen angesprochen wurde. Das Gefühl war vollkommen anders. Eisig kalt, doch es schien sich paradoxerweise in ihren Adern wie Feuer brennend auszubreiten. Layla musste sich auf einen der nun freien Plätze setzen, als sich ein Stechen in ihrem Brustkorb ausbreitete, als wäre sie gerade vollkommen unvorbereitet einen 800-Meter-Lauf gerannt. Der Druck auf ihrer Brust ebbte langsam ab und sie konnte wieder normal atmen, doch ein kühles Gefühl blieb ihr in den Knochen hängen. Jedoch fühlte es sich nicht mehr unangenehm an, sondern wie eine dauerhaft kühle Brise. „Was zum...?!“, sprach sie tatsächlich leise aus, als sie durch die Fenster zurück auf die Haltestelle blickte, ehe sie hinter einer Kurve verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)