Festgefahren von _Delacroix_ (Eine "Mythos Academy"-Fanfic) ================================================================================ Festgefahren ------------ Spartaner kennen keine Angst“, pflegt mein Vater oft zu sagen, aber im Augenblick würde ich mir am allerliebsten in die Hosen machen. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, doch der Motor meines Jeeps röhrt nur noch lauter als Lexis das Gas voll durchtritt. Wir schlittern über die vereiste Straße, verfehlen ein „Achtung Glatteis“-Schild nur um wenige Zentimeter und schießen schließlich viel zu schnell weiter den Weg entlang. Mein Frühstück droht mich zu verlassen, aber ich kämpfe tapfer dagegen an. Ich will genauso wenig Kotzflecken auf den Sitzen, wie ich einen Totalschaden riskieren will. „Jetzt halt die Kiste endlich an!“, schreie ich, doch die Amazone auf dem Fahrersitz lacht nur. „Ich dachte, du hast Allrad“, höre ich sie über die quietschenden Reifen hinweg flöten. Habe ich in der Tat, ja, aber andere Teile meines Autos sind mir gerade wichtiger. Zum Beispiel versuche ich mich krampfhaft zu erinnern, wie viele Airbags den Beifahrer schützen sollen. Nur für den Fall, dass demnächst noch ein weiteres Verkehrsschild am Straßenrand erscheint. Lexis reißt das Lenkrad herum. Schnee spritzt auf die Scheibe. Sie jubelt; ich schreie. Ein Ruck. Wir stehen.   Drei geschlagene Sekunden lang starre ich auf mein Handschuhfach. Nie wieder, das schwöre ich mir, nie wieder lasse ich eine Amazone mein Auto fahren und schon gar nicht meine durchgeknallte Nachbarin. Lexis, das weiß jeder in der Schule, ist ein wenig verrückt. Eine Streberin, die mehr Sicherheitstechnik besitzt als ich Kleidung, aber sie ist auch unsere Nachbarin, zumindest hier in Aspen und so versuchen wir uns zu arrangieren.   Mit zittrigen Händen schnalle ich mich ab und öffne die Autotür. Ich mache einen Satz und schon stehe ich ein Fuß tief im Schnee. Ich atme tief durch. Die kalte Luft tut gut und sie hilft gegen das Zittern. Insgeheim bin ich froh, dass Kenzie nicht da ist um mich so zu sehen. Zitternd, wegen einer dummen Autofahrt. „Ich fahre zurück“, rufe ich ins Wageninnere hinein und ignoriere das unzufriedene Grummeln, das mir viel zu sehr nach „Spielverderber“ klingt. Die Wagentür öffnet sich, dann hüpft das Mädchen zu mir in den Schnee. Stumm zupft sie ihre Pulswärmer zurecht, dann bemerkt sie, dass ich sie beobachte und legt den Kopf schief. „Ich dachte, du willst fahren?“, erkundigt sie sich honigsüß, bevor sie an mir vorbei zur Beifahrertür stolziert. Sie fühlt sich außerhalb des Wagens unwohl, das weiß ich. Aber wenigstens erwähnt sie mein käseweißes Gesicht nicht und es muss käseweiß sein, so knapp wie sie an diesem Schild vorbeigeschossen ist. Ich atme noch zwei mal tief ein, dann gehe ich um das Auto herum, um mich auf den Fahrersitz fallen zu lassen. Wortlos stelle ich den Sitz zurück, drücke auf den Schlüssel und lasse meine Hand zum Schaltknüppel gleiten. Die Kupplung kommt, ich gebe Gas, doch mein Auto bewegt sich keinen Millimeter. „Hab Allrad vergessen“, erkläre ich dem neugierig schauenden Mädchen und schalte eilig um. Sie schmunzelt ergeben, doch das Lächeln gefriert auf ihren Lippen, als ich zum zweiten Mal an diesem Tag auf das Gaspedal trete. Die Reifen quietschen, doch bewegen tun wir uns immer noch nicht. Ich stöhne genervt. „Ganz toll, du hast uns festgefahren.“     Lexis drückt das Gaspedal durch, ich schiebe und verfluche zum x'ten Mal, dass ich sie zu diesem Ausflug überredet habe. Ich bin kein Experte, aber offensichtlich sitzen wir komplett fest und kommen so auch nicht mehr aus der Schneewehe heraus in die sie uns gesteuert hat. Meine Nachbarin hat den Anstand schuldbewusst auszusehen. Ich schnaufe schwer. Gerne würde ich ihr ordentlich die Meinung geigen, aber ich weiß, das hilft uns gerade nicht. Wäre Logan hier, mit ihm zusammen, hätte ich den Wagen vielleicht bis auf die Straße schieben können. Mit einer Walküre wie Daphne wäre ich vermutlich schon längst wieder Daheim. Aber nein, ich habe den Ausflug ja mit einer Amazone gemacht. Einer Amazone, die uns im Geschwindigkeitsrausch festgefahren hat. Lexis macht den Motor aus und öffnet die Tür. „Das ist sinnlos“, erklärt sie, was ich längst weiß. „Ich ruf uns einen Abschleppdienst.“ Das erste Mal bin ich froh, dass ein Satellitentelefon bei Lexis zur Grundausstattung gehört. Mein Smartphone hat hier zwischen den Bergen sicher keinerlei Empfang. Ich seufze, während ich am Auto vorbei auf die Straße stapfe, um sie einmal hoch und dann wieder hinunter zu schauen. Ich habe keine Ahnung wie Lexis unseren Standort beschreiben will, aber wahrscheinlich hat sie irgendwo ein GPS-Gerät. Ich will mich schon umdrehen, um mit ihr gemeinsam im Wagen zu warten, wo die Standheizung in der Lage ist, uns wenigstens für den Augenblick warm zu halten, da sehe ich sie. Zuerst nur schwach, dann immer stärker und schließlich wird mir klar, das sind Scheinwerfer. Mein Körper reagiert schneller als mein Gehirn und beginnt zu winken. Wenn ich den schneeweißen SUV zum Anhalten bewegen kann, kann er meinen Jeep vielleicht aus der Schneewehe ziehen.   Ich wedele mit den Armen und für einen Moment befürchte ich schon, der Mercedes würde einfach an mir vorbeirauschen, aber dann bremst er doch. Sanft und weich bleibt er auf meiner Höhe stehen. Kein Vergleich mit Lexis fürchterlichen Bremsmanövern von vorhin. Die Seitenscheibe fährt mit einem kaum hörbaren Surren herunter. „да?“ Ich blinzele zweimal. „Wir sind im Schnee stecken geblieben“, presse ich irgendwie heraus und ignoriere den Schwall an fremdländischer Popmusik, der sich aus dem Wageninneren heraus über mich ergießt. „Kannst du uns helfen?“   Dunkle Augen mustern mich abschätzig, so als müsste ihr Besitzer noch überlegen ob ich die klägliche Vorhut eines Überfallkommandos stellen soll. „Komm schon Kumpel“, geht es mir durch den Kopf, ich bin zwar nicht Savannah Warren, aber ich sehe doch wohl auch nicht aus als würde ich auf offener Straße Menschen überfallen. - Zumindest hoffe ich das. Dann endlich, nach einer viel zu langen Pause, öffnet sich die Wagentür. „Schauen wir mal“, kommentiert mein Gegenüber und sein Akzent verrät mir, er ist ganz sicher nicht von hier. Während ich ihm um das Auto herum folge, versuche ich einen Blick auf das Nummernschild zu erhaschen, doch leider steht er mir dabei erfolgreich im Weg.   „Ich bin Oliver“, versuche ich das aufkommende Schweigen zwischen uns zu überbrücken. Er nickt mir über die Schulter zu. „Alexei“, erklärt er und öffnet seinen Kofferraum.     Ich frage nicht, warum Alexei ein Abschleppseil in seinem Auto spazieren fährt. Ich nehme es einfach erleichtert hin. 210 ziehende PS sind doch etwas anderes als meine kläglichen Schiebversuche. Vergessen ist der Abschleppwagen. Jetzt brauche ich ihn nicht mehr. Der Mercedes zieht und tatsächlich setzt sich mein Jeep endlich in Bewegung. Der Schnee knirscht und schon wenige Minuten später steht mein Wagen mitten auf der Straße. Schwarz neben weiß. Jeep neben Mercedes.   Lexis redet in ihr Telefon während ich mir die richtigen Worte zurechtzulegen versuche. Ich weiß, ohne Alexei würden wir immer noch im Schnee festsitzen und ich bin ihm sehr dankbar. Stumm beobachte ich, wie er sein Abschleppseil im Kofferraum verschwinden lässt. Er hat etwas graziles an sich, das ich noch nicht wirklich einzuordnen weiß, aber es zu beobachten ist interessant. Ich räuspere mich umständlich. „Ich ähm- Vielen Dank“, murmele ich. Alexei schenkt mir ein schwaches Lächeln. „Kein Problem.“ Er schließt seinen Kofferraum und mir wird klar, wenn er jetzt in seinen Wagen steigt, werde ich ihn nicht wiedersehen. Ich kämpfe mit dem Kloß in meinem Hals. Schlucke einmal, zweimal... „Kennst du das Caribou?“, platze ich plötzlich heraus. Alexei hält in der Bewegung inne. „Den Club in der Hopkins?“ Ich nicke und mein Herz hämmert stärker in meiner Brust als bei meinem letzten, schmerzhaften Treffen mit Kenzie. „Ich werde heute Abend dort sein“, erzähle ich, obwohl ich bis eben noch keinerlei Pläne für den Abend hatte, „und ich hatte gehofft, du kommst vielleicht auch.“ Dunkle Augen mustern mich forschend von oben bis unten. „Ich war noch nie im Caribou“, räumt er schließlich ein, doch etwas an dem Ton, wie er es sagt, lässt mich hoffen. „Ich lade dich ein“, verspreche ich und erneut legt sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. „Gut“, stimmt er schließlich zu und die Anspannung fällt endlich wieder von mir ab, „Dann sehen wir uns heute Abend um 11 Uhr, vor dem Caribou.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)