Das Leben erzählt die besten Geschichten von Yosephia (Modern-AU / OS-Sammlung) ================================================================================ Brüderchen & Schwesterchen -------------------------- Part I: Große Brüder… sind manchmal einfach nur cool! Ein wenig nervös hibbelte Natsu mit einem Bein und drehte sein Smartphone auf dem Tisch vor sich. Immer wieder aktivierte er den Display, um zu sehen, wie spät es war – und jedes Mal erinnerte er sich mit einem Anflug von Ärger daran, dass er sich endlich eine neue Armbanduhr besorgen musste. Allerdings wurde dieser Ärger mit zunehmender Zeit immer mehr von Nervosität überschattet. Gray hätte echt eine Menge dazu zu sagen, wenn er Natsu hier so sehen könnte. Der war ja selbst ganz verblüfft über sein eigenes Verhalten. Er und Nervosität! Er war nicht einmal bei seiner Gesellenprüfung richtig nervös gewesen, aber jetzt flatterten seine Nerven wie eine Fahne bei Sturm. Dabei war das hier nicht die erste Predigt, die er sich hatte anhören dürfen. Lucys Vater hatte ihn bereits mit allerlei Warnungen traktiert, die er halbherzig hinter angespannt-höflichen Floskeln verborgen hatte, und sein eigener Vater, der restlos von Lucy begeistert war, hatte ihm allen Ernstes mit Enterbung und Schlimmerem gedroht, sollte er seine Freundin jemals unglücklich machen. Nicht dass er das auch nur ansatzweise vorhatte. Drohungen hin oder her, er war verrückt nach Lucy und wollte sie auf Händen tragen. Es kam ja wohl nicht in die Tüte, dass er diese fantastische Frau jemals wieder los ließ! Aber vor dem jetzigen Gespräch hatte er wirklich gehöriges Muffensausen, denn so sehr Lucy ihren Vater auch liebte, kein Mann stand ihr näher als ihr Halbbruder Sting. Die Beiden waren wie Pech und Schwefel und wenn Natsu es sich mit Sting verscherzen sollte, wäre das schlichtweg eine Katastrophe. „Natsu, richtig?“ Erschrocken fuhr Natsu zusammen und versetzte seinem Smartphone dabei einen so kräftigen Stoß, dass es über den Tisch schlitterte und zu Boden gefallen wäre, wenn nicht der Neuankömmling rechtzeitig zugegriffen hätte. Abgesehen von den hellblonden Haaren hatte dieser kaum Ähnlichkeit mit Lucy, dennoch war Natsu sich sofort sicher, dass das Sting war. Er entsprach ziemlich genau dem Bild, das er sich nach Lucys vielen Geschichten ausgemalt hatte: Lässig und sportlich mit einem humorvollen Zug und auf Anhieb sympathisch. Von Natsus Warte aus stand einer Freundschaft absolut nichts im Wege, aber er fragte sich, ob das auch auf Gegenseitigkeit beruhte. „Ähm… ja…“, antwortete Natsu belämmert, als er sich erinnerte, dass Sting ihm ja eine Frage gestellt hatte. Langsam setzte der Blonde sich zu ihm an den Tisch und gab der Kellnerin einen Wink, die nur nickte und schnell zu einem ungeduldig wirkenden Geschäftsmann weiter hastete. Dann lehnte Sting sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „So, du bist also der neue Freund meiner Schwester.“ Etwas an der Art, wie Sting das sagte, brachte einen Nerv bei Natsu zum Zucken. Er war nicht einfach der neue Freund, er war der Freund! „Du hast Lucy ja ganz schön den Kopf verdreht“, fuhr Sting gelassen fort und schob das Smartphone zurück über den Tisch. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Seit Natsu der jungen Literaturstudentin das erste Mal begegnet war, bekam er sie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Nie zuvor hatte er derartiges Herzrasen bei einer Frau gehabt. Aber er war sich nicht sicher, ob sein Gegenüber das wirklich hören wollte, also schwieg er sich in Ermangelung einer Erwiderung weiter aus. „Ein Kaffee, schwarz wie die Seele, für den Coffein-Junky.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln stellte die Kellnerin das Getränk vor Sting ab. „Danke dir, Yukino“, lachte Sting. „Darf es für dich auch noch etwas sein?“, wandte die Weißhaarige sich an Natsu, der jedoch nur den Kopf schüttelte. Anstatt einfach wieder zu verschwinden, blickte die junge Frau zwischen Sting und Natsu hin und her. Ein ahnungsvolles Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Du bist Natsu, oder?“ „Hä?“ Sting warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. Das Lächeln der Kellnerin wurde noch etwas breiter und sie gab Sting einen Klaps auf den Hinterkopf. „Du bist echt unmöglich, Sting!“ Verdattert starrte Natsu die Beiden an. Was genau hatte die denn gestochen? Gut, sie kannten einander, soweit war er schon durch gestiegen. Aber worüber amüsierte Sting sich so? Normalerweise regte er sich darüber auf, wenn sein bester Freund meinte, er hätte eine lange Leitung – als ob der besser wäre! –, aber heute musste er ihm insgeheim zustimmen. Er verstand hier nur Bahnhof. „Lass’ mir doch den Spaß. Ich musste mir Wochen lang Lucys Schwärmereien über ihn anhören“, kicherte Sting, als er sich wieder etwas gefasst hatte. Obwohl er noch immer nervös war, verspürte Natsu einen Anflug von Befriedigung bei dem Gedanken, dass Lucy pausenlos über ihn schwärmte. Was hatte er bloß für ein Glück, so eine klasse Frau abgekriegt zu haben! Yukino verdrehte die Augen und wandte sich wieder an Natsu. „Was auch immer er versucht, dir weiszumachen, er ist harmlos, glaub’ mir. Wenn du Lucy unglücklich machen solltest, würde sie selbst schon für Gerechtigkeit sorgen, das weiß ihr super großer Bruder“, erklärte sie und stieß Sting einen Finger in die Wange. „Was nicht heißt, dass ich nicht nach treten würde, sobald Lucy mit dir fertig ist“, gluckste Sting und machte eine scheuchende Handbewegung in Yukinos Richtung. „Hör’ auf, mir den Spaß zu verderben, Yukino. Musst du nicht noch ein paar miesepetrige Kunden bedienen?“ „Ich habe in fünf Minuten Feierabend und meine Ablösung ist schon da“, war die freche Antwort, aber die Weißhaarige trollte sich – nur um neben einer grünhaarigen Frau hinter der Theke Stellung zu beziehen und zu ihnen herüber zu blicken. „Das ist Yukino, eine von Lucys besten Freundinnen“, erklärte Sting mit immer noch zuckenden Mundwinkeln. „Übrigens noch jemand, mit dem du es dir ganz schön verscherzen würdest, wenn du Lucy unglücklich machen solltest.“ Könnte er sich danach überhaupt noch sicher in Magnolia aufhalten, wenn er tatsächlich so geistig umnachtet sein sollte, seine Freundin unglücklich zu machen? Natsu hatte das Gefühl, als hätte Lucy die halbe Stadt auf ihrer Seite und als würden alle nur darauf warten, dass er es verpatzte. Grinsend beugte Sting sich über den Tisch. „Nichts für ungut, Natsu, aber ich werde dir jetzt keinen Vortrag halten. Mein Schwesterchen kann schon auf sich selbst aufpassen.“ Schon wieder starrte Natsu den Blonden einfach nur verdattert an. „Und warum hast du mich dann hierher bestellt?“ „Weil ich den Mann kennen lernen will, der es geschafft hat, Lucy zu verführen. Ich beobachte schon seit Jahren, wie sich die Männer reihenweise die Zähne an ihr ausbeißen. Du musst ja ein Mordskerl sein!“ „Öhm… na ja…“ Vom Verführen konnte wohl kaum die Rede sein, wenn er mal ganz ehrlich war. Lucy war ihm von Anfang an auf halbem Weg entgegen gekommen. Es hatte einfach auf Anhieb alles gestimmt. „Und wenn du so viel Schiss vor mir hast“, fügte Sting hinzu und auf einmal war seine Stimme sehr ernst, „heißt das entweder, dass Lucy Horrorgeschichten über mich erzählt hat, oder aber, dass du sehr viel Wert darauf legst, dass das hier mit uns klappt. Nicht dass ich Lucy unter normalen Umständen nicht auch ersteres zutrauen würde…“ Schon wieder grinste er, aber er hielt Natsu über den Tisch hinweg die Hand hin. „Schön dich kennen zu lernen, Natsu.“ Langsam begriff Natsu, dass das hier ein Freundschaftsangebot war, und auch über seine Züge breitete sich ein Grinsen, während er in die Hand einschlug. Mann oh Mann, der große Bruder seiner Freundin war echt cool! Part II: Kleine Schwestern… sind manchmal extrem furchteinflößend! „Da!“ Die Küchentür wurde mit solcher Wucht aufgerissen, dass Rogue vor Schreck seine Karteikarten in die Luft warf. Drüben im Haus seines Vaters wäre ihm das nicht passiert. Dort musste man immer damit rechnen, dass die stets quirlige Frosch in einem Anfall von Begeisterung durch das ganze Haus stürmte. Aber hier im Haus seiner Nachbarinnen Yukino und Minerva war es immer ruhig und friedlich. Yukino war viel zu friedfertig, um so mit der Tür ins Haus zu fallen – im wahrsten Sinne des Wortes –, und Minerva war vieles, aber nicht theatralisch. Hinzu kam noch, dass Rogue nicht wirklich in seine Lernkarten vertieft war, sondern mit seinen Gedanken doch immer wieder zum gestrigen Tag abschweifte – vor allem zu dem Kuss mit Sting. Es fühlte sich immer noch unwirklich an, dass sein bester Freund auf einmal sein fester Freund war. Sie kannten einander seit der Grundschule und hatten einander durch mehrere seichte Beziehungen begleitet. Stings Partner waren gekommen und wieder gegangen, ohne jemals einen bleibenden Eindruck bei Rogue zu hinterlassen. Irgendwie hatte er bei jedem von ihnen von Anfang an gewusst, dass er sowieso bald wieder von der Bildfläche verschwinden würde. Keiner von ihnen hatte je zu Sting gepasst. Und die wenigen Männer, auf die Rogue sich für eine Beziehung eingelassen hatte, waren immer nur Kurzzeitaffären gewesen. Richtiges Herzflattern hatte Rogue nie gehabt. Mit Sting war alles ganz anders. Sting war sein engster Vertrauter, das war schon immer so gewesen, und im Nachhinein musste Rogue sich eingestehen, dass er schon eine ganze Weile für seinen besten Freund geschwärmt hatte, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein. Der körperliche Aspekt und die Intensität seiner Gefühle hatten Rogue gehörig aus dem Tritt gebracht, deshalb hatte er sich ja auch so blöd angestellt. Er würde es zwar nie zugeben, aber er war Minerva, Lucy und Yukino dankbar dafür, dass sie ihn und Sting dazu gebracht hatten, miteinander darüber zu reden. Das betretene Schweigen nach dieser einen Nacht mit Sting hatte Rogue fürchterlich zugesetzt. Deshalb ließ er Minervas anzügliche Kommentare auch klaglos über sich ergehen. Sollte sie ruhig ihren Spaß haben, sie hatte sich das redlich verdient. Mit großen Augen starrte Rogue von seinen verstreuten Lernkarten zur Tür hoch, in welcher Lucy stand, die Hände in die Hüften gestemmt und einen riesigen Babybauch vor sich her schiebend. Ihre Miene war so grimmig, dass Rogue unwillkürlich schlucken musste. „Wusste ich doch, dass ich dich hier finde!“, schnaufte Lucy triumphierend und stampfte wie ein Elefant in den Raum hinein. Rogues panischer Blick huschte zu Minerva, die mit ihm am Küchentisch saß. Sie hatte den Blick von ihrem Nachschlagewerk erhoben, ihr Kinn mit einer Hand abgestützt und beobachtete das Geschehen mit einem unverhohlenen Grinsen. Von ihr war also definitiv keine Hilfe zu erwarten. „Du!“ Lucy stand jetzt auf der anderen Seite des Küchentisches und ragte gefühlte fünf Meter über Rogue auf. „Jetzt pass’ mal gut auf!“ Erst jetzt kam Rogue die Frage in den Sinn, was er eigentlich verbrochen haben sollte. Krampfhaft versuchte er, sich zu erinnern, ob er sich während seiner miesepetrigen Zeit irgendetwas hatte zuschulden kommen lassen. Gut, er war ziemlich kurz angebunden gewesen, hatte seinen Freunden mehrmals abgesagt, wenn sie ihn auf Kneipentour hatten mitnehmen wollen, und er hatte Minerva wohl ganz schön mit seiner schlechten Laune genervt, aber nichts davon hatte etwas mit Lucy zu tun, oder? „Wag’ es ja nicht…“ Die Blonde holte tief Luft. Minerva schnaubte leise. Mit beiden Händen stützte Lucy sich am Tisch ab und beugte sich darüber, ihr Blick gefährlich finster. „Wag’ es ja nicht, Sting jemals unglücklich zu machen!“ Rogue klappte die Kinnlade herunter. War das ein blöder Scherz? Wieso sollte er Sting jemals unglücklich machen? Dieser Mann hatte ihn voll und ganz in der Hand! Lieber würde Rogue sich beide Hände abhacken, als etwas zu tun oder zu sagen, was Sting verletzen könnte! War das nicht offensichtlich? Wofür hatte Lucy ihn eigentlich mit Sting verkuppelt, wenn sie ihm jetzt so etwas zutraute? „Ich schwöre dir“, fuhr Lucy nun mit einem bedrohlichen Zischen fort, „wenn du meinem Bruder jemals das Herz brichst, kenne ich keine Gnade!“ Schon wieder musste Rogue schwer schlucken. Der Gedanke, Sting zu verletzen, war vollkommen abwegig für ihn, dennoch musste er zugeben, dass Lucy hier gerade mehr als nur ein wenig furchteinflößend war. Jetzt begriff Rogue auch so voll und ganz, warum die kleine Verschwörergruppe um Natsu immer vom Drachenhüten sprach. Der Schwarzhaarige hätte gerne etwas Souveränes gesagt, um Lucy endlich wieder auf Normalgröße schrumpfen zu lassen, aber sein Kopf fühlte sich wie leer gefegt an. Nur flüchtig konnte er daran denken, was für ein Glück es war, dass Lucy nicht Jura studierte. Sie wäre vor Gericht sicherlich ein grauenhafter Gegner. Ein Räuspern lenkte die Aufmerksamkeit aller zur Küchentür, in welcher Sting stand, die Hände in den Hosentaschen vergraben und die Stirn gerunzelt. „Lucy, hältst du meinem Freund gerade allen Ernstes eine Predigt?“ „Das gehört sich so“, erklärte Lucy schnaufend und richtete sich mit der Eleganz einer Dampfwalze wieder auf. „Hast du doch bei Natsu auch gemacht.“ Minerva ließ wieder ein Schnauben hören und sie meldete sich das erste Mal seit Lucys filmreifem Auftritt zu Wort: „Wozu? Dein Natsu stellt keine Gefahr dar. Genauso wie diese stumme Knalltüte hier, die sich mal Jurist schimpfen will.“ Rogue warf seiner Kommilitonin einen säuerlichen Blick zu. Sie hatte eindeutig zu viel Spaß an seiner Beziehungsgeschichte! „Du hast Natsu keine Predigt gehalten?“, fragte Lucy ihren Bruder verdattert und schrumpfte dabei endlich wieder auf Normalgröße zurück. Als Sting mit den Schultern zuckte, warf sie die Arme in die Luft. „Was für ein großer Bruder bist du eigentlich?!“ „So einer, der seine hochschwangere kleine Schwester nach Hause bringt“, brummte Sting und trat aus der Tür heraus, um Lucy hindurch zu lassen, die schmollend von dannen zog. Mit wenigen Schritten war Sting beim Tisch und hatte sich darüber gebeugt, um Rogue einen Kuss zu geben. Langsam kam dieser wieder richtig zu sich. „Deine kleine Schwester ist echt furchteinflößend, Sting“, nuschelte er und wünschte sich, seine Wangen würden nicht jedes Mal in Flammen aufgehen, wenn Sting ihm auch nur nahe kam. „Ich weiß. Sie meint es eigentlich nur gut, aber das war unnötig“, erwiderte Sting und in seinen kobaltblauen Augen lag ein Urvertrauen, bei dem Rogue ganz schwindelig wurde. „Die Abreibung kriegt sie, wenn ich nicht mehr befürchten muss, dass bei ihr jederzeit die Wehen einsetzen können.“ Nach einem weiteren kurzen Kuss richtete Sting sich wieder auf und folgte seiner Schwester aus der Küche. Rogues Lippen kribbelten noch eine ganze Weile, während er langsam damit begann, die Lernkarten wieder einzusammeln, um ja nicht in Minervas Richtung blicken zu müssen. Die schnipste ihm eine davon direkt unter die Nase und am Klang ihrer Stimme bemerkte er sofort, dass sie aufs Äußerste amüsiert war: „Vielleicht sollten wir für heute Schluss machen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)