Das Leben erzählt die besten Geschichten von Yosephia (Modern-AU / OS-Sammlung) ================================================================================ Das Sternbild des Löwen ----------------------- Alterf – Das Kennenlernen „Fullhouse!“ Von allen Seiten erklang Stöhnen, als Yukino grinsend den gesamten Gewinn zu sich rüber zog – Gummibärchentütchen, einzeln verpackte Bonbons, Schokoriegel und Zuckerstangen – und dann sorgsam aufschichtete. „Wie kannst du so ein gutes Pokerface haben?“, fragte Gray ungläubig, dessen Topf nun komplett leer war, während Juvia neben ihm mit ihrer letzten Zuckerstange spielte. Die Weißhaarige grinste nur geheimnisvoll. Von der anderen Seite des Tisches her zwinkerte Minerva ihr schalkhaft zu und Yukino zwinkerte vergnügt zurück. Sting und Rogue, die links von Minerva saßen, grinsten einander an, aber keiner der Vier verriet auch nur ein Sterbenswörtchen. Lucy, die auf Nummer Sicher gegangen war, frühzeitig ausgestiegen war und daher noch genug Einsätze auf Reserve hatte, kicherte amüsiert. Natsu, der ebenfalls all in gegangen war, stützte das Kinn auf der Tischplatte ab und schmollte. Er war der lausigste Pokerspieler, den Yukino kannte. Sogar noch schlechter als Juvia, die ihre Mitspieler zumindest manchmal damit täuschen konnte, dass sie sich über die Kartenmotive freute – wobei man das kaum als Strategie bezeichnen konnte, da Juvia das nicht aus Kalkül heraus tat. „Pause“, entschied Gajeel mürrisch, der nur noch drei Schokoriegel und einen Bonbon übrig hatte, und stand auf, um Getränke zu besorgen. Levy, deren Topf noch ordentlich voll war, eilte ihm kichernd hinterher. Aus Rücksicht auf Lucys Zustand hatten sie sich alle darauf geeinigt, nur alkoholfreie Getränke für die Verlobungsfeier von Natsu und Lucy zu besorgen. Dabei hatte Lucy sogar gesagt, dass es ihr nichts ausmachen würde, wenn sie sich ein Bierchen oder Wein gönnen würden, solange sie sich nicht abschossen, aber das hatte gar nicht zur Debatte gestanden. Sie waren sich alle einig gewesen, dass sie Alkohol nicht nötig hatten. Während Gajeel mit einem bunt gefüllten Kasten in das abnorm große Esszimmer der Heartfilia-Villa zurückkam – Levy mit einer riesigen Familienpizza, die sie kaum richtig tragen konnte, hinterdrein –, mischten Meredy und Minerva die Karten neu, wobei sie nicht an allerlei Kartentricks sparten. Die Beiden waren in der geselligen Runde die versiertesten Spielerinnen. Dass Yukino die letzte Runde gewonnen hatte, lag auch daran, dass sowohl Minerva als auch Meredy aufgrund mieser Blätter frühzeitig ausgestiegen waren – denn wie Yukino gelernt hatte, sollte man nur mit einem miesen Blatt bis zum Äußersten weiter bieten, wenn man todsicher war, die anderen Spieler täuschen zu können. Das Läuten der Türklingel ließ alle verwirrt aufblicken. Langsam stand Lucy auf. „Hast du noch jemanden eingeladen, Natsu?“ „Nein, wir hatten uns auf diese Fieslinge da geeinigt“, erklärte Natsu und warf einen bösen Blick in die Runde. „Selbst schuld, wenn du gleich alles in die Mitte schiebst, obwohl du nur zwei Zweien hast“, zog Sting seinen zukünftigen Schwager auf. „Idiot“, spottete Gray, worauf alle ihn und seinen ebenfalls leeren Topf vielsagend ansahen. „Ihr Armen“, kicherte Lucy und strich zärtlich durch die Haare ihres Verlobten, ehe sie das Esszimmer verließ. Minerva und Meredy verteilten gerade synchron die Karten, wobei sie es irgendwie schafften, einander überhaupt nicht ins Gehege zu kommen, als von der Tür ein freudiges Quietschen erklang, gefolgt von einem Lachen, das Yukinos Herz flattern ließ. Nun waren alle neugierig und standen auf, um sich in den Eingangsbereich der großen Villa zu begeben, die schon seit mehreren Generationen im Familienbesitz der Heartfilias war. An der Tür stand Lucy und umarmte einen hochgewachsenen Mann in Natsus und Grays Alter, der einfach umwerfend gut aussah. Wie gebannt betrachtete Yukino das mähnenartig gestylte kupferfarbene Haar, die markanten Gesichtszüge und die braunen Augen. Obwohl der Mann aufgrund der eisigen Februartemperaturen einen Parka trug, war sich Yukino sicher, dass er einen gut trainierten Oberkörper hatte – und schon im nächsten Moment wurden ihre Wangen bei dem Gedanken an eben diesen Oberkörper heiß. „Da brat’ mir doch einer nen Storch!“, lachte Sting und war mit wenigen Schritten bei der Tür, um den Fremden ebenfalls zu umarmen. „Loke, du Gauner, wieso hast du dich nie gemeldet?“ „War viel zu tun in Crocus“, erklärte der Mann mit einer tiefen Stimme, die schon wieder Yukinos Herz vibrieren ließ. Seine Lippen umspielte ein joviales Lächeln und seine Augen funkelten. „Aber da ich nun in Magnolia wohne, dachte ich mir, ich schaue mal bei meinen Lieblingscousins vorbei.“ „Alter Charmeur“, lachte Lucy und drehte sich mit strahlenden Augen zu den Anderen um. „Leute, das ist Loke, unser Cousin. Seine Eltern sind vor zehn Jahren nach Crocus gezogen und diese treulose Nudel hat den Kontakt einschlafen lassen.“ Der junge Mann zuckte mit einem unschuldigen Grinsen mit den Schultern und wandte sich Natsu zu, der zuerst vortrat und ihm die Hand anbot. „Das ist Natsu, mein Verlobter“, erklärte Lucy voller Stolz und schenkte dem Pinkhaarigen ein verliebtes Lächeln, das Yukino als stiller Beobachterin unwillkürlich auch ein Lächeln entlockte. Sie freute sich sehr für ihre alte Schulfreundin, dass die den Mann fürs Leben gefunden hatte. „Du Glückspilz“, gratulierte Loke und schlug in die Hand ein. Dann wandte er sich den Anderen zu. Er reichte Rogue, der ganz am Rand stand, die Hand und dann stand er auf einmal direkt vor Yukino. Sie musste zu ihm aufblicken und auf ihre Wangen schlich sich noch mehr Hitze, als sie seinem Blick begegnete. Zaghaft reichte sie ihm die Hand, doch zu ihrem Erschrecken beugte er sich vor und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. Bei der Berührung seiner Lippen wurde Yukino abwechselnd heiß und kalt. „Und du bist…?“, fragte er mit vibrierender Stimme und blickte aus seiner gebeugten Haltung zu ihr auf, ihre Hand noch immer in seiner haltend, seine Lippen ganz nahe an ihrem Handrücken, sodass sie seinen Atem spüren konnte. Der Weißhaarigen gaben beinahe die Knie nach. „Yu-yukino Aguria“, stammelte sie mühsam. „Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Yukino Aguria“, raunte er vertraulich, ehe er endlich ihre Hand losließ und sich wieder aufrichtete, um sich dem nächsten zu zuwenden. Als er Meredys Hand ebenfalls küssen wollte, ergriff diese die seine und schüttelte sie kräftig, während sie mit der Linken eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, sodass ihr Ehering gut zur Geltung kam. „Meredy Vastia“, erklärte sie bestimmt. „Lyon Vastia“, stellte sich ihr Mann vor und schüttelte Lokes Hand, doch seine sonst so entspannte Miene wirkte nun etwas steif. Als nächstes kam Minerva, deren Miene unverhohlen abweisend war. Sie bot Loke ihre Hand nicht an, sondern nannte ihm nur ihren Namen, sodass er sich schnell der neben ihr stehenden Juvia zuwandte. Mit einem verärgerten Stirnrunzeln legte Gray den linken Arm um die Schultern seiner Freundin, sodass sie ihre rechte Hand nicht heben konnte, und reichte Loke die Hand. „Gray Fullbuster und Juvia Lockser“, erklärte er angespannt. Lokes Mundwinkel zuckten, als er dem Paar zunickte und sich dann Levy zuwandte. Allerdings beließ er es nach einem Blick auf Gajeels finstere Miene auch bei ihr bei einem Nicken, nachdem sie ihm ihren Namen genannt hatte und danach noch den ihres Freundes, der keine Anstalten machte, dem Fremden die Hand zu reichen. Dann stellte sich unbehagliches Schweigen ein. Yukino bemerkte, wie Lucy und Sting einander unruhig ansahen, während Loke immer noch mit milde zuckenden Mundwinkeln die Hände in die Taschen seines Parkas schob. „Nun, ich will nicht eure Party sprengen, eigentlich wollte ich sowieso zu Tante Layla.“ „Ma ist mit Jude im Urlaub“, erklärte Sting. „Jude hat sich endlich mal Zeit freischaufeln können. Die Beiden sind erst in anderthalb Wochen wieder da.“ „Dann komme ich ein anderes Mal wieder“, verkündete Loke unbeschwert und ging zurück zur Tür. Noch einmal umarmte er Lucy, die jedoch zu verwirrt war, um die Geste richtig zu erwidern, und klopfte Sting auf die Schulter. „War schön, euch mal wieder zu sehen. Ich melde mich demnächst.“ „Und es war nett, eure Bekanntschaft zu machen“, fügte er mit einem weiteren jovialen Lächeln in die Runde hinzu. Für einige Sekundenbruchteile begegnete sein Blick Yukinos und schon wieder wurde der Weißhaarigen ganz schwummrig zumute. Bildete sie sich das ein oder schenkte er ihr ein ganz spezielles Lächeln? „Bis zum nächsten Mal“, sagte er noch etwas leiser, dann drehte er sich um und trat aus der Tür. Noch immer schwiegen die Freunde, bis Sting, der sich unbehaglich den Nacken rieb, vorschlug, dass sie sich erst einmal über das Essen hermachen sollten, das in der Küche bereit stand. Benommen folgte Yukino ihren Freunden zurück ins Esszimmer, als Minerva sie mit einem Zupfen am Ärmel zurück hielt. Ihre olivgrünen Augen musterten Yukino sorgsam. „Ist alles in Ordnung?“ War es das? Noch immer hatte Yukino das Gefühl, Lokes Lippen auf ihrer Hand zu spüren. Ihre ganze Hand kribbelte davon und bei der Erinnerung an Lokes Augen flatterte ihr Herz sofort wieder. Sie hatte schon ein paar Mal mit Jungen und Männern geflirtet. Allein ihr Job im Cherry Blossom brachte das nun einmal mit sich. Aber so hatte sie sich wirklich noch nie gefühlt! „I-ich… ich denke schon“, antwortete sie heiser, weil sie sonst nicht wusste, was sie sagen sollte. Das schien Minerva jedoch nicht zufrieden zu stimmen. Die Schwarzhaarige knirschte sogar leise mit den Zähnen. „Du solltest diesen Lackaffen gleich wieder vergessen. Der ist nur auf ein flüchtiges Abenteuer aus. Du hast etwas Besseres verdient“, erklärte sie mit gedämpfter Stimme und brachte Yukinos kurze Haare durcheinander, ehe sie den Anderen in die Küche folgte, die sich dort eine Salatschüssel oder eine Platte oder einen Korb schnappten, um alles ins Esszimmer zu bringen, wo Sting und Rogue bereits den Tisch vorbereiteten. Die Beiden Freunde blickten aufmerksam zu Yukino, die mitten im Raum stand und sich geistesabwesend die Haare wieder glatt strich. Hatte Minerva wirklich Recht? War Loke so oberflächlich? Yukino konnte es sich selbst nicht erklären, aber der Gedanke machte sie entsetzlich traurig… Delta Leonis – Das Verhör Einige Dinge würden sich wohl nie ändern und dieses Mal hatte Loke es mit einer Sache zu tun, von der er auch inständig hoffte, dass sie sich nie ändern würde. Ja, er mochte jetzt seinen extrem sturen Cousins gegenüber sitzen, die von ihm Rede und Antwort verlangten, aber das war ihre Art, sich um ihn zu sorgen – und er wusste gar nicht mehr, wie lange es her war, dass sich jemand um ihn gesorgt hatte. Es war ein gutes Gefühl. Vielleicht hätte er schon früher nach Magnolia zurückkehren sollen, aber gut, er hatte Gründe für sein Fernbleiben gehabt und auch jetzt noch machten diese Gründe ihm zu schaffen. „Also…“, begann Lucy, während sie ihre Teetasse wieder abstellte, von der sie vorsichtig genippt hatte, ohne Loke aus den Augen zu lassen. Sie war noch genauso resolut wie früher. Beinahe wurde der junge Mann wehmütig bei so vielen schönen Kindheitserinnerungen. „Was hast du in den letzten zehn Jahren getrieben, dass du dich nie bei uns melden konntest oder wolltest?“ Mit dieser Frage hatte Loke gerechnet und er hatte sich eine passende Antwort zurechtgelegt, aber nun zögerte er doch, seinen Text einfach runter zu rattern. Zu gerne hätte er Lucy und Sting einfach alles erzählt, schon damals, als alles vor die Hunde gegangen war, aber damals wie heute schämte er sich viel zu sehr für all den Scheiß, den er verbockt hatte. Wie könnte er ihnen, die ihr Leben wunderbar gemeistert hatten – hey, Lucy war immerhin verlobt und im dritten Monat schwanger, wie er mittlerweile erfahren hatte, während Sting als KfZ-Mechaniker arbeitete, wie er es als Kind schon gewollt hatte, und sich auf seine Meisterprüfung vorbereitete –, erzählen, wie katastrophal er versagt hatte? „Ich musste mich damals an alles neu gewöhnen und es sind einige Sachen zusammen gekommen, da war nie die Zeit, um sich bei euch zu melden“, sagte Loke also doch, obwohl er sich auch dafür schämte. „Ich habe meinen Schulabschluss nur mit Ach und Krach geschafft, deshalb musste ich nach einem Job suchen, mit dem ich mich über Wasser halten konnte, und na ja, es klappt zwar, aber er frisst ganz schön viel Zeit…“ „Was ist das denn für ein Job, der dir nicht einmal einen einfachen Anruf gestattet?“, fragte Sting Stirn runzelnd, während er die mit Zimt bestreute Sahne seiner Heißen Schokolade löffelte. Loke rang sich ein joviales Lächeln ab, wie er es sich schon vor einigen Jahren antrainiert hatte. „Ich bin Model.“ Die Reaktionen seiner Cousins fielen ziemlich genau so aus, wie er es erwartet hatte. Zuerst starrten sie ihn einfach nur ungläubig an, dann wurde Lucys Miene nachdenklich und Stings Miene skeptisch. Schon wieder wurde Loke wehmütig. Er hatte die Beiden echt vermisst und am liebsten würde er ihnen das einfach sagen, aber dann müsste er auch mit dem Rest der Geschichte rausrücken und das konnte er einfach nicht. Noch nicht. Er schob ihnen eine Zeitschrift zu, den Weekly Sorcerer, auf dem Cover war eine junge Frau mit dunkelbraunen Haaren, kurvig-sportlicher Statur und einem Tattoo auf der linken Taille. Sie trug einen dunkelblauen Bikini mit Schnörkelmuster und grinste verschmitzt in die Kamera, während sie sich an eine Säule lehnte, ein Fuß daran abgestützt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. „Ich bin damals in Crocus gewissermaßen rein gerutscht und es hat Spaß gemacht und brachte Geld. Jetzt habe ich mit dem Umzug die Agentur gewechselt und arbeite für den Weekly Sorcerer“, erklärte Loke lässig. „Seite Siebzehn.“ Lucy blätterte auf die entsprechende Seite. Darauf waren mehrere Fotos von Loke in verschiedenen Outfits, die größtenteils immer seinen Oberkörper frei ließen, entweder komplett oder indem das Hemd nicht zugeknöpft worden war. Sting sah gleich noch skeptischer aus, als er den Blick von der Illustrierten hob. „Früher hast du dich über so etwas lustig gemacht.“ „Früher hat Lucy für den Englischreferendar geschwärmt, heute ist sie mit einem Tischler verlobt“, erwiderte Loke mit einem Schulterzucken. „Das ist schon etwas anderes“, meinte Lucy spitz und schob die Zeitschrift wieder über den Tisch. „Hast du dich deshalb gegenüber unseren Freunden so… affektiert verhalten?“ Loke grinste ungerührt. „Ich hab’ schon gemerkt, die waren nicht gerade begeistert von mir, oder?“ „Das ist noch untertrieben“, murmelte Sting in seine Heiße Schokolade hinein, ehe er seinen Cousin über den Rand seiner Tasse hinweg scharf musterte. „Aber du hast Lucys Frage nicht beantwortet. Was sollte diese Macho-Nummer mit Yukino?“ Es kostete ihm wirklich Kraft, das Grinsen beizubehalten, aber er schaffte es, während er antwortete: „Was für eine Macho-Nummer? Sie ist süß, ich wollte ein bisschen flirten. Hätte ich ahnen können, dass sie Wachhunde hat?“ „Diese Wachhunde sind Rogue und Minerva und glaub’ mir, mit denen willst du es dir nicht verscherzen“, mischte Lucy sich ein. Noch immer sah sie nachdenklich aus. „Loke, früher warst du nicht so.“ „Wie denn so?“, fragte er provokant nach, obwohl er genau wusste, was seine Cousine meinte. „So…“ „Ein Blender? Ein Weiberheld? Ein Vollidiot?“, half Sting unverblümt nach. Das war hart. Gerade weil es von Sting kam und weil Lucy auch keinen Protest erhob. Aber am härtesten war, dass sie Recht hatten. Doch Loke überspielte es, indem er sich theatralisch an die Brust fasste und passend stöhnte. „Wie grausam von euch!“ Sting brummte genervt und auch Lucy runzelte verärgert die Stirn, aber keiner der Beiden ließ sich provozieren. Dabei hatten sie nicht unbedingt das ruhigste Gemüt. Loke hätte gedacht, dass es einfacher wäre, aber insgeheim war er ihnen auch dankbar. Was für eine Scheiß Situation! „Hört mal, das da ist nur ein Job. Ein gut bezahlter Job“, erklärte Loke und tippte auf die Illustrierte vor sich. „Das mit der Kleinen war nur ein Jux. Ich wollte ihr nicht zu nahe treten.“ „Die Kleine heißt Yukino, du Vollpfosten“, knurrte Sting, aber er verstummte, als Lucy ihm eine Hand auf den Arm legte. Bei allem, was ihm heilig war, nicht einmal das hatte sich bei den Beiden geändert! „Loke, was auch immer du sonst noch aus Jux mit Frauen machst, mach’ das nicht mit Yukino oder Juvia“, sagte Lucy ruhig, aber Loke hörte ihre Warnung nur zu deutlich heraus. Schon damals hatte Lucy sich immer für ihre Freunde eingesetzt. Das war einer von vielen Punkten gewesen, warum Loke sie so sehr gemocht hatte. Aber Lucy wäre nicht Lucy, wenn sie nicht auch Klartext sprechen würde: „Du gehörst zur Familie Loke, egal was du hier gerade für eine Nummer abziehst. Aber wenn du einer meiner Freundinnen weh tust, werde ich sauer – und ich bin momentan vollgestopft mit verrückten Hormonen, also lege es lieber nicht darauf an.“ „Ich hänge an meinem Leben, also keine Sorge, ich werde mich von euren Freundinnen fernhalten“, erwiderte Loke nachlässig und stand auf, wobei er seine Geldbörse aus der Gesäßtasche grub und einen Geldschein heraus zog, der ein großzügiges Trinkgeld versprach. „Ich lade euch zur Feier des Tages ein. Lasst es euch gut gehen. Wir sehen uns.“ Er wollte schon in Richtung der attraktiven Kellnerin, die ihn und seine Cousins vorhin bedient und dabei ziemlich eindeutige Signale ausgesendet hatte, verschwinden, aber Sting fischte blitzschnell den Schein aus Lokes Hand und wedelte damit herum. „Danke für die Einladung. Das nächste Mal geht auf mich, ich kenne ein gutes Steak House.“ Verdutzt blickte Loke zu den Beiden hinunter. Obwohl er sich wie ein Ekel verhalten hatte, sahen weder Sting noch Lucy besonders feindselig aus. Im Gegenteil, Beide blickten besorgt und ernst zu ihm auf. Für einen Moment wurde Loke schwindelig. Um das zu kaschieren, schob er seine Sonnenbrille wieder richtig auf die Nase, aber er bemerkte selbst, dass seine Finger zitterten. Verdammtes rührseliges Pack… „Du glaubst wohl, nur weil ich Model bin, kommst du billig aus der Nummer raus, hm?“ „Unwahrscheinlich, wenn Lucy mit dabei ist“, erwiderte Sting glucksend, wofür Lucy ihm mit beleidigt aufgeblasenen Wangen in die Seite kniff. Für einige Sekunden vergaß Loke völlig, was in den letzten zehn Jahren alles schief gelaufen war. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte ausgelassen. Wann hatte er das letzte Mal ehrlich gelacht? Es tat so unglaublich gut. Noch kichernd legte er einen Arm um Lucy und drückte sie kurz an sich, ehe er Sting kameradschaftlich gegen die Schulter boxte. „Leg’ dich nicht mit deiner Schwester an, Sting, gegen Lucy ist kein Kraut gewachsen“, prustete er, ehe er zwei Finger zu einem lässigen Salut an die Stirn hielt. „Bis die Tage.“ Während er sich durch die Tische zum Ausgang des Cafés schlängelte, bemerkte er den hoffnungsvollen Blick der Kellnerin, aber er verspürte nicht die geringste Lust, sich noch ihre Nummer zu besorgen. Heute Abend brauchte er keine Zerstreuung. In seinen Gedanken geisterte ohnehin das Bild einer süßen Weißhaarigen mit entzückend geröteten Wangen und sanften braunen Augen herum – und er wollte dieses Bild nicht durch etwas Bedeutungsloses besudeln. Zumindest für heute Abend wollte er sich dem Glauben hingeben, dass alles gut werden konnte. Dass er sein Leben vielleicht doch noch auf die Reihe kriegen konnte… Aldhafera – Die Warnung Eigentlich vertrat Yukino die Ansicht, dass man Menschen in der Not immer helfen sollte, sofern es denn im Bereich des Möglichen lag – aber heute wünschte sie sich, sie wäre abgebrüht genug gewesen, Gray einfach mit seiner Lucy-Schicht alleine zu lassen. Nicht dass Lucy mit ihren Schwangerschaftshormonen tatsächlich schwieriger als früher wäre – Yukino verbrachte nach wie vor unglaublich gerne Zeit mit ihrer alten Schulfreundin! –, aber der Blonden beim Essen Gesellschaft zu leisten, war so ziemlich die härteste Prüfung, die man sich vorstellen konnte. Zuerst hatte Yukino es ja für übertrieben gehalten, als Gray, kaum dass sie ihm gesagt hatte, Juvia würde nach ihm suchen – eine kleine Notlüge sollte ja wohl erlaubt sein –, aufgesprungen und mit grünlichem Gesicht an ihr vorbei gehastet war, aber jetzt war ihr selbst danach zumute, aufzuspringen und zum nächsten Klo zu rennen. Es gab doch diese ganzen Schauergeschichten darüber, was für verrückte Essenkombinationen Schwangere in sich hinein schaufelten – und in Lucys Fall waren die allesamt sogar noch untertrieben. Während um sie herum der ganz normale Mensa-Trubel herrschte, beobachtete Yukino mit einem unangenehmen Gluckern im Bauch, wie ihre Freundin sich eine Scheibe Vollkornbrot mit mehreren Schichten belegte, die in der Kombination einfach nur grausam waren. Hering, Rote Beete, fettarmer Käse, Gurke, Hähnchenbruststreifen und obenauf Apfelringe. Zugegeben, es war schon ein Kunststück, das alles auf eine einzige Brotscheibe zu kriegen und davon abzubeißen, ohne dass der Turm gleich wieder in sich zusammen fiel, aber Yukinos Magen fühlte sich allmählich an, als würde er sich gleich nach außen stülpen. Um sich abzulenken, hatte sie ihre Aufzeichnungen für das Referat heraus geholt, das sie in zwei Wochen halten musste, aber ihr Blick wurde immer wieder wie magisch von der Mahlzeit ihrer Freundin angezogen. Es war wie bei einem Autounfall – man wollte weg sehen, aber man konnte einfach nicht. Sogar an einigen der Nachbartische beobachteten die Leute dieses absonderliche Schauspiel beinahe schon wie gebannt. Als Lucy eine weitere Scheibe Brot heraus holte und diese zuerst mit Senf bestrich, ehe sie Tomatenscheiben darauf verteilte, suchte Yukino geradezu panisch nach einem Gesprächsthema, um die Blonde abzulenken. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, platzte sie mit dem erstbesten heraus, was ihr in den Sinn kam: „Wie geht es eigentlich deinem Cousin? Hat er sich schon wieder in Magnolia eingelebt?“ Lucys Kopf ruckte hoch. Für einen Moment war Yukino einfach nur dankbar, denn Lucy verschwendete jetzt offensichtlich keinerlei Gedanken mehr an die Konstruktion auf ihrem Teller. Doch dann wurde der Weißhaarigen klar, was für ein heikles Thema sie dort angeschnitten hatte. Heikel vor allem für sie selbst. Seit Loke vor zwei Monaten in Natsus und Lucys Verlobungsfeier hinein geplatzt war, war Yukino ihm nicht noch mal begegnet, dennoch bekam sie ihn nicht aus dem Kopf. Noch immer glaubte sie manchmal, das Kribbeln auf ihrer Hand zu spüren, das seine Lippen verursacht hatten, und der Blick seiner braunen Augen verfolgte sie bis in ihre Träume. „Gut, glaube ich“, sagte Lucy langsam. „Sting und ich treffen ihn hin und wieder mal auf einen Kaffee, aber für mehr hat er nie Zeit. Sein… Job nimmt ihn ganz schön in Anspruch.“ „Was ist das denn für ein Job?“, fragte Yukino verwirrt. Bislang hatten Lucy und Sting nie irgendetwas über Loke erzählt. Dabei waren die Beiden normalerweise nicht solche Geheimniskrämer. „Er modelt für den Weekly Sorcerer“, erklärte die Schwangere wenig begeistert. Unwillkürlich stellte sich Yukino den jungen Mann bei einem Fotoshooting vor. Wie er sich in Pose warf und dabei wieder dieses verführerische Lächeln aufsetzte… Ihre Wangen wurden heiß und zu ihrem Entsetzen bemerkte sie, dass ihre Freundin das sofort bemerkte. Verschwörerisch beugte Lucy sich vor. „Yukino, du schwärmst doch nicht etwa für Loke?“ „N-natürlich nicht! Ich kenne ihn doch gar nicht richtig“, quietschte die Weißhaarige hastig, aber sie wusste genau, dass sie sich schon verraten hatte. „Also ja“, seufzte Lucy und lehnte sich wieder zurück, ihre Miene auf einmal sehr angespannt. Yukino hätte mit einem begeisterten Verhör oder mit Verkupplungsplänen oder irgendetwas in der Richtung gerechnet, aber nicht damit. Das vertrieb ihre Verlegenheit beinahe augenblicklich und ließ sie sogar die Stirn runzeln. „Sollte ich etwa nicht?“ Ihre Freundin schien mit sich zu hadern, aber schließlich beugte sie sich vor. Sofort folgte Yukino der wortlosen Aufforderung und beugte sich ebenfalls vor, damit sie Lucys gedämpfte Stimme verstehen konnte. „Wir wissen nicht genau, was mit ihm ist. Er scheint große Probleme zu haben und wir vermuten, dass er diese Probleme schon seit zehn Jahren hat. Eben seit er damals einfach den Kontakt abgebrochen hat. Aber er umschifft das Thema immer und wir können ihn ja schlecht dazu zwingen, es uns zu sagen. Wir hoffen darauf, dass er sich uns irgendwann anvertraut.“ Manchmal hatte die Blonde ja einen gewissen Hang zur Theatralik, aber davon war ihr nun wirklich nichts anzumerken. In Lucys braunen Augen erkannte Yukino aufrichtige Sorge und sogar Angst. Loke war ihr und Sting eindeutig wichtig. „Wieso seid ihr damals eigentlich nie selbst mal nach Crocus gereist, um Loke zu besuchen?“, fragte Yukino vorsichtig. „Sind wir doch. Zweimal sogar“, erklärte Lucy mit einem frustrierten Seufzen. „Aber beim ersten Mal hat Tante Liza gesagt, Loke wäre nicht Zuhause, und beim zweiten Mal waren sie umgezogen. Wir hatten nie einen besonders guten Draht zu Tante Liza. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir Loke auch gar nicht kennen gelernt, aber er war damals neugierig auf uns und stand eines Tages vor unserer Haustür. Fünf Jahre lang haben wir uns regelmäßig mit ihm getroffen, bis er eben mit seinen Eltern nach Crocus gezogen ist. Er hat damals versprochen, dass er mit uns in Kontakt bleiben würde…“ Der Schmerz, der sich in Lucys Gesichtszügen abzeichnete, stach Yukino unwillkürlich ins Herz. Ihr war klar, dass Loke für Lucy fest zur Familie gehört hatte, und dass es ihr sehr weh getan hatte, als er einfach aus ihrem Leben verschwunden war. Yukino fragte sich, wie sie sich fühlen würde, wenn zum Beispiel Minerva nicht mehr wäre. Das würde eine klaffende Lücke hinterlassen! „Jedenfalls“, erhob Lucy wieder das Wort und ihr Blick war nun ganz eindringlich auf Yukino gerichtet, „weiß ich nicht, ob Loke momentan überhaupt in der Verfassung für eine Beziehung ist.“ „Ich habe doch gar nicht gesagt, dass ich eine Beziehung mit ihm will“, protestierte Yukino mit sofort wieder flammend roten Wangen. „Und ich habe nichts von einer Beziehung speziell mit dir gesagt“, erwiderte Lucy neckisch, aber ihre Miene wurde sofort wieder ernst. „Wirklich, Yukino, Loke ist momentan in einer Casanova-Phase und ich glaube kaum, dass das etwas für dich ist. Ich sage ja nicht, dass du dich von ihm fernhalten sollst. Im Grunde seines Herzens ist er schwer in Ordnung. Du solltest nur seine Flirts nicht so an dich heran lassen. Er macht das leider mit einer Menge Frauen.“ Mit einem unbestimmten „Hm“ lehnte Yukino sich zurück und senkte ihren Blick auf ihre Referatsnotizen, ohne diese tatsächlich zu sehen. Sie wusste nicht, warum, aber irgendwie machte sie der Gedanke traurig, dass Lokes Begrüßung damals überhaupt keine Bedeutung haben sollte. Warf er wirklich allen Frauen diese intensiven Blicke zu? Schenkte er allen dieses feine Lächeln? Yukinos Herz tat richtig weh bei der Vorstellung. Aber das war doch albern! Sie kannte Loke doch gar nicht und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm zufällig noch mal begegnen würde, war sehr gering. Immerhin war Magnolia kein Dorf und Loke war ganz offensichtlich schwer beschäftigt. Sie hatte sich da nur zu einer kleinen Spinnerei hinreißen lassen, genau! „Yukino?“ Die Weißhaarige blickte auf. Noch immer sah ihre Freundin sie sehr besorgt an. Yukino rang sich ein beruhigendes Lächeln ab. „Er hat mich damals nur aus dem Konzept gebracht, Lucy, du musst dir nicht so viele Gedanken darum machen. Wenn er sich nicht auf einmal in den Astronomie-Trakt oder ins Cherry Blossom verirrt, werde ich ihn sowieso in nächster Zeit nicht sehen.“ „Du hast wohl Recht“, murmelte Lucy und griff nachdenklich nach einer weiteren Box, aus welcher sie Ananasringe holte, welche sie auf die Brotscheibe mit dem Senf und den Tomaten legte. „Wenn er sich nicht mehr so machohaft gibt, lade ich ihn mal zu einem unserer Treffen ein. Vielleicht werden Gray und die Anderen ja doch noch warm mit ihm.“ Machohaft. Casanova-Phase. Lackaffe. Die Worte stießen Yukino sauer auf. Sie vertraute Minerva und Lucy blind und sie wollte ihre Warnungen keineswegs in den Wind schlagen, aber ihre Urteile über Loke gefielen ihr irgendwie nicht. Sie hatte dabei das Gefühl, dass sie Loke schweres Unrecht taten, wofür sie sich selbst gleich wieder einen Dummkopf schalt. Sie kannte den jungen Mann doch gar nicht, wie konnte sie also wissen, ob er nicht tatsächlich ein Casanova war? Und doch… Yukinos Gedanken verflüchtigten sich, als ihre beste Freundin auf einmal in die Höhe schoss und in Richtung Toilette hechtete. Schnell raffte sie ihre und Lucys Sachen zusammen – nur das grauenhafte Werk, das sich Mittagessen schimpfte, musste sie zurücklassen – und eilte ihrer Freundin hinterher. Aus der dritten Kabine von links erklangen ziemlich eklige Würgegeräusche. Eine Studentin, die an der halboffenen Kabinentür vorbei ging, rümpfte angeekelt die Nase, wofür Yukino ihr eine Grimasse schnitt. Sie legte die Sachen ab und ging zu ihrer besten Freundin, um ihr über den Rücken zu reiben. In einer Operationsbesprechung hatte Natsu sie und alle Anderen bereits darauf vorbereitet, dass die Kotzanfälle seiner Verlobten jedes Mal ohne Vorwarnung kamen. Alle Eingeweihten wussten schon längst, was Lucy dann am besten half, und daher konzentrierte Yukino sich jetzt voll und ganz auf ihre beste Freundin. Für Gedanken an irgendetwas anderes hatte sie jetzt überhaupt keine Zeit. R Leonis – Die Kollegen „Cool, cool, coooooool!“ Loke unterdrückte ein genervtes Seufzen, als Jason neben Warren, dem Fotobearbeiter, auf und ab hüpfte, der auf seinem IPad die Bilder vom gerade abgeschlossenen Shooting durch ging. Schön und gut, dass Jason immer mit Feuereifer dabei war, aber Loke konnte bei weitem nicht so viel Begeisterung für ein paar Bilder aufbringen. Nicht einmal am Anfang, als es noch Spaß gemacht hatte, war er jemals so ausgerastet. Er schlüpfte in den Bademantel, den die Assistentin Enno ihn reichte, wobei ihr Blick einmal ausgiebig von unten nach oben über seinen Körper wanderte, ehe sie ihn mit einem ziemlich eindeutigen Lächeln bedachte. Loke erwiderte das Lächeln mit einem Zwinkern. Warum eigentlich nicht? Mit Enno war es immer so schön unkompliziert… „Oi, Loke, altes Haus, endlich fertig?“ Jemand schlug Loke hart gegen die Schulter, aber er kannte das bereits und war darauf gefasst, weshalb es ihn nicht wie am ersten Tag ins Straucheln brachte. Er drehte sich zu einer jungen Frau mit langen, dunkelbraunen Haaren um, die bereits ihre Straßenkleidung trug. Ein blaues bauchfreies Top, eine braune Lederjacke und schwarze Hüftjeans. Cana Alberona, der Star des Weekly Sorcerer. Sie war schon genauso lange wie Loke in der Branche, aber im Gegensatz zu ihm hatte sie noch immer Spaß daran. Schon oft hatte Loke sie darum beneidet. Alles wäre so viel einfacher, wenn er das hier auch lustig finden könnte. „Jason wollte dieses Mal aber besonders viele Bilder von dir. Vielleicht will er dich aufs Cover bringen, um die Verkaufszahlen anzukurbeln“, lachte Cana munter. „Dann brauchen wir ne eigene Abteilung für deine Fanpost.“ Loke grinste unverbindlich. „Wir hatten bei meiner Einstellung ausgemacht, dass ich nicht aufs Cover komme.“ „Och, wenn die Redakteure das anders entscheiden, haben wir Hupfdohlen nicht mitzureden“, erwiderte Cana mit einer wegwerfenden Handbewegung und einem unbekümmerten Grinsen. „Was soll’s? Wird dir schon nicht schaden.“ Da war Loke anderer Meinung, aber er wusste, dass Cana das nicht verstehen würde. Nicht weil sie dumm wäre. Soweit er wusste, besuchte sie sogar aus Spaß einige Kurse an der Universität. Aber das hier war ihre Welt. Sie war nicht wie er von der Straße weg gecastet worden, sondern hatte sich gezielt beworben. „Lass’ uns feiern gehen, Loke. Kamika, Cosmos und Eve sind auch mit dabei.“ „Eigentlich hatte ich schon etwas vor…“, begann Loke lässig und sah sich absichtlich offensichtlich nach Enno um. Cana wackelte verstehend mit den Augenbrauen und grinste gleich noch breiter. „Schon kapiert.“ Und dann holte sie zu Lokes Entsetzen Luft und pfiff laut, um die Aufmerksamkeit der Set-Assistentin auf sich zu ziehen. „Jo Enno, hast du Lust, mit uns feiern zu gehen?“ Die Violetthaarige nickte sofort bereitwillig und warf Loke dabei ein verruchtes Lächeln zu, das er mühsam erwiderte. „Perfekt. Je mehr, desto besser“, triumphierte Cana. „Also hopp, hopp, Loke, wir wollen ins Sabertooth, da haben sie die besten Drinks.“ „Ich fliege“, erklärte Loke bemüht eifrig und ging hinüber zu den Umkleidekabinen. Zum Glück hatte er das kleine Kabuff für sich alleine. Er lehnte sich gegen die Innenseite der Tür und versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Verdammt, ihm war so kotzübel… Mit klammen Fingern zog er sich seine Baggy Jeans und das langärmelige schwarze Hemd an, dessen Kragen er besonders sorgfältig aufrichtete. Mehrmals fuhr er sich mit den Händen durch die Haare, richtete einzelne Strähnen, aber das Zittern wollte einfach nicht nachlassen. Das Vibrieren seines Smartphones ließ ihn innehalten. Er holte das Gerät heraus und löste die Tastensperre auf. Eine Nachricht von Sting: Lust auf nen Spieleabend? Lucy ist momentan süchtig nach Tabu :D Oh Mann, dieser alte Schinken! Was hatten sie das damals nicht rauf und runter gespielt. Immer und immer wieder. Sie hatten sogar Erweiterungskarten gekauft, weil sie die normalen schon in- und auswendig gekannt hatten. Lucys Zeichnungen waren grottenschlecht gewesen – oder sie hatte es ihnen einfach mit Absicht besonders schwer machen wollen -, aber dafür waren ihre Erklärungen allererste Sahne gewesen. Und Stings Pantomime! Loke und Lucy hatten damals immer wieder so laut gelacht, dass Spetto, die alte Haushälterin, jedes Mal besorgt herein gelugt hatte, ob auch alles in Ordnung war. Loke tippte eine Antwort: Bin dabei! Wann und- Ein Poltern an der Tür ließ Loke zusammenfahren. Das Smartphone rutschte ihm aus der Hand und landete mit einem leisen Knacken am Boden. „Jo, Loke, mach’ hinne!“, erklang Kamikas herrische Stimme. „Bin gleich da!“, rief er zurück und ging in die Hocke. Der Bildschirm seines Smartphones war schwarz. Als er das Gerät einschalten wollte, tat sich nicht das Geringste. „Fuck…“ „Loke! Wir gehen gleich ohne dich“, erklang Cosmos’ zwitschernde Stimme. Resigniert schob sich Loke das kaputte Smartphone zurück in die Hosentasche, schnappte sich seine schwarze Lederjacke und verließ die Umkleidekabine. Davor warteten bereits seine Kollegen auf ihn. Eve zwinkerte ihm verschwörerisch zu, Cana nahm gerade einen kräftigen Schluck von einer Bierflasche, die sie wahrscheinlich aus dem Pausenraum hatte mitgehen lassen – ein verdächtig verräuchertes Kabuff, das Loke nur ein einziges Mal an seinem ersten Tag betreten hatte und danach nie wieder. „Bereit?“, fragte Cana mit einem vorfreudigen Grinsen. „Lasst uns endlich gehen“, drängelte Cosmos und strich sich geziert durch die lockigen rosafarbenen Haare. Enno kam dazu und legte wie selbstverständlich einen Arm um Lokes Hüfte. Der schenkte ihr ein verruchtes Lächeln und schlang den Arm um ihre schmalen Schultern, um so mit ihr den Anderen zu folgen. Vor seinem inneren Auge sah er Sting, wie er den besten Pantomime-Löwen der Welt zum Besten gab, und er verspürte eine geradezu schmerzhafte Sehnsucht nach den alten Tagen, als so etwas wie unverbindliche Liebschaften noch nicht zu seinem Markenzeichen gehört hatten… Ras Elased Australis – Die Begegnung Summend band Yukino ihre schwarze Schürze fest und richtete nach einem prüfenden Blick in den Spiegel den Kragen ihrer rosafarbenen Bluse mit dem Kirschblütenemblem auf der linken Brust, dem Markenzeichen des Cherry Blossom, für das sie nun schon seit anderthalb Jahren kellnerte, ehe sie nach vorn in den Thekenraum ging. Es war ein gemütliches, kleines Café am Platz vor der Kardia Kathedrale. Die Wände waren zur Hälfte mit hellem Holz vertäfelt und zur anderen Hälfte weiß verputzt und mit stilisierten Kirschblütenzweigen bemalt. Anstatt von Stühlen gab es Korbsessel mit wollenen Decken und Kissen in kräftigeren Farben. Die Sessel gruppierten sich um kleinere und größere Glastische herum, auf welchen Blumengedecke drapiert waren. Auf dem Schrank neben der Theke, welcher allerlei Utensilien beinhaltete, die die Kellner brauchten, stand ein Radio und dudelte leise vor sich hin. Die Theke selbst war auch mit hellem Holz verkleidet und liebevoll mit einem großen Kirschzweig voller geöffneter Blüten bemalt. Ein handbeschriebenes Schild über der Theke gab genau wie die handbeschriebenen Kärtchen auf den Tischen Auskunft über die derzeitige Kuchen- und Teeauswahl. Wie immer um die Mittagsstunde war das Café gut besucht. Die vielen Gespräche verursachten ein mal auf- mal abschwellendes Brummen wie in einem Bienenstock, durchsetzt von gelegentlichen Lachern und Rufen. Es roch nach Kaffee und Kakao und nach verschiedenen Teearomen. Yukino schnupperte angeregt, als sie das Aroma des neuen Sommertees wahrnahm. Wasserminze und Erdbeer. Sie war selbst ganz begeistert davon. Hisui, die Tochter des Café-Inhabers, blickte lächelnd von einer Einkaufsliste auf, als Yukino neben sie trat. Wie Yukino trug sie eine schwarze Schürze und eine rosafarbene Bluse, ihre jadegrünen Haare hatte sie sich locker-elegant nach oben gesteckt. Sie schob der Jüngeren eine dicke Börse zu, die bereits ausgezählt worden war. Yukino verstaute sie sorgsam in der Tasche ihrer Schürze. „Hinten an Tisch Fünf ist ein neuer Gast“, erklärte Hisui, ehe sie sich wieder der Liste widmete. Yukino zückte einen Notizblock – ebenfalls mit einer Kirschblüte bedruckt – und schlängelte sich durch die besetzten Tische hindurch. Als sie besagten Tisch erreichte, blieb sie jedoch überrascht stehen, denn dort saß niemand geringerer als der Cousin ihrer besten Freundin. Wie immer sah Loke unbeschreiblich gut aus. Er trug Jeans mit Auswascheffekt und ein rotes Hemd mit aufgestelltem Kragen. Seine Haare waren wie immer perfekt gestylt und auf seiner Nase saß eine halbdurchsichtige Sonnenbrille. Er hatte Yukino noch nicht bemerkt und blickte durch das Fenster zum Wahrzeichen der Stadt Magnolia hinüber, doch Yukino glaubte nicht, dass er die Kathedrale tatsächlich richtig sah. Sein Blick schien vielmehr durch das Gebäude hindurch in weite Ferne zu gehen und seine Miene wirkte im Profil irgendwie… einsam und schwach und sehnsüchtig… Hastig senkte Yukino den Blick. Sie hatte das Gefühl, den jungen Mann bei einem sehr intimen Moment erwischt zu haben. In ihrer Brust stritten sich die Emotionen. Ein Teil von ihr hätte Loke aus irgendeinem Grund gerne in den Arm genommen, was sie unwillkürlich erröten ließ. Sie wurde abgelenkt, als ihr Blick zufällig auf Lokes rechte Hand fiel, die mit einem kleinen, kupferfarbenen Gegenstand herumspielte. Er sah aus wie einer der Spielechips, die Minerva und die Anderen immer für ihre Pokerabende verwendeten, aber darauf war eine Gravur, anscheinend ein Zitat. Im Zentrum des Chips stand 10y. Loke ließ ihn über seine Finger rollen, schloss ihn fest in die Faust, dann drehte er ihn mit dem Zeigefinger über den Tisch, dann ging es wieder von vorne los. Yukino hatte das Gefühl, den Chip erkennen zu müssen, aber sie kam nicht darauf. Noch immer hatte Loke sie nicht bemerkt und allmählich fühlte Yukino sich wie eine Stalkerin. Verlegen räusperte sie sich und setzte ihr Bedienerlächeln auf, doch es fühlte sich nicht so leicht und fröhlich wie sonst immer an, sondern richtig krampfhaft. Loke zuckte erschrocken zusammen und schloss hastig die Faust um den seltsamen Chip, als wollte er ihn unbedingt verstecken. Als er sich zu Yukino umdrehte, setzte er ein gekünstelt-charmantes Lächeln auf, bei dem Yukino sich äußerst unwohl fühlte. Auf einmal verstand sie, was Lucy mit dem Casanova-Gehabe gemeint hatte. War Loke an jenem Abend in der Villa der Heartfilias eigentlich auch schon so gewesen? „Oh…“, machte Loke, als er Yukino erkannte. Etwas in seiner Miene zuckte und sein Gesichtsausdruck wandelte sich, wurde weicher und wärmer, aber auch unsicherer. „Yukino, richtig? Du bist eine Freundin von Lucy und Sting. Ich dachte, du studierst.“ „Tue ich auch. Ich verdiene mir hier ein bisschen was dazu“, erklärte Yukino verlegen. „Ich spare für ein Teleskop und einige gute Sternatlanten und –globen, die sind ganz schön teuer. Und die Mitgliedschaft in der Sternwarte will ich mir auch nicht von meinen Eltern finanzieren lassen, ich bin schon glücklich, dass sie mir das Studium und den Unterhalt bezahlen…“ Sie verstummte, als sie bemerkte, dass sie ins Plappern gekommen war, doch Loke lächelte nachsichtig und interessiert. Jetzt bemerkte Yukino gar nichts mehr von seinem Macho-Gehabe. „Du studierst also Astronomie?“ „Hat Lucy dir das erzählt?“ „Nein, aber wer sich ein Teleskop und Sternatlanten kaufen will und sich eine Mitgliedschaft in der Sternwarte leistet, scheint ziemlich viel mit Astronomie am Hut zu haben“, erklärte Loke zwinkernd. Yukino errötete vor Verlegenheit. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht bequatschen.“ „Schon gut, ich habe nachgefragt“, winkte der junge Mann ab und sein Lächeln wurde dabei noch einige Nuancen wärmer. Yukino schlug das Herz bis zum Hals und sie war sich peinlich berührt bewusst, dass ihre Wangen mittlerweile feuerrot waren. Sie öffnete die Lippen, um nach der Bestellung zu fragen, aber sie brachte keinen Ton zustande. Ein leises Lachen kam von Loke und er strich sich durch die Haare, wodurch er das Styling durcheinander brachte, aber die nun wilderen Haare und die heitere Miene mit den vergnügt funkelnden Augen ließen ihn noch viel besser aussehen. Ein leises Klicken lenkte Yukinos Aufmerksamkeit zu Boden. Dort lag der kupferfarbene Chip. Er musste Loke aus der Hand gefallen sein, als er sich durch die Haare gestrichen hatte. Automatisch ging Yukino in die Hocke, um den Chip aufzuheben. Sie erhaschte einen Blick auf den Anfang des eingravierten Zitats: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen… Dann war da auf einmal Lokes Hand und schnappte den Chip hastig vom Boden weg. Yukino hob den Blick, auf einmal zutiefst bestürzt, denn jetzt wurde ihr klar, was das für ein Chip war – und sie sah Loke an, dass er wiederum ihr die Erkenntnis ansah. Auf seinem Gesicht spiegelten sich nun Entsetzen und Scham wieder, ja, sogar beinahe ein Anflug von Panik. „Tut mir Leid, ich muss gehen“, erklärte Loke fahrig und stand so schnell auf, dass der Korbsessel beinahe umgekippt wäre. Vollkommen perplex blickte Yukino dem jungen Mann hinterher. Es kam ihr wie eine Flucht vor, wie er sich durch die Tische bis zum Ausgang schlängelte. Nur langsam stand Yukino auf. Noch immer beobachtete sie Loke, als Hisui zu ihr kam und sie mit besorgter Miene anstupste. „Ist alles in Ordnung? Ist er dir irgendwie zu nahe getreten?“ „N-nein… er…“ Yukino verstummte, als sie durch das Fenster beobachten konnte, wie Loke draußen eine Frau mit schulterlangen, pinken Haaren begrüßte, die an jeder Hand ein Kind hatte. Die Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beide mit hellblauen Haaren und einander so ähnlich, dass sie Zwillinge sein mussten, schienen etwa zehn Jahre alt zu sein. Die Frau war anscheinend einige wenige Jahre älter als Loke und begrüßte ihn mit einem Lächeln, das sich jedoch in Sorge wandelte. Sie fragte etwas, aber Loke schüttelte hektisch den Kopf. Seine Miene konnte Yukino nicht sehen, bis er plötzlich einen Blick über seine Schulter warf. Wie unter einem Schlag zuckte Yukino zusammen, als sie in Lokes Augen Angst erkannte. Die Pinkhaarige neben Loke folgte seinem Blick und die Sorge in ihrer Miene vertiefte sich. Sie sagte etwas zu Loke. Wieder schüttelte er den Kopf und fuhr sich durch die Haare – bildete Yukino sich das ein oder zitterte seine Hand wirklich? –, ehe er sich wieder umdrehte und der Frau anscheinend vorschlug, woanders hinzugehen. Zumindest nickte sie und deutete dann mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war. Dann verließen sie und Loke mit den beiden verwirrten Kindern den Platz vor dem Cherry Blossom. „Yukino?“ Verwirrt blinzelte die Weißhaarige, als auf einmal Hisuis Gesicht in ihr Blickfeld geriet. Die Ältere sah nun ernsthaft besorgt aus und fühlte sogar Yukinos Stirn. „Ist auch wirklich nichts passiert?“ „Nein, nichts…“, murmelte Yukino und fühlte sich sogleich schuldig, weil sie ihre Chefin und Freundin belog. „Dir scheint es nicht gut zu gehen. Nimm dir einen Tag frei, heute ist ja nicht so viel los und in einer Stunde kommt Lisanna. Wir schaffen das hier schon.“ Yukino wollte zuerst protestieren, aber sie sah ein, dass sie heute nicht würde arbeiten können. Sie gab Hisui die Kellnerbörse zurück und zog sich hinten wieder um, ehe sie sich verabschiedete und auf den Heimweg machte. Während des gesamten Wegs dachte sie an Loke. Wie natürlich er sich ihr gegenüber verhalten hatte, so offenherzig und interessiert, überhaupt nicht machohaft, wie Lucy und Minerva es gesagt hatten. Ob Lucy und Sting von dem Chip wussten? Und wenn nicht, sollte Yukino es ihnen erzählen? Loke schien damit ein ernsthaftes Problem zu haben. Er brauchte jemanden, der ihm beistand. Unwillkürlich wünschte Yukino sich, sie könnte diejenige sein. Aber dann kam ihr wieder die Pinkhaarige in den Sinn. In welcher Verbindung stand sie zu Loke? Und diese Kinder… „Yukino, bist du das?“ Die Weißhaarige zuckte zusammen. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie das Haus ihrer Eltern betreten hatte, ohne überhaupt richtig darüber nachzudenken. Sie stand auf Höhe der Küchentür, von wo ihr Lucy und Minerva mit ernsten Mienen entgegen blickten. Hatte Hisui die Beiden etwa angerufen? Yukino verwarf den Gedanken wieder. Soweit sie es wusste, waren Lucy und Hisui nicht so eng befreundet und Minerva war sehr geizig im Bezug auf ihre Handynummer. „Was macht ihr denn hier?“, fragte sie, als ihr langsam weitere Details auffielen. Lucy hatte vor sich mehrere Pläne liegen, die in ihrem Strukturierungswahn anschaulich farbig gestaltet waren. Einer der Pläne trug Sting als Überschrift, ein weiterer Rogue. Auf einem Schmierzettel erkannte Yukino Stichworte wie Natsu und Frosch. „Lucy hat eine Idee bezüglich Sting und Rogue“, erklärte Minerva, die Yukino aufmerksam musterte. Die Weißhaarige wusste bereits, dass sie um eine Befragung nicht herum kam, sobald Lucy aus dem Haus war, aber sie war mittlerweile fest entschlossen, nichts über das zu erzählen, was sie über Loke heraus gefunden hatte. „Ihr meint, weil die Beiden sich seit Wochen so komisch verhalten?“, fragte Yukino und setzte sich an die Stirnseite des Küchentisches. „Das ist noch harmlos ausgedrückt. Die Beiden gehen mir tierisch auf die Nerven. Ich bin also definitiv dabei, Lucy“, erklärte Minerva und wandte sich wieder an die Blonde, die mittlerweile einen beachtlichen Schwangerschaftsbauch vor sich her trug. „Sehr gut! Was ist mit dir Yukino?“ Die Weißhaarige runzelte die Stirn. „Was habt ihr denn vor?“ Ein leicht verrückt anmutendes Grinsen schlich sich auf Lucys Gesicht. Sie wirkte wie ein verschrobener Wissenschaftler aus diesen trashigen Filmen, die sie manchmal zusammen sahen, wenn sie keine Lust auf etwas Anspruchsvolles hatten. „Aaaalso…“ Sehr aufmerksam hörte Yukino den ausgeklügelten Ausführungen ihrer besten Freundin zu. Der Plan war tatsächlich sehr clever und er würde Sting und Rogue hoffentlich wirklich auf die Sprünge helfen. Und es lenkte Yukino von ihren widerstreitenden Gefühlen in Bezug auf Loke ab. Zosma – Der Vertrag „Loke, komm’ mal rüber, du musst dir etwas ansehen“, rief Jason quer durchs ganze Studio. Der junge Mann unterdrückte ein Seufzen. Eigentlich hatte er sich einfach davon stehlen wollen. Er fühlte sich schrecklich ausgelaugt und wollte unbedingt einer weiteren Party mit Cana und den Anderen entgehen. Langsam wusste er nicht mehr, wie er diese Partys überstehen sollte, ohne eine Dummheit zu begehen. Obwohl er wieder regelmäßig zu den Meetings ging und sich obendrein mit Aries und den Kleinen traf, stieß er allmählich an seine Grenzen. Vor allem auch deshalb, weil sich in ihm Gefühle aufstauten, die ihm ganz und gar nicht behagten. Seit er Yukino im Cherry Blossom getroffen hatte, wusste er nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Für einige wundervolle Minuten hatte er völlig vergessen, in was für einer Scheiße er steckte. Yukinos Charme hatte ihn völlig verzaubert. Umso schlimmer war es für ihn gewesen, als ausgerechnet sie sein dunkelstes Geheimnis heraus gefunden hatte. Was mochte sie jetzt über ihn denken? Hielt sie ihn für einen Taugenichts? Folgte sie den Vorurteilen ihrer Freunde, die aus ihrer Abneigung gegen Loke schon beim ersten Treffen damals keinen Hehl gemacht hatten? Loke würde nur zu gerne glauben, dass Yukino nicht so war, aber um sein Herz schloss sich jedes Mal eine eiskalte Faust aus Angst, wenn er an die Bestürzung in Yukinos Blick dachte. Doch aller Angst zum Trotz sehnte sich ein Teil von ihm nach der sanften Weißhaarigen mit diesen wunderschönen braunen Augen. Vor seinem geistigen Auge sah er sie immer wieder, wie sie mit leuchtenden Augen von dem Teleskop erzählte, dass sie sich kaufen wollte, sah die entzückende Röte ihrer Wangen, sah ihr sanftes Lächeln... Seit diesem Treffen brachte er es nicht mehr über sich, Ennos Einladungen anzunehmen. Sie war zuerst etwas pikiert gewesen, aber irgendwann hatte sie ihn ahnungsvoll angesehen und es einfach mit einem Schulterzucken abgetan. Seitdem pflegten sie einen rein kollegialen Umgang. Zumindest an der Front war alles geklärt, aber alle anderen verhärteten sich für Loke Tag für Tag. Darum bemüht, seine lässige Fassade aufrecht zu erhalten, durchquerte Loke das Studio und stellte sich neben Jason, der hibbelig auf Warrens Bildschirm deutete. Loke wurde schwummrig zumute, als er begriff, was er dort sah: Auf dem Bild trug er lediglich ein offenes weißes, halbdurchsichtiges Hemd, der Bildausschnitt endete an der Hüfte, ließ aber genug Spielraum für geneigte Betrachter, sich den Rest zu denken. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und blickte mit schief gelegtem Kopf nach oben, die Haare, ausnahmsweise ohne Gel, hingen ihm halb ins Gesicht. Darüber prangte der Titel der Zeitschrift, links und rechts die Hauptschlagzeilen. „Jason, wir hatten doch ausgemacht, dass ich keine Coverfotos gebe“, begann er langsam, doch Jason wedelte hektisch mit der Hand. „Papperlapapp! Die Leserinnen sind von dir begeistert, Loke. Die Redakteure wollen das ausnutzen. Mit dem Cover werden wir unsere Umsatzzahlen in die Höhe treiben! Und keine Sorge, du wirst natürlich hoch gestuft und bekommst mehr Geld. Alles schon in Sack und Tüten.“ „Mir geht es aber nicht ums Geld“, widersprach Loke scharf und er konnte sehen, wie Jason verwirrt die Stirn runzelte. „Jason, ich will nicht auf ein Cover, das habe ich damals ganz klar gesagt. Ich will diesen Rummel nicht.“ Abwägend wiegte Jason den Kopf hin und her. „Tja, da wird dir nichts anderes übrig bleiben, Loke. Im Vertrag steht eindeutig, dass die Redakteure dich jederzeit dort einsetzen können, wo sie wollen. Du hast das doch sicher gelesen, bevor du unterschrieben hast?“ „Aber man hat mir versichert, dass ich nicht aufs Cover muss, wenn ich nicht will“, begehrte Loke auf und er konnte dabei nicht mehr verhindern, dass seine Stimme lauter wurde. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Cana näher kam. „Musst du auch nicht“, sagte Jason schlicht, seine Miene jetzt sehr ernst, beinahe finster. „Du kannst auch einfach kündigen, dann bist du in sechs Monaten raus aus der Nummer, aber bis dahin musst du machen, was die Redakteure wollen. Schau’ ruhig im Vertrag nach, steht alles so da drin.“ „Jason, ich will nicht aufs Cover!“, wiederholte Loke eindringlich und bemühte sich, seiner Stimme Herr zu werden. „Das war meine Bedingung, als ich unterschrieben habe. Das wurde mir versprochen.“ „Hast du das schriftlich?“ Als Loke benommen den Kopf schüttelte, hob Jason nur die Schultern an. „Dann hast du keine Chance. Wenn du vor Ablauf der Kündigungsfrist aus der Sache raus willst, musst du Schadensersatz zahlen. Steht auch im Vertrag.“ Unwillkürlich trat Loke einen bedrohlichen Schritt auf Jason zu. In ihm stieg unglaubliche Wut auf und nur allzu gerne würde er dieser Wut einfach Luft machen. Noch bevor er irgendetwas sagen oder tun konnte, legte jemand den Arm um seine Schultern, zog ihn runter und zauste seine Haare. „Mensch, freu’ dich doch einfach über die zusätzliche Kohle, Loke. Die werden dich irgendwann schon wieder runter vom Cover nehmen“, sagte Cana gut gelaunt wie immer. Als Loke Anstalten machte, sich aus ihrem Griff zu befreien, hielt sie ihn eisern fest und bugsierte ihn in Richtung Ausgang. „Lass’ uns das feiern gehen, Loke! Ich gebe die erste Runde aus.“ Nur zu gut wusste Loke, dass dies das schlimmstmögliche Szenario war. Das war genau der gefährliche Schritt über die Grenze, vor dem er immer gewarnt worden war und vor dem er sich so lange Zeit immer in Acht genommen hatte. Wenn er in seiner jetzigen Laune mit Cana mit ging, würde er sich nicht mehr beherrschen können und er würde es später tausendfach bereuen. Aber in ihm hatte sich so viel Wut und Verzweiflung aufgestaut, dass er die warnende Stimme in seinem Hinterkopf einfach ignorierte und auch dann nicht stehen blieb oder gar Kehrt machte, als Cana ihn außerhalb des Studios schließlich los ließ. Er war bei all dem sowieso auf sich alleine gestellt, dachte er frustriert, also war es auch egal, was er jetzt tat. Lieber ertränkte er seinen Frust, als sich noch mehr Ärger mit diesen Sklaventreibern einzuhandeln. Dann wurde er halt zum Callboy stilisiert. Darauf kam es jetzt wohl auch nicht mehr an, oder? Al Miniliar al Asad – Der Fall Gähnend strich Yukino sich über das Gesicht. Sie hatte eigentlich kein Problem mit den Teleskopseminaren – ganz im Gegenteil sogar –, aber heute hatte es sie ganz schön geschlaucht. Sie torkelte mehr durch die leeren Straßen Magnolias, als dass sie lief, aber sie war noch genug bei Sinnen, um die zwielichtigen Viertel zu umgehen. Rogue und Minerva hatten ihr wie immer angeboten, sie nach dem Seminar abzuholen, aber Yukino hatte wie immer abgelehnt. Die Beiden hatten nur noch fünf Monate bis zum Staatsexamen und Yukino merkte ihnen an, dass sie allmählich am Rad zu drehen begannen. Sogar die sonst so abgeklärte Minerva wurde bei so einer wichtigen Prüfung nervös. Da konnten die Beiden jedes Bisschen Schlaf gebrauchen, das sie mal kriegen konnten. Yukino hatte sich sogar extra mit Sting abgesprochen, um das zu gewährleisten. Lucys Plan war ja zum Glück aufgegangen und Sting und Rogue waren jetzt ein Paar, da war Sting umso mehr um Rogue besorgt. Wenn Yukino ehrlich war, beneidete sie Rogue beinahe um die Fürsorglichkeit, die ihm durch Sting zuteil wurde. Nicht dass sie auch nur ansatzweise etwas von Sting wollte. Er war wie ein großer Bruder für sie, es war undenkbar, dass zwischen ihnen mehr als Freundschaft laufen könnte. Aber Yukino wünschte sich schon manchmal, eine ebenso schöne Beziehung zu haben, wie Sting und Rogue sie jetzt führten oder wie viele ihrer Freunde sie teilweise schon seit Jahren führten. Levy und Gajeel etwa, die schon seit fünf Jahren zusammen waren, oder Lyon und Meredy mit ihren sieben Jahren Beziehung, die Beiden waren sogar schon seit fast vier Jahren verheiratet und erwarteten Nachwuchs. Yukino hätte einfach auch gerne jemanden an ihrer Seite – und wenn sie ehrlich war, nicht einfach irgendjemanden, sondern einen ganz besonderen Mann. Aber der hatte im Moment ganz andere Probleme… Als sie in eine weitere Gasse einbog, erblickte Yukino vor sich eine männliche Gestalt, die sich mit der Stirn gegen die Hauswand lehnte und mit der rechten Faust immer wieder schwach dagegen hämmerte. Die Haare waren unordentlich, die Kleidung verrutscht und es roch nach Schweiß, Rauch und Alkohol. Beinahe hätte Yukino kehrt gemacht, aber dann erkannte sie das Profil der Person. Diese edle, gerade Nase, die schmalen Lippen, die markante Kieferlinie. „Loke…“, wisperte sie. Sofort schreckte der junge Mann auf. Seine Augen waren blutunterlaufen und hatten Schwierigkeiten, sich auf Yukino zu fokussieren. Als er begriff, wen er vor sich hatte, stolperte er zurück. Allem Alkohols zum Trotz waren ihm die Scham und die Angst nur zu deutlich anzusehen. „Nnnainnn“, lallte er benommen. „Wwwweg!“ Es brach Yukino beinahe das Herz, Loke so zu sehen. Das war ein ganz anderer Loke als der, der ihr vor einem Monat so aufmerksam zugehört hatte, als sie davon geplappert hatte, was sie sich alles von ihrem Kellnergehalt kaufen wollte. Wo war dieser Loke mit dem umwerfenden Lächeln hin? Und wieso hatte der Loke, der es geschafft hatte, zehn Jahre lang trocken zu bleiben, nun doch den Kampf verloren? „Loke, du brauchst Hilfe“, begann Yukino und machte einen zaghaften Schritt auf ihren Gegenüber zu. „Bitte… Ich kann dich zu Sting und Lucy bringen, wenn du mir nicht vertraust. Sie können dir helfen.“ „Nein!“, brachte Loke erstaunlich klar hervor und schüttelte so heftig den Kopf, dass er ins Straucheln geriet und sich wieder an der Wand abstützen musste. „Niemand! Niemals! Nicht!“ Zutiefst verunsichert blieb Yukino stehen. Sie begriff, dass Loke geschockt und am Boden verstört war. Ob er diesen Rückfall bereits befürchtet hatte? Was hatte ihn derart unter Druck gesetzt? Wie lange kämpfte er schon gegen dieses innere Monster an? Beinahe kamen der jungen Frau die Tränen. „Loke-“ „Nein!“, stieß er wieder hervor und ging noch einen Schritt rückwärts, wobei er gegen einen Briefkasten stieß und aus dem Gleichgewicht geriet. Yukino reagierte rein instinktiv, als sie vorsprang und die Arme um Loke schlang, damit er nicht zu Boden ging. Der Alkoholgeruch war ekelerregend und machte Yukino schreckliche Angst. Wie viel hatte Loke getrunken? Ging es ihm gut? Musste er womöglich zum Arzt? Sie schluckte diese Fragen herunter, die Loke jetzt gewiss nicht hören wollte, und blickte zu ihm auf. Er war wirklich ein gutes Stück größer als sie. Die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und sein Blick war noch immer verklärt, aber neben Angst und Scham war da jetzt noch etwas, was Yukino nicht definieren konnte. „Loke, du musst das nicht alleine durchstehen. Sting und Lucy sind deine Familie und die Anderen werden dir auch helfen, wenn du ihnen eine Chance gibst. Ich werde dir helfen“, sprach sie eindringlich. „Helfen…“, murmelte Loke und sackte nach vorn. Viel zu spät begriff Yukino, dass er nicht nach vorn sackte, sondern sich vorbeugte – ihr entgegen. Auf einmal umschlangen seine Arme ihren Körper. Eine Hand legte sich in ihren Nacken und dann waren da weiche Lippen, die sich auf ihre pressten. Yukinos Augen weiteten sich. Lokes Gesicht war genau vor ihrem und er bewegte die Lippen schnell und sehnsüchtig gegen ihre. Sie schmeckte Alkohol – definitiv etwas Härteres als Bier oder Wein – und Lokes Haare rochen nach Rauch, aber das Prickeln des Lippenkontakts war so intensiv, das alles andere bedeutungslos wurde. Vorsichtig legte sie den Kopf schief und erwiderte den Kuss. Loke seufzte dankbar und wurde sanfter. Es raubte Yukino schier den Atem. Sie hatte schon mal einen Freund gehabt, sie war nicht gänzlich unerfahren, aber etwas so Intensives hatte sie noch nie erlebt! Als Lokes Zunge über ihre Lippen strich, öffnete Yukino diese ganz automatisch. Lokes Körper vibrierte unter einem leisen Stöhnen und Yukino keuchte in den Zungenkuss hinein. Sie hatte nun die Wand im Rücken. Die Hand in ihrem Nacken wanderte nun nach vorn, strich über ihre Wange und ihren Hals. Es fühlte sich an, als würde ihre Haut dort, wo Loke sie berührte, brennen. Mit halb gesenkten Lidern blickte Yukino wieder zu Loke auf. Seine Miene war so voller Hingabe, dass ihr ganz schwummrig wurde. Sie musste sich gegen die Wand stützen, weil ihre Knie so schwach wurden. Loke lehnte sich vorsichtig gegen sie, sein Körper warm und stark und schützend. Er war einfach überall, schien Yukino sanft zu umhüllen. Keuchend zog Loke sich schließlich einige Zentimeter zurück, seine Hand noch immer an Yukinos Wange. Selig seufzend schmiegte Yukino sich dagegen und schloss die Augen, genoss den Moment. Noch nie zuvor in ihrem Leben war sie so glücklich gewesen. Ihr war vorher gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich hiernach gesehnt hatte. Lächelnd öffnete sie wieder die Augen und blickte in die Lokes. Sie wirkten nun warm und lebendig. Yukino versank förmlich darin. „Ich liebe dich“, wisperte sie mit völliger Überzeugung. Dann brach Lokes Blick. Auf einmal waren da grenzenlose Panik und Scham. Er zog seine Hand von Yukinos Wange, als hätte er auf eine heiße Herdplatte gefasst, und riss sich aus ihrer Umarmung, stolperte so schnell zurück, dass er beinahe über die Bordsteinkante gefallen wäre. Dann drehte er sich um und rannte davon. Yukinos Herz, das vorher noch wie verrückt geschlagen hatte, schien auf einmal mit brachialer Gewalt zusammen gepresst zu werden. Die Beine gaben unter der jungen Frau nach und sie sackte an der Wand zu Boden, presste das Gesicht gegen die Knie und ergab sich ihren Tränen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals derartige Schmerzen empfunden zu haben… Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie da hockte und weinte. Irgendwann erhob sie sich zitternd und schleppte sich weiter. Sie achtete gar nicht mehr auf den Weg. Es grenzte wohl an ein Wunder, dass ihr dabei nichts passierte. Ihre Gedanken kreisten die ganze Zeit um Loke und um diesen Kuss. Hatte Loke den Kuss gar nicht so gemeint wie sie? Erwiderte er ihre Gefühle gar nicht? Und sie hatte ihm auch noch ins Gesicht gesagt, dass sie ihn liebte! Dabei kannten sie einander doch kaum! Noch nie zuvor hatte Yukino sich derartig geschämt. Als sie die Haustür aufschloss, brannte in der Küche noch Licht und sie hörte mehrere Stimmen. „Ich muss damals verrückt gewesen sein, mich ausgerechnet für Jura einzuschreiben! Ein Masochist!“ „Das sage ich dir schon seit Jahren… Aber Sadomaso werde ich nicht mit dir machen, okay?“ „Sting, hast du vergessen, dass wir mit ihr in einem Raum sind? Die wird uns gleich wieder ausquetschen!“ Mit wie Espenlaub zitternden Fingern versuchte Yukino, ihre Schnürsenkel zu lösen, aber sie zog am falschen Ende. Vor Panik zog und zerrte sie und machte den Knoten immer schlimmer. Ihr entfuhr ein Schluchzer, aber sie presste sich hastig die Hand auf den Mund und sprang auf. „Ach, Minerva ist selbst erschöpft, ich lasse sie am langen Arm verhungern.“ Ein leises Schnauben erklang. „Das glaubst aber auch nur du! Ich- Wartet mal…“ Ein Stuhl wurde verrückt und Schritte näherten sich der halb geöffneten Küchentür. Obwohl Yukino sonst die häusliche Ordnung so wichtig war, ging sie einfach mit ihren Straßenschuhen weiter und in Richtung der Treppe. „Yukino, bist du das endlich? Hat Professor Michello mal wieder überzogen? Warum hast du denn nicht angeru- Yukino!“ Ehe sie an der Küchentür vorbei kam, hatte Minerva sie bereits am Arm festgehalten und gezwungen, sich umzudrehen. In der Küche polterte es und dann waren auch schon Sting und Rogue hinter Minerva. Alle Drei sahen voller Sorge auf Yukino hinunter. Das war genau das, was Yukino jetzt nicht gebrauchen konnte. „Was ist passiert?“, fragte Rogue angespannt. „N-nichts“, krächzte Yukino ganz automatisch und versuchte, sich aus Minervas Griff zu entwinden. „Das sieht aber nicht wie Nichts aus“, erwiderte Minerva und ihre Miene wurde finster. „Hat dich jemand belästigt?“ „Nein!“, entfuhr es Yukino entsetzt. So sehr sie Lokes Abfuhr auch verletzt hatte, um nichts in der Welt wollte sie, dass ihre Freunde ihm unterstellten, sie belästigt zu haben. Das hatte er nicht verdient. Er brauchte Hilfe. Wenn er ihre schon nicht wollte, dann sollte er doch wenigstens Stings und Lucys Hilfe endlich bekommen. „Yukino, was ist passiert?“, wiederholte Rogue seine Frage mit nun beängstigend finsterer Miene. „Lasst mich einfach in Ruhe!“, rief Yukino schrill, stieß Minerva von sich, sodass diese gegen Sting und Rogue stolperte, und rannte dann die Treppe hoch. Noch während sie in ihr Zimmer stürmte und die Tür von innen abschloss, konnte sie hören, wie ihre Freunde ihr folgten, aber sie drehte den Schlüssel noch ein zweites Mal herum und glitt dann an der Innenseite der Tür zu Boden. Während Sting, Rogue und Minerva durch die Tür riefen, ergab Yukino sich einfach wieder ihren Tränen… Chertan – Der Besuch Das Klopfen war so laut, dass es durch Lokes gesamte Wohnung hallte. Es hallte bis in seinen Kopf und schlug dort gnadenlos immer wieder auf einen ohnehin schon gepeinigten Nerv. Stöhnend lehnte er die Stirn auf die Küchentischplatte und schloss die Augen, versuchte das Klopfen und seine dröhnenden Kopfschmerzen auszublenden. Sofort sah er wieder Yukino vor sich. Den Schmerz in ihren Augen, als er sie losgelassen hatte. Er hatte ihr das Herz gebrochen, das wusste er. Aber wäre es nicht noch viel schlimmer gewesen, wenn er ihr Liebesgeständnis erwidert hätte? Wie könnte er ihr jemals das bieten, was sie seiner Meinung nach verdient hatte? Sie sollte jemanden haben, der mit seinem Leben im Reinen war und sich ihr voll und ganz widmen konnte… Weiter ging das Klopfen, hart und unnachgiebig. Loke richtete sich auf und griff nach der Sektflasche, die Cana ihm zu seinem Einstand geschenkt hatte und die seitdem unangetastet in seinem Kühlschrank gestanden hatte. Als er sie jedoch an die Lippen setzte, musste er feststellen, dass sie bereits leer war. Er knallte die Flasche zurück auf den Tisch und stand auf, begann, in der Wohnung herum zu tigern. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon auf den Beinen war. Er war nicht mehr richtig betrunken, aber er war definitiv noch nicht wieder nüchtern. Sein Kopf schwirrte. Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – er es bewusst zu verhindern versuchte, musste er immer wieder an Yukino denken. Am liebsten hätte er sich tausendfach bei ihr entschuldigt! Endlich hörte das Klopfen auf. Loke wollte schon aufatmen, doch dann erklang die scharfe Stimme seiner Cousine: „Loke, ich habe bereits zwei geschlagene Stunden an Yukinos Tür geklopft, bis sie nachgegeben hat. Glaub’ mir ruhig, ich kann das wiederholen! Ich gehe hier nicht eher weg, bis ich nicht endlich Antworten habe!“ Das war so typisch für Lucy. Es gab auf der ganzen weiten Welt keinen Menschen, der sturer als Lucy Heartfilia war! Normalerweise bewunderte Loke diesen Charakterzug von ganzem Herzen, aber jetzt verfluchte er ihn. Das Trommeln an der Tür ging weiter. Für Loke fühlte es sich an, als würde jeder Schlag ihn persönlich treffen. Verdient hatte er es, doch es trieb ihn dennoch in den Wahnsinn. Warum konnte Lucy ihn nicht einfach als Arschloch abstempeln und in Ruhe lassen? Wieso musste sie so vehement nach Erklärungen verlangen? Loke war sich vollkommen sicher, dass Yukinos restliche Freunde sich spätestens jetzt eine eindeutige Meinung über ihn gebildet hatten – noch etwas, was er verdient hatte. „Jetzt ist es doch mal gut, junge Frau! Der Bursche ist nicht da. Gehen Sie nach Hause, Sie sollten in Ihrem Zustand sowieso nicht so lange hier rum stehen“, erklang die barsche Stimme von Lokes linken Nachbarn. „Besten Dank, aber das ist immer noch meine Entscheidung“, erwiderte Lucy resolut und fuhr mit dem Klopfen fort. „Loke, es ist mir egal, wie lange es dauert, aber ich werde nicht aufgeben! Ich will endlich eine Erklärung!“ „Verschwinde“, murmelte Loke, viel zu leise, als dass Lucy ihn hören konnte, und sackte am Rahmen der Wohnzimmertür langsam zu Boden, vergrub die zitternden Hände in den Haaren. Und das Klopfen ging weiter. Und weiter. Und weiter. Woher nahm Lucy nur diese Kraft? Wieso gab sie nicht einfach auf? Loke blinzelte heftig gegen die Tränen an. „ES REICHT!!!“, keifte die Nachbarin von gegenüber. „Manch einer will an seinem Samstagmorgen ausschlafen!“ „Sie werden noch genug andere Samstagmorgende haben, ich habe hier zu tun“, fauchte Lucy zurück, ehe sie die Stimme noch mehr anhob. „Loke, du kannst dich nicht ewig verstecken!“ „Geben Sie es endlich auf, der interessiert sich nicht für Sie!“ Die Nachbarin von rechts. Mittlerweile musste es im Flur von Nachbarn wimmeln. „Ich werde niemals aufgeben! Er gehört zur Familie. Hörst du, Loke?! Du gehörst zur Familie!“ Ein gequältes Krächzen entrang sich Lokes Kehle. Sein Blickfeld verschwamm. Verdammt, wann hatte er das letzte Mal eine Familie gehabt? Wann hatte das letzte Mal jemand um ihn gekämpft? Zitternd zog er sich am Türrahmen in die Höhe, während vor seiner Wohnungstür eine heftige Diskussion zwischen Lucy und einigen seiner Nachbarn entbrannt war – und dennoch klopfte Lucy unablässig gegen seine Tür. Wenn sie das bereits bei Yukinos Tür zwei Stunden lang durchgezogen hatte, mussten ihr die Hände bereits schrecklich weh tun, egal wie viel Kraft sie vielleicht in den Armen hatte. Unsicher sah Loke sich in seiner Wohnung um. Er ließ nie jemanden hinein, deshalb hatte er sich nie darum geschert, wie kahl und leblos sie wirkte. Nur das Nötigste an Mobiliar, keinerlei Dekoration. Nur die Zeichnungen, die sich über seinem Wohnzimmertisch ausbreiteten, verliehen dem Raum wenigstens einen Hauch Persönlichkeit. Lokes Kehle wurde schon wieder eng, als er eine Bleistiftskizze von Yukino erkannte. Von ihrer ersten Begegnung… Langsam ging Loke zur Tür und drehte den Schlüssel einmal herum. Auf einmal zitterte seine Hand wie Espenlaub und er lehnte sich mit der Stirn gegen die Wohnungstür, während Lucy draußen mit mindestens vier Leuten gleichzeitig zu diskutieren schien. Ihr stetiges Klopfen pochte nun hart gegen Lokes Kopf, aber er entzog sich dem nicht. Wenn er diese Tür jetzt öffnete, würde er Lucy Rede und Antwort stehen müssen. Er würde ihr absolut alles gestehen müssen. Anfangen von seinen grässlichen Fehlern von vor zehn Jahren über seine Feigheit in den darauffolgenden Jahren bis hin zu den Umständen, die zu jener furchtbaren Situation mit Yukino geführt hatten. Der Gedanke, sich das alles endlich von der Seele zu reden, war beängstigend und befreiend zugleich. Loke richtete sich auf und legte wieder die Hand an den Schlüssel. Mit einem tiefen Luftholen drehte er den Schlüssel ein zweites Mal herum. Und dann hörte er Lucys Schrei. Er riss die Tür auf. Vor sich hatte er einen halben Menschenauflauf. Alle drängten sich um Lucy, die wimmernd am Boden kauerte, beide Hände um ihren riesigen Babybauch geschlungen. Rücksichtslos schob Loke sich durch seine Nachbarn und hockte sich vor Lucy, stützte sie an den Schultern. „Lucy, was ist los?“ Zitternd und schwer atmend hob sie den Blick. In ihren braunen Augen erkannte er Angst. „Ich glaube, die Fruchtblase ist geplatzt…“ Was in den darauffolgenden Stunden alles geschah, bekam Loke im Nachhinein nicht mehr ganz auf die Reihe. Jemand rief den Notarzt an, der irgendwann auch tatsächlich kam, als Loke seine keuchende Cousine schon in seine Wohnung getragen und auf seinem Sofa abgelegt hatte, damit sie nicht auf dem Linoleumboden des Flures sitzen bleiben musste. Die beiden Sanitäter entschieden, dass Lucy noch ins Krankenhaus gebracht werden konnte, und Lucy bestand unter Tränen darauf, dass Loke mit kommen sollte. Und so fand Loke sich schließlich auf einer Wartebank vor der Kreissaaltür wieder, die zitternden Hände miteinander verschränkt, die Füße nervös wippend, der Blick starr geradeaus gerichtet. Von drinnen erklang ein Schrei. Loke wurde übel. Er konnte sich vage erinnern, dass einer der Sanitäter etwas davon gesagt hatte, Lucy müsste schon seit einer Weile leichte Wehen gespürt haben. Hatte Lucy diese Wehen seinetwegen ignoriert oder gar überhaupt nicht bemerkt? War mit ihr und dem Kind alles in Ordnung? „Loke!“ Erschrocken blickte er nach links, wo Natsu und Sting mit bleichen Gesichtern heran gestürmt kamen. Beide atmeten keuchend. Waren sie den ganzen Weg zum Krankenhaus gerannt? Zu zutrauen war es ihnen. „Was ist passiert?! Die Geburt sollte erst in einer Woche sein!“, rief Natsu. Er wirkte gehetzt, beinahe panisch. „Ich… ich glaube, es ist meine Schuld“, krächzte Loke. „Sie hat mindestens eine halbe Stunde lang vor meiner Tür gestanden und geklopft und ich habe sie nicht herein gelassen… Die Aufregung… Ich-“ „Du!“ Loke wurde am Kragen gepackt, in die Höhe gerissen und hart gegen die Wand gedrückt. Vor sich hatte er Natsus wutverzerrte Miene. „Du… Wie…“ Eine Hand schloss sich um Natsus rechten Unterarm und zog ihn zurück. Mit steinerner Miene war Sting dazu getreten. „Das hilft Lucy jetzt auch nicht, Natsu.“ Als im Kreissaal wieder ein Schrei erklang, zuckten alle Drei zusammen und Natsu begann zu zittern. Fahrig strich er sich durch die pinken Haare, versuchte, sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu beruhigen, aber der Blick, den er Loke schließlich zuwarf, war dennoch mörderisch. „Wenn den Beiden irgendetwas passiert ist, schwöre ich dir-“ „Entschuldigen Sie? Ist einer von ihnen Herr Dragneel?“ Der Pinkhaarige wirbelte zu der Krankenschwester herum, die in der Tür des Kreissaals stand, wobei sie darauf achtete, dass man keinen Blick ins Innere werfen konnte. Lucys nächster Schrei klang noch viel lauter und schriller. Natsu wich alles Blut aus dem Gesicht. „Das ist er. Er ist der Vater“, erklärte Sting und schob seinen zukünftigen Schwager nach vorn. Die Krankenschwester nickte und hielt die Tür einen kleinen Spalt weit für Natsu auf. Steif setzte dieser sich in Bewegung und verschwand im Kreissaal. Als sich die Tür hinter der Krankenschwester wieder schloss, wurden die Schreie erneut gedämpft. Auf dem Flur lehnte Loke noch immer an der Wand. Sting, der noch immer auf die Tür starrte, rieb sich müde seufzend die Augen. Als er sich zu Loke herum drehte, konnte dieser erkennen, wie übermüdet sein Cousin aussah. Offensichtlich war er nicht der Einzige gewesen, der in dieser Nacht keinen Schlaf gehabt hatte. „Ich denke, du solltest uns endlich erzählen, was bei dir alles schief gelaufen ist“, sagte Sting leise, aber sein Blick war eisenhart. Mehr als ein schwaches Nicken brachte Loke nicht zustande. Rasalas – Die Geschichte Die Sitzordnung im Esszimmer ihrer Eltern kam Yukino wie eine absurde Mischung aus einem Gerichtssaal und der Tafelrunde vor. Loke saß an einer Stirnseite des ausgezogenen Tisches, Lucy ihm gegenüber, die kleine Leonida im Arm. Zu ihrer Rechten saß Natsu, neben ihm Rogue, daneben Sting. Yukino saß Natsu gegenüber. Minerva neben ihr hatte sich demonstrativ so hingesetzt, dass sie beinahe eine Sichtmauer zwischen Loke und Yukino darstellte. Auf einem freistehenden Stuhl neben Loke saß Aries, die pinkhaarige Frau, die Yukino damals vor dem Cherry Blossom gesehen hatte. Seit Lucys Niederkunft waren fünf Tage vergangen. Man hatte Lucy noch vier Tage im Krankenhaus behalten, um sicher zu gehen, dass mit ihr und ihrer Tochter alles in Ordnung war. In der Zeit hatte Loke bei Sting übernachtet. Nach Lucys Entlassung hatte Sting alles für dieses Treffen in die Wege geleitet. Yukino hatte zugestimmt, das Gespräch hier abzuhalten. Im Haus ihrer Eltern war genug Platz dafür und hier würden sie weder gestört werden, noch mussten sie sich übermäßig Sorgen machen, Nachbarn zu stören. Skiadrum war mit Frosch bei der Lebensgefährtin von Natsus älterem Bruder, einer renommierten Kinderpsychologin, und wollte danach mit ihr und Lector in den Tierpark gehen. Für Frosch war also den ganzen Tag gesorgt. Rogue und Minerva hatten ihre Lernpläne für den gesamten Tag gestrichen. Beide bedachten Loke mit besonders finsteren Blicken, was Yukino extrem unangenehm war, da sie ja der Grund für dieses beinahe schon aggressive Verhalten war. Natsu hatte skeptisch die Arme vor der Brust verschränkt, aber er hatte sich insgesamt besser im Griff als die beiden Schwarzhaarigen – wäre die Situation nicht so ernst, hätte Yukino sich über diesen Umstand sehr gewundert. Stings und Lucys Mienen hingegen waren zwar ernst, zuallererst aber besorgt. Ihre Blicke wichen kaum einmal von ihrem Cousin, der übernächtigt auf seinem Platz saß, die Schultern eingezogen, den Blick gesenkt. Er hatte sich ein altes Bandshirt von Sting geliehen und seine Haare hingen ihm ungestylt ins Gesicht. Er wirkte furchtbar erschöpft, aber er war trocken. Sting hatte ihn in den letzten fünf Tagen nicht aus den Augen gelassen. Sogar zu den Meetings hatte Sting seinen Cousin begleitet, wie Yukino wusste. Aries als Lokes Mentorin wirkte ruhig und gefasst. Vielleicht hatte sie so etwas schon selbst durchgemacht? Yukino wusste nichts weiter über die Geschichte der Pinkhaarigen, nur dass sie seit elf Jahren trocken war und seitdem ein geregeltes Leben führte. Ihre Zwillinge – Gemi und Mini – würden nach der Grundschule von ihrer Kollegin Virgo abgeholt und beaufsichtigt werden. „Also…“, begann Lucy schließlich langsam, während sie sanft über Leonidas pinken Haarflaum strich. „Du bist in Crocus kurz nach eurem Umzug an die falschen Leute geraten und hast angefangen zu koksen…“ „Harmlos ausgedrückt“, seufzte Loke müde. „Ich war damals ein ziemlicher Vollidiot.“ „Damals“, schnaubte Minerva leise, worauf Loke den Kopf noch ein wenig mehr einzog. Aries runzelte missbilligend die Stirn, aber Minerva ließ sich davon nicht beeindrucken. „Als ich es endlich aus der Sache raus geschafft hatte, war mein Schulabschluss bereits im Arsch“, fuhr Loke fort, den Blick noch immer auf die Maserung des Tisches geheftet. „Ich habe zuerst gekellnert, aber das hat kaum etwas abgeworfen. Dann bin ich als Model angeworben worden. Am Anfang hat es noch Spaß gemacht und es war leicht verdientes Geld.“ „Früher wolltest du immer etwas mit Kunst machen“, mischte Sting sich ein, als Loke eine längere Pause machte. „Du wolltest Illustrator werden.“ Loke lachte hohl: „Mit dem lausigen Schulabschluss kann ich das vergessen.“ „Es gibt für so etwas Abendschulen und –studiengänge“, erwiderte Lucy mit leichter Schärfe in der Stimme. Als Loke sich ausschwieg, ergriff Aries das Wort. „Ich denke, ihr unterschätzt einen wichtigen Faktor: Lokes Eltern. Er musste sich lange Zeit schwere Vorwürfe wegen seines ‚Versagens’ von ihnen anhören. So etwas ist alles andere als hilfreich für jemanden, der sich gerade durch einen Entzug gequält hat. Loke hat mir verraten, dass er in Crocus sogar für eine Aufnahmeprüfung gelernt hat, aber dann doch nicht hingegangen ist.“ Bestürzt sah Yukino den jungen Mann an, der jedoch beharrlich den Tisch anstarrte, während er die Lippen fest aufeinander presste. Sting und Lucy wirkten auf einmal sehr steif. Yukino erinnerte sich wieder daran, was Lucy ihr erzählt hatte: Sie und Sting waren nach Crocus gefahren, um Loke zu besuchen, aber dessen Mutter hatte behauptet, Loke sei nicht da. Das war offenkundig entweder eine Lüge gewesen oder aber die Frau hatte absichtlich ihrer Nichte und ihrem Neffen einige sehr wichtige Dinge verschwiegen. So oder so, Sting und Lucy war dadurch damals die Chance genommen worden, Loke schon viel früher beizustehen. „Warum hast du nie versucht, Sting und Lucy zu kontaktieren?“, mischte Natsu sich ein, der eine Hand auf die angespannte Schulter seiner Verlobten gelegt hatte. „Sie hätten dir jederzeit geholfen.“ Soweit dies möglich war, sank Loke noch weiter in sich zusammen. „Ich habe mich geschämt“, nuschelte er und senkte den Blick so weit, dass seine Haare den Blick auf sein Gesicht versperrten. „Aber warum?“, platzte es aus Yukino heraus, ehe sie überhaupt darüber nachdenken konnte. Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit aller auf sich gebündelt. Minerva bedachte sie mit einem warnenden Stirnrunzeln, aber Yukino straffte trotzig die Schultern und fuhr fort: „Du hast damals den Entzug geschafft und du bist all die Jahre trocken geblieben, obwohl du es so schwer hattest! Es gibt keinen Grund, warum du dich schämen solltest!“ Schweigen setzte ein. Sting und Lucy schenkten Yukino ein dankbares Grinsen, bei dem ihre Verwandtschaft so deutlich zu Tage trat wie sonst selten. Natsu nickte anerkennend, Aries lächelte dankbar, sogar Rogue und Minerva schienen nicht an Protest zu denken. Was Yukino aber wirklich aus der Bahn warf, war Lokes Blick. Mit großen Augen starrte er sie direkt an – das hatte er die ganze Zeit seit seiner Ankunft hier nicht getan. Zuerst wirkte der Blick nur ungläubig, dann trat jedoch noch etwas anderes in diesen Blick. Und dann senkte Loke den Blick hastig wieder und strich sich tief einatmend über das Gesicht, wobei seine Schultern verräterisch zitterten. Am liebsten hätte Yukino den Tisch umrundet, um den jungen Mann zu umarmen. Unsicher blickte Yukino zu Lucy, doch diese lächelte beruhigend, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Tochter richtete, die nun leise quengelte. „Die Windel“, erklärte Lucy mit einem schiefen Lächeln und wollte schon aufstehen, aber Natsu kam ihr zuvor und nahm ihr die gemeinsame Tochter ab. „Dieses Mal kriege ich es besser hin“, versprach er eifrig. Sting kicherte. „Als ob du besser wärst“, mahnte Rogue seinen Freund, wofür dieser ihm die Zunge heraus streckte. Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen und stand mit den Worten auf, dass er etwas zum Trinken besorgen würde. Yukino, immerhin so etwas wie die Gastgeberin hier, beeilte sich, ihm in die Küche zu folgen. Während sie sich streckte, um mehrere Gläser aus einem der oberen Schränke zu fischen, holte Rogue zwei Wasser- und eine Saftflasche aus dem Kühlschrank. Bevor sie sich einen Stuhl zur Hilfe holen konnte, trat Rogue zu ihr und holte die letzten zwei Gläser heraus, die ganz hinten im Schrank standen. „Yukino, ist das alles wirklich in Ordnung für dich?“, fragte Rogue sehr ernst. „Er hat dich immerhin sehr verletzt.“ „Er hat es nicht aus Böswilligkeit getan, das ist mir jetzt klar“, erwiderte Yukino ebenso ernst und blickte direkt in Rogues Augen. „Ich… es hat mich verletzt, zu glauben, dass er… na ja…“ Vor lauter Verlegenheit schaffte sie es nicht, ihre Gedanken richtig in Worte zu fassen. Jetzt bekamen ihre Wangen doch ordentlich Farbe und sie senkte verlegen den Blick. Rogue brummte leise: „Ich weiß gar nicht, wie Sting das ausgehalten hat, als Lucy sich in Natsu verliebt hat…“ Das machte Yukino noch viel verlegener. Sie kannte Rogue schon ihr ganzes Leben lang. Sie waren von klein auf Nachbarn gewesen und irgendwie hatte erst er immer auf sie aufgepasst und später sie auf Frosch. Für Yukino war Rogue genau wie Sting so etwas wie ein großer Bruder. Dass er einen derartigen Beschützerinstinkt bei ihr an den Tag legte, bedeutete ihr unermesslich viel. „Ich will nicht, dass er dir wieder weh tut“, fuhr Rogue fort. „Das ist aber kein Grund, ihm keine Chance mehr zu geben“, erwiderte Yukino nun wieder mutiger und hob wieder den Blick. „Ich bin der Letzte, dem du etwas über Chancen erzählen musst“, brummelte Rogue zu ihrer Überraschung verlegen. „Sting musste viel Nachsicht mit mir üben…“ „Dabei ist er sonst immer der Hitzkopf von euch Beiden“, prustete Yukino. Rogue zauste ihre Haare, kichernd wich sie aus und ergriff die Flaschen, die sie besser tragen konnte als die vielen Gläser, ehe sie sich wieder ernst zu dem Schwarzhaarigen umdrehte. „Bitte sei fair zu ihm.“ „Du verlangst ganz schön viel“, seufzte Rogue, nickte jedoch zustimmend und balancierte zwei Gläserstapel in Richtung Esszimmer. Dort saß Natsu wieder am Tisch. Die kleine Leonida lag jetzt in Stings Armen und rieb sich mit ihren Händchen die müden Augen, während ihr Onkel sie sanft hin und her wiegte. Aus dem Augenwinkel sah Yukino, wie Rogues Miene bei diesem Anblick ganz weich wurde, und sie musste lächeln. Dann fiel ihr Blick auf Loke. Zwar hatte er sich wieder etwas gefasst, aber er wirkte noch immer verunsichert. Nur kurz sah er sie an, ehe er sich auf die Unterlippe biss und den Blick wieder senkte. Aries, die sich vorgebeugt und Loke eine Hand auf die Schulter gelegt hatte, setzte sich nun wieder richtig auf und warf einen skeptischen Blick in Minervas Richtung. Die hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte Loke mit der Intensität eines Röntgengeräts – zumindest kam es Yukino so vor. Nur mit Mühe konnte die Weißhaarige sich davon abhalten, ihre Freundin und Mitbewohnerin darauf anzusprechen. Sie stellte die Flaschen in die Mitte des Tisches, Rogue verteilte die Gläser und sie nahmen Beide wieder Platz. Lucy wartete noch, bis jeder, der es wollte, sich bei den Getränken bedient hatte, ehe sie wieder das Wort erhob. „Du hast also angefangen zu modeln, obwohl das offensichtlich nicht dein Ding ist, und du hast das Jahre lang durchgezogen. Warum bist du dann nach Magnolia gekommen?“ „Du hättest bei der Polizei anfangen können“, seufzte Loke und zauste sich selbst die Haare, ehe er von Lucy zu Sting blickte und wieder zurück und offensichtlich um die richtigen Worte rang. „Er wollte zu euch“, mischte sich Aries helfend ein. „Er wollte zu seiner Familie…“ Zutiefst verlegen senkte Loke den Blick wieder. Lucys Wangen röteten sich leicht und Sting rieb sich mit der freien Hand den Nacken. Es war Natsu, der schließlich die Hand seiner Verlobten in seine nahm und sanft drückte, ehe er das Wort ergriff: „Und warum sind die Dinge hier dann so aus dem Ruder gelaufen?“ „Weil ich ein Vollidiot bin?“, schlug Loke mit einem gequälten Lächeln vor. „Ich habe mich bei der Suche nach einer Modelagentur hier auf einen beschissenen Arbeitsvertrag eingelassen. Die haben mich in der Hand, sie zwingen mich an die Öffentlichkeit, obwohl ich das nie wollte, und an dem Abend wurde es dann zu viel und ich habe die Kontrolle über mich verloren. Und…“ Er verstummte und warf Yukino einen flüchtigen Blick zu, so gut das eben mit Minerva als Sichtblockade möglich war. „Es tut mir wirklich Leid“, murmelte er wieder der Tischplatte entgegen. „Ich habe mich hinreißen lassen und dann habe ich Panik gekriegt. Ich wollte niemandem weh tun, am allerwenigsten dir, Yukino.“ Die Weißhaarige hatte das Gefühl, als würden ihre Wangen brennen. Verlegen senkte sie den Blick und konnte daher nicht sehen, was die Anderen taten. Sie konnte nur Minervas leises Schnauben und Rogues angespanntes Einatmen hören. „Das ist die lausigste Entschuldigung aller Zeiten“, begann Minerva schließlich, ihre Stimme so schneidend wie ein Laserstrahl. „Du hast Yukino belästigt und dann hast du sie wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen.“ „N-nein, so war das nicht!“, protestierte Yukino und hob ruckartig den Kopf wieder an. „E-er hat mich überrascht, a-aber ich… ich…“ Lucy räusperte sich verhalten. „Unter normalen Umständen wäre ich sehr dafür zu haben, Details zu hören, aber in diesem Fall sollten wir uns darauf einigen, dass das eine Privatangelegenheit zwischen Loke und Yukino ist.“ „Nicht, wenn er-“ „Minerva.“ Stings Stimme war ungewohnt angespannt. Yukino wurde mulmig zumute. Es gab nur selten einmal eine richtige Konfrontation zwischen Sting und Minerva, aber hier und jetzt schien es beinahe darauf hinaus zu laufen. Die kleine Leonida schien die geladene Stimmung zu spüren. Sie begann in Stings Armen leise zu greinen. Ehe Sting jedoch versuchen konnte, seine Nichte zu beruhigen, nahm Rogue ihm das Kind ab und gab ihm dann einen Klaps auf den Hinterkopf. Dann blickte er mahnend in Minervas Richtung. „Dieses spezielle Thema müssen wir nicht heute klären.“ „Ich habe doch gar nichts gemacht“, nuschelte Sting und rieb sich den Hinterkopf. Minerva schnaubte leise, aber Yukino merkte ihr an, dass die Anspannung wieder nachgelassen hatte. Erleichtert atmete die Weißhaarige aus. Leonida wanderte weiter in die Arme ihres Vaters und Rogue richtete seine Aufmerksamkeit auf Loke. „Was ist das für ein Arbeitsvertrag?“ Verwirrt blickte der junge Mann zurück. „Nen Arbeitsvertrag halt?“ Minerva stöhnte genervt. „Meine Fresse, schon mal was von Arbeitsrecht gehört?“ „Nicht jeder ist so mit Jura bewandert wie ihr beiden Freaks“, nahm Sting seinen Cousin in Schutz, ehe er sich an eben diesen wandte. „Bring’ den Beiden eine Kopie, sie werden dir sicher sagen können, wie du aus diesem Drecksvertrag wieder raus kommst.“ „Wenn wir es denn wollen“, merkte Minerva spitz an. „Jetzt hört doch endlich mal auf!“, rief Yukino und sprang so heftig auf die Beine, dass ihr Stuhl nach hinten krachte. Leonida begann wieder zu weinen, aber Yukino war viel zu aufgeregt, um das zu bemerken. „Ihr habt Jura studiert, weil ihr den Leuten helfen wolltet! Ihr wollt euch Beide doch nicht aus Spaß auf Strafrecht spezialisieren! Loke braucht eure Hilfe, also helft ihm gefälligst!“ Erst als sie die reihum offenen Münder ihrer Freunde sah, wurde Yukino bewusst, wie sehr sie aus der Haut gefahren war. Mit feuerroten Wangen drehte sie sich um und stellte den Stuhl wieder auf, um sich darauf plumpsen zu lassen, den Blick auf ihre zitternden Finger gerichtet. „Gut gebrüllt“, gluckste Natsu schließlich anerkennend. Mit seiner immer noch weinenden Tochter stand er auf. „So wie ich das sehe, ist die Sache klar. Rogue und Minerva helfen Loke aus dieser Agentur raus und dann sucht Loke sich einen vernünftigen Job und fängt an für die nächste Aufnahmeprüfung zu pauken, damit er Illustrator werden kann, wie er es immer wollte.“ „Aber ich-“ „Babababa! Keine Chance, Loke, Sting und Lucy werden dich wenn nötig durch diese Prüfungen durchprügeln. So sind die eben“, erklärte Natsu kichernd und beugte sich vor, um seiner Verlobten einen Kuss zu geben, ehe er sich umdrehte, um mit Leonida an die frische Luft zu gehen. Allerdings hielt er noch mal an und blickte über seine Schulter zu Loke. „Und in zwei Wochen geben wir bei Jude und Layla eine Gartenparty, um Leonidas Geburt zu feiern. Du wirst gefälligst da sein, bist ja immerhin so etwas wie ein Onkel für sie.“ Offenen Mundes blickte Loke dem Pinkhaarigen hinterher, der sich im Garten einfach mit seiner Tochter ins Gras setzte und beruhigend auf sie einredete. Schließlich blickte er über den Tisch hinweg zu Lucy. „Wo hast du diesen Vogel her?“ Aries neben ihm verbarg ein Lächeln hinter ihrem Wasserglas. „In gewisser Hinsicht ist er mir zugeflogen“, erwiderte sie mit einem versonnenen Lächeln. Sting kicherte und schlug Loke kräftig auf die Schulter. „Aber dieser Vogel hat so seine lichten Momente und das eben traf den Nagel auf den Kopf, Loke. Dieses Mal gibt es keine Ausreden. Lucy kann mit dir büffeln und ich höre mich mal nach einem Job für dich um.“ „Und du wirst zu dieser Party kommen, ansonsten werde ich sehr ungemütlich“, fügte Lucy noch mit drohender Miene hinzu, aber Yukino neben ihr konnte deutlich das Lächeln sehen, das an Lucys Mundwinkel zupfte. Regulus – Die Party Nur zu gut konnte Loke sich erinnern, wie er als Dreikäsehoch von zehn Jahren das erste Mal vor der Villa der Heartfilias gestanden hatte. Damals hatte er geglaubt, sich mit der Adresse vertan zu haben, war wieder umgedreht und hatte das Straßenschild noch mal überprüft. Irgendwann hatte er einsehen müssen, dass diese riesige, einschüchternde Villa tatsächlich das Zuhause seiner Tante war. Ihm hatten damals die Knie geschlottert, als er sich schließlich dazu durchgerungen hatte, zu klingeln. Auch heute schlotterten ihm die Knie, als er vor der Einfahrt der Villa stand, auf der sich mehrere Autos und Motorräder arrangiert hatten. Die Vehikel von Lucys und Natsus zahlreichen Freunden, mit denen er es sich doch eigentlich vor einem halben Jahr verschissen hatte. Die wollten ihn ganz bestimmt nicht dabei haben, das hatte er auch mehrmals zu Sting und Lucy gesagt, aber die hatten unnachgiebig darauf bestanden, dass er zu dieser Party kommen sollte. In den letzten zwei Wochen hatten die Beiden sich beinahe rund um die Uhr um ihn gekümmert. Rogue und Minerva hatten ihm tatsächlich helfen können, aus dem Arbeitsvertrag beim Weekly Sorcerer heraus zu kommen, und nächste Woche würde er den Job in der Stadtbibliothek antreten, den Lucys Freundin Levy ihm verschafft hatte. Die Aufnahmeprüfungen an der Abendschule für Freie Künste waren in einem Monat. Lucy hatte ihm schon alte Prüfungsbögen heraus gesucht und einen Lernplan erstellt. Man sollte meinen, dass Lucy ganz andere Sachen zu tun hätte, wo sie doch einen Säugling versorgen musste, während der Kindsvater wieder ganztags berufstätig war. Aber irgendwie bekam sie das alles tadellos auf die Reihe. Ihren Worten zufolge erhielt sie von allen Seiten tatkräftige Unterstützung. Anscheinend rissen ihre Freunde sich geradezu darum, auch mal auf die kleine Leonida aufpassen zu dürfen. Seufzend strich Loke sich durch die Haare, die er nicht mehr stylte, seit er nicht mehr beim Weekly Sorcerer arbeitete, dann blickte er auf die Geschenktüte hinunter, in der sich ein schlecht eingepacktes Löwenplüschtier und ein Entspannungsschaumbad befanden. Lucy hatte zwar gesagt, er müsste kein Gastgeschenk mitbringen, aber da er zwei linke Hände beim Kochen hatte und daher nichts für das Büffet mitbringen konnte, hatte er sich kurzerhand in diesem einen Punkt über Lucy hinweg gesetzt. Langsam ging er die Einfahrt entlang und folgte einem Kiesweg um die Villa herum. Vom hinteren Garten hörte er ein wildes Stimmengewirr und er konnte bereits gegrilltes Fleisch und Bratwürste riechen. Vor dem Gartenhaus blieb er stehen und lauschte den Stimmen in der Partygesellschaft. „Seht euch dieses Prachtmädchen an! Sie hat die Nase ihres Lieblingsgroßvaters!“ „Lieblingsgroßvater?“ „Das arme Kind wäre gestraft, wenn es deinen riesigen Zinken erben würde.“ „Sag’ das noch mal!“ „Gib sie mal her.“ „Hey, das ist meine Tochter!“ „Hallo kleine Leonida! Na, du willst ganz bestimmt eine Spielgefährtin haben, nicht wahr?“ „Dad, du machst meiner Patentochter Angst und ich werde jetzt garantiert nicht Juvia schwängern, nur damit du deine Großvatervorstellungen ausleben kannst!“ „Hey, gebt mir endlich meine Tochter!“ „Fresse, Feuerkopf, das ist mein Patenkind und ich habe viel häufiger den Drachen gehütet als jeder andere hier.“ „Dürfte ich vielleicht erfahren, was ihr mit Drachenhüten meint?“ „Ähm… ja… also das…“ „Ihr seid ja solche Vollidioten.“ „Klärt ihr das mal, ich kümmere mich um Leonida. Hach, ich kann es kaum erwarten, bis ich Lennox im Arm halten kann!“ „Du willst ihn immer noch Lennox nennen?“ „Juvia findet den Namen schön!“ „Duhu, Rogue… Wann adoptieren du und Sting eigentlich ein Baby?“ „Rogue?!“ „Atmen, Junge. Wäre jammerschade, wenn du so kurz vorm Staatsexamen an Bowle ersticken würdest.“ „Genau, Rogue, wann macht ihr Weiß und mich zu Großvätern?“ „Ich bin noch nicht bereit, um Großvater zu werden.“ „Keine Sorge, Weiß, du wirst es lieben! Enkel sind großartig, die kannst du so richtig schön verwöhnen!“ „Würdest du vielleicht mal aufhören, ihm das schmackhaft zu machen, Ma?!“ „Ach wieso denn? Ich würde mich über ein weiteres Enkelkind freuen.“ „Wir sind erst seit zwei Monaten zusammen!“ „Ihr seid schon seit zwanzig Jahren zusammen, ihr ward nur zu blöd, um es zu begreifen.“ „Auf wessen Seite bist du eigentlich?!“ „Auf der, die am meisten Spaß verspricht.“ „Und so was schimpft sich Freundin!“ „Ich will nicht, dass Sting und Rogue ein Baby adoptieren, dann muss ich Windeln wechseln.“ „Du wirst es gerne tun.“ „Wohl kaum.“ „Spätestens bei deinem eigenen-“ „Layla, der Bengel ist sechzehn!“ „Ich bin kein Bengel!“ „Bist du wohl und du wirst so viele Windeln deines Neffen oder deiner Nichte wechseln, wie ich dir sage.“ „Ach, auf einmal willst du doch ein Enkelkind?“ „Ich will endlich meine Tochter halten!“ „Nicht in diesem Leben. Du kannst ja weiter Drachenhüten.“ „Nun sei doch nicht so. Wir haben es nur gut gemeint…“ „Wer ist Wir?“ „Ähm…“ „Vollidioten.“ „Sei nicht so hart zu ihnen, sie haben sich wirklich Sorgen um dich und Leonida gemacht.“ „Hast du etwa davon gewusst? Du kannst dich nicht ewig hinter deinem Freund verstecken!“ „Ich will so gerne Enkel haben. Mein Sohn ist so ein Spätzünder.“ „Hör’ auf zu jammern, von wem hat er das wohl?“ „Was soll das nun wieder heißen?!“ „Ma, ich werde Rogue jetzt keinen Heiratsantrag machen!“ „Kein Grund, rot zu werden.“ „Reiß’ dich zusammen, Rogue, ist ja nicht so, als stünde hier eure vorverlegte Hochzeitsnacht zur Debatte.“ „Minerva!“ „Irgendwie habe ich mir diese Gartenparty anders vorgestellt…“ „Kopf hoch, Jude, es ist für deine Mädels!“ Loke schüttelte fassungslos lächelnd den Kopf. Und in diesem Chaos sollte er sich zurecht finden? Das klang beängstigend und aufregend zugleich. Aber würden Lucys und Natsus Freunde ihn aufnehmen, nachdem er sich beim ersten Treffen so bescheuert verhalten hatte? Laut Lucy und Natsu ja, aber waren sie da nicht vielleicht etwas zu optimistisch? Das Knirschen von Schritten auf Kies veranlasste ihn dazu, sich umzudrehen. Zuerst sah er nur drei übereinander gestapelte Schüsseln, gekrönt von einem großen Kuchenblech, das himmlisch nach Schokolade duftete. Dann erkannte er Yukinos zierliche Hände, die die untere Salatschüssel eisern festhielten und das Wackeln des Turms auszugleichen versuchten. „Achtung“, sagte Loke leise, um Yukino nicht zu erschrecken, ehe er auf sie zutrat und ihr die obere Schüssel und das Kuchenblech abnahm. Bei dem nun noch intensiveren Schokoladengeruch lief ihm das Wasser im Mund zusammen, aber noch viel fesselnder war der Anblick von Yukinos leicht geröteten Wangen, als sie zu ihm hoch blickte. Seit dem Gespräch im Haus ihrer Eltern hatte er sie nicht wieder gesehen. Er hatte ihr nur über Lucy eine Nachricht zukommen lassen, dass er mit ihr in Ruhe über alles reden wollte, sobald er seine Angelegenheiten geregelt hatte. Dabei hatte er sie Tag für Tag vermisst. Sein Schreibtisch war voll von lauter Skizzen von Yukino, was Lucy bei einem Besuch natürlich nicht entgangen war. Sie war ganz angetan davon gewesen. „Hey…“, begrüßte er sie lahm, unfähig, den Blickkontakt wieder abzubrechen. „Danke“, hauchte sie und auch sie machte keine Anstalten, den Blick abzuwenden. Sie sah wirklich hübsch aus heute – also das tat sie natürlich immer, aber heute eben ganz besonders. Sie hatte sich eine Papierblume ins Haar gesteckt und trug ein blau-weißes Sommerkleid, das ihr ausgesprochen gut stand. Loke wurde ganz kribbelig zumute und um sich selbst davon abzulenken, durchbrach er die knisternde Stille zwischen ihnen mit einem ungefährlichen Thema: „Du willst die Party wohl im Alleingang versorgen?“ „I-ich konnte mich nicht entscheiden, welchen Salat ich machen soll, und den Kuchen hat Natsu sich gewünscht“, erklärte Yukino mit nun noch dunkleren Wangen. Mehr als ein „Hm“ brachte Loke einfach nicht zustande. Sein Gehirn fühlte sich wie leer gefegt an, er wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte. Bei allem, was ihm heilig war, war er wirklich so ein Vollidiot? „Lucy hat mir Bescheid gesagt, dass du mit mir reden willst“, beendete Yukino das verlegene Schweigen schließlich. Sofort erhielt Lokes Stimmung einen Dämpfer. „Wir müssen nicht darüber reden.“ Perplex blinzelte er, ehe er die Stirn runzelte. „Doch, müssen wir. Was ich getan habe-“ „War keine Abweisung“, unterbrach Yukino ihn mit sanftem Nachdruck, aber ein Rest Unsicherheit war doch in ihren braunen Augen zu erkennen, als sie direkt in die seinen blickte. „Oder doch?“ „Nein“, krächzte Loke. „Also doch… also ich meine…“ Seufzend balancierte er Tüte und Salatschüssel mit einer Hand, um sich durch die Haare streichen zu können. „Ich meine, dass ich mich nicht von dir entfernt habe, weil ich dich nicht wollte… sondern weil ich dich nicht verdient habe…“ „Unsinn“, widersprach Yukino und stellte die Salatschüsseln kurzerhand auf einer Steinbank neben ihnen ab, um Loke dann einfach eine Hand an die Wange zu legen. Ihre Finger waren weich und von den Salatschüsseln etwas kühl, aber Loke wurde dennoch warm zumute. „Ich entscheide alleine, was ich verdient habe, Loke.“ „Aber… das wird nicht einfacher mit mir… Ich werde mein ganzes Leben lang krank sein. Das will ich niemandem zumuten, vor allem dir nicht…“ Seufzend nahm Yukino ihm die Sachen ab, die er hielt, und stellte sie ebenfalls auf der Bank ab, ehe sie sein Gesicht in beide Hände nahm. „Ich will es mir aber zumuten, Loke. Ich will dir helfen, gesund zu bleiben und dein Leben endlich wieder richtig zu genießen.“ Lokes Kehle fühlte sich staubtrocken an. Schon wieder hatte er keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte. Wie automatisch legte er eine Hand an Yukinos Wange und wie damals schmiegte sie sich vertrauensvoll dagegen. Womit hatte er diese Frau verdient? Es ging ihm einfach nicht in den Kopf. Aber er konnte und wollte sie nicht von sich stoßen. Alles in ihm sehnte sich nach ihr! Er nahm all seinen Mut zusammen und nahm nun seinerseits ihr Gesicht in beide Hände, um sich vorzubeugen. „Ich… liebe dich auch“, krächzte er heiser. Das Funkeln in ihren Augen ließ sein Herz gleich noch viel höher schlagen. Er fühlte sich jetzt federleicht, geradezu selig. Ohne noch mal darüber nachzudenken, überwand er den letzten Abstand und küsste Yukino, küsste sie mit aller Inbrunst und Zärtlichkeit, die er verspürte. Sie schlang die Arme um ihn und erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Intensität… Ein lautes Räuspern ließ sie auseinander und herum fahren. Wenige Meter von ihnen entfernt standen Sting, Lucy, Minerva und Rogue. Während Sting und Lucy begeistert grinsten, machte Rogue ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen, und Minervas Miene war beängstigend finster. „Wir haben uns schon gefragt, wo ihr bleibt“, gluckste Sting und ging um sie Beide herum, um sich den Stapel mit der Salatschüssel und dem Kuchenblech, sowie die Tüte mit Lokes Geschenk, zu nehmen. „Hach, das duftet himmlisch, Yukino! Rogue, hilf mir mal.“ Der Schwarzhaarige setzte sich steif in Bewegung. Als er an Loke vorbei kam, warf er diesem einen sehr finsteren Blick zu. Dem Jüngeren wurde schon ein wenig mulmig dabei zumute. Sting legte den freien Arm um Yukinos Schultern und führte die Weißhaarige in Richtung der Gartenparty. Rogue folgte ihnen mit den beiden verbliebenen Salatschüsseln, sodass Loke schließlich mit Lucy und Minerva alleine blieb. Noch immer grinste Lucy breit, während Minervas Miene nach wie vor finster war. Loke konnte sich richtig gut vorstellen, wie sie damit vor Gericht die Verbrecher in die Knie zwang. „Also“, ergriff Lucy das Wort und kam langsam auf Loke zu, um sich bei ihm unter zu haken. „Du und Yukino, ja?“ Wollte seine Cousine Minerva wirklich noch mehr provozieren? Selbst für ihre Verhältnisse erschien das Loke eindeutig zu gewagt, aber Lucy ließ sich offensichtlich nicht von Minervas Blicken beeindrucken, sondern blickte lächelnd zu Loke auf. „Ähm…“ Herrje, er war wirklich schon mal eloquenter gewesen… „Das freut mich sehr für euch“, erklärte Lucy mit leuchtenden Augen und umarmte ihn ungelenk von der Seite und dann wurde ihre Miene auf einmal mörderisch finster. „Aber lass’ dir eines gesagt sein, Loke. Familie hin oder her, wenn du Yukino jemals unglücklich machst, werfe ich dich den Wölfen zum Fraß vor… und die werden dich in der Luft zerreißen…“ Lucy nickte zu Minerva hinüber, die die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Loke lief es eiskalt den Rücken herunter. Er wusste nicht, wer schlimmer war – Lucy oder Minerva? Dann hellte sich Lucys Miene schlagartig wieder auf und sie bugsierte Loke in Richtung Gartenparty an Minerva vorbei. „Aber das wirst du natürlich nicht, oder?“ „Natürlich nicht“, sagte er entschieden. „Ich will sie glücklich machen!“ Er blickte über seine Schulter zu Minerva, um seine Aussage mit einem entschlossenen Blick zu bekräftigen. Und tatsächlich wurde ihre Miene ein bisschen weicher und sie nickte ihm minimal zu. Er fühlte sich ein bisschen so, als hätte er gerade von höchster Stelle einen Ritterschlag erhalten… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)