Der Pfad des blutroten Teufels von YukimuraRuki ================================================================================ Kapitel 3: Der Junge Hans und der Engel mit den Regenbogenschwingen ------------------------------------------------------------------- 'Du bist Hans C. Walker, habe ich Recht? Verstehst du, was ich sage?' Das war der erste Satz, den der „Engel“ zu ihm sagte als dieser zum ersten Mal bei dem Jugendlichen auftauchte. Im ersten Augenblick bekam er einen unheimlich großen Schrecken, aber aus alter Routine fing sich der Junge und bemühte sich ruhig zu bleiben. Bisher gab es für jeden dieser Fälle eine rationale Erklärung, selbst wenn die Einstufung ‚rational‘ nicht von jedem Menschen in seinem Umfeld als solche galt. Der Jugendliche fasste also den Entschluss so zu reagieren wie üblich, wo er es über die Jahre für gewöhnlich empfand mit solchen Geschöpfen zu kommunizieren und somit antwortete er dem Engel: „Ja, mein Name ist Hans Christian Walker.“ Sein voller Name lautete wohl so. Im ersten Moment fragte er sich, ob dieser Engel bis hierher in die Straßen Londons kam, um ihn abzuholen. Obwohl er keine Furcht vor einem solchen Ereignis kannte, hatte er bis zu dem Zeitpunkt eigentlich vorgehabt noch ein wenig länger auf der Erde zu verweilen. Pläne schmiedete er bereits seit der Junior High School. Zahlreiche Pläne die alle samt in der Pro-League endeten, obwohl seine Eltern ihm den Weg zur Duellakademie versperrt hatten. Dennoch malte er sich bereits die gesamte Karriere im Kopf aus. Nach abgeschlossener Ausbildung wollte er außerdem eine Familie gründen, mit jemandem, der dazu bereit war ihr Leben mit ihm zu teilen. 'Hans, ich bin nicht gekommen um dich mit ins Jenseits mitzunehmen, oder so etwas in der Art. Ich habe auch nicht vor, dir den Weg zu ins Reich der Toten zu zeigen, falls du irgendwann sterben solltest. Ich weiß nicht, ob es überhaupt Wesen gibt, die für solche Dinge zuständig sind. Im Grunde genommen bin ich nicht einmal ein richtiger Engel, glaube ich. Falls du aber Pläne hast noch etwas länger am Leben zu bleiben, dann würde es mir helfen, wenn du mir zuhörst, denn dein Leben ist in großer Gefahr.', der Engel erklärte dies mit einem äußerst bekümmerten Gesichtsausdruck. So traurig, dass Hans das Gefühl bekam, dass diese Augen die Schrecken vieler Jahre mitangesehen hatten. Bis auf ein Nicken brachte er keinerlei Reaktionen hervor und blieb stumm. Der Engel hingegen machte einen erleichterten Eindruck, da er bemerkte dass der Jugendliche auf ihn hören wollte. Kurz darauf gewährte der Engel ihm einen Blick auf seine prachtvollen Flügel, welche er vor seinen erstaunten Augen ausbreitete. Sie waren mit sieben Edelsteinen verziert, die das Licht verzückt umspielte und zum Glitzern brachte. Dieses paar weißer Flügel war wunderschön. Nachdem der Engel seine Flügel vollkommen ausgebreitet hatte und Hans ihn von oben bis unten musterte, stellte er fest, dass der Engel ihm bis auf die letzte Haarspitze glich. Jemand Außenstehendes hätte ihn für einen schon lange verstorbenen Bruder halten können. Für einige Sekunden verfiel der Junge namens Hans selbst dem Gedanken, dass sie miteinander blutsverwandt waren. Ihr Haar unterschied sich ein wenig, da das des Engels etwas wilder erschien. Sowie des Engels Augen, die so viel heller und smaragdgrün erstrahlten als seines es je täten. So hell wie Edelsteine funkelten sie. Der Engel fuhr fort: 'Du kennst doch sicher die Gerüchte über ‚den Pfad des blutroten Teufels‘, nicht wahr? Diese Geschichten, die zurzeit in England florieren, sind bis zu einem gewissen Grad wahr. Es sind für die meisten Leute sicher alles nur Gerüchte, doch du, Hans, bist möglicherweise sein zwölftes Opfer. Im Augenblick ist der Teufel dabei, sein siebtes Opfer zu finden und im Anschluss zu töten. Mit anderen Worten, hat er noch fünf andere Opfer vor sich, bevor er Hand an dich legen wird. … Ich vermute zwar, dass du mir diese Geschichte nicht glaubst, aber alles was ich sage ist wahr. Wenn du weiter so unbekümmert vor dich hin lebst wie bisher, dann wirst du sein zwölftes Opfer werden, hast du verstanden?' „Klar kenne ich die Geschichten, die Nachrichten sind voll von den Berichten. Von Gerüchten kann wohl kaum mehr die Rede sein, vor allem wenn man sich die Blutspuren betrachtet, die dieser Wahnsinnige hinter sich herzieht“, antwortete ich ohne große Umschweife, „Du willst mir also sagen, dass ich zur Zielscheibe dieses Teufels werde? Wenn du dir extra die Mühe machst um einen einfachen Schüler aufzusuchen, dann gibt es keinen Grund dir zu misstrauen... Aber kannst du mir sagen, was für einen Grund dieser Teufel haben sollte mich zu töten?“ Hans legte meinen Kopf etwas schief, da die Situation sogar für ihn sowohl merkwürdig als auch überfordernd war. Der Engel machte einen überaus überraschten Eindruck, da sein Gegenüber die Geschichte ohne die geringste Widerrede glaubte. Der Engel atmete hörbar, erleichtert aus. Gutgläubigkeit war in dieser Welt nicht mehr oft vertreten und man konnte sich darüber nur wundern, aber auf der anderen Seite musste es einen Sinn haben, dass ein heiliges Wesen ihn besuchte. Außerdem gab es viele Menschen im näheren Umfeld des Schülers, die seine Worte wunderlich fanden. Manchen erzähle er, dass er in der Lage war Geister zu sehen und auch, dass Hans mit einigen kommunizierte um sich die Zeit zu vertreiben. Viele von diesen Leuten erschrecken sich fürchterlich vor ihm und fanden ihn unheimlich. Allerdings besuchte ihn Engel mit Regenbogenschwingen zum ersten Mal, aber er empfand es als kein fragwürdiges Ereignis. Aus diesem Grund ging Hans ebenfalls davon aus, dass es sich bei dem Anlass für den Besuch eines Engels die Verkündung seiner Todesstunde handeln musste. Die meisten Leute, wären sicher schreiend davongelaufen und kurz darauf ihren Psychologen informiert. Hans kannte übernatürliche Dinge in und auswendig und schlussendlich auch in der Lage dem geflügelten Wesen Glauben zu schenken. 'Du bist ein ziemlich seltsamer Geselle. Ich mag Leute wie dich, die sich selbst in solchen Momenten nicht fürchten. Der Grund weshalb du zur Zielscheibe wirst, ist ziemlich offensichtlich, wir sehen uns ähnlich. Es dir bis ins Detail zu erklären ist aber sehr schmerzhaft für mich. Lass es mich von Anfang an erklären. Ich denke du hast bemerkt, dass ich nur ein Geist bin. Körperlich befinde ich mich im Unterschlupf des blutroten Teufels. Allerdings bemerkt er mich nicht mehr. Dieser Dummkopf hat sich schon seit zehn Jahren verschlossen und es gelingt mir nicht mehr zu ihm vorzudringen', erklärte der Engel und fuhr nach einer kleinen künstlerischen Pause fort, '...Obwohl es im Moment ein Vorteil ist, dass ich ihm unbemerkt entkommen kann. Auf jeden Fall möchte ich dich beschützen. Ich finde es nämlich nicht gut, dass jemand wegen mir sein Leben lassen muss, obwohl er noch eine strahlende Zukunft vor sich hat.' „Willst du damit etwa sagen, dass der Teufel für dich, der du doch ein Engel bist, die ganzen Morde verübt?“ 'Ziemlich vereinfacht ausgedrückt, ja. Es ist aber viel, viel komplizierter…' „War der Teufel zufällig dein Geliebter, obwohl du ein Engel bist?“ 'Irgendwie schon, ja.' Der Engel zuckte lediglich mit den Achseln und bejahte die Frage ohne großes Drumherum zu sprechen. Hans nickte bedächtig. Irgendwie begann diese Geschichte ziemlich interessant zu werden. Fantasy Geschichten hatte der Schüler schon als kleiner Junge geliebt und England hatte er ebenfalls sehr gern. Natürlich, schließlich war dies sein Vaterland, doch darum ging es mir bei meiner Verbundenheit nicht. Der wahre Grund dafür ist, dass er Wesen wie zum Beispiel Feen und Leprecons mochte. Einst hatte Hans sich unglücklicherweise im Wald verirrt und traf ein Einhorn. Dieses Einhorn war eins dieser freundlichen gesinnten, welches ihm dann den ganzen Weg bis zum Rande des Waldes führte, damit er wieder nach Hause fand. Es handelte sich streng genommen um die Seele eines 'Sonnenlicht-Einhorn' und diese Erscheinung hatte Hans ziemlich fasziniert. Diese Duell Monsters Karte gewann einen speziellen Platz in seinem Herzen und er hatte sie in sein Deck integriert damit sie ihn als Talisman beschützte. Wie auch immer, dieses Ereignis lag schon viele Jahre zurück. Die momentane Begebenheit entpuppte sich nun als eine ebenso interessante Geschichte. Der Geliebte des Engels mit den Regenbogenflügeln war also der Serienmörder, den man besser unter dem Medienpseudonym 'der Pfad des blutroten Teufels' kannte. Diese Tatsache machte die ganze Angelegenheit natürlich äußerst dramatisch. Nun da der Engel ihm die ganze Situation erklärt hatte, musste Hans ihm in allen Punkten Recht geben. Wenn sie sich nebeneinander stellten, dann verwechselte man sie mit großer Wahrscheinlichkeit miteinander. Vielleicht war es bisher ein riesiges Glück gewesen, dass Hans dem Teufel noch kein einziges Mal begegnete. Bis auf den Medienrummel wusste Hans nicht sehr viel über den Teufel. Es ging nicht weit über die allseits bekannten Gerüchte hinaus und diese waren sicherlich voller unnötiger Übertreibungen, so dass er nicht zu sagen vermochte, was davon den Tatsachen entsprach. Der erste Fakt, der ihm zu Ohren kam war die atemberaubende Schönheit des Teufels. Das Geschlecht schien aber jedem vollkommen unklar zu sein. Einmal hieß es, dass der Teufel in der Gestalt eines unvergleichlich anmutigen Mädchens erschien. Aber in einer anderen Version hieß es, dass er ein so gut gebauter, muskulöser junger Mann war, so dass es einem kalt über den Rücken lief, sobald er sich vor einem aufbaute. Eines hatten die beiden Geschichten allerdings miteinander gemeinsam und der Punkt war, dass es sich stets um ein vom Wahnsinn ergriffenes Wesen handelte. Aus den Presseberichten über die Leichen zu schließen, gab es keinen einzigen Zweifel am Geisteszustand des Täters. Sein Medienname rührte nicht nur von der schier endlosen Blutlache her, sondern auch von seiner Kleidung. Man sagte, der Teufel sei in dunkles Rot gekleidet. In blutrote Kleidung sogar. Diese sei angeblich der Schlüssel zu den pechschwarzen Flügeln, die ihm aus dem Rücken sprossen. Man hatte den Teufel wohl in einer Vollmondnacht davonfliegen sehen, doch letzteres erschien Hand beinahe ausgeschlossen. Wie man sich die Farbe der Kleidung oder sonstige äußerliche Merkmale erklärte, wusste er ebenfalls nicht, immerhin überlebten die Leute nicht lange wenn sie schon auf ihn trafen. „Nebenbei gefragt, der Teufel... ist der nun eigentlich männlich? Oder eine Frau? Die Erzählungen sind sich da nicht einig und wenn du wirklich mit dem Teufel lebst, dann musst du das ja wissen.“ Der Junge nahm an, dass dem Engel seine Direktheit die Dinge beim Namen zu nennen ein wenig missfiel. Als Hans diese merkwürdige Frage stellte, ließ der Engel ein leicht verstimmtes Brummen hören: ‚Wenn ich sagen sollte, was der Teufel am ehesten ist, dann ist er wohl ein Junge.‘ Egal wie man sich den Engel auch ansah, er war definitiv auch männlich. Eine Antwort, die Hans umso mehr überraschte. „Dein Geliebter war als auch ein Junge?!“ 'Wie ich schon sagte, er war so etwas wie mein Geliebter. Er war mein bester Freund. Mit ihm war alles ein wenig unbefangener und an seiner Seite fühlte man sich stets leichter. Auch in den schwierigsten Situationen, konnte man mit ihm noch lachen. Das Atmen fiel mir so leicht wenn er bei mir war und ohnehin habe ich seine Anwesenheit von Anfang an sehr genossen. Auch jetzt sehne ich mich nach seiner Körperwärme, denke ich.‘, erklärte der Engel und stoppte sich selbst, seine Wangen färbten sich leicht rot und er lenkte wieder ins eigentliche Thema ein, ‚Also, in dieser Gestalt kann ich nicht wirklich an seiner Seite sein, wie du sicher verstehen kannst. Vielleicht wäre es bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich gewesen. Dieser Zeitpunkt ist schon lange vorübergezogen…' „So ist das also... aber sag mal, Engel, hast du den Teufel so wirklich geliebt?“ 'Na du fragst mir merkwürdige Sachen. Natürlich liebe ich ihn immer noch, das liegt doch auf der Hand, oder? Auch wenn er jetzt für dieses Blutbad verantwortlich ist, ändert es doch nichts an meinen Gefühlen zu ihm. Trotzdem bin ich gegen diese Verbrechensserie.' Der Engel hatte ohne zu zögern geantwortet und zeigte dabei nicht auch nur einen kleinen Funken Schamgefühl. Dennoch prahlte er nicht mit seiner Liebschaft. Ein Zeichen dafür, dass die beiden Wesen wohl ebenbürtige Existenzen waren. Außerdem ließ die Erzählung darauf schließen, dass sie einander auf gleiche Weise und ebenso intensiv geliebt haben. Was für eine verrückte Sache. Ebenso verrückt wie die Tatsache, dass der Teufel bereits sieben Menschen auf dem Gewissen hatte und nun wahrscheinlich noch fünf weitere zu töten plante. Was war es denn nun eigentlich? Irrsinn, Übermut oder Anbetung, was Hans da empfand? Er konnte dieses Gefühl selbst nicht genau benennen. Vielleicht handelte es sich um Faszination. „Ihr habt euch also beide geliebt.“ 'So sieht es zumindest aus. Als ich noch am Leben war, hatten wir uns geküsst und miteinander geschlafen.' Der Engel war ziemlich gewöhnlich und freigiebig mit seinen Informationen. „...Obwohl ihr beste Freunde und obwohl ihr beide Jungen wart, habt ihr miteinander geschlafen?“ Hans konnte wohl nicht verbergen, dass er plötzlich Feuer gefangen hatte.Er interessiere sich für Welten, die er für gewöhnlich nicht betrat. Der Engel war schon ziemlich cool und der Teufel soll unheimlich schön sein. Wie die beiden wohl zusammen gewirkt hatten, dass konnte Hans sich auch in meinen wildesten Träumen nicht ausmalen. Sicher war das gegebene Bild noch viel schöner, als er es sich im Kopf vorstellte. 'Interessiert dich das? Bis jetzt hast du nur solche überflüssigen Dinge gefragt, vielleicht sollten wir aufhören über mich zu reden und uns darauf konzentrieren, was wirklich wichtig ist', meinte der Engel zunächst ein wenig irritiert über die Leichtfertigkeit des Jugendlichen, allerdings fuhr er gleich darauf fort, 'Ja, er war männlich wie ich, doch irgendwie war er mit der Zeit auch ein wenig weiblich geworden. Deshalb hatte ich noch weniger Bedenken. Obwohl es mir in jedem Fall egal war. ' „So?“ Der Engel sprach in Rätseln. Nach seinen eigenen Erzählungen handelte es sich um den Teufel also irgendwie auch um ein Mädchen, wenn es denn Möglichkeiten für solch einen Zustand gab. Ob er irgendwas zwischen den üblichen Geschlechtern, mit welchen man geboren werden konnte, vertrat? Eine Schönheit oder ein Schönling, es gab Gerüchte über beides, deshalb könnte der Teufel doch auch ein zweigeschlechtliches Wesen sein. Irgendwie überkam ihm das Gefühl, dass er den Teufel gern einmal zu Gesicht bekommen wollte. Doch wenn Hans die Worte des Engels richtig interpretierte, dann traf er den Teufel erst dann, wenn die Stunde seines Todes unmittelbar bevorstand. Sollte Hans allerdings die Chance haben eine so schöne Gestalt zu treffen, dann zahlte er gern diesen hohen Preis. Jedenfalls hatte Hans das in diesem einen Moment so empfunden. Es blieb allerdings fürwahr bei diesem einen Augenblick. Denn auch das Bedürfnis mindestens innerhalb der durchschnittlichen Lebenszeit eines Menschen zu existieren brodelte in seinem Inneren. Hans war gerade mal siebzehn Jahre alt. Eine Laufbahn als Produellant lag erst vor ihm und außerdem, war der dazu gezwungen sich den langen, steinigen Weg selbst zu ebnen. „Du sagtest, dass du mich beschützen willst, aber wie hast du das vor? Die Polizei werden wir kaum zur Rate ziehen können. Selbst wenn wir denen erzählen wo sich dieser neue Jack the Ripper aufhält, sie würden uns für verrückt erklären und sich lustig machen. …Nebenbei gefragt, wenn du im Nest des Teufels schläfst, warum hast du bisher niemandem gesagt wo es ist?“ 'Nein, das würde nichts bringen. Wie du selbst schon erkannt hast, wären gewöhnliche, sterbliche Menschen einem solchen Teufel kaum gewachsen. Es bedarf anderen Kräften. Solche Kräfte, über die nur Leute verfügen, die das Spiel beherrschen oder Seelen wahrnehmen können, so wie du und ich. Hierbei kann ein Mensch, so sehr Polizist sein wie er will, gegen den Teufel hat kein Gesetz irgendeine Wirkung. Am Ende gäbe es nur eine Leiche mehr als nötig. Ich kann schon vor mir sehen wie der Strahl von Neos den armen Kerl verbrennt. Also lassen wir die gewöhnliche Polizei am besten aus dem Spiel.' „Neos!?“, Hans wiederholte voller enthusiastischer Aufregung den Namen, welcher ihm gerade zu Ohren kam. Neos... ob es sich wirklich um den legendären Neos handelte? Falls es tatsächlich der Wahrheit entsprach, dann musste er wohl vor seinem Tod noch um ein Autogramm bitten. Obwohl es wohl keinen tieferen Sinn hätte, denn immerhin nutzte ihm eine Unterschrift des legendären Duellanten nichts in der Stunde seines Ablebens. Dennoch sehnte Hans sich nach einem Beweis seinem größten Idol gegenübergestanden zu sein. „Wenn du Neos sagst... meinst du damit vielleicht wirklich den Elementar Helden Neos?! Der Neos des 2008 zum Weltmeister gewordenen Juudai Yuuki! Oh jeh, bei so einer Ehre von Neos' Strahl verbrannt zu werden, würde ich mich auch freiwillig umbringen lassen... Aber war Neos Angriff nicht mit den Fäusten ausgeführt?“ 'Schon, aber wenn es zum echten Kampf kommt scheint sein Angriff aus irgendeinem Grunde nicht mehr physisch zu sein. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass man ihm jetzt keinen Heldenstatus mehr zuschreiben kann. Aber ich muss schon sagen, du kennst dich ganz schön gut aus.', meinte der Engel, obwohl es ihm sehr gewöhnungsbedürftig vorkam, dass jemand dem Augenschein nach, so wenig an seinem Leben hing. „Ich bin schon seit meinem fünften Lebensjahr ein riesen Fan von all den großen Duellanten der Pro-League, die damals an der Hauptstelle der Duell Academy zur Schule gegangen sind! Leider verschwand mein ‚Karmesinroter Held, Juudai Yuuki‘ vor zehn Jahren, aber er wird für mich immer der Karmesinrote Held bleiben. ...Warte mal kurz... kann es sein, dass 'Der Blutrote Teufel'...!?“, wollte der Jugendliche teilweise geschockt und teilweise enthusiastisch wissen. Dass Hans erst jetzt hinter dieses Geheimnis kam! Das Puzzle passte zumindest zusammen, wie die Faust aufs Auge und es erklärte zumindest den Verbleib seines größten Idols. 'Das hast du richtig erkannt. Der Blutrote Teufel ist Yuuki Juudai. Die neue Gestalt meines einzigartigen, besten Freundes. Vor zehn Jahren, als ich ganz plötzlich, für ihn unerklärlichen Gründen starb, hat er sein Heldenleben aufgegeben. Sogar dem Menschsein entsagte er vollkommen, nachdem ich verstarb. Juudai ist eine ausgesprochen lange Zeit ein gestörter Irrer gewesen und in letzter Zeit eben zum Massenmörder. Natürlich mordet er nicht ohne Sinn und Verstand. Er tut das alles nur, um mich wiederzubeleben. Ich liebe Juudai, aber ich habe keine Ambitionen mich wieder zum Leben erwecken zu lassen. Jedenfalls nicht so. Und an dieser Stelle, Hans, möchte ich mich mit dir beraten. Würdest du mir hin und wieder deinen Körper überlassen?' „Wie bitte!?“ 'Ich fragte, ob du mir nicht hin und wieder deinen Körper ausleihen würdest. Wenn du keine Schule hast oder auch sonst mal frei hast. Ich habe einen guten, alten Freund der mit Scotland Yard zusammenarbeitet und mit dem würde ich gern ein paar Worte wechseln. Der Nachteil ist aber, dass er nicht die Seelen von Karten wahrnehmen kann und deshalb wird er wohl kaum von mir notiznehmen können…' „Haa...“, als ob der Engel noch eine weitere, Farbenmalerei mit Worten vorhatte, lächelte er leicht. Hans allerdings hatte seine Gesichtszüge merkwürdig verzogen, als er die Worte 'Körper verleihen' hörte. Mit anderen Worten sollte er diesem Engel erlauben sich von seinem Körper abhängig zu machen. Oder vielmehr sollte es wohl andersherum laufen, denn ihm die Gewalt über seinen Körper zu geben hieße ein Stück Freiheit aufzugeben. Auf der anderen Seite wirkte es wie eine interessante Wendung in diesem ganzen verworrenen Mysterium, aber irgendwie machte es ihm auch Angst. Immerhin war sein Gesprächspartner hier ein Engel. 'Mach dir keine Sorgen, ich habe nicht vor irgendwelche perversen Dinge mit deinem Körper zu tun. Ich will dich auch nicht in tiefe Verwicklungen beim Scotland Yard reißen, sondern einfach eine Unterredung mit meinem alten Freund führen. Und dennoch ist das ein wenig viel verlangt, hm? Ist es zu viel verlangt?', der Engel hatte seinen Kopf leicht schief gelegt, auf dieselbe Weise, wie zuvor Hans es getan hatte. Er glich ihm so sehr, dass er beinahe das Gefühl hatte einem Spiegel gegenüber zu stehen, der seine Bewegungen entgegengesetzt zu ihm tat. Es verursachte ein mulmiges Gefühl in Hans‘ Magengegend. „Hmm... was du sagst hört sich ziemlich interessant an. Also gut. Im Gegenzug würde ich allerdings gern etwas von dir wissen.“ 'Wenn ich dir antworten kann, werde ich es tun.' „Wie lautet dein Name?“ Nachdem der Jugendliche dies fragte, kam ein belustigtes 'ist das alles? Das kann ich dir leicht beantworten' als Reaktion, und der Engel seufzte erleichtert aus, so als ob eine unerträgliche Last von seinen Schultern fiel. Er schien dem jungen Briten doch irgendwo noch vollkommen menschlich zu sein und das war etwas, das Hans an ihm mochte. 'Mein Name ist Johan Andersen. Ich stamme aus Norwegen und ging dort zur Duell Academy Arctic Zweigstelle. Im Jahre 2007 bin ich in meinem dritten Studienjahr für ein Semester zur Hauptstelle der Duellakademie gegangen – für einen Austausch – dort lernte ich Yuuki Juudai kennen. Gestorben bin ich dann in Japan. Ich denke, ich bin nun schon seit zwölf Jahren tot. Auf gute Zusammenarbeit, Hans Christian Walker.' Der Engel lächelte und streckte dem Jungen die Hand entgegen. Reflexartig tat Hans es ihm gleich und in dem Moment als sich ihre Hände trafen und die des Jungen relativ durchsichtig wurde, entstand wohl unser Vertrag und somit wurde anscheinend auch die Stunde seines Todes bestimmt. Der Engel tat Hans in diesem Moment furchtbar Leid. Nachdem er von seiner Jagd zurückgekehrt war, hauchte er einen sanften Kuss auf das bläuliche Haar des noch immer frisch erhaltenen Körpers. Für den Teufel war dies zu einer Gewohnheit geworden, den wunderschönen Körper, der nun einer Wachspuppe glich mit einem leichten Kuss auf den Haarschopf oder die Stirn zu begrüßen. Der Teufel aber bildete sich noch immer ein, dass es ihm durch diese kleinen Rituale wärmer und gleichzeitig leichter ums Herz wurde. Selbst wenn Johan gestorben war, er war noch immer kostbar für den Teufel. Ja, manchmal glaubte er selbst wahnsinnig geworden zu sein. In manchen lichten Momenten, dachte er wirklich darüber nach, ob er nicht etwas Falsches tat. Doch leider waren diese hellen Momente viel zu kurz und gar nicht mehr zahlreich. Es war jedoch ein Beweis dafür, dass in ihm noch immer ein Funke von menschlichen Gefühlen herrschte und wenn ihn solch ein Moment erreichte, dachte er schwer nach. Was wohl passierte, wenn sein Liebster wieder erwachte. Es gab viele Spekulationen in Juudais Herzen. Eine von diesen lautete, dass Johan ihn auf der Stelle auszuschimpfte ohne darüber nachzudenken, dass er plötzlich wieder lebte. Die Wahrscheinlichkeit dafür war sogar ziemlich hoch. Vielleicht würde er ihn auch mit Beleidigungen überhäufen oder aber ohne zu Zögern den Teufel für seine Schandtaten umbringen. „Ich wollte nicht wieder erweckt werden“, vielleicht würde Johan so etwas sagen. „Ich liebe dich nicht“, womöglich antwortete er auch auf diese Weise. „Abscheuliches Monster!“, war eine andere Möglichkeit oder aber so etwas wie „Ich wünschte, ich hätte dich nie geliebt.“ Sollte es ihm gelingen seinen Geliebten wiederzubeleben, könnte er ihm so etwas entgegnen und somit die Existenz des Teufels gänzlich zu Nichte machten. Dennoch war 'Der Pfad des blutroten Teufels' dazu bereit alles zu riskieren. Trotz allem wollte der Teufel sein Ziel weiter verfolgen. Selbst wenn er nicht mehr zurückgeliebt werden sollte, es war ihm mittlerweile egal. Seine erste Priorität war, dass Johan lebte. Sollte Johan Andersen das Leben des Teufels beenden, dann war es das größte Geschenk, welches er Juudai machen konnte. So lange Juudai, Johan noch ein einziges Mal mit seinen eigenen Augen erblicken konnte um mit ihm zu sprechen. „Selbst wenn ich ein gemeiner Thor bin, es ist mir egal.“ Juudai liebte Johan. Als sich ihre Lippen zum aller ersten Mal berührt hatten, hatte Juudai bei sich gedacht, dass es ihm auch egal wäre, wenn er plötzlich zu einem Mädchen wurde. Tief in seinem Herzen gab es Momente da er wirklich gerne eins gewesen wäre. Juudai erinnerte sich gut an den Moment, als sie tief miteinander verbunden waren und die Töne ihrer Herzen aufeinander fielen und er vor Freude ein paar Tränen vergoss. Als Johan diese sah, trocknete er die glitzernden Tränen mit einem 'Du bist wunderschön'. Seit wann war Johan eigentlich seine ganze Welt geworden? „Ich werde nie wieder schön sein aber … so lange ich Johan noch ein aller letztes Mal sehen kann, ist es mir egal wie tief ich mich in Sünde werfen muss. Mein geliebter Gott. Mein geliebter Johan. Ich werde nicht eher aufhören, bevor ich dich nicht an meiner Seite weiß. Selbst wenn ich mit diesen blutgetränkten Schuhen weitertanzen muss.“ In dem Märchen von Karen, die wegen ihrer roten Schuhe ihre Beine verlor, verzweifelte und betete und betete zu Gott, er möge ihr doch helfen. Zum Schluss wurde ihr gestattet in den Himmel zu kommen. Irgendwie naiv und irgendwie erschien diese Geschichte wie eine Lüge. Es gab keinen Gott. Es gab auch das himmlische Paradies nicht. Es gab nur das Diesseits wohinter sich die Hölle versteckte. Shangri La, Utopia, Elysium... Die Menschen hatten sich all diese Traumländer ausgedacht und es gibt sogar noch sehr viele mehr. Für Yuuki Juudai gab es damals nur ein Traumland und das war Kaiba Land. Er hatte früher tatsächlich so darüber gedacht. Für 'Der Pfad des Blutroten Teufels' aber waren solche Kindheitsträume nicht mehr wichtig. Für ihn gab es solch eine Idealwelt nicht mehr. „Mein Paradies ist nur hier. Eine Welt ohne Johan hat für mich keinen Sinn. Wenn du nicht da bist, dann werde ich nur von der Welt mit Füßen getreten und hungere und durste vor mich hin. Weißt du das eigentlich, Johan? Dass du mich einfach nur in den Wahnsinn treibst?“ In seiner Kindheit wollte Juudai schon immer ein Held werden und er hatte sein Ziel schließlich Jahre später erreicht. Während er die Welt mehrere Male vor Unheil bewahrte, hatte ihn diese allerdings rücksichtslos im Stich gelassen. Freilich hatte Juudai geglaubt, mit seinem Plan ein kleines Trostpflaster für seine Situation gefunden zu haben, doch es war ein trügerisches und letztendlich hinterließ dieses nur noch eine viel tiefere Narbe. Sicherlich hatte er selbst auch schlimme Dinge getan. Der Junge, der früher einmal die sanfte Dunkelheit Haou gewesen war, wurde eines schönen Tages einfach zu einem Teufel. „Ich wurde von dir verrückt gemacht. Mein eigenes Leben und mein Körper haben mich und auch dich verrückt gemacht. Wenn ich dich nicht getroffen hätte, dann wäre ich sicher nur ein Grünschnabel geblieben und niemals erwachsen. Ich hätte sicher in einer total gewöhnlichen Welt gelebt und sie mit Lobgesang gepriesen und vielleicht sogar glücklich in ihr gestorben. Für dich wollte ich diese grausame Welt erobern. Für dich habe ich meinen Gerechtigkeitssinn über Bord geworfen. Für dich, bin auch zur Hälfte ein Mädchen geworden. Für dich, habe ich meine Unwissenheit und Unschuld verloren Dieses Mal werde ich eben zu einem mordlustigen Teufel. Nur für dich. Für dich, tue ich alles.“ Die leblose Hülle antwortete ihm nicht. Sie hüllte sich in Schweigen, doch warf sie dem Teufel, schwache, traurige Blicke zu. „Seit du mein Herz erobertest...“ Der tote Körper zuckte nicht einmal mit der Wimper, die Gliedmaßen hingen lediglich schlaff herunter. Johans Körper war bereits seit zehn Jahren tot. Im Moment wartete diese Hülle nur darauf, wie einst das Gefäß einer unheimlich wertvollen Seele zu werden. Der Teufel atmete tief durch und ließ den Körper zurück in sein Grab aus weißen Blumen. Die Blumen verwelkten niemals und der tote Körper war angereichert mit dem Nährstoff des „Rainbow Dragons“ und würde in alle Ewigkeit strahlen. „Necro Fleur“ war die Blume des Todes. Eine wunderschöne Pflanze, auch wenn der Teufel diese Schönheit kaum wahrnahm. Sie sollte den Körper einfach nur schützen. Das war alles wozu sie nutzte. „Sollte ich irgendwann zu einem Monster werden, wirst du dann immer noch mein Freund sein? Sollte ich zu einem Monster werden, wirst du mich dann trotzdem noch lieben?“, wie immer sang der Teufel diese Sätze wie magische Zauberformeln und wartete dem Toten auf. Er schloss langsam die Augen und wartete vergeblich auf eine Antwort. Die Augen des Teufels spiegelten nichts wieder und sie sahen auch nichts, bis auf die schlummernde Hülle, die ihm müde Blicke zusandte. Der Teufel hatte sie all die zehn Jahre nicht bemerkt. Die Seele seines Geliebten. Die Seele, welche stets an seiner Seite verweilte und immer treu antwortete: 'Ich werde dich immer lieben, du mein wertvollster Mensch auf Erden.' Noch nie, hatten die Ohren des Teufels diese Antwort vernommen. Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)