Brieftauben aus aller Welt von demona1984 ================================================================================ Kapitel 3: Drittes Jahr ----------------------- Drittes Jahr Er war nervös, so nervös, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Würde heute wieder ein Vogel kommen? Wenn ja, aus welchem Teil der Welt würde er diesmal stammen? Würde er wieder einen Brief dabei haben? Und eine Pflanze? Vielleicht sogar ein Geschenk? Severus glaubte nicht wirklich daran, schließlich hatte er sich bereits zwei Mal nicht gemeldet, weder bedankt noch irgendein Lebenszeichen von sich gegeben. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Potter, wenn er es denn war, nochmal einen Brief schicken würde. Seine Ablehnung musste eigentlich überdeutlich sein. Dennoch war er nervös und da er sowieso nicht mehr schlafen konnte, stand er auf und machte sich fertig. Ob er sich nun hier im Bett rum wälzte oder etwas früher zum Frühstück ging, war ja egal. Es war nicht nur Severus' Blick, der ständig nach oben ging. Das komplette Lehrerkollegium sah immer wieder zu dem großen, offenen Fenster, durch das die Posteulen immer einflogen und auch an den Schülertischen wandten sich immer mehr Köpfe um. Als die ersten Posteulen einflogen, war es auch um den Rest geschehen, fast alle Blicke waren auf das Fenster gerichtet. Severus schluckte, wenn heute kein Vogel für ihn kam, wäre er mal wieder das Gespött der Schülerschaft. Wer würde sich auch mit ihm einlassen? Überraschte Schreie wurden laut als ein gewaltiger Vogel durch das Fenster hinein glitt. Schneeweißes Gefieder mit schwarzen Armschwingen in den Flügeln, Kopf und Hals schienen auch schwarz zu sein. „Was bei Merlin ist das?“, fragte Minerva neben ihm. „Gute Frage aber egal, was es ist, das Teil ist zu groß um auf dem Tisch zu landen“, sagte Severus während der Vogel langsam tiefer sank. Als er allerdings wirklich den Tisch anvisierte, musste Severus eingreifen, er stand schnell auf und trat zwei Schritte vom Tisch zurück. „Wenn du es wagst in meinem Frühstück zu landen, brate ich dich zum Mittagessen“, rief er dem Vogel zu, der einen heiseren Schrei hören ließ und nochmal eine Runde drehte bevor er zu der Landung direkt vor Severus ansetzte. Es gestaltete sich etwas umständlich bis der Vogel seine langen Beine und die großen Flügel sortiert hatte und schließlich vor Severus stand, er konnte ihm fast problemlos in die Augen sehen. Jetzt konnte Severus ihn auch genauer mustern, vom Auge zog sich beidseitig ein breiter, weißer Streifen in den Nacken um dort dann nach unten hin zu verlaufen. Die Stirn war schwarz und federlos und ging in eine karmesinrote Kappe über. „Was ist das?“, kam erneut die Frage vom Lehrerkollegium. „Er hat es mir noch nicht gesagt“, fauchte Severus bevor er langsam näher trat, der spitz zulaufende Schnabel gab garantiert eine gute Waffe ab. Der Vogel erinnerte ihn an einen Kranich aber er hatte noch nie so ein großes Tier gesehen. Wieder ein heiserer Schrei während ihm das Tier sein Bein entgegen streckte, daran war das altbekannte Bambusrohr befestigt. Nur langsam löste Severus das Rohr, er behielt das Tier genau im Auge denn von anderen Kranichen wusste er, dass sie bevorzugt nach den Augen ihrer Feinde hackten. Doch der Vogel blieb ruhig und ließ sich problemlos von seiner Last befreien, schnell trat Severus einen Schritt zurück bevor er den Korken entfernte. „Ich würde ja auf Japan tippen“, kommentierte Minerva den Inhalt des Bambusrohres. Severus nickte nur denn er hielt eine perfekte, hellrosa Origamirose in den Händen. Die gleiche Farbe hatte die echte Blüte, die er aus dem Rohr holte, allerdings hatte sie nur fünf runde Blütenblätter. Während Minerva die Stirn runzelte, genau wie fast alle Anderen, griff Severus erneut in den Bambus und förderte ein Pergament und einen kleinen Setzling zu Tage. „Was ist das?“ Severus hielt die Blüte hoch und den Setzling und sagte, „das ist eine Kirschblüte und ich bin mir sehr sicher, dass das ein kleiner Kirschbaum ist.“ „Das würde noch mehr für Japan sprechen.“ „Definitiv, das erklärt aber noch nicht was du bist“, sagte Severus an den Vogel gewandt, der ihn nur leise anschrie. Mit einem Schnauben trat er an ihm vorbei um sich zu setzen, er las nicht gerne im Stehen und erst als er alles sorgsam auf den Tisch gelegt hatte, entrollte er das Pergament. „Konnichi wa Severus, du kannst es dir vermutlich schon denken, mich hat es nach Japan verschlagen. Genauer gesagt befinde ich mich momentan auf Hokkaido, der Heimat meines geflügelten Boten. Ich weiß nicht, ob du weißt, was da gerade vor dir steht, also erzähle ich es dir einfach. Das ist ein Mandschurenkranich. Sie brüten hier auf Hokkaido, in den sehr unzugänglichen Kushiro-Sümpfen. Ich habe mich einem sehr netten Ornithologen angeschlossen, der die Ausnahmegenehmigung zum Betreten der Sümpfe hat. Ich hätte nie gedacht, dass Vögel beobachten so interessant sein kann. Wusstest du, dass die Kraniche vom Aussterben bedroht sind? Es ist eine Schande, sie sind so interessant. Kommen wir zu der Blüte und dem Setzling, ich hoffe, es ist alles gut angekommen. Ich bin mir sicher, du erkennst die Kirschblüte und natürlich ist es ein Kirschbaum. Ich hoffe einfach, dass du ein schönes Plätzchen für ihn finden kannst. Hast du die anderen zwei Pflanzen eigentlich weg geworfen oder hast du sie irgendwo eingepflanzt? Ich hoffe auf das Zweite, es wäre schade wenn du sie einfach weg wirfst. Aber gut, es ist deine Entscheidung. Warum eine Kirsche? Ganz einfach, ich habe an einem Kirschblütenfest teilgenommen, ich wurde wieder von einer sehr netten Familie eingeladen und es war einfach wunderschön. So viele glückliche Menschen, die einfach nur zusammen gefeiert haben und überall diese atemberaubende Schönheit der blühenden Kirschbäume. Es war Wahnsinn. Japan ist ein sehr schönes Land, das Essen ist fantastisch aber die Menschen sind mir zu steif. Diese ganzen Regeln für alles und jeden, die Sitten, die Traditionen, das ist mir alles zu steif, zu unpersönlich und daher habe ich mich dazu entschlossen mit in die Sümpfe zu begeben. Naja, eigentlich wollte ich nur aufs Land raus aber das bleibt sich gleich. Die Rose war eine Übung aber ich habe mir fast die Finger daran gebrochen also habe ich das Origami wieder aufgegeben. Okay, ich habe noch einen völlig missglückten Schwan hier stehen aber den konnte ich dir nicht schenken. Also habe ich mich nochmal an einer Rose versucht und das Ergebnis hast du hoffentlich bei dir liegen. Wir haben das letzte Mal von Horoskopen gesprochen, ich habe lange überlegt ob ich dir mein japanisches Sternzeichen sage. Das japanische und auch das chinesische Horoskop richtet sich nicht nach Monaten sondern nach Jahren und wenn ich dir mein Sternzeichen verrate, weißt du wie alt ich bin und dann bin ich mir sehr sicher, dass du weißt, wer ich bin. Aber ich möchte mit offenen Karten spielen denn ich meine das Ganze immer noch sehr ernst. Ich bin vom japanischen Sternzeichen Affe und ja, ich sehe dich jetzt schon lachen. Wobei, ich habe dich noch nie lachen gesehen. Eigentlich sehr schade. Was bist du eigentlich? Dein Geburtstag ist verwirrend denn je nachdem welchen Kalender man nimmt, bist du ein anderes Sternzeichen. Nach dem chinesischen Kalender, der ja teilweise in Japan auch noch verwendet wird, beginnt das neue Jahr erst Mitte Januar, also wärst du Schwein oder Eber, je nachdem was man nehmen möchte. Wenn man den gregorianischen Kalender nimmt, beginnt das Jahr am 1. Januar und dann wärst du Ratte. Was davon trifft eher auf dich zu? Wie immer schließe ich diesen Brief mit der Bitte um Antwort, rede doch einfach mit mir. Ich bin ein sehr netter Mensch und ich bin mir sicher, du würdest mich mögen wenn du mich nochmal voreingenommen kennenlernst. jaa, mata ne Ich.“ Severus dachte kurz nach, zum Leidwesen des Absenders kannte er sich mit dem japanischen Horoskop aus und so brauchte er nur wenige Momente um zu wissen, dass Affe entweder 1968, 1980 oder 1992 war. Das erste und das letzte Jahr schloss er aus denn zusammen mit dem Juli des indischen Horoskops war klar, dass es sich wirklich um Potter handelte. Er warf dem Kranich, der sich zufrieden putzte, einen Blick zu bevor er nochmal auf das Pergament und die Geschenke sah. Warum tat der Junge das? Er ließ Pergament und Feder erscheinen, es wurde Zeit zu antworten und diesen Spuk zu beenden, auch wenn er leider zugeben musste, dass ihm die Geschenke wirklich schmeichelten. „Potter, ja, ich weiß, wer Sie sind, das war mit Ihren Hinweisen nicht schwer herauszufinden. Ich verbitte mir in Zukunft, dass Sie Ihren geschmacklosen Scherz weiter treiben. Mir war bewusst, dass Sie Ihrem Vater nicht nur Äußerlich ähneln, Sie haben auch seinen schlechten Geschmack was Scherze angeht, geerbt. Tun Sie uns Beiden einen Gefallen und suchen Sie sich ein anderes Hobby als mich zu belästigen. Ich habe andere Dinge zu tun als mich über Ihre Frechheit zu ärgern, belästigen Sie jemand Anderen. Und mein Horoskop geht Sie nichts an. Hochachtungsvoll S. Snape.“ Er rollte das Pergament zusammen und hielt es dem Kranich hin. „Bring das zurück zum Absender.“ Der Kranich nickte eifrig, nahm das Pergament vorsichtig in den Schnabel und trat dann einige Schritte zurück, er brauchte etwas mehr Platz zum Abheben. Der Start war schwer, ungelenk und absolut nicht elegant aber das änderte sich als das Tier in der Luft war und sich seine natürliche Eleganz wieder zeigte. Mit starken Flügelschlägen schraubte sich das Tier immer höher, drehte dann noch zwei Runden durch die Halle und flog schließlich zum Fenster raus. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Minerva. „Warum fragst du mich ständig dasselbe? Warum soll etwas nicht in Ordnung sein?“, fauchte Severus zurück. Minerva ließ sich nicht davon beeindrucken sondern legte den Kopf leicht schief und fragte, „gehe ich Recht in der Annahme, dass du weißt, wer dir die Sachen geschickt hat?“ Nicken. „Wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute und so, wie ich dich kenne, hast du dem Absender gerade einen bitterbösen Brief geschickt. Er oder sie soll sich nicht weiter so einen schlechten Scherz erlauben und dich in Ruhe lassen“, sagte Minerva, „du kommst gar nicht erst auf die Idee, dass der Absender vielleicht wirklich Interesse an dir hat und dir mit den Geschenken wirklich nur eine Freude machen will.“ Severus schnaubte leise, sagte aber nichts denn Minerva hatte genau ins Schwarze getroffen. Er hörte Minerva leise seufzen, eine Hand tauchte in seinem Blickfeld auf und hielt ihm die Origamirose hin. „Jemand, der dir so etwas schickt, der sich jedes Mal solche Mühe gibt, will dich nicht veralbern. Der treibt keine Scherze mit dir sondern meint es sehr ernst“, sagte Minerva sanft. Etwas unglücklich sah Severus sie an, sie sah Trauer und Unsicherheit in den schwarzen Augen doch dann verschloss sich Severus' Gesicht wieder, die typische kalte, abweisende Maske tauchte wieder auf. „Überlass mein Privatleben bitte mir“, knurrte er bevor er sich ruckartig erhob und die Halle verließ, wieder nahm er alle Geschenke und das Pergament mit. Minerva sah ihm mit einem leichten Lächeln nach, sie kannte ihren Kollegen jetzt schon so lange und wenn er den Absender wirklich ablehnen würde, hätte er die Geschenke nicht mitgenommen. Sie hoffte, dass der unbekannte Absender es wirklich ernst meinte, Severus würde einen schlechten Scherz nicht verkraften. Ein Gedanke blitzte auf und mit einem Grinsen rief sie nach einem Hauselfen, der ihr Pergament und Feder bringen sollte. Mit einer kurzen Botschaft schickte sie ihn zu Severus. Warum war er hier draußen und suchte die Ländereien von Hogwarts nach einem passenden Platz für einen Garten ab? Potter würde ihm keine weiteren Pflanzen schicken, nicht nach diesem Brief und für den Kirschbaum würde er auch in Spinner's End einen Platz finden. Dennoch war er jetzt hier, nachdem ihm die Nachricht von Minerva erreicht hatte und suchte einen passenden Platz. Wie kam sie überhaupt auf die Idee, dass er die Pflanzen noch hatte? Sie hatte zwar Recht aber das musste er ihr ja nicht sagen, sie würde es wissen wenn er wirklich einen magischen Garten anlegte. Er blieb abrupt stehen und sah sich um, dieser Platz war perfekt. Etwas höher gelegen mit einem fantastischen Blick auf den schwarzen See, zwei, noch kahle Birken und mehrere Wacholderbüsche boten teilweise Schatten. Es war einfach perfekt. Seufzend blickte Severus auf den Platz, da drüben würde sich die Kirsche perfekt machen und auf der anderen Seite das Steinbecken mit der Lotosblume und dem Edelweiß. Dazwischen einige Beete mit nützlichen Kräutern und Blumen, schmale Kieswege und vielleicht eine Bank, es wäre wirklich perfekt. Ein weiteres Seufzen entrang sich seiner Kehle, er würde diesen Garten hier anlegen, das wusste er jetzt schon und das hatte auch Minerva gewusst, denn sonst hätte sie ihm diese Nachricht nicht geschickt. Er würde den Garten anlegen, auch wenn keine weitere Pflanze, kein weiterer Vogel kommen würde, er würde diese drei Pflanzen ansehen und sich für einen Moment darüber freuen, dass jemand drei Jahre lang an seinen Geburtstag gedacht hatte. Dass jemand ihm drei Jahre lang eine Freude gemacht hatte, auch wenn es sich um Potter handelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)