Brieftauben aus aller Welt von demona1984 ================================================================================ Kapitel 2: Zweites Jahr ----------------------- Zweites Jahr Wie sehr sich Severus damit irrte, stellte er genau ein Jahr später fest. Er hatte den peinlichen Auftritt mit diesem Storch eigentlich schon vergessen und saß, wie jeden Tag, am Lehrertisch um zu frühstücken als er mit aller Macht in eine Art Déjà-vu gezogen wurde. Das Gemurmel der Schüler wurde lauter, Hälse reckten sich, Blicke gingen zur Decke und schnell hatte er den Vogel ausgemacht. Schillernd blaues Gefieder schimmerte zwischen den braunen und schwarzen Eulen, breite Flügel mit rotbraunen Außenfedern und ebenso gefärbte Schwanzfedern wo eigentlich die berühmten Federn mit den großen, blau irisierenden Augen sein sollten. „Ist das ein Pfau?“, fragte Minerva verwundert während das Tier langsam abdrehte und direkt auf Severus zuhielt. „Haben die nicht so lange Schwanzfedern?“, fragte Poppy. „Nicht nach der Balz“, kam abwesend von Severus, der den Tisch wieder freiräumte. Im Gegensatz zum Vorjahr landete der Pfau sehr elegant auf dem Tisch und drehte ihm sofort den Rücken zu, zwischen seinen Flügeln war ein Stück Bambusrohr befestigt. Severus befreite den Pfau von seiner Last und sah dabei zu, wie es sich das Tier vor ihm auf dem Tisch bequem machte. „Du sollst auf eine Antwort warten?“, fragte er überflüssigerweise. Das Tier neigte nur den Kopf leicht bevor er ihn aus großen, dunklen Augen ansah. Unter dem aufmerksamen Blick des Pfaus öffnete er das Rohr und holte seine Geschenke heraus. Zum Vorschein kam wieder ein Pergament, eine Blume und diesmal auch eine kleine, hölzerne Figur. „Ist das eine Kuh?“, fragte Filius skeptisch. „Ja, eine indische Kuh, sie gelten als heilig“, sagte Severus, der die Figur fast schon bewundernd musterte. Die Kuh war von einem tiefen Dunkelbraun und war am Kopf und an den Fesseln mit winzigen, goldenen Ketten und kleinen Blumen aus Edelsteinen geschmückt. „Sie ist wunderschön“, kam von Minerva. Severus konnte nur sprachlos nicken. Scheinbar war sein Scherzbold weiter gezogen und hielt sich jetzt in Indien auf, das würde auch die halb aufgeblühte Lotosknospe erklären. Er strich mit einer Fingerspitze vorsichtig über die zarten Blütenblätter, die einen rosanen Rand aufwiesen und nach innen hin immer heller wurden bis sie schließlich weiß wurden. Ein Zauber lag auf der Blume und bewahrte sie bis er sie in die Erde setzen würde. Beides, Figur wie auch Blume, waren einfach nur wunderschön. Ohne auf das Gemurmel seiner Kollegen einzugehen, entrollte er das Pergament, er war gespannt darauf was der Scherzbold sich diesmal ausgedacht hatte. „Namasté Severus, wie du wahrscheinlich bereits erraten hast, hat es mich nach Indien verschlagen und soll ich dir etwas sagen, es ist herrlich hier. Hier ist alles bunt, laut und hektisch aber auch so wunderschön. Es ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem die Kleidung aber wenn man sich auf die Kultur und die Menschen dieses Landes einlässt, kann man nur gewinnen. Die Inder sind so nett und gastfreundlich, da ist es echt von Vorteil, dass ich ein Zauberer bin und so das Sprachproblem umgehen kann. Ich hoffe, dir gefallen meine Geschenke auch wenn ich keine Antwort von dir erhalten habe aber ganz ehrlich? Ich habe auch nicht wirklich damit gerechnet, du glaubst mir nicht, du denkst wahrscheinlich, dass das alles ein schlechter Scherz eines Schüler ist. Ich kann dir versichern, dass es kein Scherz ist, ich meine das wirklich ernst. Ich werde es dir noch beweisen, glaubst du wirklich, dass ich so schnell aufgebe? Nur weil du mir einmal nicht geantwortet hast? Ich habe wesentlich schlimmere Kämpfe überstanden, da verkrafte ich auch etwas Schweigen. Ich hatte dir im ersten Brief geschrieben, dass ich dich kennenlernen will und das hat sich nicht geändert. Aber damit du dir ein etwas besseres Bild von mir machen kannst, möchte ich dir in jedem Brief etwas über mich erzählen. Vom indischen Horoskop her bin ich Kataka. Was sagt dir das? Nun, nach dem indischen Glauben sind Kataka-Menschen sehr emotional. Sie erfassen und erfahren ihre Umwelt durch ihre Gefühle. Das macht sie oftmals sehr unsicher, so dass sie Sicherheit bei anderen Menschen suchen. Sie sind häufig sehr sozial eingestellt, kümmern sich um andere und ihre Familie geht ihnen über alles. Sie sind im Leben erst dann zufrieden, wenn sie ihr Zuhause gefunden haben. Und wer mich kennt, weiß, dass das vollständig auf mich zutrifft. Leider habe ich mein Zuhause noch nicht gefunden, vielleicht hättest du ja ein Plätzchen für mich frei? Die indische Küche sagt mir sehr zu, ich bin kein großer Fleischesser aber ich liebe Fisch und gerade an der Küste bereiten die Menschen vorzügliche Fischgerichte zu. Wobei ich hier meine Liebe zu Reis in allen seinen Variationen entdeckt habe, es ist wirklich faszinierend wie vielfältig man Reis zubereiten kann. Das beste Gericht habe ich auf einer meiner Wanderungen bei einer armen Familie gegessen, gewürzte Reisbällchen mit einer Art Gemüseeintopf und Naanbrot. Auch wenn sie selber nicht viel hatten, sie waren so über meinen Besuch erfreut, dass sie mich zum Essen einladen mussten. Ich hatte gar keine Chancen nein zu sagen und ich bereue es auch nicht, es war einer der schönsten Abende in meinem Leben. Ich werde wohl im Laufe des Jahres noch weiter ziehen, mal sehen wohin es mich verschlägt. Du kannst mich jederzeit mit dem Pfau erreichen, er wird bei dir bleiben bis du ihn wieder weg schickst und dann hoffentlich mit einem Brief für mich. Ich würde mich über eine Antwort wirklich sehr freuen und hoffe einfach mal, dass du mir glaubst und mir schreibst. In der Hoffnung, dass du schreibst, mit den herzlichsten Grüßen Ich.“ „Severus?“ „Kennst du dich mit dem indischen Horoskop aus?“, fragte Severus nachdenklich. „Nein, aber in der Bibliothek gibt es ein Buch über verschiedene Horoskope, vielleicht steht das Indische mit drin.“ Abwesend nickte Severus, er wollte gerne daran glauben, dass das alles nur ein schlechter Scherz war aber irgendwie passte das nicht zusammen. Natürlich konnte man sowohl die Figur wie auch die Blume irgendwo anders kaufen aber warum sollte sich jemand so eine Mühe machen? Zudem magische Pfauen auch extrem teuer waren, Lucius hatte früher welche besessen und er war nie müde geworden zu erwähnen, wie teuer die Tiere doch gewesen waren. Sein Blick ging zu dem Tier, dass noch immer auf dem Tisch saß und mittlerweile nach seinem Toast schielte. Eher abwesend schob Severus den Teller näher an das Tier, der sich begeistert über den Inhalt des Tellers her machte. „Severus, alles in Ordnung?“, fragte Minerva. „Ja, alles in Ordnung“, sagte Severus bevor er sich an den Pfau wandte, „du kannst den Teller leer fressen und dann wieder zurück fliegen, es gibt keine Antwort.“ Ein dunkles Auge sah ihn aufmerksam an bevor der Pfau nickte und weiter pickte. Minerva wollte noch etwas sagen, kam aber nicht mehr dazu denn Severus erhob sich und verließ die Halle, diesmal blieb nur der ungewöhnliche Briefträger zurück. Nachdenklich blätterte Severus das Buch durch, er hatte das indische Horoskop schnell gefunden und Kataka stand mehr oder weniger für Löwe. Nur leider kannte er nur eine einzige Person, die in diesem Zeitraum geboren war und diese Person würde ihm keine Briefe und Geschenke schicken. Denn diese Person war niemand anderes als der große Kriegsheld Harry Potter persönlich, wer wüsste auch nicht, wann er Geburtstag hatte? Aber warum sollte der Bengel ihm Briefe und Geschenke schicken? Sie hassten sich, naja, eigentlich war er ihm mittlerweile egal aber was würde Potter dazu bewegen sich solche Scherze mit ihm zu erlauben? Severus warf einen Blick auf die Lotosblume, die neben ihm lag, sie war immer noch wunderschön aber warum lag sie hier? Warum hatte er sie ihm geschickt? War das wirklich nur ein böser Scherz und er wartete jetzt darauf, dass er wirklich antwortete um sich dann über ihn lustig zu machen? Nach weitere Überlegung kam er zu dem Schluss, dass es wohl genau das war. Es war ein schlechter, geschmackloser Scherz auf seine Kosten, der erst richtig aufgehen würde wenn er sich dazu herablassen würde zu antworten. Ja, er war einsam aber er war nicht so verzweifelt um so einen Schwachsinn zu glauben. Er würde sich nicht dazu herablassen diesen Scherz auf die Spitze zu treiben, wer würde auch ernsthaft glauben, dass der große Harry Potter Interesse an ihm hätte? Langsam veränderte Severus den schwarzen Stein, den er in sein Wohnzimmer gestellt hatte. Komplizierte Zauber schufen verschiedene Klimazonen und auf der Spitze des Steines blühte das Edelweiß, bereits seit einem Jahr. Jetzt schuf er ein Becken am Fuß des Steines, ein nierenförmiges Becken welches er langsam mit Wasser füllte. Die Zauber mussten noch etwas verändert werden und schon hatte er die perfekte Umgebung für die Lotosblume, die neben ihm auf dem Tisch lag. Direkt neben einem Buch über die indische Pflanzenwelt. Die wunderschöne Blume konnte schließlich nichts dafür, dass ihr Absender seinen schlechten Geschmack was Scherze anging von seinem Vater geerbt hatte. Unendlich vorsichtig nahm Severus die Blume und setzte sie ins Wasser, grub die Wurzeln sorgsam ein. Erst dann nahm er den Stasiszauber von der Blume, die jetzt langsam ihre Blütenblätter öffnete, ein sanfter Duft stieg auf und ließ ihn kurz genießend die Augen schließen. Es roch nach Heimat und Geborgenheit. „Schwachsinn“, murmelte er bevor er sich ruckartig von dem Stein wegdrehte und das Buch wieder weg stellte. Er sollte aufhören über diesen Schwachsinn nachzudenken. Oder über die heilige Kuhfigur, die auf seinem Schreibtisch stand. Der Schwachsinn würde aufhören weil er nicht geantwortet hatte, nicht mal Potter wäre so lästig um ihm ein drittes Mal zu schreiben. Langsam blieb er stehen und drehte sich nochmal zu dem Stein um, das Edelweiß strahlte ihm förmlich entgegen und der Duft der Lotosblume hatte mittlerweile den gesamten Raum erfüllt. Auch wenn er es sich nicht gerne eingestand aber er fand es irgendwie tröstlich, dass es wenigstens für zwei Jahre jemanden gab, der an seinem Geburtstag an ihn dachte. Nun, er würde sich jedes Mal daran erinnern wenn er die Blumen sah, alles Andere würde er irgendwie verkraften. Genau wie er es die letzten Jahrzehnte auch verkraftet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)