Empfindungen von YukimuraRuki ================================================================================ Kapitel 5: Erbarmen ------------------- Erbarmen „Ich vermute, dass der vor mir liegende Weg mit viel Blut besudelt sein wird.“ „Wenn dem so sei, nehmt dieses Schwert um es aus Eurem Weg zu entfernen. Selbst wenn Eure Hände von Blut getränkt werden, Eure Seele wird rein bleiben. Ihr werdet mit diese Waffe zum Schutz führen. Um jene zu beschützen, die Ihr liebt. Und auch um Euch selbst zu verteidigen.“ „Ich habe die Eine, die ich liebe nicht beschützen können. Selbst mit Eurer heiligen Gunst in meinen Händen.“ „Nein. Diejenige, die Ihr liebt, hat Euch beschützt…“ „…und diese Liebe wird auch weiterhin mit Euch sein.“ Er ließ sich auf seinem Thron nieder und schlug ein Bein über das andere. In den Thronsaal hinein kam sein Berater, mit dem der König ein paar rasche Blicke austauschte. Der dunkelhaarige Elb brachte jemanden mit sich. Einen Mann, verhüllt in einem langen, grau-grünen Mantel, den er sich bis unter die Augen zugeknöpft hatte. Nachdem der Mann die undurchdringbare Kapuze zurückschlug, ging er vor dem Elbenkönig auf die Knie und senkte seinem Kopf. „Mein Herr, wenn Ihr mir die Ehre erweist mich vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Arathorn, einer der Dúnedain“, sprach die volle Stimme des fremden Mannes. Das also war das momentane Oberhaupt der Dúnedain, Arathorn? Dachte sich der kalte König. „Und worum ersucht Ihr mich, den König des Waldlandreiches?“, wollte Thranduil halb interessiert, halb mit Desinteresse von seinem Besuch wissen. Die auf den Boden gerichteten, grauen Augen des Menschen waren von keiner Stimmung getrübt, sondern wirkten klar und stechend. Dies fand der Elbenkönig erstaunlich und erhob noch einmal die Stimme: „Hebt Euren Kopf, Dúnadan.“ Arathorn tat wie ihm geheißen und sah in das edle Antlitz Thranduils, welcher ihn noch einmal fragte: „Was begehrt nun ein Weltenflüchtling aus dem hohen Norden?“ „Ich kam in aller Untertänigkeit um eine Allianz mit Eurem Reich dem Dü-… den prächtigen Grünwald, in welchem Ihr, König Thranduil herrscht, zu errichten“, antwortete der Waldläufer. Der Düsterwald. Dieser Name war ihm beinahe aus dem Munde entwichen. Früher war das Reich, in dem sich das Waldlandreich befand, bekannt unter dem Namen Grünwald der Prächtige bekannt. „Düsterwald ist die pasendere Bezeichnung, die wir für den Eryn Lasgalen verwenden. Aber ich kann mich nicht entsinnen, dass wir nur für den Frieden mit den Dúnedain aus dem Norden eine Allianz benötigen. Euer Volk und mein Volk haben keinerlei Berührungspunkte. Also sagt mir, Mensch, warum sollten wir nun eine schließen?“, fragte Thranduil mit Winterluft in Stimme und Augen. Arathorn aber ließ sich nicht beirren: „Ihr habt Recht, bisher waren wir in keinerlei Bündnis.“ Thranduils Blick verfinsterte sich. „Ich trage etwas bei mir. Etwas von großer Wichtigkeit. Es ist eine Prophezeiung.“ „Eine Prophezeiung, sagt Ihr?“ „Eine Prophezeiung über den Tod.“ Thranduil erklärte sich zu einer Unterredung bereit und nahm den Waldläufer mit in sein privates Gemach. Wie üblich belegte der König die Türen zu seinen Gemächern mit einem magischen Siegel. „Ein Siegel?“, fragte der Mann mit erstaunter Miene. Noch nie in seinem Leben hatte er die Magie der Elben so nahe gesehen. Er betrachtete das Geschehen mit Faszination bevor er kommentierte: „Das hieße also, solltet Ihr mich töten, fände es niemand heraus, ist das richtig?“ „Egal in welchem Zimmer dieses Palastes Ihr Euer Leben ließet, niemand erführe es so lange ich es nicht wünsche“, erklärte der König trocken und wandte sich dem eigentlichen Thema zu, „Nun denn, weshalb ersucht Ihr mich um ein Bündnis? Hat Elrond Euch eines verwehrt?“ Arathorn weitere überrascht seine Augen und eben diese Verwunderung sprach ihm aus dem Gesicht. Den Namen Elrond hatte er schon oft gehört. „Was habt Ihr?“ „Verzeiht König Thranduil, ich habe nicht erwartet Lord Elronds Namen aus Eurem Munde zu hören. Gewiss habe ich auch Lord Elrond aufgesucht und er gewährte diese Allianz. Dennoch… diese Verbindung muss noch viel größer werden“, erklärte Arthorn mit Hochachtung und äußerstem Bedacht darauf, welche Worte er wählte. Für Thranduil war es klar, was Arathorn damit sagen wollte. Ein Bündnis das aus zahlreichen Völkern und Armeen bestünde, sollte errichtet werden. Unmerklich nickte der Hochelb zu sich selbst. „Für geheime Gespräche dieser Art sind meine Siegel ausreichend.“ „Geheime Gespräche, mein Herr?“ „Sehe ich das etwa falsch?“ „Im Gegenteil. Auch ich habe mich bemüht niemanden in diese Angelegenheit einzuweihen.“ Thranduil schenkte etwas Rotwein in zwei Gläser und reichte dem Menschen eines. Er wirkte jung. Beachtlich viele Jahre zu jung für das Oberhaupt der Dúnedain sogar. „Ich nehme an, dass Arador verstorben ist?“ Wieder war Verwirrung und Überraschung in Arathorns Gesicht abzulesen. Man konnte Elben nichts vormachen und jene, die mit ihnen nicht vertraut waren, erlebten vielerlei Wundersames an ihnen. „Ihr wisst tatsächlich alles, was in den Ländern vor sich geht, König Thranduil“, äußerte der Mensch. „Bei weitem nicht alles. Den Grund für Eure Anreise habe ich nicht gewusst. Der Name Eures Vaters ist mir wohl zu Ohren gekommen, doch getroffen aber ich ihn nie“, berichtigte Thranduil, „Trinkt. Es ist kein Gift enthalten.“ Der Elbenkönig schenkte sich neuen Wein ein während er Arathorn dabei beobachtete, wie er das Getränk bereits vergaß. Der Mensch war ergriffen von der elbischen Schönheit vor sich und wie er merkte, bestätigten sich die Gerüchte um ihn. Ein König, der selbst auf großzügigge Weise den Wein reichte, bekam man nicht alle Tage zu sehen. Schließlich hob Arathorn das Glas für einen kleinen Gruß und nahm einen Schluck. „Eure Weinkammern beherbergen nur Gutes“, meinte Arathorn nachdem er sein Glas wieder abgestellt hatte. Ein hochmütiges Lächeln breitete sich auf dem Porzellangesicht des Elben aus und begann Arathorn dazu zu bewegen weiter zu sprechen. „Wo soll ich bloß anfangen zu brichten? Ich schätze es lässt sich nicht umgehen am Anfang aller Dinge zu beginnen. Als ich noch sehr, sehr jung war und mich in ein junges Fräulein verliebte“, begann der Waldläufer nun, während er hin und wieder seine Lippen mit starkem Alkohol benetzte und seine Wangen sich etwas erhitzten da er an seine alte Liebe dachte, „Sie war eine wunderschöne, wenn auch strenge Frau. Noch viel zu jung um sich mit dem Oberhaupt der Dúnedain zu vermählen, doch da unsere Herzen sich miteinander verbunden hatten…“ Arathorn machte eine kurze Pause bevor er fortfuhr: „Nach unserer Heirat, begann sie sich zu verändern, so als hegte sie ein Geheimnis. Ich bat sie inständig darum mir zu sagen was sie quälte und so machte sie mir eine Weissagung.“ Arathorn sah Thranduil unentwegt an. Obwohl sich auf dessen Lippen ein zarter Anflug eines Lächelns befand, war in seinen Augen nicht auch nur der Anschein eines Lachens zu erkennen. „Die Prophezeiung besagt, dass mein Leben nicht von langer Dauer ist“, berichtete der Mann und ließ ein trostloses Seufzen heraus, „Aus diesem Grund plädierte ihr Herr Vater darauf, dass wir nicht länger miteinander verheiratet bleiben sollten. Ihre Mutter aber kannte die gesamte Botschaft. Sie sagte, dass aus unserer Liebe die Hoffnung geboren würde.“ Als erwachte Arathorn aus einer tiefen Trance sah er sich um. „Beruhigt Euch, nichts von Eurer Erzählung wird nach außen dringen.“ Arathorn erinnerte sich mit einem Mal an die Versiegelung der Türen. Natürlich verließ diese Gemächer nichts, das Thranduil innerhalb dieser Wände behalten wollte. Erleichtert über diese Erkenntnis, atmete der Mann tief durch. „Nun, vor kurzem wurde unser Kind geboren. Wie die Prophezeiung uns geheißen, ist es ein Junge. Ich werde meinen Sohn wahrscheinlich nicht aufwachsen sehen. Immerhin wurde mein Tod vorausgesagt.“ „Eine Weissagung hat keine Macht über das Leben“, meinte Thranduil kühl. „Nein, aber ich werde sterben“, erklärte Arathorn bestimmt und leerte sein Glas in einem Zug, wobei ihm der starke Alkohol in die Augen stieg, „Ich werde sterben müssen. Auch wenn ich meine Frau und meinen Sohn über alles liebe, muss ich mein Leben für sie geben. Doch sobald ich sterbe, kann ich sie nicht mehr schützen.“ Der Waldläufer legte sich eine seiner Hände an die Schläfen. Der Wein hatte ihm Schwindel bereitet und nun tat es gut etwas Kühles an seinem Kopf zu fühlen. Als er wieder aufsah bemerkte er, dass Thranduil sich an den Tisch gesetzt und ihn unentwegt im Auge behielt. „Es muss sicher einen törichten Eindruck machen, dass ein Stammesführer seinen eigenen Tod fürchtet. Es muss Euch zum Lachen bringen.“ Thranduil aber zeigte nicht die leiseste Regung. Er sah den Menschen weiterhin an. „Dúnadan.“ „Bitte, nennt mich Arathorn. Bei den Waldläufern ist die Anrede zwar etwas anders, aber Euch gegenüber…“ Der König zeigte ein belustigtes Grinsen, doch verdunkelte sich seine Miene nach wenigen Sekunden, „Nun gut, Arathorn. Wenn Ihr Eure Ehefrau und Euer Kind so sehr beschützen wollt, dann entsagt Eurem Status und flieht mit Euren Lieben.“ Die blauen Augen des Königs beobachteten die Regung Arathorns, der nun sehr ernst und klar wirkte. „Ich bin das Oberhaupt der Dúnedain. Ein Nachfahre der Könige eines längst vergangenen Königreiches. Ein Streunder des Nordes und sollte ich nun auch meinen Stolz hinter mir lassen, dann bleibt mir nichts mehr. Unser Volk genießt kaum etwas von der Gunst der Valar, so dass es mich nicht wundert sollte mein Volk eines Tages zu Grunde gehen. Mein Sohn jedoch ist die Hoffnung. Der prächtige Grünwald wird langsam von der Dunkelheit verschlungen und das sagt mir, dass die Zeit des Bösen immer näher schreitet. Für genau diede Zeit der Dunkelheit wird mein Sohn die Hoffnung sein. Ich werde nicht davon laufen, sondern für meinen Sohn das tun, was in meiner Macht steht.“ „Und was soll das sein? Das was Ihr für Euren Sohn tun könnt?“ „Die Feinde meines Sohnes verringern. Sollte es mir gelingen die Sympathisanten zu vervielfachen, dann möchte ich auch dies tun“, entgegnete Arathorn mit sachlich, aber doch ernster Stimme. „Das hat nichts mit mir zu tun“, sprach Thranduil gelangweilt und winkte ab, „Geht nach Imladris und bittet Elrond um Rat.“ „Natürlich habe ich das bereits getan. Wenn ich sterbe, werden meine Frau und mein Sohn unter Lord Elronds Schutz leben“, erklärte der Mensch. „Dann gibt es doch gar kein Problem.“ „Gewiss, in der Hinsicht sind meine Angelegenheiten geklärt. Es gibt jedoch Orte in denen Lord Elronds Arme nicht reichen.“ Thranduil hüllte sich in Schweigen. Er wusste genau worauf der Waldläufer hinaus wollte. „An diesen Ort zum Beispiel, das Königreich des Waldes in Rhovanion. Im größten Elbenreich Mittelerdes, wie ich hörte. Doch berichtete mir Elrond in Imladris, dass der Elbenkönig in diesen Wäldern exzentrisch ist und hegt keinerlei Verbindungen nach Imladris oder Lothlórien. Aus diesem Grund bat ich Gandalf, Mithrandir, euch einen Besuch abzustatten und an meiner statt um eine Audienz zu bitten.“ „Exzentrisch?“, Thranduil schmunzelte. „Sollte ich Euch damit verletzt haben, entschuldige ich mich für meine Unverfrorenheit“, erwiderte Arathorn mit einer tiefen Verbeugung. „Solche Kleinigkeiten kümmern mich nicht. Es ist wohl richtig, dass ich mich aus jeglichen Belangen anderer Völker hinaushalte“, entgegnete der König und wobei er sein kaltes Lächeln aufrecht erhielt und den Waldläufer unentwegt ansah. „Merkwürdig“, bemerkte dieser, „Ich bin bereits einigen Elben begegnet, aber Ihr König Thranduil seid anders. Wie soll ich das am besten in Worte fassen…“ „Exzentrisch“, beendete der Hochelb den Satz des Menschen ohne dabei sein hochmütiges Lächeln abzusetzen. Bei den Worten des sonst so ernsthaften Königs, huschte Arathorn ein unangebrachtes Lachen heraus. „Nun, wenn Ihr, ein eigensinniger König sein, dann bin ich sicher auch ein sehr eigenwilliges Oberhaupt.“ Die beiden Oberhäupter tauschten einen festen Blick miteinander aus. Auf jedem Gesicht ein schiefes Grinsen. „Arathorn, lasst mich Eurem Wunsch Gehör zeigen“, sagte Thranduil schließlich nach einer kleinen Pause in der er allem Anschein nach darüber sinnierte, ob er dem Menschen überhaupt entgegenkommen sollte oder nicht, „Wie ist der Name Eures Sohnes?“ „Bei den Waldläufern nennt man ihn Aragorn.“ „Aragorn. So sei es denn, dass ich und mein Volk, Eurem Sohn Aragorn nicht zum Feind werden. Sollte es jemals dazu kommen, dass ihn die Not drängt, dann werde ich ihm eine Armee zu Verfügung stellen. Ich schätze mit dieser Lösung werdet Ihr beruhigt sterben können.“ Arathorn nickte schweigend, ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er verbeugte sich tief. „Das ist ein Versprechen vom König“, fügte Thranduil hinzu. „Ich danke Euch von ganzem Herzen.“ Es verstrich ein ganzes Jahr seit Arathorn den Düsterwald besucht hatte, ohne das Kunde von ihm kam. Exakt im darauffolgenden Jahr kam Gandalfs in das Waldlandreich geritten um dem König die Nachricht zu überbringen, dass Arathorn, Aradors Sohn heldenhaft auf dem Schlachtfeld gefallen war, als dieser die Feinde seines Sohnes zur Strecke brachte. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)