Im Meer der Erinnerungen von YukimuraRuki ================================================================================ Kapitel 2: Augen wie kalter Stahl --------------------------------- Im Meer der Erinnerungen Kapitel 2 Augen wie kalter Stahl Die Sonne brannte in scharlachroten Tönen und tauchte die künstlich konstruierte Insel außerhalb von Tokio in feurige, leuchtende Farben. Die Hitze flimmerte noch immer auf den Straßen, obwohl sich der Verkehr mittlerweile beruhigt hatte und die Zikaden veranstalteten sein ohrenbetäubendes Konzert. Es war ein gewöhnlicher Sommertag in der Großstadt und so mancher hätte meinen können, dass es keine merkwürdigen Ereignisse vor sich gingen. Doch der Schein trog. In dem Krankenhaus, in welchem Takeru eigenliefert war, wurde gerade das Abendessen ausgeteilt. Lediglich die schweren Vorhänge seines Zimmers versperrten den schwächer werdenden Sonnenstrahlen den Zutritt. Der blonde Junge, welcher noch immer das Bett hüten musste, öffnete langsam seine schweren Augenlider und konnte sofort seine besorgte Mutter neben sich am Bett sitzen sehen. „Mutter.“ „Oh, du bist ja aufgewacht. Wie geht es dir, mein Schatz?“ Der Junge versuchte ein zuversichtliches Lächeln zu zeigen. Er fühlte sich auch schon viel kräftiger als zuvor. „Ich bin okay“, beruhigte er seine Mutter, „Wo sind denn Taichi-san und mein Bruder?“ „Die sind führ heute nach Hause gegangen. Sie meinten es sei besser erst Morgen weiterzureden“, erklärte sie mit einem sanften Lächeln. „Das ist aber schade, ich wollte die beiden noch so viel über die Digiwelt fragen...“, meinte er enttäuscht, wobei er in ein bedrücktes Schweigen verfiel. Als er vor ein paar Stunden diesen merkwürdigen Anfall gehabt hatte, fing es plötzlich an. Er hatte eine merkwürdige innere Unruhe in sich aufkommen spüren und sie hielt auch jetzt noch an. Takeru wurde von Frau Takaishi aus den fernen Gedanken gerissen: „Du wirst entlassen sobald es dir körperlich wieder gut geht, Takeru, es gibt keinen Grund die Sache zu überstürtzen. Du solltest jetzt etwas essen, du musst doch wieder zu Kräften kommen.“ Mit einer flotten Bewegung richtete sie ihrem Sohn das Abendessen an indem sie ihm das kleine Gestell über das Bett legte und die Mahlzeit darauf stellte. Zur selben Zeit an einem anderen Teil Odaibas war die Familie Yagami gerade mit dem Abendessen fertig geworden. Hikari half ihrer Mutter zunächst mit dem Abwasch und wollte den Rest ihrer Hausaufgaben erledigen, bevor sie es sich mit einem Buch auf dem Bett gemütlich machen wollte. Zumindest war dies ihr ursprünglicher Plan gewesen, der nicht ganz aufging, denn Taichi kam nach einem kurzen Klopfen in Hikaris Zimmer. „Ah, Bruderherz! Ich hab schon gedacht du sagst heute gar nichts mehr“, ein beleidigter Unterton markierte deutlich, dass sie die Stimmung nicht besonders mochte, die am Essenstisch geherrscht hatte. „Tut mir leid, ich hab nur nachgedacht.“ „Du warst heute ziemlich lange weg. Bei Koushirou-san?“, Taichi nickte als Antwort und darauf hakte Hikari weiter nach, „Was wolltest du bei ihm?“ „Nichts spezielles. Viel mehr über die guten, alten Zeiten plaudern“, log der Braunhaarige mit dem zerzausten Haar, obwohl er sich ziemlich unwohl dabei fühlte. Dennoch konnte er Hikari weder von Takeru erzählen, noch von dem, was er mit Koushirou besprochen und untersucht hatte. Zumindest jetzt noch nicht. „Hikari... warum ich eigentlich hier bin, ...es ist wegen Takeru, weißt du“, er druckste wieder um eine klare Antwort zu vermeiden. Ihm stand das Lügen nicht besonders, aber in diesem Falle musste Taichi sich wirklich dazu zwingen. „Also, Takeru geht es im Moment nicht so gut, deshalb hat Yamato mich gebeten dir auszurichten, dass du vorerst nicht anrufen solltest. Oder E-Mails schreiben, weil Takeru momentan nicht antworten kann... Ach ja, und außerdem sind Besuche bei ihm auch noch nicht erlaubt.“ Wenn Taichi daran dachte was er mit Yamato in der Cafeteria besprochen hatte, wurde ihm beinahe schlecht. Wie hätten sie seinen Kameraden so knallhart ins Gesicht sagen können, dass Takeru unter Gedächtnisschwund litt? Da die anderen Erwählten Kinder ebenso wenig wussten wie Hikari was los war, konnte auch nichts weiter nach außen dringen. Im Moment schien es auch für Takeru das Beste zu sein sich möglichst wenig aufzuregen. Für ihn waren die Digiritter, oder das Faktum selbst auch ein Digiritter zu sein ein absolutes Rätsel. „Hat Takeru-kun sich etwa eine Sommergrippe eingefangen?“ „Nicht ganz... du weißt doch neulich, bei dem schweren Unwetter, richtig? Nachdem ihr im Eiscafé wart, ist Takeru in diesen heftigen Regen geraten und hat sich fast eine Lungenentzündung geholt... sagt zumindest der Doktor.“ „Hat der Doktor also gesagt, ja?“, harkte Hikari nach als sie die Erklärung ihres Bruders gehört hatte. Langsam kaute sie die Worte ihres im Kopf noch einmal durch, doch sie kam nicht auf ein passendes Ergebnis das passen konnte. „Ach, Bruderherz?“, fragte Hikari mit einem schelmischen Unterton in der Stimme, „Stimmt es, dass du heute bei Koushirou-san warst?“ „Woher weißt du denn, dass ich bei ihm war?“, wollte Taichi erstaunt wissen. Seine Schwester zuckte geheimnisvoll mit den Schultern und tänzelte verspielt um ihn herum. „Ich weiß auch nicht. Du sagst mir immerhin auch nicht mehr alles“, meinte sie gelassen und schob sich langsam aus dem Zimmer. Mehr oder weniger um Taichi herauszulozen. Dieser sah seiner kleinen Schwester nachdenklich hinterher, als sie ins Badezimmer verschwand. Verheimlichte sie ihm etwas irgendetwas? Nachdem Hikari früher an diesem Tag auf Daisuke getroffen war, nahmen die beiden Jugendlichen den Fahrstuhl wieder nach unten. In dem Moment, als sie den silbergrau verkleideten Raum verließen, erblickte Daisuke zufällig noch jemanden, den sie sehr gut kannten. Seine Miene klarte auf und er riss seine Hand zum Winken geradewegs in die Höhe: „Oooi, Miyako!“ Hikari wurde ebenfalls aufmerksam: „Miyako-san, hallo!“ Das Mädchen mit der etwas eigenartigen Haarfarbe, wandte sich neugierig um und sah über ihr leichtes Gepäck hinweg. Sie hatte ihren Eltern erneut im Laden ausgeholfen und war nun auf dem Weg nach Hause. Ihre Lippen formten sich zu seinem fidelen Lächeln. „Daisuke, Hikari-chan! Wie schön euch zu sehen“, begrüßte das ältere Mädchen die beiden, „Es kommt selten vor euch beide zusammen zu sehen.“ „Wir haben uns ganz zufällig getroffen“, entgegnete Hikari, während Daisuke sich bemühte seine aufkeimenden Gefühle zu unterdrücken, manchmal klappte es einfach nicht zu akzeptieren, „Ich wollte Takeru-kun besuchen und vor der Tür wartete schon Daisuke-kun.“ „Ach so!“, stieß Miyako erleichtert aus. „Sag mal, Miyako-san, hast du Takeru-kun zufällig in den letzten Tagen gesehen?“, erkundigte sich Hikari ein wenig hoffnungsvoll. „Lass mich nachdenken... Ich glaube nicht nach dem ersten August. Manchmal sehen wir uns eben, weil wir im selben Gebäude wohnen“, erklärte sie nachdenklich. Daisuke, den es eigentlich weniger interessierte wo Takeru sich aufhielt, brach mit einer neuen Idee hervor: „Hey wo wir schon mal alle zusammen sind, lass uns Iori Bescheid sagen! Es wäre auch schön wenn Ken dazu kommen könnte, aber der ist mit seiner Familie unterwegs.“ „Ohh jetzt wo du's sagst, Daisuke! Ich habe heute eine E-Mail von ihm bekommen! Er schrieb, dass er morgen wieder in Tokio ankommt und uns Souvenirs mitgebracht hat, also möchte er uns gern sobald es geht treffen.“ „Was!? Mir hat er ja gar keine geschrieben!“, rief Daisuke auf als er auf seinem D-Terminal nachsah um zu sehen. Seine Wangen mit Luft aufgebläht ließ ihn wieder wie einen kleinen Jungen erscheinen. Hikari ließ ein leises Kichern verlauten, während Miyako versuchte die Sache auf sich beruhen zu lassen. Sie wusste, dass die beiden beste Freunde waren, doch in letzter Zeit waren sich Ken und Miyako per E-Mailkontakt einfach näher gekommen. Murmelt und motzend schlug Daisuke auf die Tasten seines Gerätes ein und wenig später stieß Iori zu ihren. Seinem Blick war zu entnehmen dass er sich sowohl darüber freute also auch ein bisschen verwundert war. „Hallo alle zusammen“, begrüßte der vom Wachstumsschub beeinflusste Iori, „Ihr seid ja schon alle da!“ „Lange nicht gesehen, Iori-kun!“, bemerkte Hikari lächelnd. Nun ging ihr der jüngere schon bis zur Schulter. „Wo ist denn Takeru-san?“, wollte er wissen, als er bemerkte, dass dieser als einziger nicht da war. „Das wollte ich dich auch gerade fragen. Hast du ihn in letzter Zeit getroffen?“, wollte Daisuke wissen. Iori schüttelte zunächst schweigend den Kopf. Wenn er genau darüber nachdachte, dann fand er es eigenartig, dass sie sich alle eigentlich hin und wieder treffen könnten, da sie nur ein paar Stockwerke voneinander entfernt wohnten. Trotzdem sahen sie sich so gut wie nie. Da Iori aus seinen tiefen Gedanken wieder erwachte, bemerkte er dass Hikaris Gesichtsausdruck sich verdunkelte: „Weißt du... egal was ich unternehme, ich bekomme einfach keinen Kontakt mit ihm. Das macht mir schon ziemliche Sorgen.“ „Ist Takeru-san etwa etwas zugestoßen?“, erkundigte sich Iori nachdenklich und blickte besorgt in die Runde. Daisuke hingegen wurde es ein wenig zu ernst, so dass er versuchte Hikari und die anderen wieder aufzumuntern: „Ach kommt schon Leute, es geht hier um Takeru! Ich bin mir sicher, der kommt bald um die nächste Ecke gebogen als sei nichts geschehen. Spätestens wenn wir Ken treffen damit er uns die Geschenke überreichen kann.“ Doch Hikaris schlechtes Gefühl veränderte sich nicht zum Guten. Eben diese Stimmung hielt sich während ihres gesamten Treffens, welches sie schließlich in Miyakos Wohnung verlegten, in dem immer reges Leben war. Im Zimmer des ältesten Mädchens der Gruppe, machten sie sich es gemütlich, jeder auf seine Weise. „Oh Mann, das erinnert mich so sehr an alte Zeiten!“, rief Daisuke begeistert aus. „Irgendwie schon. Wir sollten uns wirklich wieder öfter sehen“, stimmte Miyako zu, „Vor allem weil die Digimon doch irgendwie... ja, sie sind doch irgendwie anerkannt, oder?“ Sie hatte es nie so richtig verstanden, warum sie ihre Partner hauptsächlich in der Digiwelt lassen mussten und sie nur ab zu besuchen konnten, wenn es die Zeit erlaubte. Während die Digiritter in ihre Gespräche vertieft waren, ertönte das Piepsen von Miyakos D-Terminal erneut. Eigentlich hatte sie erwartet, dass Ken ihr eine weitere E-Mail geschrieben hat, doch als sie nachsah von wem sie kam, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung: „Koushirou-san?!“ „Du hast eine Nachricht von Koushirou-san bekommen?“, wollte Iori wissen. Neugierig öffnete Miyako die E-Mail. 'Miyako-kun, bitte überprüfe das Tor zur Digiwelt. Taichi-san ist gerade bei mir und wir müssen etwas untersuchen. Schreibe mir bitte sofort das Ergebnis, sobald du es ausprobiert hast. Koushirou.', las das Mädchen laut vor und bemerkte, dass Hikari sehr hellhörig wurde. Ihr Bruder hatte gar nicht erwähnt, dass er sich mit ihm treffen wollte. Und warum sollten sie untersuchen ob das Tor zur Digiwelt offen war oder nicht? Während Hikari hunderte von Fragen durch den Kopf sausten, fuhr Miyako ihren Computer hoch. „Hey Leute... wie wäre es? Gehen wir alle zusammen, wenn wir schon Mal hier sind?“, wollte sie wissen und erntete damit rege Jubelrufe bei ihren Freunden. Früh am Morgen, war die Luft bereits schwer vor Feuchtigkeit obwohl die Sonne von hauchdünnen Schleiern eingehüllt war. Die Verkehrsgeräusche dröhnten durch die Straßen, obwohl der Stau durch die zru Arbeit reisenden Menschen bereits abgeklungen war. Zu dieser relativ frühen Zeit, kehrte Yamato erneut im Krankenhaus ein um Takeru ein bestimmtes Kleinod zu bringen. Gestern, während Daisuke und die anderen Erwählten Kinder vor dem Wohnhaus miteinander redeten, hatten Frau Takaishi, Herr Ishida und Yamato beschlossen, dass es das beste war, wenn Herr Ishida ebenfalls einen Schlüssel zur Wohnung bekam. Auf diese Weise hatte Yamato auch diverse, kleine Utensilien mitgenommen. Sein Ziel war es einige der verschlossenen Erinnerungen in Takerus Kopf wieder hervor zu kitzeln. Aus diesem Grund hatte der Blonde das D-3 Digivice und das D-Terminal seines Bruders mitgenommen, welche noch achtlos auf dem unaufgeräumten Schreibtisch gelegen hatten. Außerdem hatte er auch ein paar Fotos dabei, welche er als kleine Unterstützung anwenden wollte. Letzten Abend hatte Taichi ihn aufgeregt angerufen und ihm ein paar interessante Dinge verraten, die er zusammen mit Koushirou raugefunden hatte. Auf den Vorschlag des Computergenies hin, wollte Yamato es wagen Takeru langsam wieder an die Nacht heranzuführen. Allerdings nur, wenn es ihn nicht zu sehr belastete. Ohne anzuklopfen betrat Yamato das Krankenzimmer und setzte sich an Takerus Bett und nach einem kurzen Hallo und Alltagsgesprächen, überreichte Yamato ihm endlich die wichtigsten Dinge eines Digiritters. „Das ist also mein Digivice?“, wollte Takeru zögernd wissen. Als er es in die Hand nahm hatte er nicht das Gefühl, dass er es jemals zuvor gehalten hatten. Es wog eigenartig schwer in seiner Hand, so als ob einiges an Technik darin versteckt war. „Ja genau, früher, als wir zusammen in der Digiwelt waren, sah deins so aus wie meins“, erklärte Yamato und zeigte ihm sein eigenes. Es war viel kleiner und einfach nur weiß, wie es augenblicklich noch den Anschein hatte. Takeru betrachtete die kleinen Geräte fasziniert. Sie sahen so futuristisch aus und doch so einfach als seien sie neuentwickelte Spielzeuge. „Wozu sind die?“, fragte Takeru schließlich, da er ihnen überhaupt keinen Sinn entnehmen konnte. „Damit lässt du deinen Digimonpartner digitieren“, antwortete Yamato sofort, „Außerdem könnt ihr, also Hikari-chan, du, Daisuke und die anderen der zweiten Generation das Tor zur Digiwelt öffnen.“ „Daisuke!?“, wiederholte Takeru den Namen seines Kameraden überrascht. Ihm kam es seltsam vor mit Daisuke etwas zu tun zu haben. „Ja genau, Motomiya Daisuke, er geht in deine Klasse“, erklärte der Ältere. „Ah... also Motomiya-kun, der im Fußballclub ist? Und Yagami-san ist doch auch in meiner Klasse, oder nicht? Wer sind die anderen Digiritter?“, wollte Takeru nun aufgeregt wissen. Langsam erklärte Yamato ihm wer seine Kameraden waren. Miyako und Iori lebten sogar im selben Gebäude wie er und Takeru meinte sich erinnern zu können, dass die beiden ihm die Schule gezeigt hatten, als er nach Odaiba gezogen war. „Und dann ist da noch Ichijouji Ken“, meinte Yamato und erntete einen überaus erstaunten Blick. „Was, Ichijouji Ken sagst du? Der Ichijiouji, der als Wunderkind gilt?“, hakte Takeru nach und erhielt ein Nicken. Nun, vorerst wollte Yamato ihm nicht erklären, dass es einmal den Digimon Kaiser gegeben hatte. Es schien schon ein wenig verwirrend für Takeru zu sein all diese Namen zu hören und von Ereignissen zu erfahren die in seinem Kopf nicht einmal stattgefunden zu werden. Schließlich nahm Takeru auch sein D-Terminal in die Hand und klappte es mit einem plastischen Klacken auf. Das Display verriet ihm, dass er noch so einige ungelesene E-Mails hatte. „Yagami Hikari“ war der Name, der öfter vorkam als alle anderen. „Weißt du, am Anfang waren wir acht, danach kamen vier weitere dazu. Hikari-chan und du wart zwei Mal Teil der Gruppe und wenn du dir das hier mal ansiehst. Das ist ein Foto vom ersten August als wir zusammen beim Karaoke waren. Wir treffen uns jedes Jahr am ersten August, weil an diesem Tag unsere erste Reise in die Digiwelt begann“, erklärte Yamato und zeigte auf jeden ihrer Freunde und teilte ihm die Namen mit, auch wenn Takeru schon wusste wer Daisuke und Hikari waren, „Kannst du dich nicht mehr erinnern? Wir sind Karaoke singen gegangen und als der Angestellte mit dem Essen kam, haben wir ihn darum gebeten ein Foto zu machen. Hikari-chan hat immer eine Digitalkamera bei sich, weißt du?“ Takeru versuchte mit aller Kraft sich daran zu erinnern. Tatsächlich war ihm so, als habe er sich bei einem Fest befunden. Die Atmosphäre war leicht gewesen. Sie hatten Spaß miteinander, sie waren fröhlich und hatten viel geredet und gelacht. In seinem Kopf war ein wirres Gesumme von Stimmen, welche den gesamten Raum erfüllten. Sein Herz fing an schnell zu schlagen bei der leisen Erinnerung an heitere Lieder und rhythmischer Musik. Dennoch konnte Takeru sich an keine Gesichter erinnern. Keine Namen und keine klaren Gesichter konnte er erkennen. Hinzu gesellte sich ein befremdliches Gefühl von Übelkeit und Schwindel. War er nicht für kurze Zeit weggetreten? „Ich... habe ich den anderen dort schon Kummer bereitet?“, wollte Takeru wissen. „Nein, mach dir keine Gedanken“, entgegnete Yamato, „Du warst eigentlich so aufgelegt wie immer. Wieso fragst du?“ „Ich hatte nur so das Gefühl, als sei etwas geschehen. Aber sag Mal, Brüderchen... War es nicht so, dass Motomiya-kun mich nicht leiden kann?“, Takeru suchte die ebenso blauen Augen seines Bruders. Dieser schüttelte sanft lächeln seinen Kopf: „Nein, keine Sorge. Man kann nicht behaupten, dass ihr die besten Freunde seid. Es wäre aber auch übertrieben zu sagen, dass ihr euch nicht leiden könnt. So ist das nun mal in einer großen Familie.“ „Eine Familie sagst du, hm?“, der Blonde öffnete ein paar von Hikaris Meldungen. Sie erschienen ihm sehr besorgt und zu Weilen sogar ziemlich traurig und verzweifelt. Irgendetwas in seinem Inneren schien sich dazu verpflichtet zu fühlen zuerst ihr eine Nachricht zu hinterlassen. „Ich schätze, ich sollte Yagami-san sofort-...“ „Es ist okay, Takeru. Ich habe schon mit Taichi geredet und ihn gebeten Hikari-chan zu sagen, dass es dir erst Mal zu schlecht geht um Besuch zu empfangen oder E-Mails auszutauschen. Also bitte, ruh dich aus und mach dir keine Gedanken darüber.“ „Aber...“ Er redete nicht weiter sondern sah auf die Kanji, die den Namen des jungen Mädchens darstellten. Da war etwas, das sein Herz ergriff. Ein schlechtes Gewissen. Selbst wenn Yamato es für besser hielt dem Mädchen erst einmal nicht zu schreiben, Takeru wusste, dass er es tun musste. Er musste es tun. Doch was konnte er jemandem schreiben, den er nur vom Sehen und vom Grüßen her kannte? Als Ken am späten Nachmittag nach Hause kehrte, griff er unmittelbar nach dem Telefon. Am anderen Ende war Daisuke und machte seinem inneren Ärger Luft: „Das ist unfair, Ken! Miyako hat von dir eine Mail bekommen und was ist mit mir? Deinem Jogresspartner?“ Ken lächelte ein wenig hilflos am anderen Ende, auch wenn Daisuke es nicht sehen konnte. Es war nicht so, dass Ken seinen besten Freund ignoriert hatte. Miyako schrieb ihm dann und wann gern Mal eine Nachricht. Wenn er richtig überlegte, hatte sie ihm schon immer gern mit ihm kommuniziert. Nur aus diesem Grund hatte er ihr als einzige erzählt, dass er bald wieder in Tokio war und alle zusammen sehr bald treffen wollte. „Hast du Miyako-san gestern getroffen?“ „Ja, zusammen mit Hikari-chan und Iori.“ „Was ist mit Takaishi-kun?“ „Wir wollten Takeru gestern besuchen aber da war keiner. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein und Hikari-chan hat sich große Sorgen um ihn gemacht.“ „Ich verstehe... Ich frage mich, ob es ihm vielleicht schlecht geht...“, murmelte Ken ins Telefon und brachte Daisuke dazu einen Ausruf der Verwunderung auszustoßen. Ken konnte es zwar nicht sehen, doch er hatte das Gefühl, dass Daisuke sämtliche Gesichtszüge entgleißt waren. „Du weißt doch, Anfang August als wir beim Karaoke waren? Ich glaube es war zu dem Zeitpunkt, als du gesungen hast... Takaishi-kun hatte sich nach seinem Lied neben mich gesetzt und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es ihm ganz und gar nicht gut ging.“ Ken erinnerte sich an jenen Tag. Es war tatsächlich so gewesen, wie Ken seinem Freund bereits erzählt hatte. In dem Moment, als Takeru sich neben Ken gesetzt hatte, wirkte es so als verlöre sein Gesicht sofort an Farbe. „Takaishi-kun?“ Es kam keine Antwort. Takeru hatte immer nur auf den mit Knabberzeug und Essen beladenen Tisch gestarrt, so als gäbe es Ken nicht. So als gäbe es den Karaokeraum nicht und als wäre auch sonst nichts, außer ihm selbst anwesend. „Takaishi-kun.“ Ken hatte den Blonden leicht an den Schultern gepackt und ihn ein wenig gerüttelt. „Heh, Takaishi-kun, ist alles in Ordnung mit dir?“ Für einen Augenblick ließ Takeru den Kopf hängen. In Ken machte sich dagegen ein Gefühl der Angst breit. Ein kaltes, sehr bekanntes Gefühl, welches er seit langer Zeit nicht mehr in sich gespürt hatte. Vor allem nicht in Takerus Gegenwart. „Taka-...“ Blitzschnell hob Takeru seinen Kopf. Die Augen riss er auf. Ein paar stahlblaue, leuchtende Augen, die von einer mystischen Aura umgeben waren, starrten Ken an. Für einen Augenblick hielten sie den Blickkontakt aufrecht. Es waren kalte, stechende Augen, die sich durch Kens hindurchbohrten. Ken bemerkte es nicht, doch er weitete seine. Er fühlte Angst obwohl er eigentlich wissen musste, dass von Takeru keine Gefahr ausging. Trotzdem breitete sich langsam Panik aus, denn in seinen Ohren klang es, als ob eine Stimme von weit, weit weg versuchte mit dem Blauhaarigen zu kommunizieren. Ken unterbrach den Blickkontakt. Gleich darauf, ließ Takeru sich wieder hängen und wirkte beinahe wieder normal. Lediglich die Gesichtsfarbe des Jungen war aschfahl gewesen. „Takaishi-kun?“, fragte Ken verwirrt, doch Yamato hatte wohl selbst mitbekommen, das etwas nicht mit rechten Dingen zuging. „Ichijouji, sag doch bitte den anderen Bescheid, dass ich mit Takeru draußen bin.“ Yamato hatte seinem Bruder hochgeholfen und schob ihn vor sich her. Ken entgegnete mit einem kleinen Nicken: „Ja, ich richte es aus.“ Damit verschwanden die beiden Brüder aus dem Karaokeraum. Taiichi, der mittlerweile auch schon gesungen hatte, sah sich um und bemerkte, dass sein bester Freund nicht mehr anwesend war. Fragend blickte er in die Gesichter seiner Freunde: „Wo sind denn Yamato und Takeru abgeblieben?“ „Yamato-san lässt sich entschuldigen. Er ist mit Takaishi-kun draußen“, entgegnete Ken sofort. „Im Ernst jetzt?“, Taichis Lippen umspielten ein sarkastisches Grinsen, „Also beim Besuch auf der Toilette hört meine Bruderliebe auf.“ „Da hast du wohl recht, Taichi-senpai“, scherzte Daisuke mit. Währenddessen hatte sich Iori mit Koushirou und Jou unterhalten. Mimi, Sora, Miyako und Hikari beschlossen zusammen zu singen und somit ging die Feier ohne weitere Zwischenfälle weiter. Erst als Hikari ein Solo begann betraten die beiden Brüder das Zimmer und setzten sich. Ken hatte den Eindruck, dass Hikari für ein paar Sekunden erschrocken wirkte. „Hallo Ken? Bist du noch dran?“, Daisukes Stimme holte den Blauhaarigen wieder ind ie Realität zurück. Die Erinnerung an Takerus merkwürdigen Blick war keinesfalls eine Angenehme. Vielleicht hätte er es Daisuke sogar erzählen sollen, doch auf der anderen Seite, war das vielleicht keine so gute Idee. Er wollte nicht unnötig Panik verbreiten. Schließlich antwortete er seinem besten Freund: „Entschuldige Daisuke, ich bin noch dran.“ „Ist irgendwas passiert?“, wollte Daisuke noch einmal mit Nachdruck wissen und somit wusste Ken, dass der Brünette anfing sich um ihn zu sorgen. „Alles in Ordnung.“ „Also, wie wäre es wenn wir uns alle zusammen beim nächsten Feuerwerk treffen? Das Obonfestival steht doch vor der Tür“, schlug Daisuke heiter vor, jetzt da er sich wieder entspannen konnte. „Ein Feuerwerk?“ „Klar! Warst du noch nie beim Obonfestival?“, wollte Daisuke wissen und fuhr fort, „Vielleicht kommen die Senpai auch mit.“ „Warum nicht? Es hört sich auf jeden Fall nach einer ganzen Menge Spaß an. Glaubst du Takaishi-kun wird auch kommen?“, während Ken sprach, bemerkte er dass seine Wangen leicht rot und heiß wurden, denn es wirkte als ob er wirklich kaum Ahnung von den leichten Feierlichkeiten in diesem Teil Tokios hatte. Er war zwar hier aufgewachsen, doch während der Zeit als die Saat der Dunkelheit in ihm gekeimt hatte, stand ihm nie der Sinn unter Menschen zu gehen oder sich zu amüsieren. Es war Zeit für solche Heiterkeiten. „Ich denke schon, oder nicht?“ Nach dieser Bestätigung beruhigte Ken sich ein wenig und er fing an sich sehr auf das anstehende Ereignis zu freuen. Kurz nach einer kleinen Verabschiedung beendeten die beiden Jungs das Telefonat. Ein lautes, klingelndes Geräusch zog Hikari aus dem Schlaf. Die Sonne schien an diesem Morgen vom Himmel, als das Mädchen bemerkte, dass auf ihrem D-Terminal eine E-Mail eingegangen war. Voller Hoffnung klappte sie das kleine Gerät auf, doch ihre Miene verzog sich zu einem enttäuschten Ausdruck. Es war eine E-Mail von einem unbekannten Absender. Hikari weitete ihre Augen. Ein unbekannter Absender? Ein Unbekannter hatte ihr eine Nachricht auf dem D-Terminal hinterlassen? Wie war das möglich? Es sollten nur Leute, die mit der Digiwelt zutun haben in der Lage sein ihnen eine E-Mail auf diese Geräte zu schreiben. Etwas aufgeregt biss sie sich auf die Unterlippe und begann den Text zu lesen: „Odaiba Memorial Krankenhaus. Zimmer 469.“ Das war alles was dort geschrieben stand. Hikari klappte das Gerät zu und sprang aus dem Bett, zog sich so schnell wie möglich um un machte sich auf den Weg zur Mittelschule um ihren Bruder beim Fußballclub zu erwischen. „Bruderherz!“ Ihre Stimme klang streng als sie ihn aufhielt. „Oh, Hikari, du bist aber früh hier.“ „Takeru-kun ist doch bei Yamato-san, oder?“, ohne auf Taichis Frage zu antworten forderte sie Klarstellung. „Klar, das habe ich dir doch gestern schon gesagt“, antwortete er wieder mit einem leicht zögernden Unterton, „Ich muss weiter machen, Hikari, tut mir leid. Wir sehen uns später, ja?“ „Okay.“ Hikari zögerte ein paar Sekunden, doch entschloss sich schnell noch einen Blick auf ihr E-Mail Postfach zu wagen. Sie erschrak ein bisschen als die Nachricht vom unbekannten Absender wie ausgelöscht war, obwohl sie selbst gar nichts gemacht hatte. Grübelnd dachte sie darüber nach was sie wohl tun sollte. Schließlich beschloss Hikari, dass es nur eines gab was sie wirklich tun sollte und das war handeln. Das Mädchen machte sich auf den Weg ins rankenhaus. Sie erinnerte sich gut an die Zahlen. Der vierte Stock, der sechste Gang und das neunte Zimmer. Aufgeregt und außer Atem fand sie die Tür. Daneben war ein kleines Namensschild angebracht. „Takaishi Takeru... also doch...“, murmelte sie leise vor sich hin. Warum hatte es ihr niemand gesagt? Und was hatte diese merkwürdige Meldung zu bedeuten? Wieso hatte ihr Bruder sie belogen? „Wollte er etwa nicht, dass Takeru-kun und ich aufeinander treffen?“, dachte sie bei sich und sah sich um. Niemand befand sich in den Gängen, doch das lag wohl daran, dass die Besuchszeiten noch gar nicht angefangen hatten. Hikari klopfte an und ging in das Krankenzimmer hinein ohne auf eine Antwort zu warten. Fortsetzung folgt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)