Wünschenswert von _Supernaturalist_ ================================================================================ Kapitel 1: I ------------ Wünschenswert Wie ein geprügelter, zum Boden geworfener Hund ließ der junge Mann seinen Kopf und die Schultern hängen. Als er so im Schneidersitz saß, berührten seine Hände den trockenen Wüstensand, auf welchem er saß. Es war schon dunkel, daher brannte die sonst so unendlich heiße Sonne weder auf den staubigen Grund, noch auf seinen Rücken und eine frische Böe wehte über seine Haut hinweg. Er schaffte es einfach nicht, seine Augen von dem Flicken auf seiner Hose wegzureißen und aufzusehen – dorthin, wo die grausame Realität ihn wieder einholen würde. Denn schon lange saß er hier, an dieser Stelle, konnte seine Gedanken nicht ordnen, um zu begreifen, wie allein er nun auf dieser flachen Erdenscheibe war. Schon seitdem er als kleiner Bube begonnen hatte zu denken, war er arm gewesen – doch nun, da sein geschätzter Ziehvater von ihm gegangen war, hinab in das dunkle, unbegründete Reich des Todes, fühlte er sich ärmer, als er es je hätte beschreiben können. So saß er am Grab dieses Mannes, der ihm alles gelehrte hatte, was er wusste. Und nun hatte er ihn, nach einer langen, kräftezehrenden Krankheit verloren. Der junge Mann war allein. Denn seine Mutter starb nach seiner Geburt, aber er wusste von den Erzählungen seines Alten, dass sie eine warmherzige, großmütige und vor allem wundervolle Frau gewesen sein musste. Nur kurz darauf, so hatte man es ihm berichtet, nahm der Tod seinen leiblichen Vater mit sich, der wohl an gebrochenem Herzen gelitten haben musste. Sanji war der Name dieses jungen Mannes, der nun, als die weiten Sande der Wüste ein zartes Blau angenommen hatten und die Temperaturen allmählich eisig wurden, doch sich gezwungen sah, nach Hause zu gehen. Denn, wie hätte sein Ziehvater, der alte Jeff, gesagt, Trübsal blasen würde ihm weder essen, noch ein warmes Bett bringen. Ja, er war wirklich weise gewesen, dieser alte Schwachkopf. Mit wackligen Beinen stand er langsam auf, besah wehmütig den in Stein geschlagenen Namen des Mannes und ließ dann seinen Blick kurz schweifen, um auch den umliegenden Verstorbenen zu Gedenken. Traurig musste er zugeben, dass dies auch eines Tages sein Schicksal sein würde – ein Grab auf dem Friedhof der Ärmsten des weiten Landes, regiert vom alten, aber klugen König Kobra. Natürlich hoffte er, dass sein Leben eines Tages eine unglaubliche Wendung durchlaufen würde, doch das waren wirklich nur Träume für die Nacht. Er zahlte dem alten Kameltreiber mit faltigen Händen eine Münze, damit er ihn wieder durch die Wüste, zurück zur Stadt führte. Denn allein durch die weite, sandige Leere wollte er sich nie wagen. Als der junge Mann, spät in der Nacht, endlich wieder an seiner ärmlichen Hütte, am Rande der Stadt ankam, bedankte er sich bei dem Alten für seine Dienste. Dann, nach kurzem Zögern, öffnete er die einfach gezimmerte Tür, welche laut knarrte. Kein Feuer brannte im Ofen und keine der Kerzen war entzündet. Ganz still und leise war es hier. Es roch nicht nach Essen, nicht nach Heimlichkeiten. Nein, hier war kein alter Griesgram, der ihn knurrend begrüßte und fragte, wo er denn so lange geblieben war. Nun war hier niemand mehr, mit dem er diesen kleinen Kampf, wer denn besser kochen könnte, ausführen durfte. Keiner mehr, der ihn ständig belehrte. Niemand. Sanji war ganz allein. Wie lang er im Türrahmen stand und sich sämtliche Szenarien der Vergangenheit ausmalte, wusste der junge Mann nicht. Es war ihm auch egal, musste er betrübt zugeben. Es musste schließlich der kalte Wüstenwind gewesen sein, welcher ihn hineintrieb und ihn die Tür zuschlagen ließ. Der junge Mann kümmerte sich nicht darum, den Ofen zu befeuern, um diese ärmliche Hütte zu wärmen. Auch wollte er kein Essen machen – der Appetit fehlte ihm schon länger und außerdem war eh nicht viel da, was man hätte kochen können. Mit einem müden Blick musste er feststellen, dass gerade einmal ein paar Äpfel, wenige Datteln und ein vertrocknetes Stück Brot sich im Vorratskorb befanden. Zwar war er ein genialer Koch – der alte Jeff hatte ihn alles gelehrt, was er wusste - doch ohne Gewürze und Kräuter, welche auf den Basaren ein kleines Vermögen kosteten, würde er nur wenig ausrichten können. Als er sich auf sein Bett, ein paar alter Kissen und eine dünne Decke, legte, seufzte er leise und sah hinaus, aus dem Fenster. Zwar lag seine heimatliche Hütte am Rande der Stadt, da, wo nur die Ärmsten der Armen wohnten, doch der Ausblick war einem Sultan wert. Denn so konnte er perfekt den schillernden Palast sehen, mit all seinen prunkvollen Türmen, den weißen Mauern aus Marmor und dem goldenen Tor. So dachte der junge Mann einmal mehr an seinen Traum. Ein weltbekannter Koch wollte er werden – Rezepte erfinden und niederschreiben, welche noch Generationen nach ihm nutzen würden. Die Gerüche und Geschmäcker der Welt so kennenlernen und vereinen und so kochen, wie nur er es verstand. Zwar hatten Jeff und er, schon vor vielen Jahren, einen kleinen Stand auf dem Basar eröffnet, auf welchem sie Fladenbrot günstig verkauften. Doch mit den Einnahmen würde nie jemand reich werden und so sollte Sanji nie genug Geld haben, damit er auf den weiten Meeren reisen konnte, um die vielen Länder zu sehen und das Kochen zu meistern. Außerdem waren einige Münzen für das Grab der Alten draufgegangen. Jeff wollte das nicht, doch Sanji war es ihm schuldig gewesen. Er wollte einfach nicht, dass dieser Mann, dem er sein ganzes Leben verdankte, in einem Massengrab, irgendwo in der Wüste, seinen Tod verbringen würde. Wann genau der junge Mann eingeschlafen war, wusste er nicht, denn seine Gedanken waren nahtlos in seine Träume übergegangen. Es war ein Wunder, dass er überhaupt eingeschlafen war. Schließlich umgab ihn diese bittere Kälte der Nacht. Wahrscheinlich war es ihm einfach egal gewesen, denn vielleicht war dieser Tod besser, als dieses armselige Dasein, welches er fristete. Doch plötzlich wurde er mit einem lauten Knall aus seinem Schlaf herausgerissen. Er schnellte hoch. Sein Herz raste. Noch immer schlaftrunken sah er sich um, nur um dann nüchtern festzustellen, dass der Wind seine Tür aufgeschlagen hatte. Zitternd vor Kälte stand Sanji auf, stapfte durch den Sand, welcher mit dem Wind hineingekommen war und schloss mit all der Kraft, die er gerade in seinem Körper finden konnte die Tür wieder. In eben jenem Moment wurde sie erneut aufgestoßen und etwas – der junge Mann erkannte schnell, dass es ein Stück Pergament war – wurde hineingeweht. Dann, als sei es ein Zauber gewesen, schloss die Tür sich von selbst. Wie angewurzelt stand Sanji da, versuchte zu begreifen, was geschehen war. Dann, gerade als er sich wieder zum Schlafen hinlegen wollte, sah er wieder den Zettel, welcher bei dem Ofen lag. Er war zerknüllt und staubig. Eigentlich hätte er ihn wegschmeißen sollen, und was ihn zum Entfalten brachte, wusste er schon gar nicht. Es musste Schicksal gewesen sein und sein Herz machte gleich einen Sprung. Der Sultan – genau jener, wie er von allen verehrt wurde – suchte für seine Tochter einen Koch, der ihre Speisen zubereiten sollte. Jeder könne sich bewerben. Jeder. Auch ein ärmlicher Mann, der gerade seinen Ziehvater verloren hatte und tatsächlich kochen konnte. Er dankte dem Alten im Gedanken, für alles was er ihm je beigebracht hatte, so auch das Lesen, bevor er so schnell wie möglich aus der Hütte hinausstürmte. Sich etwas anderes anziehen brauchte er nicht – denn er besaß nicht wirklich viele Kleider. Mit dem Pergament in der Hand hastete er durch die dunklen Straßen und Gassen, vorbei an Gaunern und Dieben, Mördern und den schönen Kurtisanen, die einen so gerne lockten. Normalerweise wäre Sanji stehengeblieben, hätte diese reizenden Damen genau betrachtet – denn er verehrte jede Frau. Nur, er wusste nicht ob es Pech oder Glück war, fehlten ihm die nötigen Münzen, um das Angebot der Schönen anzunehmen. Doch heute waren ihre Angebote ihm gleich, denn heute ging es darum, seinen Traum zu erfüllen. Das wäre genau das gewesen, was Jeff auch für ihn gewollt hätte. Er war ein sehr guter Läufer und so schmerzten seine Füße nicht, als er endlich am prächtigen Tor des Palastes ankam. Etwas verwundert sahen die Wachen ihn an. Sanji blieb ruhig. Sah nur hinauf und hoffte, dass man ihm einfach den Einlass gewährte. „He!“, rief plötzlich einer der Männer, verwundert darüber, was wohl in den Gedanken des Jüngeren vor sich ging. „Wohin des Wegs, Bursche?“ Sanji erinnerte sich daran, was sein Ziehvater ihm einst gesagt hatte, wie man mit Leuten sprach, welche bessere Positionen als man selbst besaßen und antwortete: „Gewährt mit Einlass“ Sie lachten nur und sofort fühlte sich der junge Mann gekränkt. Er mochte es nicht, wenn man ihn so abwertend behandelte. „Ich will zeigen, dass ich kochen kann, um der Prinzessin Leibkoch zu werden“ Ihr Lachen hörte auf und sie sahen ihn erstaunt an. Die Stille war beinahe unangenehm für den jungen Mann. Dann und das zerschlug diese wunderschöne Hoffnung, welche in Sanji begonnen hatte zu keimen, sagte einer von ihnen: „Du bist zu spät. Gestern kamen alle Teilnehmer und der Wettbewerb hat schon längst begonnen.“ Als er dies hörte, ließ der junge Mann seine Schultern hängen und die Tatsache, dass er nicht pünktlich gekommen war, begann schmerzlich an ihm zu nagen. Außerdem begannen die Wachen nun vor Lachen zu brüllen, machten sich über diesen dummen Kerl lustig, der meinte, Kochen zu können. Wehmütig sah er hinauf zu dem goldenen Tor, welches einmal mehr für ihn verschlossen blieb. Zu Spät. Seinen Traum einmal mehr verpasst. „Hey! Pst!“, hörte der junge Mann plötzlich jemanden flüstern und irgendwie war er froh, dass es die Wachen nicht bemerkten. Irritiert sah er sich um, doch sah erst auf dem zweiten Blick die massive, von einem Umhang verhüllte Gestalt, welche im Schatten einer Säule lauerte. „Komm her!“, hauchte die Gestalt und winkte ihn mit einem Finger zu sich. Da Sanji nichts zu verlieren hatte, stahl er sich davon – man bemerkte es unter all dem Gelächter und den belustigenden Worten nicht einmal. „Was wollt Ihr von mir?“, fragte Sanji vorsichtig, als er im gewissen Abstand von der Gestalt stehen blieb. Er, wie der junge Mann es durch die Stimme erkannte, war groß und muskulös, wirkte wie einer dieser bedrohlichen Hehler aus dem Westen. „Ich kenne eine Möglichkeit, wie du vielleicht doch in den Palast kommst, mein Sohn.“ Sanji hasste es, wenn fremde Menschen sich anmaßten ihn so zu nennen und doch war er ganz Ohr. „Ich höre.“ Denn wenn es um seinen Traum ging, würde er fast alles tun. „Geh hin, in die Wüste. Dort wirst du eine Höhle finden, voller Gefahren. Doch ich weiß, dass du sie überstehen wirst. Steige hinab in die Kammern und entsage all den Versuchungen, die du dort finden wirst! Bringe mir nur die Lampe und du wirst reich entlohnt werden. Das verspreche ich dir!“ Gefahren? Versuchungen? Eine Lampe? Sanji wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte – für ihn klang es alles nach einem uraltem Märchen und zu seltsam, um wahr zu sein. „Von was für einer Belohnung reden wir hier?“, fragte er vorsichtig an, auch wenn für ihn das Gespräch schon lange beendet war. „Nun...“, lachte der Mann leise in seinen Bart hinein – sofern er einen besaß, „..., ich kenne den Sultan gut und kann die bestimmt einen guten Platz an seinem Hofe beschaffen. Koch, wie ich gehört habe?“ Nun hörte Sanji wieder genauer zu. Wer war dieser Mann, dass er solche großen Worte verlieren konnte? „Wer seid Ihr?“, wunderte sich der junge Mann und kniff seine Augen zusammen, um unter der Kapuze das Gesicht zu erkennen. „Ein Freund“, murmelte dieser nur und zog sich den Stoff mehr vor die Augen, als er dies bemerkte. „Also? Kann ich auf dich zählen, mein Sohn?“ Langsam hob der Fremde seine Hand und bot sie Sanji an. Ohne weiteres Zögern schlug er ein. Völlig erschöpft kam Sanji am späten Abend des nächsten Tages an dem, von dem Fremden vorgegebenen Punkt an. Er befand sich mitten in der Wüste – mitten im Nirgendwo. Ihm war kalt, trotz des alten Umhangs seines Ziehvaters und er war wirklich enttäuscht. Denn vor ihm breitete sich nur der weiche, blasse Sand aus. Hier war keine Höhle. Hier gab es nicht einmal mehr Palmen, dürre Sträucher oder gar Flechten. Hier gab es nichts, nur die untergehende Sonne. Fluchend rief er dem Himmel entgegen, warum ihm das Schicksal einmal mehr solch einen Streich spielte. Dann sah er sich noch einmal um und seufzte traurig. Nein. Hier gab es nicht mehr, als er schon sah. Nur Sand, noch mehr Sand, der mit dem dunklen Himmel drohte eins zu werden. Voller Verärgerung trat er gegen einen Felsen, welcher aus eben jenen Sand herausragte. Und er schrie – nicht vor Schmerz, den er sonst empfunden hätte. Der junge Mann ließ all seinen Wut und Frust heraus, einen Tag seines schon so viel zu kurzen Lebens vergeudet zu haben, nach der Suche einer verdammten Höhle, welche eine noch viel verdammtere Lampe verbergen soll. Er sackte in den warmen Wüstensand, schlug diesen. Wie konnte er schließlich nur so dumm gewesen sein, jemanden zu trauen, den er nicht kannte? Noch zwei Mal schlug er auf den Boden. Beim dritten Mal begann dieser zu beben. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen sprang der junge Mann wieder auf seine Beine. Rückwärts schritt er. Denn Magie musste es sein, was da vor ihm geschah! Vor ihn hatte sich ein Loch aufgetan. Mitten im sonst so robusten Wüstensand und begann alles umliegende zu verschlingen. Noch nie hatte Sanji so etwas gesehen. Nie so etwas erahnt, oder davon geträumt. Immer mehr des gemahlenen Gesteins verschwand, mehr dunkler Stein wurde so preisgegeben. Immer mehr wich er zurück, stieg somit rückwärts eine Düne hinauf und konnte dieses Schauspiel von oben betrachten. Nach einiger Zeit wurde die Erde wieder still. Er konnte seinen Augen nicht trauen und rieb sie daher. Blinzelte. Doch – in der Tat – dieses Loch schien der wahrhaftige Abstieg in die besagte Höhle zu sein. Wenn das sein alter Vater gesehen hätte, was hätte er dann nur gesagt? Hätte er den jungen Mann vorangetrieben, oder doch vor den möglichen, dort lauernden Gefahren gewarnt? Unsicher sah Sanji sich um, ob ihn auch ja niemand beobachtete. Denn Magie, das wusste er und ebenso wie diese, die er hier fand, verhieß nur selten etwas Gutes. Doch nun war er einmal hierher gelangt, so, so sagte er sich, sollte es keinen Weg zurück geben. Nur mit der Lampe. Damit sein Traum erfüllt werden konnte. So stieg er wieder die Düne hinab und erreichte den Eingang der Höhle. Vorsichtig sah er hinein. Ein sonderbar, eindeutig magisches, bläuliches Licht schien in ihrem Inneren. Ebenso kam ihm eine unheimliche Kälte entgegen – ließ ihn schaudern und eine leichte Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Der Abgang war steil, die Decke niedrig. Und doch war er kein eingebildetes, kleines Wüstenkind, kein Dreikäsehoch. So sammelte er all seinen Mut und wagte es, die Wüste zu betreten und verschwand unter Beobachtung eines Fremden in ihrem Innersten. Wie lange er hier ging, wusste Sanji nicht. Es kümmerte ihn auch nicht der Weg hinein, als vielmehr jener hinaus. Denn der Eingang war irgendwo hinter ihm in einem mysteriösen Dunkel verschwunden. Das Herz schlug ihm bis zum Hals – nein, höher – denn er konnte das stete Trommeln in seinen Ohren hören und spüren. Sein Atem war unterdes und zu seinem Glück, das Einzige, was er hörte. Umso größer die Angst und die Kälte wurde, so stärker wurde aber auch sein Wunsch, das gewünschte Objekt zu finden. Schließlich hatte der Fremde schon mit dieser Höhle recht behalten. So würde er doch auch die Arbeit über die Lampe gesagt haben. Zumindest war es das, was sich der Smutje immer wieder einredete, um nicht gänzlich den Verstand zu verlieren. Doch schon bald sah er, wohin diese Höhle ihn führte. So gelangte er in einen stattlich ausstatteten und geschmückten Raum. Gold, Silber und Edelsteine zierten die Decken, Wände und sogar Säulen, welche man hier platziert hatte. Ketten aus Jade, Perlen und Diamanten hingen über ihn und Haufen von Münzen, Kronen und Kelchen stapelten sich um ihn herum. Nun erahnte er, was der Fremde mit 'Versuchungen' gemeint hatte. Ein gewöhnlicher Dieb, gar ein einfacher Narr, wäre auf all diese Pracht hereingefallen und hätte sich die Taschen vollgepackt und hätte soviel des Reichtums genommen, wie er hätte tragen können. Doch solch ein Mann war Sanji nicht – er wollte einfach nur kochen. Das reiche, prunkvolle Leben interessierte ihn nur wenig. Voller Vorsicht versuchte er nichts von all dem hier zu berühren, denn er wusste nicht, welcher Zauber sich hinter all dem verbarg. So wollte er nicht ins Unglück stürzen. So sah er sich um, achtete auf jeden seiner Schritte, behielt die Hände nah am Körper und duckte sich, um ja kein Geschmeide mit dem Kopf zu streifen. Dann sah er sie. Sie war nicht sonderlich groß. Und nicht sonderlich hübsch. Besonders sah sie auch nicht aus. Sie glänzte nicht einmal. Es war eine einfache Öllampe, ebenso, wie auch eine auf seinem Nachttisch stand. Der junge Mann runzelte die Stirn, denn er verstand den Fremden nicht. Er könne sich alle Reichtümer der Welt aus dieser Höhle wünschen, doch ihn interessiert nur dieses erbärmlich-klägliche Kleinod. Nein, Sanji wollte nicht prozessieren, doch wunderte er sich sehr. Da er aber nicht jünger wurde, wollte er sich an dem Gedanken nicht aufhalten, zuckte daher leicht mit den Schultern und strecke die Hände aus, um- Im Augenwinkel sah er etwas. Rot. Auf den Basaren heiß begehrt. Und es lag hier einfach zur freien Verfügung. Ein Schälchen Safran war es, was seine Aufmerksamkeit gefangen hatte. Sanji wusste, dass er nicht sollte. Und doch hatte ihn dieses Gewürz der Könige verführt. Schließlich würde dies niemand vermissen. So ließ er von der Lampe noch einmal ab, griff das Schälchen. Dass dies ein Fehler war, bemerkte er auf der Stelle. Wieder zitterte die Erde und schneller, als das ihm Gebet einfallen konnte, fiel die Höhle über seinem Kopf zusammen und begrub ihn in der Tiefe der Wüste. Die Schwärze verschwand und Sanji konnte endlich wieder seine Glieder spüren. Sein Kopf schmerzte und zähneknirschend stellte er fest, dass sein Abenteuer keineswegs das Hirngespenst einer finstren Nacht war. Denn er befand sich noch immer in ebenjener Höhle, unter ebenjenem bläulich-magischem Licht. Nur war hier nur noch wenig Prunk, Edelstein und Gold, als vielmehr ein winziger Raum, in welchem er gerade einmal sitzen konnte. Traurig senkte er seinen Kopf. Das sollte nun sein Ende sein. Als plötzlich, ein wenig tückisch, Etwas funkelte und der junge Mann es im Augenwinkel wahrnahm. Es war die Lampe. Da er sonst nicht weiter wusste, griff er diese und zog sie aus der steinigen Nische, in welcher sie gefangen war. Staubig war sie. Und dreckig. Wie sie funkeln konnte, wusste er nicht, doch musste es seinen Grund haben. Links und rechts drehte er sie, um ihren Wert zu schätzen. Doch konnte er es nicht und so legte er eine Hand auf das kalte Metall um so zu säubern. Zu glühen begann sie! Wurde heiß und vibrierte. So ließ er hastig los und drängte sich mehr gegen sein steiniges Gefängnis, als es möglich gewesen wäre. Schwaden von Rauch entwichen der kleinen Öffnung, fühlten den schon so viel zu kleinen Raum. Nun ergriff die Angst zu ersticken sein Herz und so hielt er instinktiv die Luft an. Und schloss die Augen. Nun wusste der junge Mann, dass sein Leben vorbei war. „Verdammt ist das eng hier!“, beschwerte sich plötzlich eine entzückende Stimme. Und sie hatte recht – Platz in dieser kleinen Nische war nun wirklich nicht, besonders, wenn sich hier nun zwei Menschen aufhielten. ZweI? Erschrocken japste Sanji nach Luft, während er seine Augen ruckartig aufriss. Sein Herz blieb fast stehen. Denn ihm gegenüber saß ein gar liebreizendes Wesen, mit Haaren so orange, wie die untergehende Sonne der Wüste und einer Haut, die er nur so glatt wie Marmor bezeichnen konnte. Ihre Augen besaßen ein so samtiges Braun, wie er es nur selten gesehen hatte. Ihre Haut leuchtete einen angenehmen Schein. Gar farbenfrohe Kleider trug sie, als handelte es sich bei ihr um eine Prinzessin. Und doch war der junge Mann sehr verwundert anstelle ihrer Beine nur diesen undurchdringlichen Rauch zu sehen. „Was starrst du mich so an? Hast du noch nie einen Dschinn gesehen?“, fragte sie ihn wieder mit dieser wundervollen Stimme. Er blieb ganz still und starrte sie nur weiter an. Sie blinzelte, räusperte sich und wartete auf eine Antwort. Um ein Haar hätte Sanji seine Manieren vergessen. Doch würde er sie kränken, wenn er sagte, dass er von solch einem Wesen nur gehört hatte? In Fabeln, Märchen und Sagen aus tausend und einer Nacht? Er wollte sie nicht verspotten, doch hätte er nie geglaubt, einen wahrhaftigen Dschinn zu sehen – geschweige denn einem gegenüberzustehen. Oder zu sitzen. Und dennoch wollte er diese Schönheit nicht belügen. So schüttelte er vorsichtig den Kopf. „Warum wundert mich das nicht?“, murmelte sie und stützte ihren Kopf auf einer Hand ab, während ihr Ellenbogen irgendwo auf dem Rauch ruhte. „Ich bin dein Dschinn und du hast drei Wünsche frei. Und-“, sie unterbrach sich selbst und besah die kleine Höhle, in welcher sie steckten. „Moment, ich werde uns erst einmal etwas mehr Platz verschaffen!“ Damit schnippste sie mit einem Finger. Wieder bebte der Boden. Doch anstatt dass die Decke auf seinem Kopf zusammenfiel, streckte und dehnte sich der Raum und war schon bald wieder so groß, wie zum Beginn dieses seltsamen Abenteuers, in welches er gelangt war. „So!“, sagte die Schönheit stolz und sah sich um, stemmte dabei ihre Hände in die Hüften. Erst da sah der junge Mann ein sonderbares, blaues Zeichen auf ihrem linken Oberarm, welches er nicht so recht deuten konnte. Doch der Höflichkeit entgegen, hatte er beschlossen sie erst einmal nicht deswegen zu fragen. Stattdessen erkundigte er sich nach den besagten 3 Wünschen: „Und ich darf mir wirklich alles auf dieser Welt wünschen?“ Eindringlich sah sie ihn an, verschränkte ihre Arme und als sei es verständlich, erklärte sie: „Nun, nicht alles. Es gibt auch ein paar Ausnahmen. Ich kann niemanden von den Toten erwecken und niemanden töten. Gleichzeitig kann ich auch niemanden dazu bringen, sich in dich zu verlieben. Und vergiss es: Mehr Wünsche kannst du dir auch nicht wünschen! Drei Wünsche. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.“ Er mochte die bestimmende Art dieses Dschinns sehr. Nur selten waren ihm bisher solche Frauen begegnet. Nur leider war sie ein Wesen aus einer anderen Welt und für ihn daher unerreichbar. „3 Wünsche?“, fragte er noch einmal unsicher nach und sie nickte knapp. Gerne hätte er sich einen Kuss von diesem reizenden Wesen gewünscht – doch 3 Wünsche waren zu Wenige dafür und doch mehr, um sein Glück begreifen zu können. Als der junge Mann so mit sich haderte und immer mehr Zeit ins Land strich, wartete die Schönheit stumm ab. Zu Beginn. Denn umso länger er kein Wort von sich gab, umso ungeduldiger wurde sie und schwebte aufgeregt auf und ab. „Nun, mein Meister?“, fragte sie irgendwann, als ihr 'Meister' noch immer nichts von sich gegeben hatte. „Welche Reichtümer darf ich dir bescheren? Welchen Ruhm soll ich dir herbei zaubern? Doch...Wie heißt du?“, fragte sie schließlich vorsichtig und zum Ende hin leicht innehaltend. Erschrocken blinzelte er. Hatte er denn tatsächlich vergessen, dass sie da bei ihm stand? „S-sanji“, brachte er schließlich stotternd hervor „Und du brauchst mich nicht 'Meister' nennen. Wirklich nicht. Und wie heißt ihr – oh Schönheit der Sieben Wüsten? Herrscherin über die Sande?“ Erschrocken wich sie etwas zurück, als ihr Meister sich vor ihr auf die Knie warf. „Oh, du liebreizende Dschinn – nie hätte ich mir zu träumen lassen, dass solch ein perfektes Wesen eines Tages vor mir erscheint!“ Blinzelnd sah sie ihn an, räusperte sich dann, als ihr Schock verflogen war. „Mein Name hat niemanden zu interessieren. Ich bin nur hier, um euch glücklich zu machen. Also? Der erste Wunsch, Sanji?“ Der junge Mann wusste nicht, was geschehen war. Alles wirkte wie ein Traum: Die Höhle. Die Lampe. Die wunderschöne Dschinn ohne Namen. Zuerst bemerkte er gar nicht, dass sich etwas geändert hatte. Als er so langsam aus seinem tiefen Schlaf erwachte, fühlte es sich so an, als sei er in seiner kleinen, schäbigen Hütte, am Rande der Wüste. Sein Magen knurrte, denn er hatte Hunger. So drehte Sanji sich noch einmal auf die Seite, bedeckte sich mehr mit den seidenen Decken und kuschelte sich mehr in die mit Daunen gefüllte, weiche Matratze. Da schnellten seine Augen auf und erschrocken sah er sich in diesem prunkvollen Zimmer um. Hier gab es echte Vorhänge, und die Wände waren aus weißem Marmor. Sein Bett besaß 4 Pfosten und seinen dunkelblauen Himmel, der sogar leicht wie Sterne in der Nacht funkelte. Sanji befühlte seine Decke. So weich wie Wasser war sie, genau wie die Kleider, welche er an seinem Körper trug. So etwas wertvolles hatte er noch nie getragen. Plötzlich klopfte es und schon Momente später ging die Tür auf. „Ihr schlaft ja noch! Man braucht Euch in der Küche! Die Hoheiten erwarten das Frühstück!“, kam ein ihm unbekannter Mann herein. „F-Frühstück?“, stotterte Sanji erstaunt, während er so schnell wie möglich versuchte, aus dem Bett herauszukommen. „Natürlich“, stimmte der Unbekannte ihm zu, als dieser in einem Schrank nach neuen Kleidern suchte. „Dafür habt Ihr den Wettbewerb gewonnen. Nicht umsonst seid Ihr der Leibkoch des König Kobra und seiner Tochter. Nun bekleidet Euch! Man erwartet Euch bereits in der Küche.“ „In der Küche?“ „Ja, in der Küche! Sind Euch die heißen Wüstenwinde der letzten Nächte nicht wohl bekommen, oder wurdet Ihr von einer wilden Klapperschlange gebissen? Wie dem auch sei – beeilt Euch, werter Herr Koch!“ Der Mann legte die Kleider auf das Bett und war dann schneller wieder verschwunden, als er gekommen war. Noch immer verwundert blinzelnd und wesentlich irritierter als zuvor betrachtete der junge Mann die strahlenden Roben, welche für ihn allein gedacht waren und begann sich – da er nicht noch einmal diesen seltsamen Kauz in seiner Nähe wissen wollte, auszuziehen. „Ich hoffe, dass alles so ist, wie Ihr es euch erträumt habt, Meister.“ Sanji fuhr sofort zusammen. Es war die Schönheit von Dschinn und ihre Stimme erklang vom Fenster her. Röte stieg dabei in sein Gesicht, denn er hatte gerade vollkommen unbedacht die Hose angezogen. Er hatte sie bei all seinem Staunen fast vollkommen vergessen. „Es ist...nett...“, versuchte er auf eine gespielte Art und Weise ruhig zu sagen, als er sich zu ihr umdrehte. „Nett? Von solch einem Palast können viele nur träumen. Doch sag mir – warum wolltest du ausgerechnet der Koch der Hoheiten sein? Du hättest dir selbst die Herrschaft der Welt wünschen können.“ „Nein danke“, meinte er lächelnd und warf sich das bläuliche Gewandt über und band es zu. „..., zu Herrschen überlasse ich Anderen. Ich bin nur glücklich, wenn ich kochen darf.“ Dann hielt er kurz inne und fragte noch: „Ist es das, was sich meine Vorgänger gewünscht haben? Zu Regieren?“ Entgegen seiner Erwartung zuckte die Dschinn nur mit den Schultern, schwebte dann zu ihm. „Ich kann mich an Keinen von ihn erinnern.“ Sanji hielt inne, was für die Schöne als Zeichen galt, fortzufahren: „Das ist bei Dschinns so nun einmal so. Wir machen einfach unsere Aufgaben und verschwinden dann wieder, als sei nie etwas geschehen. Ich erinnere mich nicht und meine Meister auch nicht.“ „Deshalb willst du mir deinen Namen nicht sagen?“ Sie nickte vorsichtig und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick wanderte dabei zu Boden und ein sanftes, aber trauriges Lächeln wanderte über ihr Gesicht. „Genau. Schließlich würdest du ihn nach deinen 3 Wünschen eh vergessen.“ „Du kennst dennoch den Meinen.“ „Du bist auch mein Meister, Sanji“ Sie seufzte. „Ich hoffe, dass euer erster Wunsch vollkommen nach eurer Vorstellung.“ „Der Koch des Königs und der Prinzessin...“, flüsterte der junge Mann glücklich, mehr zu sich, als zu dem magischen Wesen „..., ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas einmal passieren würde.“ „Das ist nun einmal das Schöne an den Wünschen.Doch nun solltest du deinem Beruf nachgehen, Meister Sanji. Bevor noch einmal jemand nach dir sehen will.“ „Was ist mit dir?“ „Mir mir?“, fragte die schöne Dschinn noch einmal nach, ganz verwundert, dass sich jemand nach ihr erkundigte. „Wird dir die Zeit über nicht langweilig?“ „Ich lebe normalerweise in einer Lampe – glaub mir, solange wie ich hier in eurer Welt leben kann, wird mir nicht langweilig. Und nun geh!“, befahl sie ihm und schwebte wieder zum Fenster. Er gehorchte ihr, denn einer schönen Frau konnte Sanji nichts abschlagen. Es machte ihm unglaublichen Spaß – das Kochen für König Kobra und der Prinzessin. Vivi war ihr Name und sie war wirklich eine Augenweide. Sie schienen wirklich seine Mahlzeiten zu lieben. Das freute Sanji und er wusste, dass er hier wirklich seine Berufung gefunden hatte. Und dennoch wirkte er sich fremd in dieser Umgebung. Soviel Prunk und Reichtum war Sanji nicht gewohnt – kam er doch aus einfachen Verhältnissen. So gab es in dieser königlichen Küche – welche größer war, als die alte Hütte, in welcher er gelebt hatte – mehr Gewürze, als er selbst kannte. Und doch hatte ihn sein Vater viel beigebracht. So schaffte er es, seine Unsicherheiten vor all den Gehilfen zu vertuschen und tat so, als hätte er nie mit anderen Gewürzen gekocht. Das tat er den ganzen Tag – zum Frühstück, Mittagessen, oder für ein reichhaltiges Abendmahl. Sogar kleine Mahlzeiten wurden von ihm verlangt, welch er mit viel Freude vorbereitete. Sanji selbst durfte auch selbst mit in den Thronsaal kommen um seine Werke zu servieren. Die Hoheiten dankten ihm sogar persönlich. „Wenn wir dich mit nichten hätten! Du musst wahrlich der beste Koch dieser Welt sein!“, strahlte König Kobra, als er die Schale mit scharfer Suppe persönlich empfing. „Da habt Ihr Recht, Vater!“, stimmte die schöne Prinzessin zu, und dankte auch noch einmal dem jungen Mann für seine Arbeit. Doch die beiden Hoheiten waren nicht die einzigen, die etwas aßen. Auch verschiedene Berater und Visiere, Fachleute und Minister, saßen mit ihnen und verspeisten die Köstlichkeiten, die man ihnen reichte. So auch dieser grimmig erscheinende, muskulöse Mann, welcher der persönliche Großvisier des Königs war. Eine ungesunde, bläuliche Farbe umgab seine Haut und seine Haare waren so schwarz wie die sternlose Nacht. Seine dunklen, wilden Augen blickten grimmig umher. Irgendwie wirkte dieser Mann besonders durch seine lange, seltsam geformte Nase und die spitzen Zähne sehr gefährlich. Als Sanji ihn das erste Mal gesehen hatte, musste er sogar schlucken. Dies war Arlong und der junge Mann fragte sich, wie er zu seiner Position gelangt war – mit Freundlichkeit und einem Lächeln definitiv nicht. „Ihr müsst meinen Großvisier heute wirklich entschuldigen“, murmelte der König einmal leise, als Sanji ihm frisch gebackenes Fladenbrot reichte, „..., normalerweise ist er nur halb so grimmig.“ Das nickte Sanji nur stumm ab und ging dann wieder seiner Arbeit nach. Am Abend kam er müde, aber zufrieden wieder zurück in sein Zimmer und ließ sich auf das weiche Bett fallen. „Das muss wirklich ein Traum sein...“, flüsterte er, und seufzte wohlig in sein weiches Kissen. „Nicht zufrieden?“, fragte ihn plötzlich die schöne Dschinn wieder und schwebte an seine Seite. Er stemmte seinen Kopf auf den Händen ab und sah in ihr Gesicht. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin. Ich darf kochen und mit Zutaten experimentieren und Rezepte in alten Schriftrollen lesen. Es ist besser, als ich mir hätte träumen können! Wunderschöne Dschinn – ich danke dir vom ganzen Herzen!“ Noch während er sprach, war Sanji aufgestanden und hatte die Hand der Schönen genommen, ging dann wieder auf seine Knie. „Ohne dich wäre all dies gar nicht möglich, oh du Schöne der Schönen!“, beschwor er und man konnte es der Dschinn ansehen, dass all sein Lobpreisen sehr unangenehm für sie war. „Schon gut...“, versuchte sie abzuwinken, doch der junge Mann himmelte sie immer mehr und mehr an, bis sie einfach in ihrer Lampe verschwand. Sanji blinzelte. „Ich sage doch nur die Wahrheit!“ „Das war zu viel des Guten!“, schallte es aus dem Inneren des Kleinods. „Wenn du, mein Meister, nichts dagegen hast, würde ich gerne hier drin bleiben...“ Natürlich wollte Sanji dem nichts entgegensetzen. Bei einer Frau tat er das nie. Dennoch holte er das Bündel heraus, welches er in der Küche geschnürt hatte und legte es auf sein Bett. „Ich habe dir aber eine Kleinigkeit zum Essen mitgebracht. Ich wusste nicht, ob ein Dschinn Nahrung zu sich nimmt, doch dachte ich mir, dass dein Magen knurren muss, wenn du den ganzen Tag nur hin und her schwebst.“ Sie war still und für einen Moment dachte Sanji, er hätte etwas Falsches gesagt. So fuhr er fort: „Es ist ein Fladenbrot mit Ziegenkäse und einer feinen Soße. Es ist leider nichts aufwendiges, da ich keine Aufmerksamkeit erregen wollte.“ Langsam floss Rauch aus der kleinen Öffnung der Lampe und vorsichtig erschien die Schöne wieder. „Essen...?“, fragte sie verwundert. Er nickte. „Ich glaube nicht, dass mir je ein Meister etwas zu Essen angeboten hat.“ „Du kannst mir doch nicht sagen, dass du tausende Jahre in deiner Lampe steckst und nie etwas gegessen hast.“ Vorsichtig glitt sie wieder neben ihn und besah die kleine Mahlzeit genau. Kurz wanderte ihr Blick zu Boden, dann trafen sich wieder ihre Augen. „Ich glaube nicht. Weißt du – es obliegt mir als oberste Pflicht zu Dienen.“ „Trotzdem bleibt da noch Zeit zu essen. Bedien dich – es ist alles für dich!“ Sanji lächelte. Nickte. Sie sollte wissen, dass er es ehrlich meinte. Schließlich konnte er niemanden verhungern sehen. Vor allem keine Frau. Vorsichtig nahm sie das Brot und schaute es sich noch einmal an. „Es ist nicht vergiftet. Keine Angst.“ Mit diesen Worten biss sie hinein. Sofort begannen ihre Augen zu strahlen und ein breites, zufriedenes Grinsen überzog ihre Lippen. Der junge Mann musste schmunzeln. „Schmeckt es?“ „Das fragst du noch? Dass ist bestimmt das Beste, was ich je gegessen habe! Selbst damals, als ich noch ein Mensch war-“ „Moment! Ein Mensch warst?“, warf Sanji gleich ein. „Du warst nicht immer ein Dschinn?“ Sie schüttelte den Kopf und begann zu erzählen. „Und du weißt nicht, wie lange es her ist?“, erkundigte sich Sanji, welcher der schönen Dschinn genau gelauscht hatte. Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mich an keinen Meister erinnern. Es könnten Fünf gewesen sein. Oder tausende. Vielleicht bist du auch der einzige Meister, den ich je hatte.“ Er nickte und verstand. Hass empfand Sanji. Für diesem einen Mann, von dem die Schöne erzählt hat. „Sein Name spielt keine Rolle mehr“, hatte sie gesagt. „Bestimmt ist er schon Jahrhunderte tot.“ Dieser eine, besagte Mann hatte der Dschinn und ihrer Familie Reichtum versprochen. Ruhm. Auch sie selbst kam einst aus armen Verhältnissen – so wie er. So hat sie alles für diesen Mann getan – Gestohlen und Geraubt. Tausende von Goldstücken und Juwelen. Scheinbar magische Artefakte übergab sie so diesem Mann. Zauberer sei er gewesen, doch seine Gunst habe seine Kosten. So naiv und jung wie sie war, hatte sie es ihm natürlich geglaubt. So geschah es dann eines Tages, dass man sie erwischt hatte und sie solle für ihre Vergehen bestraft werden. Gefleht und gebettelt hatte sie, damit man sie verschonte und ihn nach seiner Hilfe gefragt. Da er aber nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden wollte, sprach er gegen sie einen Zauber und verbannte sie so in diese Lampe. „Er hatte alles mit mir machen können. Mich befreien. Die Menschen vergessen lassen, was ich getan habe. Doch – nein – er versklavte mich für alle Ewigkeit.“ Sie seufzte traurig. „So gerne würde ich meine Beine wieder spüren können. Laufen, wie ein ganz normaler Mensch, der ich doch war. Doch mein einziger Lebensinhalt ist es, zu Dienen bis ans Ende aller Zeiten.“ „Das klingt schrecklich...“, murmelte Sanji. Sie nickte und schwebte zum Fenster, um nach draußen zu sehen. Die Sonne war schon längst untergegangen und tausende Sterne funkelten am Himmelszelt. Er folgte ihr langsam, doch blieb der junge Mann in einem Abstand von ihr stehen und starrte still auf ihre Rücken. „Alles, was ich mir für meine Familie immer gewünscht habe, war Freiheit – nicht mehr danach zu achten, wie viel Stoffe auf den Basaren kosteten, oder zu hoffen, dass unsere Orangenbäume gute Erträge brachten. Mit dem Wohl und Reichtum, welchen er mir versprochen hatte, wollte ich meiner Mutter, meiner Schwester und mir ein Schiff kaufen, um die Meere zu befahren. Die Welt sehen. Ich wollte einfach nur Karten zeichnen und keine Sorgen mehr haben.“ Mit einem leichten Lächeln drehte sie sich zu ihm um. „Es tut mir leid, Meister Sanji. Bestimmt habe ich dich mit meiner Geschichte sehr gelangweilt.“ „Mit Nichten!“, sprach er gleich und kam noch einige Schritte auf sie zu, bis er genau vor ihr stand. Er räusperte sich, nahm ihre Hand und mit sanfter Stimme sagte er: „Mein Herz ist gebrochen, als ich deine Geschichte hörte, schöne Dschinn. Ich kann nicht glauben, dass Jemand dir so etwas antun konnte. Deshalb habe ich einen Beschluss gefasst. Der Mensch ist nämlich im wesentlichen frei und seine Freiheit macht ihn erst zum Menschen. Daran glaube ich. Und deshalb werde ich dir meinen letzten Wunsch geben, sobald die Zeit gekommen ist. Dann werde ich dir die Freiheit und das Menschsein wieder schenken, damit du die Welt sehen kannst, so wie du es dir immer gewünscht hast.“ Mir offenem Mund starrte sie ihn an. Hatte er wohl möglich etwas falsches gesagt? Sie beleidigt oder war er ihr wieder zu nahe getreten? Doch schon eine Sekunde später löste sie ihre Hand von seiner und warf ihre Arme zum Dank um seinen Hals. Nun, vielleicht gelang es ihm doch eines Tages einen Kuss von der fabelhaften Dschinn herauszulocken – und er müsse nicht einmal einen Wunsch dafür aufbringen. Tagein und Tagaus verfolgte der junge Mann nun seinen Beruf. Er liebte es, jeden Tag aufzustehen, sich mit diesen feinen Kleider zu umhüllen und zu kochen – so, wie nur er es verstand. Ein jeder lobte ihn. Jeder grüßte ihn. Nein, niemand ahnte, dass er einmal ein einfacher Mann von der Straße gewesen war. Sanji mochte die Menschen, die er im Schloss traf. Und es schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Denn nie fragte jemand nach, warum er Abends etwas zu Essen mit auf sein Zimmer nahm. Darüber war er froh. Zwar hatte die Dschinn ihm gesagt, sie bräuchte nichts zu Essen, da sie keinen Hunger verspürte, doch er liebte er, ihr diese kleine Freude zu machen. Der König und Prinzessin Vivi waren gütige Leute. Das hatte Sanji schnell verstanden. Sie sorgten sich um ihr Volk, doch hatten sie nicht die Mittel, um alle Mäuler zu stopfen und um wirklich jeden glücklich zu machen. Doch sie versuchten ihr möglichstes. Das schätzte er und er sah ihre Bemühungen, indem König Kobra die Steuern so niedrig wie möglich hielt und versucht, so viele Lebensmittel wie möglich aus anderen Ländern für sein Volk zu kaufen. „Ich wünschte, keiner müsse mehr Hunger leiden...“, hatte er einst die Prinzessin sprechen gehört. Dem stimmte Sanji zu und er schwor sich, einen Weg zu finden, wie er ihnen helfen konnte. Sanji mochte jeden, den er im Schloss traf, ganz gleich ob es die Wachen, Minister, oder seine Gehilfen in der Küche waren. Nur ein Mann war ihm suspekt. Dieser Arlong, Großvisier des Königs. Wenn dieser einmal mit dem jungen Mann sprach, so waren seine Worte forsch, voller unausgesprochenem Zorn, sodass Sanji sich fragte, wie dieser an solch eine Stelle gelangen konnte. So hatte Sanji beschlossen, diesem möglichst immer aus dem Weg zu gehen. Jeden Abend, bevor er zu Bett ging, unterhielt er sich mit der Schönen aus der Lampe. Immer offener wurde sie ihm gegenüber, erzählte von kleinen Geschichten aus ihrer Kindheit, Streitigkeiten mit ihrer Mutter und ihrer Schwester und schwärmte von einer Welt, die sie nie gesehen hat. Er hörte ihr gerne zu. Er mochte die Samtigkeit ihrer Stimme und das Strahlen in ihren Augen. Selbst diese Melancholie, wenn sie über vergangene Tage sprach, begann er zu schätzen und so sehnte er sich jeden Tag, den er mit ihr verbringen konnte. Schließlich wusste er, dass, sobald er seinen 3. Wunsch ausgesprochen hatte, sie einfach fort war, um dieses Leben zu leben, welches sie nie haben durfte. Er hoffte, dass sie nie diese kleine Gemeinheit sah, welche er empfand, dass er seine Wünsche herauszögerte. Doch wusste er kaum, wofür er seinen letzten Wunsch aufbringen sollte, und er wollte nicht, dass diese Gemeinschaft vorbei war. Eines Tages aber, geschah etwas Seltsames, als er sein Zimmer betreten hatte. Sanji war nicht allein – und damit meinte er nicht nur die Präsenz des schönen Flaschengeistes. „Arlong?“, fragte er verdutzt, gerade als er die Tür schließen wollte. Der riesige Mann stand bei dem Kleiderschrank und seine wilden, grimmigen Augen trafen sofort auf Sanji, als er seine Stimme wahrgenommen hatte. Erst da bemerkte Sanji, wie unordentlich sein Zimmer war. Hosen und Umhänge lagen überall auf dem Boden. Die Laken seines Bettes waren unordentlich und selbst die Vorhänge hingen schief. „Ratten!“, brummte der Großvisier verstimmt und verengte seine Augen. „Man meinte, Ratten gäbe es hier und so habe ich beschlossen, danach zu sehen.“ „Hier gibt es keine Ratten“, sagte Sanji und machte seinen Körper ganz steif. Denn sein Gefühl sagte ihm, dass Arlong nicht wegen einer Plage in sein Zimmer gekommen war. Dafür gab es andere Bedienstete im Palast. „Sicher? Ich meinte, ich hätte Stimmen eines Nachts aus diesem Zimmer gehört und dachte, du hättest sie gejagt.“ „Nein. Hier gibt es keine Ratten. Und reden tu ich auch nicht bei Nacht. Vielen Dank für Eure Sorge, edler Herr Großvisier. Doch bitte, geht nun – ich benötige meinen Schlag. Als Koch erwache ich wesentlich eher, als Ihr es tut.“ Arlong verengte seine Augen und schnaubte durch seine Nase wütend aus. „Fein!“, knurrte er und eilte an Sanji vorbei und aus dem Zimmer hinaus. Die Tür knallte laut hinter ihm, während Sanji erleichtert ausatmete. „Von wegen Ratten...“, murmelte Sanji kopfschüttelnd und sah noch einmal hinter sich, um sicher zu gehen, dass die Tür wirklich verschlossen war. Erst dann griff er einen Stuhl, stellte sich auf diesen und reichte zu seinem Betthimmel hinauf. Dort, in einer kleinen, kunstvollen Falte hatte er die Lampe versteckt und nun holte er sie hervor. „Er ist weg...“, flüsterte er und strich sacht über die kalte, metallene Ummantlung, damit sie erschien. Die Dschinn hatte lange gemeint, dass er sie nicht verstecken brauchte. Nie war bisher jemand in sein Zimmer gekommen. Doch nun mussten sie Beide froh sein, dass er diese Maßnahme vorgenommen hatte. „Komm raus. Ich habe dir auch wieder etwas zum Essen mitgebracht. Reis und Linsen. Ich hoffe du magst es. Nur zaghaft erschien der Rauch und damit die Schöne. Als sie endlich vollkommen vor ihm schwebte, war er bei ihrem Anblick vollkommen erschrocken. Tiefster Terror und Angst spiegelte sich in ihren Augen. Sanji meinte sogar, dass sie leicht zitterte. Noch bevor er sie fragen konnte, sprach sie etwas, was sein Herz beinah stillstehen ließ: „Das war er...“, ihre Stimme war vollkommen atemlos. Durch die Haare fuhr sie sich und wippte in der Luft aufgeregt auf und ab. „Arlong – der Mann, der mich in die Lampe sperrte. Dies ist sein Zeichen.“ Sie deute auf ihren Oberarm, war sich dieses sonderbare, blaue Zeichen befand. „Was?!“ Sanji sprang vom Stuhl herunter und griff die Arme der Schönen, damit sie ihm in die Augen sah. „Er ist der Großvisier des Königs! Du kannst mir nicht sagen, dass ich mit diesem Monster unter einem Dach lebe!“ Sie nickte mit traurigem Blick. „Er ist es – kein Zweifel.“ Seine Arme fielen an seine Seiten und er schüttelte wie wild den Kopf. „Oh nein, nein, nein!“ Er schluckte. „Der Fremde! Ich habe ihn vollkommen vergessen!“ „Was für ein Fremder?“, fragte sie gleich nach. „Der Fremde. Er wollte, dass ich ihm deine Lampe bringe. Ich habe ihn vollkommen vergessen. Bestimmt war es dieser Arlong! Wenn ich das gewusst hätte.“ Entkräftet setzte sich Sanji auf das Bett, die Dschinn neben ihn. „Und wenn du es gewusst hättest, so hätte es nichts geändert...“, flüsterte sie. Sie hatte recht. Nie hätte er erahnen können, dass Jemand so etwas tun könnte – einem Menschen die Freiheit nehmen. Und doch saß er hier, neben ihr, die ihn als Meister bezeichnete, obwohl er es ihr schon oft untersagt hatte. Ein Fluch und eine unglaubliche Belastung musste es für sie sein. „Meister Sanji...“, flüsterte sie plötzlich. Ihre Stimme klang Hoffnungsvoll – auch wenn es nur ein Hauchen dieser Emotion war. „Ja...?“, fragte er vorsichtig. „Wenn Arlong lebt...so vielleicht auch meine Mutter und meine Schwester! Dann sind wohl doch noch nicht so viele Jahre vergangen, wie ich angenommen habe.“ „Das ist durchaus möglich!“ Schließlich erinnerte sie sich an so gut wie gar nichts, in all der Zeit als Dschinn. „Wie heißen denn deine Mutter und deine Schwester? Ich bin auf der Straße aufgewachsen – da kennt man sich!“ Als sie die beiden Namen aussprach, blieb sein Herz fast ein zweites Mal an diesem Abend stehen. Denn er kannte sie. Wenn auch nur die Namen und er wusste genau, wo man sie treffen würde. „Bellmere und Nojiko.“ „Sieh dir nur einmal all diese Sterne an!“, staunte die Dschinn, als sie sich spät in der Nacht in mitten der Wüste wiederfanden. „Wie sie funkeln und strahlen! Wie lange schon habe ich diesen Anblick nicht mehr genießen können!“ Die ganze Zeit über war Sanji still gewesen. Er hatte Angst, ihr die Wahrheit zu sagen und hatte sich entschieden, sie ihr diese lieber zu zeigen. Mitten in der Wüste und mitten in der Nacht. Natürlich war dieser Himmel voller glitzernder Juwelen ein wahres Gemälde gewesen. Er würde sogar meinen, dass dies etwas unglaublich romantisches für sich hatte. Doch Trauer lag schwer auf seinem Herzen und er versuchte jeglichen Augenkontakt mit ihr zu vermeiden. So hielt er ihre Lampe die ganze Zeit nur mit zittrigen Händen, als sie auf dem herbeigezauberten Kamel ritten. Dieses hatte er sich nicht wünschen müssen. Sie hatte es aus freiem Willen heraus erscheinen lassen. So wanderten sie gemeinsam durch die samtige, blau-nächtliche Wüste. Der Sand knirschte sanft unter den Füßen des Kamels, während er der Schönen all sein Gehör schenkte. Schließlich kam sie fast gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. „Für wen sind eigentlich die Blumen?“, fragte sie ihn plötzlich. „Für meinen Ziehvater“, murmelte er und betrachtete die Wüstenblumen in seinen Händen. Er wusste, dass sie in der heißen Wüstensonne gewiss nicht lange so schön sein würden, wie sie es jetzt waren, doch er wollte dem alten Herrn eine kleine Freude machen. „Welch ein Zufall, dass unsere Eltern sich kennen“, hauchte sie, bevor sie weiter über die nächtliche Wüste staunte. Es dauerte einige Zeit, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Vor ihnen lag der Friedhof der Ärmsten der Armen und unzählige Gräber warfen dunkle Schatten über den Sand. Plötzlich war auch sie ganz still. Ahnte sie, dass etwas nicht mit rechten Dingen vor sich ging? „Meister Sanji?“, fragte sie verwundert und auch ein wenig besorgt. „Dies...es ist...warum befinden wir uns auf einem Friedhof?“ Stumm sprang er vom Kamel, welches dann gleich verschwand. Sie aber schwebte gleich an seine Seite und hielt ihm am Arm fest. „Meister Sanji? Warum befinden wir uns auf einem Friedhof?“, Immer wieder stockte ihre Stimme. Der junge Mann ahnte, dass sie den Grund kannte. „Folge mir einfach...“, flüsterte er und ergriff vorsichtig ihr Handgelenk, führte sie so durch die Reihen der Toten, bis zu dem Grabstein seines Vaters. Und denen von Bellemere und Nojiko, welche zu dessen Rechten standen. Sofort stockte der Atem der schönen Dschinn. Ihre Hände schnellten zu ihrem Mund und sie fiel auf die nicht sichtbaren Knie. „Nein!“, stöhnte sie klagend und schüttelte den Kopf. „Das darf nicht sein!“ „Es...es tut mir Leid. Ich kenne diesen Verlust.“ Nein. Er meinte ihn nur zu kennen. Sanji war schließlich an seines Ziehvaters Seite gewesen, als der Tod ihn mit sich nahm. Die Dschinn aber hatte nie eine Möglichkeit zum Verabschieden gehabt. Und nun war er es, der sie auf diese taktlose Art und Weise hier her geschliffen hatte, um ihr die Gräber zu zeigen. Hätte er es ihr doch nur einfach gesagt. „Sie sind tot...“, schluchzte sie. „...und ich war nicht bei ihnen... Konnte ihnen nicht noch einmal sagen, wie sehr ich sie liebe.“ Sie umarmte sich mit ihren Armen. Kristallklare Tränen glitten über ihre Wangen. Sie schluchzte. Er stand einfach nur da. Zu gern hätte er die Schöne in seine Arme genommen. Hätte ihr gesagt, dass es nicht ihre Schuld war. Wollte ihr klar machen, dass sie ihre Familie im nächsten Leben wiedersehen konnte. Wollte sie beschützen. Doch er konnte sich zu keiner Tat durchringen. Stand einfach steif neben ihr. Ballte die Fäuste. Verdammte Arlong für seine Taten. Wie lange sie so verweilten, wusste Sanji nicht. Das Schluchzen des schönen Flaschengeistes wusch über ihn hinweg. Selbst die Kälte der nächtlichen Wüste störte ihn nicht. Selbst die Wüstenblumen in seiner Hand waren schon ganz welk. Da kam dem jungen Mann eine Idee und flüsternd sprach er diese gleich aus: „Ich weiß meinen zweiten Wunsch...“, flüsterte er und kniete sich neben sie. Gar erschrocken sah sie ihn an – wusste er wohl keinen besseren Zeitpunkt. Und doch hatte sie keine andere Wahl. Dies war ihre Aufgabe: Zu dienen, für ihren Meister. „Ich wünsche mir, dass dieser Friedhof für immer blühen soll. Jeder, der hier vorbeikommt, soll wissen, wie sehr diese Verstorbenen geliebt wurden. Die Blumen sollen die verwelken. Schöner noch als der Garten des Königs soll dieser Friedhof sein. Er soll genau dem Bild entsprechen, wie du dich gern von deiner Mutter und Schwester verabschiedet hättest.“ Er nahm ihre Hand. „Genau so, wie auch ich meinem Ziehvater ein ebendürdiges Mal errichtet hätte. Das soll mein zweiter Wunsch sein.“ „Euer Wunsch sei mein Befehl“, flüsterte sie, als ihre Hände zu glühen und ihre samtig-braunen Augen zu strahlen begannen. Sanji verstand Magie noch nie – hatte er doch immer nur von ihr geträumt. Von dieser seltsamen Wissenschaft gelesen. Und doch stand er nun hier am Friedhof der Armen der Ärmsten und beobachtete staunend, wie Palmen aller Art, Sträucher und sagenhafte Blume zu sprießen begannen. Immer mehr wurde dieser sonst so triste, trostlose Ort zu etwas, was er selbst nicht greifen – nicht begreifen konnte. Wahrlich – es war unglaublich und nie hätte der junge Mann gedacht, dass ihm – einem ganz normalen Menschen – so etwas zustoßen würde. Erst als sich nichts mehr rührte, bemerkte er, dass Sanji seinen Atem die ganze Zeit angehalten hat. Wärme hatte ihn ergriffen. Denn dieser Anblick, diese Pracht war schöner, als Alles, was er sich je hätten träumen lassen. „Nami...“, flüsterte die Dschinn plötzlich neben ihn und erstaunt sah er sie an. Verstand nicht und seine Augenbrauen wanderten verwirrt nach oben. Sie aber lächelte und dieses Leuchten hatte noch immer nicht ihre Augen verlassen. „Das ist mein Name. Ich dachte, dass du ihn vielleicht erfahren wolltest.“ Auch seine Lippen begann nun ein sanftes Lächeln zu zieren. „Die Schönheit dieses Namens kann ich gar nicht beschreiben“, sagte er kaum hörbar und griff die Hand des schönen Flaschengeistes – Nami, wie er sie von nun an immer nennen würde. „Dann wären wir beim dritten Wunsch, nicht?“, fragte sie so vorsichtig, als wolle sie sicher gehen, dass Sanji es nicht vergessen hatte. „Einem Kuss von der fabelhaften Dschinn?“, erkundigte er sich mit schelmischen Funkeln. Auch sie kicherte kurz, schüttelte ganz zaghaft dann ihren Kopf, sodass ihr wallendes, Sonnenuntergang-farbenes Haar ihre Schultern umspielten. „Glaub mir – wenn du diesen einen Wunsch wirklich aussprechen solltest, so sollte meine Freude nicht nur einen Kuss wert sein. Bist du dir aber sicher, dass du mich von meinen Banden wirklich befreien willst? Du könntest die Welt verändern!“ „Ich will deine Welt verändern...“, flüsterte er und eine Hand wanderte zu ihrer Wange. „Bleibst du dann bei mir? Auch wenn wir Beide dann nur ganz einfache Menschen sind?“ Sanji sah, wie ihr Gesicht sich seinem näherte. Die Lippen trennten sich bereits leicht und er bemerkte, wie sie noch etwas sagen wollte. Doch allzu plötzlich hielt sie inne. Ihr Atem stockte. Ihr Blick geschockt und ängstlich. „Wie niedlich ihr doch seid! Und dabei so dumm und töricht!“, brummte mit einem Mal eine ihnen beiden sehr bekannte Stimme. Dazu drang das Geräusch von Schwertern an ihre Ohren. Sie sprangen auseinander und noch bevor der junge Mann genau erkennen konnte, wer sie da störte, stellte er sich auch schon vor Nami. Arlong war es. Zusammen mit einigen dutzend Wachen aus dem Palast. Man war ihnen also gefolgt und sie alle richteten ihre Waffen auf die Zwei am Grab. Doch dies war es nicht, was Sanji am Meisten Sorgen bereitete. Nein – es war schlimmer, als er hätte in Worten ausdrücken könnte: Arlong hielt die Wunderlampe in seiner Hand und ein boshaftes, siegessicheres Grinsen zierte seine Lippen. „Wusste ich es doch, dass du sie gefunden hast! Du warst wirklich eine gute Wahl..., dass muss ich schon sagen!“ „Der Fremde – das warst du!“, erschrak Sanji. „Lass uns einfach ziehen, Arlong! Wir haben nichts, was wir dir geben können!“, knurrte Sanji. „Ihr nicht. Aber sie. All mein Gelingen liegt in ihren Händen. Wo wir doch gerade dabei sind – schön dich wieder zu sehen, liebste Nami. Wie lange wird es her sein? An mich erinnerst du dich gewiss – nicht?“ „An dich würde ich mich immer erinnern!“ „Welch Ehre, dankst du nicht auch so, Sanji? Und damit hängt wohl alles zusammen. Mit dem Erinnern... Du warst doch schließlich dabei, deinen dritten Wunsch auf eine romantische Weise zu äußern. Nur zu! Und sieh zu, wie sich niemand erinnern wird“ Nami keuchte hinter ihm. Der junge Mann selbst ballte die Fäuste. Hatte er das tatsächlich richtig verstanden? „Ein Dschinn verliert nur sein Gedächtnis, wenn die drei Wünsche geäußert wurden! Und nicht wenn sie-“ Er hielt noch mitten im Satz inne. Sanji hatte selbst diesen erschreckenden, kleinen Fakt ausgesprochen: Sie würde ihr Gedächtnis verlieren, sobald seinen Wunsch beendet hatte. Dann war Nami zwar ein Mensch – doch könnten sie Beide sich nicht an ihre gemeinsame Zeit erinnern. Nicht an die Gefühle für einander. Einfach so würde er sie dann verlieren. ,Arlong lachte. „Ganz genau. Also – nur zu! Befreie sie! Und vergiss sie damit für immer.“ „Du bist wirklich ein Monster, Arlong! Warum bin ich damals nur darauf reingefallen?“ „Weil du Gold wolltest. Du warst geblendet. Und als du mich damals um meine Hilfe gebeten hattest, wollte ich sie dir nicht abschlagen. Und nun stehen wir hier... Ich, als Großvisier des Königs und ihr als diejenigen, die sich entgegen aller Gesetze eingeschlichen haben, um ihn und seine Tochter zu töten.“ „Das ist eine Lüge!“, brüllte Sanji gleich und machte einen Schritt in Arlongs Richtung. Doch einer der Wachen stellte sich ihnen in den Weg. „Habt ihr Beweise?“ „Das ist ein Falle...“, konnte Sanji das weibliche, ängstliche Hauchen hinter ihm wahrnehmen. „Schnell – wünsche dir endlich den letzten Wunsch! Dann wird dir nichts zustoßen, Sanji. Alle werden das hier vergessen.“ Er zögerte. Was war das Richtige? Wenn er sich ihre Freiheit wünschte, so vergaß er Nami für immer. Wenn er nichts tat – was würde dann geschehen? Arlong bemerkte sein Verhalten und lachte voller Häme. „Wenn du dir nichts wünschst – dann tue ich es.“ „Das kannst du nicht!“, riefen Nami und Sanji gleichzeitig, was Arlong wieder zum Lachen brachte. „Seht ihr die Lampe in meiner Hand?“, fragte der Großvisier und hielt diese hoch. „Ihr Besitz macht nun mich zu deinem Meister, Flaschengeist.“ „Dann weigere ich mich...“ „Dich weigern?“, spottete Arlong. „Du bist ein Sklave, gebunden an eine Lampe. Du wirst keine Wahl haben“ Die Dschinn riss an Sanjis Handgelenk, damit er sie ansah. Flehend griff sie in das seidene Hemd, welches er trug. In ihren Augen lag tiefste Trauer. „Wünsche es dir! Irgendwas! Rette dich! Ich flehe dich an, Sanji!“ „Nein!“, antwortete er gleich und griff die Seiten ihres Gesichts, damit sie ja seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Bitte...“, flüsterte sie bettelnd, und Arlong lachte irgendwo wieder im Hintergrund. „Tue es bitte.“ Er schüttelte ihren Kopf. Er konnte es einfach nicht und so sehr er es auch wollte, er konnte einfach nicht die Worte finden, um es ihr zu erklären. „Warum?“, fragte sie schließlich, als Tränen über ihr Gesicht zu laufen begannen. „Warum!?“ Antworten konnte er allerdings nicht mehr. „Ja...wirklich sehr süß“, säuselte Arlong belustigend, „..., doch nun genug! Dschinn – ich wünsche mir...“ Alles wurde um Sanji herum pechschwarz. Als der junge Mann wieder erwachte, spürte Sanji seine Arme kaum. Seine Muskeln spannten, kribbelten gleichzeitig. Sein Kopf schmerzte und als dieser zurückrollte, prallte dieser gegen etwas Hartes hinter ihm. Er bemerkte, wie er kniete. Die Knie fühlten sich dabei offen und verwundet an. Wo er war wusste er nicht und als Sanji sich an seine letzten Gedanken erinnerte, wollte er dies auch nicht mehr. „He...Junge...“, hörte er plötzlich eine männliche Stimme in seiner Nähe. Dennoch behielt er seine Augen geschlossen. „He...Koch Sanji...wacht auf“ Ganz vorsichtig öffnete Sanji seine Augen.Blinzelte. Sah sich dann um. Nur wenig Licht fiel in dieses Loch – wenn man es so nennen konnte. Ohne jemals hier gewesen zu sein, wusste er, dass dies der Kerker des königlichen Palasts war. Modrig roch es hier und feucht wirkten die Wände. „Endlich. Für einige Zeit nahm ich an, dass ihr Tod seid. Nun, da Ihr wach seid, können wir uns einen Plan überlegen, wie wir hier rauskommen.“ „Wer spricht da?“, fragte Sanji vorsichtig. Zwar wusste er, dass er diese Stimme kannte, nur konnte er sie einfach nicht zuordnen. So versuchte er eindringlicher den Schatten an der gegenüberliegenden Wand zu erkennen. Doch seine Augen wollten ihm noch diesen Dienst nicht erweisen. „Kobra...“, murmelte die Gestalt auf der anderen Seite. „K-König?“, fragte Sanji erschrocken und versuchte sich gleich zu verbeugen. Er schaffte es nur nicht. Zwei dicke Eisenketten hielten seine Arme und die Schellen an deren Enden drückten sehr gegen seine Handgelenke. „Ganz ruhig...Gerade ist wohl nur wenig Königliches an mir.“ „Was macht Ihr hier, Eure Hoheit?“, fragte Sanji gleich wieder verdattert „Hat Arlong etwas damit zu tun?“ Der junge Mann meinte, den König auf der anderen Seite leicht nicken zu sehen. „Ich weiß nicht gänzlich, was geschehen ist, aber plötzlich war mein werter Herr Großvisier mit meinen eigenen Wachen in den Palast einmarschiert. Nachdem er natürlich die ganze Stadt verwüsten ließ. Er stürzte mich und niemand hielt ihn auf. Alle meine Wachen gehorchten ihn blind. Schließlich befahl er mich hier unten einzukerkern. Mit dir – wie ich sehe.“ „Und wo ist Eure Tochter? Wo ist Prinzessin Vivi?“ König Kobra seufzte. „Wenn ich das nur wüsste.“ Kurz kehrte Stille zwischen den Beiden Männern ein. Dann wagte Sanji es doch, wieder seine Stimme zu erheben: „Ist Euch etwas Seltsames aufgefallen? War Arlong allein?“ „Ach, Du redest von dem Flaschengeist?“ „Ihr Name ist Nami...“, murmelte der junge Mann, und der König nickte erneut. „Sie, sie folgte ihm – sah allerdings nicht sehr glücklich darüber aus. Ich schätze einmal, dass ich ihr dieses Schlamassel verdanken durfte.“ „Sie hatte keine Wahl!“, rief Sanji gleich um sie zu verteidigen. Schließlich sollte der König ja nichts Falsches von ihr Denken. „Natürlich nicht...Auch ich kenne die Geschichten dieser sagenumwobenen Wesen und weiß, dass sie verdammt sind, für alle Zeit zu dienen.“ „Eure Hoheit – Nami ist ein ganz normaler Mensch. Arlong selbst war es, der sie in diese Lampe verbannt hat. Er muss nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet haben, damit er sie befreien konnte.“ „Ich verstehe. Und ihr scheint sie zu kennen, liege ich da Richtig in meiner Annahme?“ „Ja. Ich habe noch einen letzten Wunsch frei, ich muss nur zu ihr kommen.“ Noch immer wusste er nicht, ob er seinen letzten Wunsch aussprechen sollte. Doch ein bitteres, gemeines Gefühl sagte ihm, dass dies der richtige Weg war. Der Einzige. „Den sollten wir dann weiße nutzen. Somit besteht also noch eine Chance für das Königreich. Wir müssen es nur hier raus schaffen.“ Das klang leichter, als sie annahmen. Denn keiner von ihnen hatte es je gelernt, Schlösser zu knacken. Zudem würden sie ihre Hände nie ohne eine Verletzung durch die Handschellen bekommen. Einige Zeit zogen sie so an den bannenden Eisen. Der König, wie auch der Koch selbst. Doch nichts wollte funktionieren. Schweiß gebadet und mit blutenden Händen pausierten sie schließlich, in all ihren Versuchen zu entfliehen. Sanji sah zu Boden. Es war wirklich zu Verzweifeln! Alles, was er wollte, war diesen Kerker endlich entfliehen zu können, um Nami, die Stadt und alle im Palast zu retten. Um Arlong zu stürzen. Doch er schaffte er nicht einmal, aus diesem Gefängnis zu kommen. Plötzlich klimperte es. Schlüssel hatte man in das Schloss geführt und ein grimmiger Mann erschien auf der Türschwelle. „Ich soll die Gefangenen zu ihrer Hinrichtung holen!“, sprach er und begann zugleich die Ketten von der Decke zu holen. Sanji schluckte – damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet! „Wer wird uns hinrichten? Wer wird dabei sein?“, fragte der König. „Der neue König, die Prinzessin und Wachen...“, brummte der Mann verstimmt als Antwort. Da erkannte Sanji den Blick des Königs und er wusste genau – dies sollte ihre letzte Chance sein. So ließen sie sich stumm die Treppen des Palasts hinaufführen, durch unzählige Gänge und Korridore, bis sie endlich den Thronsaal erreichten. Hier warteten schon unzählige Menschen – so auch Prinzessin Vivi, aber auch die Dschinn. Beide wirkten zu Tode betrübt und verzweifelt. Wachen umzingelten sie, damit keine der zwei Schönheiten floh. „Vater!“, rief Vivi sofort und wollte auf ihren Vater zustürmen. Doch Schwerter hielten sie auf. „Alles wird gut, mein Kind!“, versuchte der ältere der beiden zum Tode Verurteilten sie aufzumuntern. All ihre weiteren Worte wuschen einfach über Sanji hinweg. Er hatte nur Augen für seine Dschinn. Ihre braunen Augen hielten einen leichten, grauen Schleier in sich – so traurig war sie. Ihre Schultern hingen und sie schwebte so dicht über dem Boden, als wolle sie am Liebsten darin versinken. Das Glühen ihrer Haut war fast vollkommen erloschen und ihre Hände zitterten ein wenig. „Ahhh...Da sind sie – die Gefangenen!“, strahlte Arlong vom Thron auf sie alle herab. Die Lampe hielt er dabei fest in seiner Hand. Wertvollste Kleider umhüllten seinen Körper und eine prunkvolle Krone zierte sein Haupt. „Ich hoffe, ihr seit für euren Tod gut vorbereitet.“ „Ein Dschinn kann nicht töten, das weiß jedes Kind, Arlong!“, sprach der König und als er lachte, wussten alle, dass er dies nie vorhatte. So schnippste er und ein Henker mit scharfen Beil trat heran. „Nicht doch... Meinen letzten Wunsch will ich nicht vergeuden.“ „Euren letzten Wunsch?“, fragte Sanji sofort hellhörig. Der neue König nickte gleich. „Natürlich... Ihr seht – ich wünschte mir die Macht über alle Diener und dass du – Bursche – im Kerker landen würdest.“ „Das war ein Wunsch. Was war der Zweite?“, fragte König Kobra weiter. Ein fieses, abgrundtief böses Lächeln verbreitete die dicken Lippen des Mannes zu einer furchtbaren Grimasse. Ein eiskalter Schauer wanderte so gleich über den Rücken des Jungen. „Ich wollte der größte Zauberer der Welt sein und nun bin ich es!“ Sanji sah zu Nami und sie zu ihm. Stumm flehte sie ihn an. Endlich solle er seinen letzten Wunsch aussprechen – endlich diese Qualen beenden – endlich sie vergessen. Nun konnte er es! Nun würde sie ihn hören! Egal, was er sich wünschen würde – sie würde ihm Alles erfüllen. Doch da kam Sanji eine Idee. Sein alter Ziehvater hatte ihn immer gelehrt, Situationen von allen Seiten zu betrachten. Noch einmal neue Ideen zu finden. Immer nach Lösungen zu suchen. Schließlich gab es aus jeder noch so kniffligen Lage einen Ausweg. Und kniffliger konnte dies Lage wohl kaum sein. „Nun – wir wollen nicht noch mehr Zeit, als ohnehin nötig verschwenden. Ich will, dass der elendige Koch zuerst stirbt. Also – man löse ihm nun die Ketten und dann will ich seinen Kopf rollen sehen“, befahl Arlong einem Mann, der auch zugleich einen Schlüssel aus seiner Tasche zückte und die schmerzhaften Handschellen endlich von seinen Handgelenken löste. Klirrend fielen sie zu Boden und Sanji rieb sich die blutigen Stellen – wich dabei nie dem bohrendem Blick des Monsters vor ihm aus. „Ihr seht so erwartungsvoll aus, junger Koch Sanji. Was begehrt Ihr noch? Gibt es da vielleicht doch einen letzten Wunsch?“ „Nein“, sagte er knapp und versuchte gleich das bettelnde „Sanji!“, von Nami zu ignorieren. „Nein? Was gibt es dann, was ich noch am Herzen liegt?“ „Kann ich Euch – dem König dieses Landes und dem mächtigsten Zauberer der Welt noch eine Frage stelle?“ Kurz schien Arlong zu überlegen, nickte dann aber, was für Sanji ein Zeichen war, fortzufahren: „Ich sehe, dass Sie ein großer, kluger Mann sind. Mächtig obendrein: Gewiss zittern die Menschen nun schon vor ihrem Namen. Doch frage ich mit Eines: Warum lasst Ihr einen Dschinn eurer Leben bestimmen? Warum wollt Ihr nicht selbst so unerreichbar sein und euer Glück nur vom letzten Wunsch abhängig machen?“ Mit jedem Wort mehr sah Sanji, wie Arlong immer interessierter an seinen Worten wurde. „Nutzt den letzten Wort des Flaschengeists und lasst Euch selbst zu dem wohl exorbitanten Wesen dieser Welt machen. Frei von Wünschen und Bedingungen, welche Eure Zauber brauchen. Als Dschinn könnt Ihr alles machen.“ „Das klingt wirklich plausibel“, stimmte Arlong nickend zu, adressierte dann seinen Blick direkt an Nami. „Höre, Sklavin! Dies soll mein letzter Wunsch sein! Ich stelle ihn jetzt, damit dieser schwächliche Mensch meinen Anblick noch in die Nachwelt nehmen kann. Ich wünsche mir daher, selbst ein Dschinn zu sein!“ Sanji konnte den Blick auf dem schönen Gesicht der jungen Frau nicht deuten. Stumm hob sie einfach ihre Hände, welche nun mehr denn je leuchteten und sie sprach die erlösenden Worte. „Euer Wunsch, sei mein Befehl!“ Giftig, blauer Rauch umgab den Körper des Mannes und er lachte boshaft, als er sich in Etwas verwandelte. Einen Dschinn. Vollkommen blau und die Zähne noch spitzer und schärfer als je zuvor. Er wirkte nun noch größer und bedrohlicher, sodass alle zurück wichen. „Diese Macht!“, raunte Arlong und betrachtete seine leuchtenden Hände. „Diese Stärke!“ „Diese Wunderlampe...“, flüsterte Sanji, als eben dieser kleine, matt glänzende Gegenstand erschien. Sanji wusste schließlich – zu einem jeden Dschinn gehörte auch die passende Lampe. Nun auch zu Arlong. Als er dies bemerkte, schrie er gleich wütend und noch während er sich in Rauch auflöste und verschwand, entkamen gefährliche Blitze seinen Händen, als wolle er damit sein Verschwinden aufhalten wollen. Stattdessen traf er Wände, die Decke und den Boden. Zerstörte damit den Palast. Menschen flohen. Auch Sanji wurde getroffen. Mehrere Meter flog er durch die Luft, bis er gegen die Wand prallte und zu Boden rutschte. Sofort merkte er, wie Vieles schmerzte. Wie Knochen gebrochen waren. Wie das Atmen ihm schwer fiel. Wie er wusste, dass er nun sterben würde. Halb benommen sah er, wie Arlong in der Lampe verschwunden war. Seine Schreie hallten dennoch noch lange nach, während noch immer blauer Rauch den Raum ausfüllte. So lag auch Namis Lampe lag neben der zweiten und Sanji war froh, sie nun gerächt zu haben. „Sanji!“, schrie die schöne Dschinn auch Sekunden später und kam fliegend zu ihm, kniete zu seiner Linken. Ihre kalten Hände fand eine von seinen, sowie seine Wange und schützend lehnte sie sich über den jungen Mann. „Du bist wahnsinnig...“, flüsterte sie unter Tränen, nahm dann seine Hand und führte sie an sein Gesicht. Denn sie bemerkte, wie sein Blick unklar war und sein Bewusstsein, wie auch sein Leben zu schwinden drohten. „Bleib bei mir...bitte...bleib bei mir... Du kannst mich jetzt nicht verlassen“, schluchzte sie. „Wünsche dir einfach deine Gesundheit wieder. Noch können wir dich retten.“ Wo auch immer er die Kraft herbekam – Sanji schüttelte heftig den Kopf. Ein Fehler – denn sofort schmerzten seine Schultern, sein Kopf und Hals. So beschloss er, lieber zu sprechen: „Ich habe dir etwas Versprochen-“ „Sei doch nicht so dumm! Rette dich! Bitte! Ich kann dir nur so helfen!“ Ein sanftes Lächeln überzog seine Lippen, auch wenn er das Blut in seinem Mund schmeckte. Tief blickte er ihr dabei in die Augen. „Lieber sterbe ich, wissend, dass du als freier Mensch deinen Traum erfüllen kannst, als...als dass ich lebe, ohne mich je an dich erinnern zu können.“ „Bitte, wünsche dir das nicht...bitte, lass mich dich retten...“. Tränen tropften über ihre Wangen. Sie legte ihre Stirn an sein. „Bitte...“, flehte sie immer mehr, als Sanji spürte, wie all seine Kraft zu schwinden begann. „Nami...meine schöne Dschinn...Ich danke dir für alles“, seine Stimme war stockend und kaum mehr als ein Hauchen. „Du bist das Beste...was einem ganz normalen Menschen pas...passieren konnte. Daher wünsche...“ Immer weniger Luft drang in seine Lippen. Immer benommener wurden seine Gedanken. Er musste alle Kraft zusammen nehmen, um sie befreien zu können. Er wusste, dass es das Richtige war – sie würde ihn eh vergessen. Sie würde nie wissen, dass sie je ein Dschinn war, ihm einst diente und alle Gefühle für ihn vollkommen vergessen. Als seine Gedanken immer schwärzer wurden und Sanji sich immer mehr an dem Wunsch festhielt, welcher einfach nicht seine Lippen verlassen konnte, hörte er seine Dschinn rufen: „Prinzessin! Die Lampe! Schnell! Wünscht-“ Einmal mehr war da Nichts und Sanji meinte, in die willkommen heißenden Arme des Todes zu gelangen. Entgegen seiner Erwartung, erwachte Sanji plötzlich in einem weichen Bett. Seinem weichen Bett, jenes, welches im Palast ganz allein für ihn bestimmt war. Seine Knochen schmerzten kaum und Verbände aller Art zierten seinen Körper. Ihm stockte der Atem – denn erkannte, dass er sich an alles – vor allem an Nami – erinnerte. Er hatte es also nicht geschafft, seinen dritten und letzten Wunsch auszusprechen! Wo war sie dann? Und warum lebte er entgegen seiner eigenen Erwartung noch? Sofort sprang er aus dem Bett. Er musste sie sehen – musste wissen, wo sie war und ob sie wieder einen zweiten Meister hatte. Doch da sprang auch schon die Tür auf und zu seiner Freude schwebte die Schönheit, gefolgt von der Prinzessin, hinein. „Nami!“, rief er gleich, ging die wenigen Schritte auf sie zu und schlang seine Arme um ihren fragilen Körper. „Ich erinnere mich ja noch an dich!“ Sie blieb stumm, während Prinzessin Vivi hinter ihnen lachte. „Das ist dann wohl mein Verdienst...“, sagte die junge Frau freudig „Schließlich habe ich mir deine Genesung doch gewünscht.“ Verwundert sah Sanji sie an. Dann zu Nami, welche nun auch strahlte und nickte. „Ihr habt mich gerettet, Eure Hoheit?“ „Es war Namis Idee. Ohne sie wäre ich nie auf sie Idee gekommen, an ihrer Lampe zu reiben... Dankt ihr...“ Sofort sah Sanji den Flaschengeist wieder an und griff ihre Hände, drückte sie fest. „Du hast mich gerettet...und ich habe noch-“ „Einen Wunsch frei – richtig.“, stimmte sie ihm zu. Sanji seufzte. Plötzlich fiel es ihm wieder so unendlich schwer, diese Worte zu äußern, welche ihre Freiheit bedeuten würden. Schließlich würden sie dann wieder einander einfach so vergessen. Und doch will er sein Versprechen halten. „Auch ich habe noch einen Wunsch frei. Als zweites hatte ich mir gewünscht, dass mein Volk nie wieder Not – Hunger, wie Armut – leiden musste.“ „Diesen Wunsch erfüllte ich natürlich gerne...“ sagte Nami lächelnd. „Und Eurer letzter Wunsch, Eure Hoheit?“, erkundigte sich Sanji mit erhobenen Augenbrauen. Beide der Damen lächelten. Er verstand nicht, nur, dass sie etwas geplant hatten. So drehte sich Prinzessin Vivi an Nami und sprach: „Ich wünsche mir, dass niemand – nicht mein Vater, nicht ich und erst recht nicht ihr Beide – das Geschehene vergisst. Alles soll in unseren Erinnerungen gebrannt sein, damit ihr glücklich sein und eure Träume erfüllen könnt.“ Als Nami die erlösenden Worte sprach, ihre Hände wieder glühten, begann Sanjis Herz unglaublich schnell zu schlagen. Nun verstand er! Nun brauchte er sich nicht mehr fürchten! „Und nun zu dir...“, säuselte Nami und verflocht die Finger ihrer linken Hand mit denen von Sanji. „Was wünschst du dir?“ „Ich wünsche mir, dass du wieder frei und ein Mensch bist...“ „Euer Wunsch sei mein Befehl....“, flüsterte sie ein letztes Mal. Gemeinsam mit dem Glühen ihrer Hände verschwand auch jener Schein ihrer Haut. Auch ihr blaues Zeichen auf ihrem Oberarm wandelte sich, änderte die Form. Nami hörte auf zu Schweben, dann aus Rauch wurden ihre Beine. Voller Staunen beobachtete Sanji ihre Wandlung, hielt dennoch die ganze Zeit ihre Hand. Auch als ihre Beine, an welche sich Nami erst einmal gewöhnen musste, nachgaben, war der junge Mann für sie da und fing sie gleich in seine starken Arme auf. „Ich bin frei...“, flüsterte sie und umklammerte seine Schultern. „..., und ich kann mich an dich erinnern, Sanji...“ „Und ich mich an dich...“ „Mensch zu sein ist ein unglaubliches Gefühl. Das ist allein Verdienst. Wie kann ich dir jemals dafür danken?“ Seine Mundwinkel zuckten kurz, umgriff ihren Körper mehr. „Indem du nun für immer bei mir bleibst...Lass uns dir Meere umsegeln. Du zeichnest Karten und ich lerne die Geschmäcker der Welt kennen.“ „Das klingt fantastisch...“, antwortete sie verträumt, noch während die Prinzessin den Raum verlassen hatte, um die Zwei allein zu lassen. „Das wird es auch sein. Aber, bevor wir tiefer in die Zukunftsplanung gehen, würde ein Kuss für meinen Wunsch, Dank genug sein.“ Schon als sich ihr Gesicht näherte und bevor sich ihre Lippen endlich in einen erlösenden Kuss trafen, flüsterte sie noch: „Du weißt doch – ein Kuss ist nicht Dank genug...“ Zufrieden grinsend schloss der langnasige Schütze der Thousand Sunny das alte Märchenbuch, stand dann leise auf. Denn die Zwillinge – Junge und Mädchen – mit orangefarbenen Haaren und blauen Augen schliefen schon tief. So verließ er auf Zehenspitzen den dunklen Raum und schloss hinter sich sacht die Tür. „Schlafen sie?“, fragte die Frau mit Sonnenuntergang-farbenen Haaren auf der anderen Seite erwartungsvoll. Lysop nickte. „Meine Geschichten sind doch die Besten – das weißt du doch, Nami!“ „Jetzt sind sie zumindest für Etwas gut...“, murmelte der Mann der Navigatorin leise, als er noch einmal in das Zimmer hinein spähte. „Und nicht so sinnlos wie deine elendigen Lügen.“ „Was soll das heißen?“, beschwerte sich der langnasige Schütze fast zu laut, wurde aber gleich von der Frau beruhigt. „Wir Danken dir einfach für deine Geschichten, Onkel Lysop. Morgen wieder? Du hast doch bestimmt noch einige auf Lager, oder?“, sagte sie gleich, als sie ihn zur Tür begleitete. Stolz schwellte Lysop die Brust. „Natürlich! Der weltberühmte Kapitän Lysop kennt tausende Geschichten. Was soll es morgen sein: Etwas Langhaariges? Oder der Wolf, der das Rotbekappte Mädchen jagt? Oder passend zu dem Bart deines Gattens: König Spatzenbart und -braue?“ „Was auch immer die beliebt, Lysop. Denk dir einfach etwas für Morgen aus. Und gute Nacht dann...“, verabschiedete sich Nami und schloss leise hinter ihm die Tür. Noch bevor er sich auf den Weg zu seiner geschätzten Koje machte, konnte er Sanji hören, wie er ganz liebevoll seiner Frau noch etwas zärtliches zuflüsterte: „Endlich ist er weg...Ich wünsche dir eine gute Nacht, meine schöne Dschinn...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)