Entfernung von iome ================================================================================ Kapitel 2: Distanz ------------------ 2. Kapitel: Distanz   Pünktlich um 17 Uhr, eine Stunde vor seinem normalen Dienstantritt, stand Chakotay an der Tür des Bereitschaftsraums. Er atmete noch einmal tief durch und überlegte, ob es richtig war, was er zu tun gedachte. Doch dann schritt er einfach vorwärts und die Tür öffnete sich. Jetzt war nicht mehr die Zeit zum Nachdenken. Das hatte er die letzten Wochen über zur Genüge getan. Es war Zeit zu handeln, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen und wohl auch Zeit, die eine oder andere Brücke hinter sich abzubrechen.   Die Schultern straffend trat er in den Raum hinein. Vor dem Schreibtisch des Captains blieb er stehen. „Guten Abend, Captain Janeway.“   Kathryn sah auf. Er blickte ernst und wirkte gefasst, so als wolle er ihr einen Entschluss mitteilen. Augenblicklich erfasste sie Panik. Nur eine Sekunde war vergangen, seit sie zu ihm aufgesehen hatte, aber in dieser kurzen Zeit hatte sie intuitiv erkannt in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln würde und für den Bruchteil eines Augenblicks drohten ihre Emotionen sie zu übermannen, ihre Gesichtszüge zu entgleisen und ihre Augen sich mit Tränen zu füllen, doch dann übernahm der Captain in ihr die Führung. „Setzen Sie sich, Commander.“   „Danke, Captain, aber ich würde lieber stehen.“ Chakotay hatte seine Hände hinter dem Rücken ineinander gehakt, Haltung angenommen und sah aus, als wolle er ihr nur so schnell wie möglich entgegen schleudern, was er zu sagen hatte.   „Wie Sie wollen, Commander.“ Ohne Emotionen erkennen zu lassen, erhob sie sich ebenfalls. „Da Sie mir, wie es scheint, wohl etwas sehr Offizielles mitteilen wollen, denke ich, dass ich besser auch stehe.“ Sie schob ihren Stuhl an den Schreibtisch, blieb jedoch absichtlich hinter diesem stehen. Wahrscheinlich würde sie ihn gleich brauchen, um sich darauf zu stützen. „Nun, also raus damit, Commander. Über was möchten Sie mit mir sprechen?“   Chakotay deutete ein Nicken an und begann. „Captain, ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mein Offizierspatent zurückgeben möchte.“ Er sah sie dabei an und obwohl sich kein einziger Muskel in Kathryn Janeways Gesicht bewegte, erkannte er in ihren Augen, was er mit dieser Verkündung anrichtete.   Obwohl sie sich gut im Griff hatte, hob sie eine Sekunde später eine Augenbraue und öffnete den Mund, doch Chakotay ließ ihr keine Chance etwas einzuwenden und fuhr fort. „Angesichts vergangener Auseinandersetzungen, meiner zeitweiligen Suspendierung und der letzten Wochen, in denen ich persönlich mich nicht mehr in der Lage sah, weiterhin als guter erster Offizier zu agieren, dürfte Sie das nicht überraschen.“ Er holt tief Luft und sprach dann weiter. „Es stimmt mich selbst traurig, dass ich diesen Schritt gehen muss, doch ich denke, Sie und die Crew haben einen ersten Offizier verdient, der dieser anspruchsvollen Aufgabe auch nachzukommen kann.“   Er sah sie an und wartete auf ihre Entgegnung.   Kathryn Janeway schluckte ihre tiefgreifende Enttäuschung über das Gesagte und ihre erste Reaktion darauf herunter, straffte ihren Körper und räusperte sich. „Es tut mir leid das zu hören. Und ob Sie es glauben oder nicht, Commander: Es überrascht mich. Sogar sehr!“   Sie trat hinter ihrem Schreibtisch hervor und stellte sich vor Chakotay. „Es überrascht mich, denn ich halte Sie heute, ebenso, wie in den ganzen letzten fünf Jahren, für einen überaus fähigen ersten Offizier.“ Sie sah ihm ins Gesicht und erkannte, dass er etwas erwidern wollte, wiegelte jedoch mit einer Handbewegung ab und sprach weiter, während sie anfing durch den Raum zu wandern.   „Natürlich hatten wir unsere Differenzen. Die haben alle Kommandooffizieren irgendwann miteinander. Das ist nicht nur normal, sondern geradezu notwendig für die Führung eines Schiffes. Ich habe das nie als Problem angesehen.“ Sie legte eine Pause ein und drehte sich zu ihm um.   „Und was Ihre Suspendierung betrifft, Commander: Ich hätte es Ihnen bereits eher sagen sollen, doch ich habe sie nicht in Ihrer Akte vermerkt. In der Situation mit der Equinox war ich etwas emotional und bin mit Ihrer Suspendierung zu weit gegangen. Ich möchte nicht, dass man Ihnen das irgendwann negativ auslegt.“ Das war mehr Entschuldigung, als sie je von sich geglaubt hatte, ihm eingestehen zu wollen, doch ihr war bewusst, dass sie im Begriff war, ihn zu verlieren. Da war eine Entschuldigung bei weitem das kleinere Übel.   Bevor sie weitersprach, trat sie auf ihn zu und versuchte zu erkennen, ob Ihre nächsten Worte irgendeine Wirkung auf ihn zeigen würden. „Chakotay, ich möchte Sie eindringlich bitten, Ihren Entschluss noch einmal zu überdenken. Sie sind und bleiben der fähigste Mensch auf diesem Schiff für den Posten und ich möchte Sie nicht verlieren.“   Sie suchte seinen Blick, als sie das sagte und sah ein winziges Blitzen, von dem sie nicht wusste, was er bedeutete. Doch sie hatte auch keine Zeit darüber nachzudenken, denn Chakotay fragte: „Captain, darf ich offen sprechen?“ Erstaunt sah sie ihn an. „Chakotay, das durften Sie immer und das hat sich nicht geändert.“   „Verzeihung Captain, aber das sehe ich etwas anders. Es mag sein, dass sie die Suspendierung nicht in meiner Akte vermerkt haben, nichts desto trotz war sie Ihre Reaktion auf meine offene Rede. Das ist nicht der alleinige Grund für meinen Entschluss, aber mehr oder weniger der Anlass.“   Er lockerte seine Haltung etwas und fuhr sich durch das kurze dunkle Haar. Dann nahm er erneut Haltung an und redete weiter. „Captain, ich denke einfach, dass die Vertrauensbasis zwischen uns nicht mehr gegeben ist. Und noch etwas, ich gedenke nicht nur das Offizierspatent zurückzugeben, sondern auch bei nächster Gelegenheit das Schiff zu verlassen. Den Karten zufolge, die wir aus dem Speicher der Equinox überspielt haben, liegt vor uns ein Gebiet, in dem es viele erdähnliche Planeten gibt. Sobald ich wir in der Nähe eines uns freundlich gesinnten Volks sind, werde ich das Schiff verlassen.“ Er griff an seinen Kragen und entfernte die Zeichen seines bisherigen Ranges, um sie vor sich auf ihren Schreibtisch zu legen.   Nun konnte Kathryn ihre Reaktion; ihr Entsetzen, nicht mehr vollständig unterdrücken. Ein halbersticktes „Nein.“, entfleuchte ihrem Mund, bevor sie es zurückhalten konnte. „Das kann doch nicht ihr Ernst sein!“, setzte sie hinzu. „Was wollen Sie denn dort machen? Wollen Sie nicht nach Hause?“ Ihr Unverständnis untermalend schüttelte sie den Kopf.   „Captain Janeway, ich habe kein Zuhause mehr. Mein Heimatplanet ist von den Cardassianern besetzt und meine ehemaligen Kameraden des Maquis sind nahezu alle von ebendiesen getötet worden. Zu was oder wem soll ich zurückkehren?“   Janeway schluckte. „Dann gibt es nichts und niemanden mehr, der Ihnen etwas bedeutet?“   „Nur auf diesem Schiff.“   „Dann ist das doch ein Grund mehr um an Bord zu bleiben.“, antwortete Kathryn immer noch voller Unverständnis.   „Damit brechen Sie doch die letzten Brücken hinter sich ab. Bleiben Sie an Bord! Selbst wenn Sie Ihren Rang nicht mehr wahrnehmen wollen, ist es keine Frage, dass Sie hier willkommen sind. Wenn Sie gehen, haben Sie doch nie wieder die Chance es sich anders zu überlegen; Ihre Meinung zu ändern.“   Chakotay schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde nicht bleiben. Ich denke, es ist Zeit zu gehen. Ich werde viele vermissen. Einige mehr.“ Dabei sah er sie mit einem Blick an, der ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut bescherte. „Andere etwas weniger. Aber es wird Zeit für einen Neuanfang. Ich habe leider feststellen müssen, dass das, was ich mir für mein Leben wünsche, hier auf dem Schiff nicht zu haben ist. Ich ziehe nur die Konsequenz daraus.“   Kathryn wendete sich von ihm ab. Ihn in diesem Moment anzusehen, tat ihr weh und außerdem hätte es ihm verraten, wie es ihr ging. Sie schloss die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. Es war ihr nicht bewusst, dass er sie in der glatten spiegelnden Fläche des Fensters sehen konnte.   Es zerriss ihm fast das Herz. Er wusste, dass er ihr weh tat und er tat sich selbst damit mindestens genauso weh, doch er musste gehen. Wenn er bliebe, würde sein ganzes Leben genauso aussehen, wie es jetzt war. Vom Fenster aus hörte er eine schwache Stimme, die nicht so recht zum starken Captain passen wollte, den er sonst kannte. „Ist es wegen mir? Habe ich das verursacht?“   Chakotay seufzte leise. Diese Antwort würde – ja musste - er ihr schuldig bleiben. Alles andere würde zu persönlich werden und Gefühle aufwühlen, die besser begraben blieben. „Captain, ich gehe, weil ich ein anderes Leben führen will, als es hier möglich ist. Und nun sollte ich, denke ich, gehen.   Wenn es Ihnen recht ist, werde ich meine Räume noch bewohnen, bis ich das Schiff verlasse. Ich werde mich zu gegebener Zeit verabschieden. Im Übrigen habe ich die Dienstpläne so angepasst, dass Tuvok meine Schichten problemlos übernehmen kann. Vermutlich ist er Ihre logische Wahl für den Posten des ersten Offiziers. Sollten Sie sich für jemand anderen entscheiden, müsste der Dienstplan angepasst werden.“   Er hatte ihr nicht geantwortet, stellte Kathryn für sich fest. Das allein war ihr Antwort genug. Außerdem war er zum dienstlichen Teil zurückgekehrt und das wahrscheinlich zum allerletzten Mal. Sie blinzelte ungeweinte Tränen weg, räusperte sich und drehte sich zu ihm um. „Sind Sie sich absolut sicher mit dieser Entscheidung, Mr. Chakotay? So sicher, dass Sie ausschließen können, sie irgendwann in der Zukunft revidieren zu wollen?“ Ihr Stimme klang stark und von den Geschehnissen unbeeindruckt.   Mit einer Sicherheit, die er plötzlich gar nicht mehr empfand, antwortete er: „Absolut, Captain Janeway!“ Sie trat auf ihn zu und für einen Moment zog Chakotay in Erwägung, dass sie den dienstlichen Ton vielleicht vergessen und ihn bitten würde zu bleiben. Doch es kam anders.   Kathryn Janeway sammelte alle ihr verbliebene Kraft und sagte, was noch gesagt werden musste. „Nun denn, wenn das Ihr Entschluss ist, dann danke ich Ihnen für die letzten fünf Jahre als mein erster Offizier! In Ihrem Quartier können Sie verbleiben, bis Sie von Bord gehen. Tuvok wird, wie ich ihn  kenne, ohnehin weiter sein jetziges Quartier bewohnen wollen. Sie haben Recht, er ist der logische Ersatz für Sie. Sollten Sie noch etwas an ihn zu übergeben haben, dann tun Sie es bitte. Ich freue mich, Sie kennengelernt zu haben und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.“ Dann trat sie auf ihn zu und überwand ihren innigen Wunsch ihn zu umarmen. Stattdessen hielt sie ihm nur die Hand hin, die er nach kurzem ungläubigen Staunen für einige wenige Sekunden nahm und schüttelte.   Er hatte sich nicht vorgestellt, dass sie ihm einen warmen, liebevollen Abschied bereiten würde, aber dies hier war doch überaus kühl. Ein Händeschütteln und zwei, drei unpersönliche Sätze für fünf Jahre seines Lebens, für unendliche Wochen und Monate, die sie sowohl beruflich, als auch privat verbanden.   Kurz streiften seine Gedanken zu den zwei Monaten auf New Earth zurück, zu den Dingen, die er ihr dort offenbart hatte und die noch immer galten. Doch das schien für sie nicht mehr zu existieren. Sonst hätte sie das sicherlich nicht gekonnt.   Distanziert, wie auch sie sich ihm gegenüber zeigt, nickte er nur, bedankte sich und verabschiedete sich mit den Worten „Ich danke Ihnen. Gute Heimreise, Captain Janeway.“, für immer von ihr. Sie schien keinen Wert darauf zu legen, ihn vor seiner Abreise noch mal zu sehen und nach diesem Gespräch ging es ihm nicht viel anders. Bevor sie darauf etwas erwidern konnte, war er schon durch die Tür geschritten und sie blieb allein im Bereitschaftsraum zurück.   Halb verrückt vor Trauer, Wut und Verzweiflung ließ sie sich in ihren Bürostuhl fallen. Ihr Blick wanderte von der Tür, die sich in gewisser Weise für immer geschlossen hatte, zu seinen Knöpfe für den Rang des Commanders. Tränen schlichen sich erneut in ihre Augen, doch sie gab ihnen keine Chance und ließ stattdessen ihrer Wut freien Lauf und schmiss die Rangabzeichen gegen die Wand.   TBC   Na, habt ihr es kommen sehen? Wahrscheinlich ja. Immerhin gibt es auch nicht so viele Wege für Chakotay mit der Equinox-Geschichte umzugehen. Ob Chakotay das wirklich durchzieht? Über eure Meinung dazu würde ich mich auch diesmal wieder sehr freuen. Hosted by Animexx e.V. 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