No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 15: Kais geheimes Hobby ------------------------------- Es war Nacht. Kai hatte das Restaurant im Hotel verlassen und machte sich auf den Weg zum Unterschlupf. Viele mürrische Gesichter empfingen ihn, als er in der verlassenen und runter gekommenen Lagerhalle ankam. Zähne knirschten. „Wie lange sollen wir noch warten?“ fauchte einer von ihnen, als Kai sich in einen Sessel auf einer Plattform nieder ließ. Er legte seine Wange auf seiner Faust ab und schaute in die wütende Meute. Es mussten um die 100 Vampire sein, die ihm gehorchten. Heute war wieder eine Versammlung, um zu besprechen, wie die nächsten Pläne aussehen. Schon seit Tagen wurde er von den Nichtsnutzen unter Druck gesetzt, damit er endlich aktiv um das Herz der Königin kämpfte. „Ich hab' euch gesagt, dass die Sache nicht so einfach ist. Geduldet euch.“ schnauzte er zurück. Eine Dienerin, eine Menschenfrau, trat näher und reichte ihm ein Glas mit warmen, frischem Blut. Ohne ein Wort des Dankes schickte er sie mit einer schroffen Handbewegung wieder weg. „Wir können uns nicht gedulden. Wir werden gejagt, wie du hoffentlich noch weißt. Wir sind zu schwach – wir halten nicht mehr lange durch!“ rief eine Stimme zurück auf seine Aussage hin. „Es sind schon Dutzende gestorben!“ „Dann müsst ihr euch besser verstecken.“ lachte Kai teilnahmslos und nippte an dem warmen Lebenssaft. Er erntete wildes Zischen für seine Aussage. „Du musst sie nicht mal dazu bringen, sich in dich zu verlieben, das weißt du, oder?“ sagte eine ruhige Stimme, wahrscheinlich die einzige neben Kais. Sie kam von Ares, einem seiner treusten Untertanen und Freunde. „Wie meinst du das?“ Kai blickte zu dem groß gewachsenem Mann. Er hatte bereits graue Ansätze im Haar, sein Gesicht trug eine große Narbe, als wäre er mal dem Feuer zu lange ausgesetzt gewesen. „Ich meine, dass du es auch einfach fressen könntest.“ erklärte der Mann ruhig. Kai stellte sein Glas ab. „Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde.“ sagte er wie aus der Pistole geschossen. „Es kann ja sein, dass sie dir die Macht freiwillig geben muss, aber wir sind Vampire. Wir ziehen die Kraft aus dem Blut, nicht aus der Liebe. Wir brauchen nur ihr Herz. Das alleine reicht schon, um unsere Macht bis ins Unendliche zu steigern.“ fuhr Ares fort. Er war merkwürdig hartnäckig. „Ja, mach's doch einfach so.“ Stimmen der Masse erhoben sich und sprachen sich für Ares' Vorschlag aus. Kai erhob sich, der Raum wurde schlagartig still. Sein Blick wanderte über die namenslosen Gesichter. „Ich gehe.“ seufzte er dann schließlich, ging die Treppen der Plattform hinunter und die Masse teilte sich, um ihn durchzulassen. „Du solltest darüber ernsthaft nachdenken, Kai.“ rief Ares ihm hinterher und trank das Blut aus, das Kai stehen gelassen hatte. Aber Kai erwiderte nichts und verschwand. Seine Füße trugen ihn an einen Ort, den er normalerweise mied. Die Hochhäuser wurden langsamer immer weniger. Bäume und Pflanzen begannen, den Weg zu zieren. Der Mond schien hell und beleuchtete die saubere Straße. Aus Hochhäusern mit Mietwohnungen wurden allmählich Einfamilienhäuser. Pollen flogen durch die Luft. Kai konnte die Gegend mittlerweile ziemlich gut. Er bahnte sich seinen Weg durch die kleinen Gassen, die sich hier und da auftaten und erreichte schließlich sein Ziel. Es war einige Tage her, dass er hier gewesen war. Er beobachtete sie manchmal beim Schlafen. Mit Leichtigkeit sprang er die Hauswand hoch und fand sich, ohne ein Geräusch von sich zu geben, auf dem Dach wieder. Es war eins der oberen Zimmer. Es hatte ein großes Fenster mit Sims, das sich mit Leichtigkeit öffnen ließ. Kai fummelte kurz an dem Schloss herum und tonlos stieß er die Flügelfenster auf, ehe er sich auf dem Sims nieder ließ. Einige Mondstrahlen schafften es, Annas Konturen im Bett zu entblößen. Ihr Haar schimmerte wie flüssiges Gold. Die Luft, die normalerweise gefüllt von ihrem Shampoo, Deodorant und Parfüm war, roch heute Nacht etwas anders. Üblicherweise saß Kai einfach nur da. Wenn er so darüber nach dachte, war er beim 1. Mal nur hier, um ihr Blut zu trinken. Sie hätte nichts bemerkt. Doch irgendetwas hatte ihn diese Nacht davon abgehalten. Er hatte über ihr gestanden, an ihrem Hals und ihren Haaren gerochen. Seine Zunge schmeckte die zarte Haut ihres Halses. Sie schmeckte so süß wie frische Erdbeeren. Zu gerne hätte er seine Zähne in diese makellose Haut versenkt, aber er tat es nicht. Statt sie zu beißen, fuhr seine Zunge erneut über ihren Hals, bis seine Lippen ihn mit wenigen, zärtlichen Küssen bedeckten. Dann war er verschwunden. In der nächsten Nacht wollte er sie auf jeden Fall probieren. Doch auch da hielt ihn auch etwas davon ab. Seitdem kam er nachts einfach nur zu ihrem Fenster, schaute ihr ab und zu beim Schlafen zu und ging wieder, als er selbst zu müde wurde. Nur eine Nacht war anders gewesen: Trotz seiner guten Vorsätze, nicht einzuschlafen, döste er am Fensterrahmen weg. In dieser Nacht bewegte sich Anna, die normalerweise in der Position aufwachte, in der sie einschlief, zum ersten Mal. Irgendetwas hatte ihren festen Schlaf gestört und sie schaute zur Digitaluhr, die ihr verriet, dass es 3:00 Uhr morgens gewesen war. Es war das Rascheln der Bettdecke gewesen, das Kai aus dem Halbschlaf riss. Sie hatte sich aufgesetzt, um etwas zu trinken. Es dauerte nicht einmal eine Sekunde, bis Kai aus dem Fenster verschwunden war. Erst im Nachhinein war ihm aufgefallen, dass er das Fenster in dieser Nacht nicht geschlossen hatte. Seitdem war er nicht wieder gekommen. Aber heute hatte er wieder einen Grund. Im Restaurant war sie wirklich blass um die Nase herum. Die rosigen Wangen, die normalerweise ein Zeichen für gute Durchblutung waren, waren hinter dem MakeUp in ein milchiges Weiß getaucht. Er konnte hören, wie das Blut durch ihre Adern rauschte. Es war nicht ihr normaler Puls. Er roch, wie sie unter dem Kleid schwitzte. Es war nicht nur der Alkohol, den sie ausstieß, es war auch etwas anderes. Kai kannte diesen Geruch von kranken Leuten. Er kletterte vom Fenstersims und lief durch ihr Zimmer. Es war das erste Mal, dass seine Füße bewusst diesen Boden berührten. Seine Augen wanderten über die Bücher im Regal, ihrem Schreibtisch, dann zum Nachttisch über die Uhr und dann wieder zu Anna. Die Luft war verpestet mit Miasma. Es fiel Kai schwer, sein Husten zu unterdrücken. Er zog den Kragen seines schwarzen Hemdes hoch über die Nase und setzte sich neben die schlafende Schönheit. Als seine Finger ihren Arm berührten wurden sie heiß. Sie brannte fast vor Fieber. Vorsichtig strich er die Decke, die sie umklammerte, vom Rücken und entdeckte, zu seinem Leidwesen, dass sie eins von Adams Shirts zum Schlafen trug. Sein Finger fuhr über die Konturen ihres Rückrats. Der Stoff des Shirts war klamm vom Schweiß der Kranken. Kai stand leise auf, um das T-Shirt hoch zu ziehen. Er wollte es sehen. Anna gab kaum einen Ton von sich, als er sie auf den Bauch legte und sich über sie kniete. Seine Knie hatte er neben Annas Brust platziert, während er sich selbst auf ihrem Po setzte. Er war eine schöne Sitzunterlage, musste Kai sich eingestehen. Doch der Anblick, der sich ihm auftat, brachte sein trockenes Herz in Wallung. Zuerst dachte er, er würde halluzinieren. In der Hoffnung, dass Anna nicht aufwachte, zog er das Shirt noch höher und entblößte auch ihren Oberkörper, als er es in ihren Nacken rollte. Es war eines der schönsten Dinge, die der Vampir jemals gesehen hatte. Das fahle Mondlicht offenbarte das kleine Wunder, dass auf Annas Rücken stattfand. Feine Linien zogen sich, Millimeter für Millimeter, durch ihre Haut, als würde man sie mit einem Messer einschneiden. Sie leuchteten kurz rot glänzend auf und fielen dann sofort in ein undurchdringliches Schwarz, das nicht mal mehr das Mondlicht beleuchten konnte. Immer und immer wieder bahnten sich neue Linien durch die Haut, formten Muster, erlagen dem Schwarz und verschwanden plötzlich, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Es war, als wäre ihr Tattoo lebendig. In purer Faszination beobachtete Kai das Spektakel. Es mussten bestimmt um die 20 Minuten gewesen sein. Immer wieder bildeten sich Schweißperlen auf Annas Rücken, die er mit dem Finger wegwischte. Er leckte über seinen Finger, der von dem salzigen Wasser bedeckt war, und ihn überkam erneut das Verlangen, Anna mit Haut und Haaren zu fressen. Die Linien, die sich rot in ihre Haut ritzten, taten das, wozu er sich im Moment nicht durchringen konnte. Neid erfüllte ihn. Wieso konnte er ihr nicht einfach die Haut aufschneiden und von ihrem Blut kosten? Seine Fingernägel kratzten leicht über die Haut des Rückens, die schon die ganze Zeit von dem Tattoo gemieden wurde. Er zog mit den Nägeln feine, rote Linien. Zu seiner Enttäuschung begann sie nicht zu bluten, im Gegenteil: Es dauerte nur eine Sekunde, bevor die Kratzer wieder verschwanden. Kai ließ von Anna ab. Ihm wurde schwindelig, das Miasma wurde langsam zu stark für ihn. Er zog ihr das Shirt wieder runter, erhob sich von dem weichen Po, den er trotz aller Zurückhaltung kurz berührte, um zu testen, wie er sich anfühlte, und richtete sich dem Fenster zu, um zu gehen. Er fror in seinem Gang fest. Das Mondlicht fiel auf schneeweißes Haar. Blaue Augen starrten ihn emotionslos an. Der kleine Junge, den Anna das letzte Mal mit in den Schülerratsraum gebracht hatte, saß dort, wo er sie immer beobachtet hatte. Er sagte kein Wort. Er war größer als noch vor ein paar Tagen. Er sah aus, als wäre er in dem kleinen Zeitraum um drei Jahre gealtert. Das Blau in seinen Augen schimmerte wie der Himmel in einer hellen Nacht. Sie ließen Kai nicht los. Seit wann war er da? Seit wann hatte er ihn beobachtet? Würde er Anna erzählen, was er getan hatte? Dass er hier gewesen war? Kais Gedanken überschlugen sich. Vielleicht sollte er ihn einfach töten. Bei diesem Gedanken trugen seine Füße ihn automatisch sofort zum Fenster. Seine Hände packten die kleine Schultern und mit einem Ruck hing der Junge im Freien. Nur Kais Hände hielten ihn noch oben. Die Höhe des Fensters war nicht lebensgefährlich. Würde Kai ihn fallen lassen, würde das nicht reichen, um ihn zu töten. Er starrte in die blauen, leblosen Augen. Er könnte ihn aufschlitzen und trinken wie eine Capri Sonne. Er könnte ihn auch einfach mitnehmen und dem Rudel der hungrigen Vampire überlassen. Während Kai darüber nachdachte, was die beste Methode wäre, den kleinen Jungen zu töten, merkte er nicht, wie seine Sicht verschwamm. Erst, als er Shiro doppelt sah, wurde ihm bewusst, dass das Miasma ihn weiterhin vergiftete. Und dann sah er die erste Emotion, die ihm dieser kleine Wicht offenbarte: Ein Lächeln. So unschuldig und so schadenfroh zugleich, dass Kai am liebsten vor Wut aufgeschrien hätte. Seine Finger bohrten sich in die Schulter des Jungens. Das Lächeln wurde immer breiter, bis er plötzlich seine weißen Zähne entblößte. Das waren keine Milchzähne. Es waren spitze, Fleisch suchenden Reißzähne. Kai ließ Shiro los und sprang über das Fenster aufs Dach. Der Junge landete im Blumenbeet. Der Vampir betrachtete den Körper der kleinen Gestalt. Diese schien sich erst nicht bewegen zu wollen, dann, langsam und vorsichtig, rappelte sich der Wolfsjunge wieder auf. Seine Augen gingen sofort zum Dach. Er grinste immer noch. Ein Grinsen eines Wahnsinnigen. Kai schnalzte genervt mit der Zunge. Seit wann pflegte Anna den Kontakt mit mörderischen Bestien? Er sprang vom Dach runter und begab sich Richtung Gartentor, um zu gehen. Er war lang genug geblieben und hatte weiß Gott genug für heute gesehen. Als er durch die Eisentür treten wollte, hielt ihn jedoch noch jemand fest. „Komm' nicht wieder.“ Die Stimme, die ertönte, war wie purer Bass. Hätte Kai sich nicht umgedreht und gesehen, wie Shiro diese Worte formte, hätte er schwören können, dass der Junge nicht Quelle dieser Stimme sein konnte. Es war so ein tiefes, angsteinflößendes Knurren, dass es ihm das Blut in den Adern erfrieren und Kai sich unweigerlich seine Gänsehaut eingestehen ließ. „Sie gehört mir. Komm' nicht wieder. Ich fresse dich und deine ganze Sippe.“ Die blauen Augen waren auf Kai fixiert. Seine Kehle wurde trocken, als er sah, dass der Wolf genau diese betrachtete, als würde er nur die geeignete Sekunde abwarten, um ihn anzuspringen und den Hals aufzureißen. Kai riss sich los. „Ich komm' wieder, wann es mir passt, kleiner Mann. Versuch' nur, sie vor mir zu beschützen. Sie wird trotzdem irgendwann mir gehören.“ grinste Kai. Wenn der Junge einen Kampf haben wollte, bitte. Aber er war bei weitem die letzte Person, mit der man sich anlegen sollte. Er tätschelte Shiro höhnisch und arrogant den Kopf, bevor er zurück in die Nacht ging. Die nächsten Tage kam Anna nicht zur Schule. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)