Familyproject von myamemo ================================================================================ Kapitel 69: Neunundsechzig -------------------------- Mit einem tiefen Atemzug setzte Kyo das letzte Kreuz auf seine Postkarte, die einen Kalender dar stellte. Schweigend betrachtete er sich die ganzen Monate, die er warten musste. Doch Morgen sollte es soweit sein und sein Mädchen war endlich bei ihm. Glauben konnte er es zwar immer noch nicht und das würde auch bestimmt noch eine ganze Weile so bleiben, aber er freute sich trotzdem wie ein Schnitzel und am liebsten würde er sofort aufspringen und die Bude einrennen, um Natsuki zu sich zu holen. Doch ein paar Stunden Geduld musste er noch aufbringen, ob er wollte oder nicht. Einen Moment betrachtete er sich noch einmal den Kalender, besah sich die vielen Kreuze, die er tapfer jeden Tag gemacht hatte und ein bisschen melancholisch gestimmt strich er mit seinem Zeigefinger leicht über die Kreuzchen und spürte richtig die Kerben, die einige Stifte drauf hinterlassen hatten. Das tägliche Ankreuzen war ja schon so etwas wie eine Gewohnheit geworden und die ersten Tage würde ihm bestimmt etwas fehlen, aber dennoch hatten sie ihren Zweck erfüllt und die Zeit war endlich verstrichen. Nach einem letzten Blick legte er die Karte nun endlich zur Seite. Müde fuhr der Sänger sich über seine Augen, bevor er aufstand und sich aus seinem Schlafzimmer eine lange Schlafhose und ein einfaches Shirt holte. Der Tag war anstrengend gewesen und er wollte sich nur noch etwas Wasser ins Gesicht spritzen und seine Zähne putzen. Mit seinen Schlafsachen bewaffnet betrat er auch gleich den gefliesten Raum und ohne zu zögern befreite sich der Sänger von seinen Straßenklamotten, verfrachtete sie gleich in den Wäschekorb, und stieg in seine Schlafsachen. Duschen musste er jetzt nicht mehr, da er vorhin, nach dem Konzert, erst den Schweiß von sich gewaschen hatte. Erst morgen Früh würden die anderen Körperteile wieder Wasser sehen. Als seine Sachen nun komplett gewechselt waren nahm er sich seine Zahnbürste, gab ordentlich Zahnpasta drauf und schob sie sich dann in den Mund, nur um kurz drauf seine Zähne mit kreisenden Bewegungen zu säubern. Immer wieder fielen ihm dabei die Augen zu und nach dem fünften Mal legte er einen Zahn zu und die kreisenden Bewegungen wurden dann doch nicht mehr ganz so akribisch ausgeführt. Kyo spülte dann nur noch seinen Mund mit Wasser aus, ehe er sich noch etwas ins Gesicht spritzte, dann schnappte er sich schon sein Handtuch und trocknete sich ab. Nachdem alles wieder an seinem Platz stand tapste er barfuß in sein Schlafzimmer und ließ sich anschließend in sein Bett fallen. Erst als er schon im Bett lag und sich schon halb in seine Decke gekuschelt hatte, fiel ihm ein, dass er das Licht eventuell auch ausschalten sollte. Grummelnd kämpfte er sich wieder aus seinem Bettzeug, kroch zum Lichtschalter, kippte diesen um und schlich danach wieder ins Bett. Diesmal allerdings ein bisschen mit Bedacht, da er das Talent hatte im Dunkeln immer irgendwo dagegen zu rennen, auch wenn eigentlich nichts im Weg stand, treffen tat er mit seinen nackten Zehen dann aber doch irgendwie immer etwas. Doch diesmal sollte er verschont bleiben und als er diesmal in seinem Bett lag, kriegte ihn nichts mehr so schnell heraus. Erst am nächsten Morgen rührte sich der Blondschopf wieder. Aber auch nur, weil sein Wecker meinte, dass es Zeit zum Aufstehen war. Zuerst wollte er das nervige Gepiepe einfach ignorieren, aber mit jedem weiteren Ton drängte sich etwas in seinen Kopf, was scheinbar ziemlich wichtig war. Nur was war das gleich noch einmal? Kyo analysierte das Piepen und irgendwann hatte er es so verinnerlicht, dass es ihm quasi „Na-tsu-ki, Na-tsu-ki, Na-tsu-ki“, entgegen plärrte. Sofort riss er seine Augen auf und hämmerte mit seiner Faust auf den Wecker, der kläglich unter Kyos kraft nachgab und dann einfach sein Gehäuse fallen ließ und nur noch das Display, samt dem Innenleben, auf seinem Nachttisch stand. Das Gehäuse selbst lag verteilt herum, aber der Wecker war trotzig und zeigte immer noch rote Ziffern an. Ein wenig perplex besah der Sänger sich sein ‚Werk‘ und er wusste nicht so recht, ob er lachen oder weinen sollte. Er entschied sich letzten Endes fürs Ignorieren und er warf stattdessen seine Bettdecke zurück. Sofort fröstelte es ihn und am liebsten wäre er wieder zurück gekrochen, aber heute war der große Tag gekommen und Kyo konnte es sich nicht leisten zu spät zu kommen. Also kniff er seine Arschbacken zusammen und er schlich zu seinem Kleiderschrank, um sich seine Jeans, ein weißes Hemd und ein Paar Socken zu angeln. Damit ging er ins Bad und befreite sich diesmal von seinen Schlafsachen, die er auf seine Waschmaschine schmiss. Nackt stieg er in seine Dusche und er seufzte wohlig auf, als das warme Wasser auf seine Haut traf. Zunächst genoss er das warme Nass, bevor er zum Shampoo griff und seine Haare ordentlich wusch, genauso wie seinen Körper, den verwöhnte er allerdings mit Duschgel. Die Dusche weckte dann doch ziemlich alle Lebensgeister von ihm und nachdem er abgetrocknet und angezogen war, verzog der Sänger sich in seine Küche. Die Kaffeemaschine wurde auch gleich zu einem ausgiebigen Dienst verdonnert, dann saß er mit einer großen gefüllten Kaffeetasse schon am Tisch. Essen konnte er jetzt irgendwie nichts, denn er hatte ein richtig flaues Gefühl im Magen und ihm flatterte beinahe schon das Herz, so aufgeregt war er. Kyo kam sich vor, als würde er zum ersten Mal im Leben in das Heim gehen und sein Adoptivkind sehen, dabei war er mit den Angestellten und der Heimleiterin schon fast per Du. „Gott, komm mal runter, du bist ja wie auf Droge“, schüttelte er über sich selbst den Kopf und im nächsten Moment fragte er sich, ob denn da Kaffee das richtige war, sollte er denn da nicht lieber einen Beruhigungstee trinken? Allerdings war die Zeit zum Zubereiten eines Tees dann doch etwas knapp und er hielt sich dann lieber doch weiterhin an seiner Kaffeetasse fest, bis er sie geleert hatte. Ein wenig spielte er noch etwas an ihr herum, bis er aufsprang, sie in die Spüle stellte und dann Schnurrstracks in den Flur marschierte, wo er sich gleich seine weißen Sneakers anzog und sich seine schwarze Lederjacke überwarf. Kyo konnte einfach nicht länger in seiner Wohnung sitzen und warten bis die letzten zwei Minuten verstreichen würden. Zwar waren zwei Minuten jetzt nicht gerade viel, aber so wie er sich kannte würde er nicht gemütlich durch die Straßen Tokyos laufen, sondern schon fast mit einem Affenzahn den Weg hinter sich bringen. Einen Moment dachte er daran sein Auto zu nehmen, aber er entschied sich dagegen, denn so viele Sachen hatte Natsuki dann nun auch nicht. Sie hatten im Vorfeld schon einige Sachen aussortiert, die sie im Heim lassen und anderen Kindern überlassen würde. Vieles sah einfach nicht schön aus, oder war zu klein oder zu groß. Und bevor Kyo den ganzen Mist bei sich zu Hause herum liegen hatte, dann sollten die sich im Kinderheim lieber darum kümmern. Er für seinen Teil, verbrachte da lieber einen gemütlichen Tag mit Natsuki im Einkaufszentrum, wo sie sich neue Kleidung aussuchen konnte. Wie er es von sich erwartet hatte, rannte er die Straßen schon regelrecht entlang und zehn Minuten vor zehn Uhr kam er bei der Einrichtung an, also viel zu früh. Die Nervosität war noch immer nicht verschwunden und das erste Mal, seit dem er aufgehört hatte zu Rauchen, bereute er es. Was würde er jetzt für eine Zigarette tun, die ihn bestimmt etwas beruhigen würde?! „Du bist doch bescheuert“, schallte er sich dann aber schon im nächsten Moment und er würde sich selbst die Löffel langziehen, wenn er wieder zum Glimmstängel greifen würde, schließlich ging es ihm ohne dem ganzen Dreck viel besser. Ein paar Minuten tigerte er wie ein angeschossenes Gnu vor dem Tor des Kinderheimes herum, bis er an der Schulter berührt wurde und Kyo jämmerlich zusammen zuckte. „Hey, ich bin es doch nur“, hob Yuna gleich abwehrend die Hände. „Ist alles in Ordnung?“, schaute sie aber im nächsten Moment besorgt aus der Wäsche. „Das kannst du doch nicht machen!“, fasst er sich ans Herz und Kyo sah die junge Frau schwer atmend an. „Tut mir leid, ich dachte du hättest mich gehört“, entschuldigte sie sich gleich wieder. „Wieso bist du denn nicht drin? Ist was passiert?“, hielt sie sich aber nicht lange an der Sache auf. „Schon gut“, hatte sich sein Herz dann auch wieder soweit beruhigt, das es nur noch vor Aufregung schnell schlug. „Wenn ich ehrlich bin, geht mir der Arsch auf Grundeis“, gab er dann aber zu. „Huh? Warum denn das?“ „Ich habe keine Ahnung, aber ich bin so aufgeregt, wie schon lange nicht mehr.“ „Hey, atme mal tief durch und schau mich an“, trat Yuna einen Schritt näher und sie zog den Sänger an seinem Kragen etwas zu sich heran. Der tat was sie sagte, doch seine Aufregung legte sich trotzdem nicht. „Man könnte meinen, du triffst Natsuki heute das erste Mal“, schmunzelte sie. „Ich weiß“, brummte Kyo stattdessen nur. „Mensch Kyo, nun zieh nicht so ein Gesicht! Müsstest du heute nicht strahlend durch die Gegend springen und allen dein Glück zeigen?“ „Ich versuche es ja, aber ich bin so aufgeregt, ich könnte kotzen“, verstand er sich selbst nicht. „Kannst du nicht mir rein kommen?“ „Oh nein, das machst du mal schön alleine. Den Moment will ich euch beiden nicht wegnehmen. Wenn du willst, kann ich nach der Arbeit vorbei kommen aber eher wird es nichts werden und da wir gerade dabei sind. Ich muss jetzt endlich rein, bevor mein lieber Kollege wieder einen halben Kollaps bekommt, weil er befürchtet alles allein machen zu müssen“, redete Yuna gleich für zwei und das zauberte Kyo dann doch ein kleines Lächeln aufs Gesicht. „Schade“, murmelte er trotzdem. „So und während ich meinem Kollegen in den Arsch trete, bewegst du dein Prachtexemplar jetzt da rein und holst dir endlich dein Mädchen, auf welches du doch schon so lange gewartet hast“, strich sie ihm den Jackenkragen wieder glatt, da sie diesen etwas in Unordnung gebracht hatte und stellte sich für einen Moment auf die Zehenspitzen um dem Sänger einen süßen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Okay, das werde ich tun“, wisperte er an Yunas Lippen und nahm sich die Freiheit heraus sich noch einen Kuss von ihr zu stehlen. Sie lösten sich dann und die junge Frau zeigte ihm noch beide Daumen nach oben, bis sie winkend im Gebäude der Companie verschwand und er jetzt wieder allein vor dem Kinderheim stand. „Okay, dann mal los“, räusperte er sich ein letztes Mal, bevor er seine Schultern straffte und sich dann endlich in das Innere des Gebäudes begab. Sein Weg führte ihn zunächst ins Büro, wo die Heimleiterin schon wartete. Freundlich kam sie ihm entgegen und bot ihm den bekannten Platz vor ihrem Schreibtisch an. Kyo kam es so surreal vor, dass er nun das letzte Mal hier sitzen würde. „Heute ist es endlich soweit“, schmunzelte sie noch immer und der Sänger konnte nur nicken, während er sich seine schweißnassen Hände an seiner Hose trocknete. Er musste dringend ruhiger werden, schließlich konnte ja nichts mehr schief gehen. Die Heimleiterin händigte ihm dann noch die ganzen Papiere aus. Geburtsurkunde, Impfausweiß, Versicherungskarte und natürlich die Adoptionsurkunde. Am Ende war es ein ganz schöner Stapel, da er seinen Adoptionsantrag und den Antrag für den Kindergarten auch gleich mit bekam. Aber Kyo war es ganz recht so, denn da hatte er alles schwarz auf weiß, falls wirklich mal etwas sein sollte und da war er wirklich lieber vorbereitet, als dann am Arsch. Ihm wurde noch erzählt, das vom Jugendamt sicherlich auch mal ein unangekündigter Besuch kommen könnte, einfach um zu sehen, wie die beiden im Alltag so zurechtkamen, ansonsten würden sie ihre Ruhe haben und ihr Leben leben können. „Dann will ich Sie mal nicht weiter aufhalten. Wo Natsuki ist, das wissen Sie ja. Die Kleine kann es kaum erwarten, bis Sie endlich zur Tür rein kommen und ich denke wir sollten das Mädchen und auch Sie endlich erlösen, denn Sie wirken auch recht aufgeregt“, erhob die Heimleiterin sich mit diesen Worten und der Sänger konnte dem nur zustimmen. „Zwar sagt man ‚Auf Wiedersehen‘ aber ich hoffe so schnell sehen wir uns dann doch nicht wieder, außer Sie wollen vielleicht doch noch ein weiteres Kind zu sich nehmen“, zwinkerte sie, doch Kyo lehnte dankend ab. „Natsuki reicht mir erst mal“, grinste er ein wenig schief, bevor er das Büro mit einem letzten Gruß verließ und das Zimmer von Natsuki ansteuerte, wo die Tür schon offen stand. Ganz langsam trat er an die Tür und er linste erst nur hinein, um zu sehen, was seine kleine Lady gerade machte. Diese saß auf ihrem ehemaligen Bett und hielt die Karte, worauf der Kalender abgebildet war, den er ihr geschenkt hatte, sowie einen Bilderrahmen – ganz sicher der mit dem Bild ihrer Eltern – in den Händen. Beides schaute sie an und sie wirkte sehr zufrieden. Der Sänger ließ ihr noch einen Moment, bevor er an den Türrahmen klopfte und seinen Kopf endgültig hindurch steckte. „Hallo Tsuki-chan“, begrüßte er sie und lächelte. Mit einem Mal war die Aufregung verschwunden und er verspürte nur noch Freude und Glück und schon beinahe absolute Zufriedenheit in sich. „Da bist du ja endlich“, sprang sie sofort auf und warf sich in seine Arme, die er gerade so noch öffnen konnte. „Ja, da bin ich endlich“, murmelte er und drückte das Mädchen ganz fest an sich heran, da er es immer noch nicht richtig fassen konnte und erst jetzt fing er so langsam an zu realisieren, dass sie beide nun in ein ganz neues Leben starteten. „Wie sieht’s aus, gehen wir nach Hause?“, fragte er nach einigen Minuten, in denen sie sich nur umarmt hatten. „Ja, wir gehen jetzt nach Hause“, nickte Natsuki. Zufrieden schulterte Kyo ihre Tasche, worin all ihre Sachen verstaut waren, den Rucksack mit den Einhörnern setzte er ihr auf, nachdem er die Karte und den Bilderrahmen darin noch verstaut hatte und den großen Teddy reichte er ihr auch noch. Zuletzt nahm er mit seiner freien Hand ihre und zusammen verließen sie das Kinderheim und für beide stand fest: betreten würden sie es nie wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)