Familyproject von myamemo ================================================================================ Kapitel 66: Sechsundsechzig --------------------------- Sein Handy war schnell wieder weggesteckt und erst jetzt sah der Sänger, dass Natsuki noch ihren Schlafanzug an hatte. Er konnte von Glück reden, dass sie sich ihre Straßenschuhe und ihre Jacke angezogen hatte. Aber ihre Beine steckten eindeutig in dünnen Schlafanzughosen und die wedelten leicht im Wind herum. „Ist dir kalt?“, fragte er deswegen zuerst und zog den Reißverschluss ihrer Jacke noch etwas höher, um das Mädchen noch mehr vor dem ekligen Wind zu schützen. Doch sie schüttelte ihren Kopf, was Kyo beruhigend fand, da er nicht gewusst hätte, wie er sie weiter warm halten sollte, ohne sie zurückbringen zu müssen. „Muss ich jetzt wieder zurück?“, fragte Natsuki dann schon im nächsten Moment und sie schaute ihn aus riesigen Bambiaugen an. „Nicht sofort. Wir schauen uns das Feuerwerk zusammen an und dann bringe ich dich wieder zurück“, sagte er sanft und hob sie dann einfach auf seine Arme, damit er die kleine Lady mit zu den anderen nehmen konnte. Nickend hielt sie sich an ihm fest und drückte ihren Teddy halb an sich und halb an Kyo. Der Umgang mit ihr war für den Sänger mittlerweile schon so zur Gewohnheit geworden und es machte ihn ziemlich glücklich und zufrieden, dass sie so schön miteinander auskamen und harmonierten, den kleinen Zwischenfall mit Yuna mal außen vor lassend. Zusammen erklommen sie den restlichen Hügel, bis sie oben angekommen waren und Kyo ein bisschen ziellos herum lief, da er nicht mehr wusste, wo genau die anderen standen. Er wollte schon zu seinem Handy greifen, als er Shinya mit dem Mops sah. Sofort ging er auf die beiden zu und erblickte nur drei Meter weiter die anderen fünf. Also schlug er einen Haken und steuerte stattdessen die Meute an. Kaum hatte Yuna sie erblickt, kam sie auch sofort auf sie zu. „Du hast sie gefunden!“, sagte sie sofort und umarmte spontan die beiden. „Geht’s dir gut?“, redete sie gleich weiter und meinte Natsuki, die auf die Frage nickte. Die anderen wurden dadurch auch auf sie aufmerksam und versammelten sich um sie. „Dai, kannst du ihr deine Mütze aufsetzten?“, fragte der Sänger zwei Minuten später, da es auf dem Berg ein bisschen windiger war, als im Tal und er hatte vorher gesehen, wie er sich eine Kopfbedeckung in die Jackentasche gestopft hatte, als sie losgelaufen waren. „Na klar“, sagte der sofort und zauberte die dunkelgraue Mütze aus seiner Jackentasche heraus. „Schlag ein Tsuki-chan“, hielt er dem Mädchen vorher aber noch seine Hand entgegen und wartete, bis sie ihm ebenfalls ein High-Five gab. Amüsiert schüttelte der Sänger seinen Kopf, da die Szene ebenfalls schon so vertraut war, ganz so, als wäre das Mädchen schon immer mit dabei. Das ganze schien Noriko auch zu denken, als sie neben Daisuke stand und ihn genauestens beobachtete. Kyo schaute zu, wie sie eine Hand an ihren Bauch legte, der unter der Jacke kaum zu erkennen war und sie bekam einen richtig verliebt, glücklichen Ausdruck im Gesicht. „Das ist also Natsuki“, hob sie plötzlich den Blick von Daisuke weg und schaute stattdessen Kyo an, der kurz erschrocken war, da sie ihn mit einem Mal ansprach. „Ja, das ist sie“, nickte er aber und schaute kurz zu dem Mädchen, die sich die Mütze aus den Augen schob, da diese etwas zu groß und ihr deswegen ins Gesicht gerutscht war. „Sie steht dir“, schmunzelte die junge Frau dann und brachte den Sänger mal wieder bisschen aus der Fassung. „Ehm… danke“, wusste er darauf nichts zu sagen. Zu seinem Glück ertönten dann aber die ersten Raketen vom Feuerwerk und er konzentrierte sich lieber jetzt da drauf. Hoch stiegen die Raketen in den Himmel und explodierten in den wunderbarsten Farben. Große weiße Bälle er schienen, die wirkten wie riesengroße Pusteblumen und manchmal hatte man das Gefühl, dass sie immer näher kamen. Darunter vermischten sie noch grüne Raketen, die aussahen wir Ranken und Blumenblätter. Nach diesem Schauspiel tanzten weiter bunte Raketen am Himmel. Der Sänger konnte seinen Blick nur sehr schwer abwenden, doch für einen Moment zwang er sich dazu und schaute zu dem Mädchen in seinen Armen. Ihre Augen waren groß, der Mund stand staunend offen und ihre Wangen schimmerten feucht. Moment, sie schimmerten feucht? Kyo blinzelte und sah schon die nächste Träne über die kleine Wange kullern. Beim genaueren Hinsehen erkannte er, dass ihre Unterlippe ebenfalls leicht bebte. Dennoch starrte sie weiter in den Himmel und schien jede Rakete genau in ihrem Gedächtnis abzuspeichern. „Ihr scheint es wirklich sehr viel zu bedeuten“, flüsterte Yuna plötzlich in sein Ohr und ließ Kyo seinen Blick von dem Mädchen abwenden. Kurz sah er zu der jungen Frau und nickte. Diese schmiegte sich dann einfach an seine freie Schulter und beschaute sich das Feuerwerk weiter, so wie er ebenfalls. Das Feuerwerk ging lange, doch irgendwann war es vorbei und Natsuki starrte weiterhin in den Himmel, in der Hoffnung, dass es doch noch weitergehen würde. Ihre Wangen waren immer noch Tränen nass und schimmerten in dem Mondlicht, welches wieder stärker wurde, da der Qualm von den Raketen langsam abzog. „Ich will zu Mama und Papa“, murmelte sie leise und sah Kyo bittend an, der sofort einen Kloß im Hals hatte. Ihm fehlten die Worte und ihr trauriger Blick zerriss ihm das Herz. „Bitte, ich will zu Mama und Papa“, sagte sie wieder und die Unterlippe begann heftig zu beben und dicke Tränen traten aus den todtraurigen Augen. Der Sänger schluckte und biss sich selbst fest auf die Unterlippe, ehe er sie fest an sich drückt und seine Augen schloss. „Ich würde dir so gerne diesen Wunsch erfüllen“, murmelte er und wiegte sie sanft hin und her. Das tat so weh zu wissen, dass er ihr in dieser Hinsicht nicht helfen konnte. „Warum haben sie mich nicht mitgenommen?“, drückte sie sich weg und schaute den Sänger wieder an. „Haben sie mich nicht mehr lieb gehabt?“, konnte er die Frage kaum verstehen, da sie so sehr weinte. Doch als die Bedeutung ihrer Worte bei ihm an kamen, tropften ihm selbst die Tränen aus den Augenwinkeln. Aber er durfte jetzt nicht zusammenbrechen. Er musste stark für das kleine Mädchen sein, die schon viel mehr Stärke in ihrem kurzen Leben bewiesen hatte, als sie anderen alle zusammen in ihrem ‚langen‘ Leben. „Doch, natürlich haben sie dich lieb gehabt. Deswegen bist du ja noch hier und nicht bei deinen Eltern“, antwortete der Sänger erstickt. „Aber ich will zu Mama und Papa“, sagte sie wieder. „Ich vermisse Mama und Papa.“ „Das ist auch gut, dass du sie vermisst“, schluckte er dann zunächst und zog seine Nase hoch. „Und deine Mama und dein Papa sehen das auch ganz genau. Siehst du die zwei hellen Sterne da oben am Himmel?“, fragte er und deutete mit einer Hand kurz nach oben, wo wirklich zwei große, helle Punkte nebeneinander waren. Schluchzend nickte Natsuki. „Das sind deine Mama und dein Papa. Die haben dich immer im Blick und passen auf dich auf. Wenn du traurig bist, sind sie mit dir traurig. Wenn du wütend bist, sind sie mit dir wütend. Wenn es dir schlecht geht, geht es ihnen auch schlecht und wenn du glücklich bist, sind sie auch glücklich“, hatte er eigentlich keine Ahnung, was er ihr erzählte, aber er wollte nicht mehr in das traurige Gesicht sehen. „Aber warum bin ich nicht mit da oben?“, fragte sie wieder und schaute den Sänger kurz an, bevor sie wieder in den Himmel sah und ihre kleine Hand in den Himmel hielt, ganz so, als wollte sie nach den Sternen greifen. „Weil deine Zeit zum Gehen noch nicht da war. Scheinbar hatten sie da oben was ganz wichtiges zu erledigen und während sie das tun, wachen sie auch gleichzeitig über dich und versuchen dir ein schönes Leben zu ermöglichen“, und er wollte ihr natürlich auch ein schönes Leben bieten. „Ich will aber ohne Mama und Papa nicht hier bleiben“, sagte sie wieder und erneut wurde sie von ihren Tränen überrannt, die alle an ihren Wangen herunter liefen und teilweiße in ihren Wimpern hängen blieben. „Ich weiß, Natsuki, ich weiß.“ Gott, dieser Abend verlangte gerade alles von ihm ab und der Sänger hätte wirklich nie gedacht, dass er so werden würde. Zwar hatte er mit ein paar Emotionen, seitens Natsuki, gerechnet, aber nicht, dass es in solch einer tragischen Traurigkeit ausartete. Nein, eher hatte er an ein fröhliches Staunen gedacht, sobald die ersten Raketen in der Luft explodierten. Die Anhöhe war dann schon ziemlich leer geworden und Kyo bemerkte es erst, als Yuna ihn sanft an der Schulter berührte. „Wir wollen gehen“, sagte sie sanft. Yuna sah auch ein bisschen aufgewühlt aus und auch ganz leicht mitgenommen. „Gleich“, nickte er und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen in seinen Armen, die noch immer leise vor sich hin schluchzte, aber dennoch schon wieder etwas ruhiger war. „Wir müssen jetzt gehen, verabschiedest du dich noch? Wir kommen auch bald wieder hier her, versprochen“, sagte er leise und zog Natsuki die Mütze wieder etwas aus dem Gesicht, da diese ihren Halt erneut verloren hatte. Das Mädchen zog die Nase hoch, nickte aber. Wieder streckte sie die Hand in den Himmel und sie winkte den Sternen entgegen. „Schlaft gut, ich muss jetzt wieder ins Bett. Ich hab euch lieb“, murmelte sie. Kurz drückte das Mädchen ihre Hand an den Mund, deutete einen Kuss an und warf ihn in den Himmel. Das ganze machte sie zwei Mal, ehe Natsuki sich an Kyo kuschelte, sich aber so drehte, dass sie weiterhin die Sterne sehen konnte. Der Sänger spürte, wie sie mit einer Hand so lange winkte, bis ihr der Arm zu schwer wurde und ihn sinken ließ. Auf dem Rückweg war er dankbar, dass die anderen ihn nicht ansprachen. Zwar bemerkte er schon, wie sie sich immer wieder umdrehten, doch das konnte er ignorieren. In seinem Kopf kreiste immer noch das gerade erlebte und sein Herz tat richtig weh. Mit nichts hatte das Mädchen so einen Start in ihr Leben verdient und auch wenn er es nicht ändern konnte, fühlte er sich nicht besser und Kyo hatte fast das Gefühl, dass es ihn mehr mit nahm, als Natsuki selbst. Da er sie wieder zum Kinderheim bringen musste, trennten sich ihre Wege an einer Kreuzung. Yuna musste allerdings noch einmal mit zu Daisuke, da sie ihre Handtasche dort noch liegen hatte und sie wollten sich an ihrer Wohnung treffen. Im Kinderheim angekommen wurde er auch schon erwartet. Er bekundete den Leuten dort gleich ruhig zu sein, da er jetzt keine Lust auf Tumult hatte, zudem er an Natsukis Körperhaltung erkannt hatte, dass sie auf dem Heimweg eingeschlafen war. „Ich bring sie in ihr Bett“, murmelte er nur und begab sich in ihr Zimmer, wo er sie sanft aufs Bett legte. Vorsichtig zog er ihr die Schuhe von den Füßen und irgendwie schaffte er es auch ihr die Jacke auszuziehen. Die Mütze war zuvor schon abgefallen, die würde er aufheben, wenn er das Zimmer verließ. Liebevoll deckte er die kleine Maus noch zu, gab ihr ein Küsschen auf die Stirn und hoffte, dass sie am nächsten Tag nicht mehr mit ganz so viel Traurigkeit ausgestattet war. Nur wiederwillig erhob er sich von der weichen Matratze, schnappte sich die herunter gefallene Mütze und verließ dann das Zimmer. „Sie sehen fertig aus“, durfte er im nächsten Moment zusammen zucken, da die Heimleiterin aus der Dunkelheit trat und neben ihm zum Stehen kam. „Irgendwann bringen Sie mich noch ins Grab“, grummelte der Sänger. Aber mit einem hatte sie recht, er war wirklich fertig und er konnte noch immer das getrocknete Salz seiner Tränen auf seinen Wangen spüren. „Ist alles in Ordnung?“, ließ die Heimleiterin sich davon aber nicht ablenken, sondern sie musterte den Sänger gleich noch etwas genauer. „Ja, ich denke schon“, nickte er aber und er hoffte, dass er das Schiff vor dem Untergang gerettet hatte. „Ich würde dann jetzt auch gerne nach Hause gehen, der Tag war anstrengend und die Suche hat auch ganz schön geschlaucht“, erklärte er und ohne auf eine weitere Antwort zu warten, drehte Kyo sich um und verließ das Heim. An der frischen Luft atmete er zunächst tief durch, schlug dann aber den Weg zu Yuna ein, denn ihre Nähe wollte er jetzt haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)